OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.09.2018 - U (Kart) 24/17
Fundstelle
openJur 2019, 2898
  • Rkr:
Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. November 2017 verkündete Grundurteil des Landgerichts Dortmund (8 O 117/14 (Kart)) wird zurückgewiesen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

V.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.991.347,27 € festgesetzt.

Gründe

I.

1.

Die Klägerin ist Leistungserbringerin der Hilfsmittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gemäß § 126 SGB V. Sie ist im Bereich der Entwicklung, Herstellung und des Vertriebs von Hörhilfen tätig und erbringt ihre Leistungen im verkürzten Versorgungsweg nach § 128 Abs. 4 SGB V. Im verkürzten Versorgungsweg erbringt im hier vorliegenden Fall der Versorgung mit Hörhilfen der behandelnde Arzt neben der Verordnung weitere Leistungen, die im herkömmlichen Versorgungsweg vom Hörgeräteakustiker durchgeführt werden, insbesondere die Beratung des Patienten bei der Auswahl der Hörhilfe, die Beschaffung der Hörhilfe beim Leistungserbringer und deren Abgabe an den Patienten sowie die Einweisung in den Gebrauch.

Die Klägerin erzielte am 1. April 2009 einen bundesweiten Marktanteil in der Hörgeräteversorgung von unter 2%. Sie steht mit ihrem Angebot im Wettbewerb zu den Angeboten der in der Beklagten als C. zusammengeschlossenen niedergelassenen Hörgeräteakustiker, die am 1. April 2009 zusammen einen bundesweiten Marktanteil in der Hörgeräteversorgung von ca. 90% erreichten.

Die Klägerin war zunächst allein aufgrund ihrer - im Jahr 1996 erfolgten - Zulassung zur Hilfsmittelversorgung in der GKV berechtigt und praktizierte ihr Versorgungsmodell mit nahezu allen gesetzlichen Krankenkassen, mit einem Großteil ohne schriftliche Versorgungsverträge, die nach § 127 SGB V in der bis zum 31. März 2007 geltenden Fassung hierfür auch nicht konstitutiv waren. Durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV (GKV-WSG) wurde mit Wirkung zum 1. April 2007 das Zulassungsprinzip durch das Vertragspartnermodell ersetzt. Gemäß § 126 Abs. 1 SGB V in den seit dem 1. April 2007 geltenden Fassungen dürfen Hilfsmittel an Versicherte nur auf der Grundlage von - jetzt konstitutiven - Verträgen nach - dem ebenfalls geänderten - § 127 SGB V abgegeben werden. Jedoch blieben Leistungserbringer, die - wie die Klägerin - am 31. März 2007 über eine Zulassung nach § 126 SGB V a.F verfügten, bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versicherten berechtigt (§ 126 Abs. 2 SGB V in den seit 1. April 2007 und 1. Juli 2008 geltenden Fassungen). Diese Übergangsregelung wurde durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) bis zum 31. Dezember 2009 verlängert (§ 126 Abs. 2 S. 3 SGB V in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung). Seit dem 1. Januar 2010 können Leistungserbringer ausschließlich auf der Grundlage eines Versorgungsvertrages nach § 127 SGB V an der Versorgung gesetzlich Krankenversicherter mit Hilfsmitteln teilnehmen. Nach dem ebenfalls durch das GKV-OrgWG zum 1. Januar 2009 neu eingefügten § 127 Abs. 2a SGB V können Leistungserbringer Verträgen, die mit anderen Leistungserbringern geschlossen sind oder werden, zu den gleichen Bedingungen als Vertragspartner beitreten, soweit sie nicht selbst über Verträge verfügen.

Leistungserbringer im verkürzten Versorgungsweg wie die Klägerin entlohnten die kooperierenden Ärzte zunächst aus der Hilfsmittel-Vergütung, die sie von den Krankenkassen erhielten. Mit dem durch das GKV-OrgWG zum 1. April 2009 neu geschaffenen § 128 SGB V wurde dies untersagt (Abs. 2) und angeordnet, dass die zusätzlichen ärztlichen Leistungen unmittelbar von den Krankenkassen zu vergüten sind, "sofern Vertragsärzte auf der Grundlage vertraglicher Vereinbarungen mit Krankenkassen über die ihnen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung obliegenden Aufgaben hinaus an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln mitwirken." (Abs. 4). Mit Wirkung zum 23. Juli 2009 wurde § 128 SGB V erneut geändert; u.a. heißt es in Abs. 4 seitdem: "Vertragsärzte dürfen nur auf der Grundlage vertraglicher Vereinbarungen mit Krankenkassen über die ihnen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung obliegenden Aufgaben hinaus an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln mitwirken." Zudem sah der neue Abs. 4b vor, dass beim verkürzten Versorgungsweg die ärztliche Verordnung über die Krankenkasse, die sie vorab zu genehmigen hat, dem Versicherten zusammen mit einer Beratung über die verschiedenen Versorgungswege zuzuleiten ist.

2.

