OLG Köln, Beschluss vom 10.02.2016 - 11 U 136/15
Fundstelle
openJur 2019, 4618
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 27 O 139/15
Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 18.8.2015 - 27 O 139/15 - durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung aus zwei Gewährleistungsbürgschaften in Anspruch. Auf Grundlage des Bauwerkvertrages vom 28.01/12.02.2009 beauftragte die Klägerin die Fa. E Bau GmbH mit der Erstellung eines Fachmarktzentrums in T/L zu einem Pauschalpreis in Höhe von 1.830.000,00 € netto. Vereinbart war die Geltung der VOB/B.

In § 7 des Bauwerkvertrages ist vereinbart:

"1. Nach Beendigung der Arbeiten findet eine förmliche Abnahme statt [...]. In die Abnahme sind auch die jeweiligen Mieter des Vertragsgegenstandes einzubeziehen. Nehmen diese das Objekt nicht ab oder verweigern die Mieter wegen Mängeln die Übernahme, gilt das Vertragsobjekt auch im Verhältnis der Parteien des vorliegenden Vertrages als nicht abgenommen.

2. Bei der Abnahme festgestellte Mängel sind unverzüglich zu beseitigen. Eine fiktive sowie eine konkludente Abnahme im Sinne des § 12 VOB/B sind ausgeschlossen. Die Inbetriebnahme oder den Bezug der Gebäude durch die Mieter ersetzen die Abnahme nicht."

§ 13 des Vertrages lautet auszugsweise:

"1. Der Auftragnehmer ist berechtigt, nach der förmlichen Abnahme 5 % der Bruttoauftragssumme auf die Dauer der Gewährleistungsfrist als Sicherheit einzubehalten.

2. Der AN kann den Sicherheitseinbehalt gegen Vorlage einer Bürgschaft, die den Vorgaben gemäß Anlage 8 entsprechen muss, auslösen [...]."

Die in § 13 in Bezug genommene Bürgschaftsmuster in Anlage 8 enthält folgende Klausel:

"Für die Erfüllung der dem Auftragnehmer obliegenden Mängelgewährleistung aus obigem Bauvertrag übernimmt die Bank hiermit gegenüber dem Auftraggeber unter Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit und der Vorausklage (§§ 770, 771 BGB) die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von [...].

Diese Bürgschaft ist unbefristet, die Gewährleistung beginnt mit der Abnahme des Gewerks durch den Auftraggeber."

In der Folgezeit übernahm die Beklagte zwei Gewährleistungsbürgschaften, in denen es auszugsweise heißt:

"Wir verpflichten uns demgemäß, dem Bürgschaftsempfänger alle vorgenannten Ansprüche unter Verzicht auf die Einrede der Anfechtung, der Aufrechnung sowie der Vorausklage gemäß §§ 770, 771 BGB zu bezahlen [...]."

Ob das Objekt förmlich abgenommen wurde, ist streitig. Mit Schreiben vom 09.02.2015 wandte sich die Klägerin an die Fa. E Bau GmbH und rügte unter Bezugnahme auf einen Aktenvermerk eines Sachverständigen bestimmte - zwischen den Parteien überwiegend streitige - Mängel und setzte eine Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 06.03.2015. Mit Beschluss des Amtsgerichts Rottweil vom 01.03.2011, Az. 5 (4) IN 279/10 wurde über das Vermögen der E Bau GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt.

Die Klägerin behauptet, die Arbeiten seien bei einer förmlichen Abnahme am 30.03.2010 im Rahmen einer gemeinsamen Überprüfung als vollständig fertiggestellt und mangelfrei abgenommen worden. Die Werkleistung sei mit den vorgetragenen Mängeln behaftet. Die zur Mangelbeseitigung angesetzten Kosten von 76.433,40 € seien angemessen und erforderlich. Die Klägerin habe ihre Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet. Der Sicherheitseinbehalt sei vollständig an die Hauptschuldnerin ausgezahlt worden. Ein Teilbetrag sei hierbei im Einvernehmen mit der Hauptschuldnerin durch Aufrechnung mit Gegenforderungen erloschen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 76.433,40 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.03.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat insbesondere eingewendet, die Bürgschaftsverträge seien aufgrund Verstoßes gegen die AGB-Vorschriften unwirksam.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen verwiesen wird, hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die formularmäßige Sicherungsabrede in § 13 des Bauvertrages sei nach § 307 BGB unwirksam. Die Abhängigkeit der Abnahme in Bezug auf den Auftragnehmer durch Abnahme von Seiten der Mieter unter gleichzeitigem Erfordernis einer förmlichen und dem Ausschluss einer fiktiven bzw. konkludenten Abnahme, führe zur Unwirksamkeit der Klausel insgesamt. Das Zusammenspiel dieser Regelung bewirke, dass die Gewährleistungszeit zulasten des Auftragnehmers unbestimmt sei, da das Vorliegen einer förmlichen Abnahme alleine durch eine - unter Umständen unberechtigte - Abnahmeverweigerung eines vertragsfremden Dritten, zu dem der Auftragnehmer keine Rechtsbeziehung hat, vereitelt werden könnte. Die Gewährleistungsfrist könnte hierdurch über Jahre hinausgeschoben werden, ohne dass der Auftragnehmer dies beeinflussen könnte.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Auch sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung und die Berufungserwiderung verweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist, eine Entscheidung des Senats durch Urteil auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich und eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint, beabsichtigt der Senat, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Das angefochtene Urteil entspricht der Sach- und Rechtslage. Die Berufungsbegründung rechtfertigt eine Abänderung der Entscheidung nicht. Sie gibt lediglich zu folgenden Hinweisen Anlass:

