OLG Köln, Beschluss vom 23.05.2016 - 10 UF 5/16
Fundstelle
openJur 2019, 3742
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 220 F 82/15
Tenor

1.

Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Aachen vom 17.11.2015 - 220 F 82/15 - wird aufgehoben.

2.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

3.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1.

Die nach den §§ 58 ff statthafte Beschwerde der Kindesmutter gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 17.11.2015, mit dem Ergänzungspflegschaft für den Wirkungskreis der Vertretung der Kinder F, geb. 24.2.2009, und M, geb. 26.1.2007, im beim Amtsgericht Aachen anhängigen Unterhaltsverfahren betreffend Minderjährigenunterhalt angeordnet worden ist, hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des Beschlusses.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Ergänzungspflegschaft zur Vertretung der Kinder im Unterhaltsverfahren nach den §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Ziffer 3, 1909 BGB liegen nicht vor. Die minderjährigen Antragsteller werden durch die Kindesmutter nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB wirksam vertreten.

Nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge derjenige Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, dieses bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche gesetzlich vertreten. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der mithin die elementaren Lebensbedürfnisse des Kindes nach Pflege, Verköstigung, Kleidung und ordnende Gestaltung des Tagesablaufs vorrangig befriedigt oder sicherstellt. Leben die Eltern in verschiedenen Wohnungen und regeln sie den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes dergestalt, dass es vorwiegend in der Wohnung eines Elternteils lebt und dies durch regelmäßige Besuche in der Wohnung des anderen Elternteils unterbrochen wird (Residenzmodell), so ist die Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB dem erstgenannten Elternteil zuzuordnen (BGH, Urteile vom 21.12.2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1016 und vom 28.2.2007 - XII ZR 161/04 - FamRZ 2007, 707). Nur wenn die Eltern ihr Kind in der Weise betreuen, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (Wechselmodell), lässt sich kein Schwerpunkt der Betreuung ermitteln. Das hat zur Folge, dass kein Elternteil die Obhut im Sinne von § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB innehat. Dann muss der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil muss beim Familiengericht beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (BGH, Beschluss vom 12.3.2014 - XII ZB 234/13 -, nach Juris: Rn. 16).

Gemessen hieran liegt das Schwergewicht der Betreuung der Kinder bei der Kindesmutter. Bereits aufgrund des unstreitigen Sachvortrags halten sich die Kinder während des Schul- und Arbeitsalltags in zeitlicher Hinsicht überwiegend im Haushalt der Kindesmutter auf. Die Kinder halten sich wöchentlich donnerstags von 16:00 Uhr bis freitags 7:30 Uhr, 14tägig von donnerstags 16:00 Uhr bis montags 7:30 Uhr und jeweils am ersten Mittwoch eines jeden Monats im Haushalt des Kindesvaters auf. Selbst nach dem Sachvortrag des Antragsgegners ergibt sich bei hälftiger Teilung der Ferienzeiten hierdurch eine Betreuungszeit der Kinder bei der Kindesmutter von 58% und beim Kindesvater von 42%. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Kindeseltern bis Anfang 2012 ein Wechselmodell gelebt haben, welches jedoch unstreitig wegen einer hohen beruflichen Belastung des Antragsgegners einvernehmlich abgeändert worden ist. Ob nunmehr wieder die Voraussetzungen für ein Wechselmodell gegeben sind, vermag der Senat nicht zu beurteilen, kann jedoch auch dahingestellt bleiben. Denn bislang wurde ein solches weder zwischen den Kindeseltern einvernehmlich vereinbart noch gerichtlich angeordnet.

Der leicht überwiegende Aufenthalt im mütterlichen Haushalt ist ausreichend, die Voraussetzungen des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB zu bejahen. Denn anknüpfend an den Normzweck der Vorschrift des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB, die Einleitung von Sorgerechtsverfahren nur mit dem Ziel einer späteren Austragung von Unterhaltskonflikten möglichst zu vermeiden, wird ein Elternteil bereits dann als Träger der Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB angesehen werden können, wenn bei diesem Elternteil - wie hier - ein eindeutig feststellbares, aber nicht notwendig großes Übergewicht bei der tatsächlichen Fürsorge für das Kind vorliegt (BGH, Beschluss vom 12.3.2014 - XII ZB 234/13 - , nach jursi: Rn. 17). Zwar ist dem Antragsgegner grundsätzlich darin zuzustimmen, dass nicht allein auf die reinen Aufenthaltszeiten abzustellen sein dürfte, sondern auch auf die innerhalb der Zeit geleistete tatsächliche Betreuung (wie z.B. Begleitung zu außerhäuslichen Terminen). Der Antragsgegner hat aber selbst nicht behauptet, dass er hier einen größeren Betreuungsanteil leistet als die Kindesmutter, wodurch die, wenn auch nur gering überwiegende Aufenthaltszeit im mütterlichen Haushalt kompensiert würde.

Wie sich das von den Beteiligten weit über übliche Umgangskontakte hinausgehende Betreuungsmodell auf eine etwaige Barunterhaltspflicht des Antragsgegners auswirkt, ist auf der Leistungsstufe des Unterhaltsverfahrens zu klären.

2.

Die Beschwerde des Jugendamts der Stadt T vom 10.12.2015 gegen die getroffene Auswahl des Ergänzungspflegers in dem angefochtenen Beschluss ist durch die Aufhebung der Anordnung der Ergänzungspflegschaft gegenstandlos geworden.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf § 45 Abs. 1 Ziffer 1 FamGKG.