Das Bundeskartellamt leitete im Jahr 2010 ein Verwaltungsverfahren gegen die Beklagte wegen des Verdachts wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens durch die Vereinbarung von Exklusivitätsklauseln ein und traf in seiner gegen diese gerichteten und auf § 32 Abs. 1 GWB i.V.m. Artt. 101, 102 AEUV, §§ 1, 19, 20 GWB gestützten Abstellungsverfügung vom 18. November 2011 (Az. B3 - 134/09, Anlage B&B 6) u.a. die folgenden Feststellungen:

Die Beklagte schloss in den Jahren 2009 und 2010 mit zumindest drei gesetzlichen Krankenkassen Verträge, die im Vergleich zu vorherigen Verträgen günstigere Erstattungspreise für die Versorgung mit zuzahlungsfreien Hörhilfen vorsehen. Diese Vergünstigungen wurden jedoch nur gewährt, wenn der Beklagten ein Kündigungsrecht für den Fall eingeräumt wurde, dass die betreffende Krankenkasse anderweitig Verträge zur Versorgung der Versicherten mit Hörhilfen abschließt. Im Falle der Kündigung sollten wieder die früher vereinbarten höheren Preise gelten.

So vereinbarte die Beklagte am 15. August 2009 mit der B.1 in § 3 der "Vereinbarung zur Fortgeltung der Verträge": "Für den Fall, dass die B.1 eine oder mehrere Vereinbarungen zur Versorgung von Versicherten mit Hörhilfen abschließt, steht der C. das Recht zu, diese Vereinbarung mit einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende zu kündigen. In diesem Fall leben die in § 1 genannten Verträge in vollem Umfang, inklusive der dort vereinbarten Vergütung, wieder auf".

Am 1. März 2010 vereinbarte die Beklagte mit der K.1 in § 14 Abs. 6 des Vertrages gemäß § 127 Abs. 2 SGB V über die Versorgung von Versicherten mit Hörsystemen einschließlich der Versorgung von Kindern und Jugendlichen: "Für den Fall, dass die Krankenkasse eine oder mehrere Vereinbarungen zur Versorgung von Versicherten mit Hörhilfen mit anderen Versorgungsmodellen abschließt, steht der ... (C.) das Recht zu, die Anlage 2 mit einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende gegenüber der Krankenkasse zu kündigen. In diesem Fall erfolgt die Vergütung in Höhe der Festbeträge." Anlage 2 des Vertrages enthielt die vergünstigten Konditionen.

Mit der B.2 vereinbarte die Beklagte am 1. April 2010 in § 14 Abs. 8 der "Vereinbarung über die Versorgung mit Hörsystemen einschließlich der Versorgung von Kindern und Jugendlichen nach § 127 Abs. 2 SGB V": "Für den Fall, dass die B.2 eine oder mehrere Vereinbarungen zur Versorgung von Versicherten mit Hörhilfen mit anderen Versorgungsmodellen abschließt, steht der C. das Recht zu, die Anlage mit einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende gegenüber der B.2 zu kündigen. In diesem Fall gilt die Anlage 2 des Rahmenvertrages vom 01.10.2008 (entgegen der Regelung in Abs. 7), soweit dort abweichende Preise zur Anlage 2 des Vertrages vom 01.04.2010 geregelt sind."

Darüber hinaus äußerte die Beklagte sich auch gegenüber anderen Krankenkassen und deren Verbänden - insbesondere gegenüber verschiedenen B. und dem B.3 - in verschiedenen Schreiben seit dem 6. März 2009 ablehnend bezüglich des verkürzten Versorgungsweges. Die Gewährung von Sonderkonditionen bei der eigenanteilsfreien/zuzahlungsfreien Hörgeräteversorgung wurde auch gegenüber weiteren Krankenkassen an die Bedingung geknüpft, dass die angesprochenen Krankenkassen mit anderen Leistungserbringern keine weiteren Versorgungsverträge nach § 127 SGB V bzw. keine Verträge im Rahmen des verkürzten Versorgungsweges abschließen. Einzelnen Krankenkassen wurden aufgrund bestehender Verträge über den verkürzten Versorgungsweg keine Versorgungsverträge durch die Beklagte angeboten. Laut Protokoll der Vorstandstelekonferenz der Beklagten vom 2. November 2009 beschloss der Vorstand der Beklagten, dass bei B., die keinen Vertrag zum verkürzten Versorgungsweg geschlossen haben, auf die Klausel "Sonderkündigungsrecht" verzichtet wird. Bei B., welche Verträge zum verkürzten Versorgungsweg abgeschlossen haben, sollte bis auf weiteres kein Vertrag geschlossen werden.

3.

Das Bundeskartellamt untersagte der Beklagten daraufhin mit dem oben genannten Beschluss insbesondere 1. Beschlüsse mit dem Inhalt zu fassen, den Krankenkassen in Versorgungsverträgen günstigere Konditionen anzubieten oder zu gewähren, soweit diese im Gegenzug auf den Abschluss weiterer Versorgungsverträge, insbesondere über den verkürzten Versorgungsweg, verzichten, 2. den Abschluss und die Geltung von Vergütungsvereinbarungen in Versorgungsverträgen mit Krankenkassen an die Bedingung zu knüpfen, dass diese keine weiteren Versorgungsverträge mit anderen Anbietern schließen, 3. Versorgungsverträge anzubieten oder abzuschließen, die ein Sonderkündigungsrecht und die anschließende Geltung ungünstigerer Konditionen für den Fall vorsehen, dass die Krankenkasse anderweitige Versorgungsverträge abschließt.