1. Die in § 13 des Bauvertrages zwischen der Klägerin und der Insolvenzschulderin getroffene Sicherungsabrede ist nach § 307 BGB unwirksam. Die Klauseln des Bauvertrages sind von der Klägerin gestellte allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegen. Der Hinweis der Klägerin, die Bürgschaften wichen von dem Muster der Sicherungsabrede insoweit ab, als auch die Einrede der Aufrechnung (§ 770 Abs. 2 BGB) ausgeschlossen sei, ist unerheblich. Zwar mögen aus diesem Grunde die Bürgschaften an sich im Verhältnis zur Beklagten keine AGB sein. Darauf kommt es indes nicht an. Entscheidend ist, dass die in dem Bauvertrag enthaltene Sicherungsabrede von der Klägerin im Verhältnis zur Insolvenzschulderin als AGB gestellt wurde und als solcher einer Inhaltskontrolle nicht standhält. Dies kann die Beklagte als Bürgin der Klägerin als Bürgschaftsgläubigerin nach § 768 BGB entgegenhalten (etwa BGHZ 147, 99 = NJW 2001, 1857; NJW 2015, 856 Rdn. 14). Das gilt unabhängig davon, ob die Bürgschaften als AGB einzuordnen sind oder nicht. Den Umständen der Bürgschaftserteilung lässt sich nicht entnehmen, dass die Beklagte auf die ihr aus § 768 BGB zustehende Einrede der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede verzichtet hat.

2. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Sicherheitsabrede nach § 307 BGB unwirksam, weil der Sicherheitseinbehalt dadurch, dass die Abnahme von der die Mitwirkung der Mieter abhängig gemacht wird, nicht an eine zeitliche Höchstgrenze gebunden ist.

a) Das Landgericht folgt insoweit der von der Beklagten angeführten Rechtsprechung des OLG Köln (7. Zivilsenat, NZBau 2012, 499 = NJW-RR 2012, 1047 = BauR 2012, 1655 = IBR 2012, 454 m. zust. Anm. Heiliger und von Weise NJW-Spezial 2012, 429) und OLG Oldenburg (NZBau 2013, 705 = NJW-RR 2013, 1486 = BauR 2014, 269 = IBR 2014, 84 m. Anm. Schwarz). Diese hat die einhellige Zustimmung des Schrifttums gefunden (Schmitz, Sicherheiten für die Bauvertragsparteien, Stand 10.8.2015, Rdn. 113; Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB, 19. Aufl., § 17 Abs. 1 VOB/B Rdn. 59, § 17 Abs. 3 VOB/B Rdn. 19; Kapellmann/Messerschmidt/Thierau, VOB, 5. Aufl., § 17 VOB/B Rdn. 112; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 10. Teil Rdn. 46). In dem Fall des OLG Köln sollte der Sicherheitseinbehalt ausgezahlt werden, "wenn der Auftraggeber des Hauptunternehmers für das vom Nachunternehmer hergestellte Werk die Vergütung an den Hauptunternehmer gezahlt hat und seinerseits keinen Sicherungseinbehalt vorgenommen hat", im Fall des OLG Oldenburg sollte die Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes "nur gegen Vorlage einer unbefristeten Bankbürgschaft einer anerkannten deutschen Bank oder Versicherung und mängelfreier Abnahme der Gesamtbaumaßnahme durch den Bauherrn nach mängelfreier Abnahme der Gesamtbaumaßnahme durch den Bauherrn" erfolgen. Dass darin eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers i.S.d. § 307 BGB liegt (dazu auch Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl., Rdn. 1671), hat das OLG Oldenburg zutreffend wie folgt begründet:

"Die Vereinbarung eines Sicherheitseinbehalts von 5?% in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die in einen Vertrag über Bauleistungen einbezogen sind, führt nur dann nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Werkunternehmers, wenn ein fairer Ausgleich dafür vorgesehen ist, dass er den Werklohn nicht sofort ausbezahlt erhält, das Bonitätsrisiko des Bestellers für die Dauer der Gewährleistungsfrist tragen muss und ihm die Verzinsung des Werklohns vorenthalten wird. Ein solcher Ausgleich kann dadurch geschaffen werden, dass dem Werkunternehmer das Recht eingeräumt wird, den Sicherheitseinbehalt durch Stellung einer selbstschuldnerischen, unbefristeten Bürgschaft abzulösen (vgl. BGHZ 181, 278 = NJW 2009, 3422). Wenn dieses Recht zur Ablösung durch eine Bürgschaft aber wiederum dadurch über einen unter Umständen langen Zeitraum vereitelt wird, dass es an den durch den Werkunternehmer nicht beeinflussbaren Zeitpunkt der Abnahme des Gesamtbauvorhabens durch den Bauherrn geknüpft wird, kann die Möglichkeit einer Bürgschaftsgestellung ihre Ausgleichsfunktion nicht mehr in hinreichendem Maße erfüllen. Der Unternehmer hat auf die Faktoren, welche eine Fertigstellung des Gesamtbauvorhabens und dessen mängelfreie Abnahme verzögern können, keinen ausreichenden Einfluss (vgl. OLG Celle, Urt. v. 13. 8. 2000 -13 U 86/2000)."

