OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.05.2016 - 12 A 482/15
Fundstelle
openJur 2019, 4796
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 13 K 4873/13
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Eine Zulassung der Berufung kommt nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO in Betracht, wenn ein Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der in § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Frist dargelegt worden ist und vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall. Das mit Schriftsatz vom 9. März 2015 fristgemäß angebrachte Zulassungsvorbringen rechtfertigt eine Zulassung der Berufung nicht. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO sind nicht dargelegt oder liegen nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht.

Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagte nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG zum Erlass des angefochtenen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides berechtigt gewesen sei, weil die Klägerin für den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum (April 2010 bis März 2011) Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung erhalten habe und der der Klägerin zustehende Förderungsbetrag bei der abschließenden Entscheidung insbesondere mit Blick auf das anzurechnende Einkommen der Eltern zutreffend berechnet worden sei. Die Einkommensanrechnung entspreche der einschlägigen Vorschrift des § 24 Abs. 4 Satz 2 BAföG, deren Berechnungsmethode in verfassungsrechtlich zulässiger Weise der Verwaltungsvereinfachung diene.

Gegen diese rechtliche Würdigung, die im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,

vgl. Urteil vom 27. März 2014 - 5 C 6.13 -, juris,

und des Senats,

vgl. Beschlüsse vom 1. Oktober 2013 - 12 A 1323/13 -, und vom 27. März 2012 - 12 A 300/12 -, jeweils juris,

steht, wendet die Klägerin nichts Substantielles ein. Sie zeigt namentlich nicht auf, dass die durch § 24 Abs. 4 Satz 2 BAföG hier vorgegebene Einbeziehung von elterlichem Einkommen, das erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes erzielt worden ist (nämlich von April bis Dezember 2011), mit Verfassungsrecht unvereinbar ist.

Der Einwand der Klägerin, die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts führe zu einem "unhaltbaren Zustand", weil ihr "für einen Zeitraum, in welchem ihre Familie nicht fähig war, ihre Ausbildung finanziell zu stützen, eine Last nachträglich aufgebürdet (wird), für welche sie sich auf staatliche Träger verlassen hat", zielt in der Sache auf einen durch das Rechtsstaatsprinzip gewährleisteten Vertrauensschutz. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, von den Konsequenzen einer nachteiligen Neuberechnung verschont zu bleiben, steht dem Auszubildenden, der - wie die Klägerin - einen Aktualisierungsantrag nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG gestellt hat, jedoch generell nicht zu. Denn der Auszubildende muss in einem solchen Fall damit rechnen, dass er verpflichtet sein kann, Förderungsbeträge zu erstatten, die ihm zunächst auf der Berechnungsgrundlage des § 24 Abs. 1 BAföG bewilligt worden waren, wenn sich - entgegen den Erwartungen bei der Stellung des Aktualisierungsantrages - herausstellt, dass das Einkommen in dem Bewilligungszeitraum nicht niedriger, sondern höher als das Einkommen im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1987 - 5 C 37.84 -, juris Rn. 27; Hess. VGH, Urteil vom 24. September 1991 - 9 UE 343/89 -, juris Rn. 27 f.; Humborg in Rothe/Blanke, BAföG, Stand Mai 2015, § 20 Rn. 17.

Das gilt auch mit Blick auf Risiken, die sich aus der in § 24 Abs. 4 Satz 2 BAföG vorgesehenen Berechnungsmethode ergeben können; hiernach muss bei der Stellung eines Aktualisierungsantrages auch die Möglichkeit einkalkuliert werden, dass erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes erzieltes Einkommen der Eltern zu einer Reduzierung des dem Auszubildenden letztlich zustehenden Förderungsbetrages führen kann.

Auch soweit die Klägerin - im Kontext des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO - eine "ungerechtfertigte Ungleichbehandlung" in dem Zusammenspiel von Ausbildungsende und Anrechnung später erzielten elterlichen Einkommens sieht, sind Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung nicht dargetan. Denn mit Blick auf § 24 Abs. 4 Satz 2 BAföG gelten diejenigen Erwägungen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem bereits zitierten Urteil vom 27. März 2014 - 5 C 6.13 - zu der Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 2 und 3 BAföG angestellt hat, entsprechend. Zu jener Norm, die sich zur Ermittlung der vom Einkommen abzusetzenden Sozialpauschale anhand einer Gruppenzuordnung verhält, hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass diese schematische Regelung vom Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung geschaffen worden sei, um den Ausbildungsförderungsbehörden die Bearbeitung der Vielzahl von Ausbildungsförderungsanträgen zu erleichtern; es handele sich daher um eine bei der Ordnung von Massenerscheinungen notwendige und verfassungsrechtlich zulässige Typisierung und Generalisierung; Härten in Einzelfällen seien dabei unvermeidlich und daher hinzunehmen (vgl. juris Rn. 19). Für die Regelungen des § 24 Abs. 4 Satz 2 BAföG, die ebenfalls dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität dienen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2014 - 5 C 6.13 -, juris Rn. 13; OVG NRW, Beschluss vom 27. März 2012 - 12 A 300/12 -, juris Rn. 8; Fischer inRothe/Blanke, BAföG, Stand Mai 2015, § 24 Rn. 36.1,

hat nichts anderes zu gelten.

Soweit die Klägerin ferner geltend macht, es wäre der Beklagten "ein Leichtes gewesen", abschließend "unter Beachtung der Unterschiede in den Einkommensverhältnissen der Eltern ... einen angemessenen Förderungsbetrag zu berechnen, der der tatsächlichen Situation Rechnung trägt", erschließt sich nicht, welche konkreten Abweichungen von der Berechnungsmethode der Beklagten und des Verwaltungsgerichts gemeint sein sollen. Der anschließende Einwand der Klägerin, die Beklagte "hätte ohne weiteres bei der Berechnung wenigstens die Jahre 2010 und 2011 trennen können", ist, was die Ermittlung des Anrechnungsbetrages anbelangt, mit § 24 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BAföG offensichtlich nicht zu vereinbaren. Der Wortlaut der Regelung ("Abweichend von Satz 1 ist in den Fällen des Absatzes 3 der Betrag anzurechnen, der sich ergibt, wenn die Summe der Monatseinkommen des Bewilligungszeitraums durch die Zahl der Kalendermonate des Bewilligungszeitraums geteilt wird; als Monatseinkommen gilt ein Zwölftel des jeweiligen Kalenderjahreseinkommens.") lässt keinen Zweifel daran, dass auch in dem Regelfall eines über den Jahreswechsel hinausreichenden Bewilligungszeitraumes nur ein einheitlicher Anrechnungsbetrag zu ermitteln ist und das jeweilige Kalenderjahr nur im Rahmen der Berechnung der zugrunde zu legenden Monatseinkommen von Bedeutung ist.

Auch eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) kommt nicht in Betracht. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung des Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2014

- 13 A 1900/13 -, juris Rn. 22, m. w. N.

Diesen Anforderungen entspricht das Zulassungsvorbringen bereits deshalb nicht, weil die Klägerin keine Frage mit fallübergreifender Bedeutung formuliert. Im Übrigen lassen ihre Ausführungen einen grundsätzlichen Klärungsbedarf in der Sache nicht erkennen, wie aus den vorstehenden Ausführungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO folgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

Mit diesem Beschluss, der nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar ist, wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).