Diese Erwägungen gelten auch für die streitgegenständliche Sicherungsklausel.

b) Die Klägerin wendet in Bezug auf die vorliegende Sicherungsabrede ein, bei Hinauszögerung der Abnahme stelle sich die Sicherheitsproblematik gar nicht, da der Sicherheitseinbehalt erst nach der Abnahme gefordert werden könne. Außerdem könne nach dem "bluepencil-Test" der bedenkliche Teil der Abnahmeklausel gestrichen werde. Beide Einwände sind unbegründet:

aa) Der Sicherheitseinbehalt, den der Auftragnehmer durch die Bürgschaften ablösen kann, wird zwar erst mit der Abnahme fällig. Da vor der Abnahme die gesamte Werklohnforderung nicht fällig wird, wird damit letztlich auch die Fälligkeit des Sicherheitseinbehalts in die Macht eines vertragsfremden Dritten gestellt, auf den der Auftragnehmer keinen Einfluss - etwa im Wege einer Abnahmeklage - nehmen kann.

bb) Die Abnahmeklausel, auf die die Sicherungsabrede in § 13 und das Bürgschaftsmuster in Anlage 8 Bezug nehmen, ist nicht teilbar. Enthält eine Klausel neben der unwirksamen auch unbedenkliche, sprachlich und inhaltlich abtrennbare Bestimmungen, so bleiben diese wirksam, auch wenn sie den gleichen Sachkomplex betreffen. Voraussetzung ist, dass nach dem Wegstreichen der unwirksamen Teilregelung ein aus sich heraus verständlicher Klauseltext verbleibt und dass dieser trotz Wegfalls der unwirksamen Bestimmung eine sinnvolle Regelung enthält (NJW 2015, 928 Rdn. 23; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 306 Rdn. 7 m.w.N.) Wenn der als wirksam anzusehende Rest im Gesamtgefüge des Vertrags nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel (BGH NJW 2015, 928 Rdn. 23; NJW 2015, 856 Rdn. 19; NJW 2014, 3642 Rdn. 28; BGHZ 179, 374 = NJW 2009, 1664 Rdn. 15 m.w.N.). Letzteres ist hier der Fall. Die Anordnung der förmlichen Abnahme in § 7 Nr. 1 Satz 1 kann als isolierte Regelung keinen Bestand haben. Aus Sicht des durchschnittlichen Klauseladressaten, auf dessen Verständnishorizont abzustellen ist (Palandt/Grüneberg § 305 c Rdn. 16 m.w.N.), ist die Einbeziehung der jeweiligen Mieter des Vertragsgegenstandes in die förmliche Abnahme von maßgebender Bedeutung, § 7 Nr. 1 S. 2 und 3 binden die Wirksamkeit der förmlichen Abnahme sowohl an die Erklärung des Auftraggeber als auch an die der Mieter. § 7 Nr. 2 S. 3 bestimmt zudem ausdrücklich, dass die Inbetriebnahme oder der Bezug der Gebäude durch den Mieter die Abnahme nicht ersetzen. Die Abnahmeregelung stellt sich als geschlossene Einheit dar, die aus Sicht des Klauseladressaten darauf ausgerichtet ist, dass die Abnahme nur gemeinsam durch den Auftraggeber und den Mieter erklärt werden kann, wobei diese Erklärung zu ihrer Wirksamkeit darüber hinaus förmlich und ausdrücklich abgegeben werden muss. Für eine Teilaufrechterhaltung dieser Regelung zur förmlichen Abnahme besteht in Anbetracht der ohnehin bestehenden Regelungen zur Abnahme (§ 640 BGB) und auch zur förmlichen Abnahme (§ 12 Abs. 4 VOB/B) kein Spielraum. Dass zwischen der Einräumung des Sicherheitseinbehalts und der Möglichkeit zu dessen Ablösung durch eine Bürgschaft ein unauflösbarer wechselseitiger Bezug besteht, ist höchstrichterlich entschieden (BGHZ 181, 278 = NJW 2009, 3422; NJW-RR 2011, 1526 Rdn. 20; NJW 2014, 3645 Rdn. 16-18; OLG Oldenburg a.a.O.).

II.

Die Klägerin hat Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist. Die Frist kann nach § 244 Abs. 2 ZPO nur verlängert werden, wenn der Gegner zustimmt oder erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden. Auf die Möglichkeit einer kostengünstigeren Zurücknahme des Rechtsmittels wird hingewiesen (Nr.1222 Kostenverzeichnis zu § 3 Abs. 2 GKG).