Dies hat das Amt zum einen auf einen Verstoß gegen § 1 GWB und Art. 101 AEUV gestützt. Das Verhalten der Beklagten nach außen lasse auf eine entsprechende interne Willensbildung der Unternehmensvereinigung schließen, für die die zahlreichen Schreiben vom März und April 2009 sprächen und die letztlich in dem Vorstandsbeschluss vom 2. November 2009 deutlich zutage trete. Diese interne Willensbildung stelle einen Beschluss im Sinne des Kartellverbots dar, der eine Wettbewerbsbeschränkung auf den regionalen Absatzmärkten für Hörgeräte an Endkunden in der Bundesrepublik zum Nachteil sowohl der nicht der Beklagten angeschlossenen Hörgeräteakustiker als auch der Anbieter im verkürzten Versorgungsweg bezwecke und bewirke. Die wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen und Verhaltensweisen der Beklagten seien nicht nach Art. 101 Abs. 3 AEUV vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV freigestellt.

Zum anderen verstoße das Verhalten der Beklagten gegen das Missbrauchsverbot der §§ 19, 20 GWB bzw. Art. 102 AEUV. Die in der Beklagten als Dachverband zusammengeschlossenen Hörgeräteakustiker verfügten mit einem bundesweiten Marktanteil von über 90% auf dem Markt für den Absatz von Hörgeräten an Endkunden in Gestalt einer kollektiven Einheit im Sinne von Art. 102 AEUV bzw. nach der unwiderlegten Vermutung des § 19 Abs. 2 S. 2 GWB über eine gemeinsam marktbeherrschende Stellung. Es bestehe kein wesentlicher Außenwettbewerb, zumal auf die Anbieter des verkürzten Versorgungswegs im Jahr 2008 Marktanteile in Höhe von 5% und 3% entfallen seien, die Umsätze dieser Unternehmen eine sinkende Tendenz erkennen ließen und mittlerweile ein Anbieter aus dem deutschen Markt ausgeschieden sei. Diese gemeinsam marktbeherrschende Stellung missbräuchten die von der Beklagten repräsentierten Anbieter zu einer unbilligen Behinderung des Konkurrenten, indem in den Versorgungsverträgen mit den gesetzlichen Krankenkassen für die unterbleibende Nachfrage bei der Konkurrenz wirtschaftliche Vorteile versprochen werden.

Die Anwendbarkeit deutschen Kartellrechts sei weder durch § 69 SGB V in seiner Fassung des Jahres 2010 noch in der seit 2011 geltenden Fassung ausgeschlossen, weil die Vorschrift lediglich die Leistungsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern bzw. Handlungen der Krankenkassen und Leistungserbringer in Erfüllung ihres sozialrechtlichen Versorgungsauftrages erfasse, nicht aber die Rechtsbeziehungen der Leistungserbringer untereinander, daher nicht Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen der Wettbewerber untereinander, Beschlüsse von Vereinigungen von Leistungserbringern sowie Marktmachtmissbrauch und Behinderung gegenüber Wettbewerbern, die das Horizontalverhältnis der Wettbewerber untereinander betreffen. Die Zwischenstaatlichkeitsklausel der Artt. 101, 102 AEUV sei erfüllt, weil die Wettbewerbsbeschränkung zwar in Verträgen mit regional tätigen Krankenkassen erfolge, sie letztlich aber das gesamte Bundesgebiet umfasse und dadurch Produzenten oder Hersteller von Vorprodukten, die ihren Sitz im benachbarten Ausland haben, sowie ausländische Zwischenhändler von einem grenzüberschreitenden Angebot abgehalten würden.

4.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde begehrte die Beklagte ursprünglich die Aufhebung der Verfügung des Bundeskartellamts vom 18. November 2011. Nachdem die Beklagte im Senatstermin vom 13. Juni 2012 erklärt hatte, auf die Verwendung der in Rede stehenden Klauseln endgültig verzichten zu wollen und nicht zu beabsichtigen, solche Vertragsbestimmungen nochmals abzuschließen, verfolgte sie nunmehr das Begehren, die Rechtswidrigkeit der Amtsverfügung gerichtlich feststellen zu lassen. Der Senat verwarf die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde mit Beschluss vom 1. August 2012 (Az. VI-Kart 7/11 (V), juris) mangels des erforderlichen Feststellungsinteresses. Der Bundesgerichtshof verwarf die hiergegen gerichtete zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 74 Abs. 4 GWB mit Beschluss vom 9. Juli 2013 als unzulässig und wies gleichzeitig die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 75 GWB zurück (Az. KVR 56/12, juris).

5.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Kartellschadensersatz in Anspruch. Sie hat sich den vom Bundeskartellamt in der oben genannten Verfügung festgestellten Sachverhalt zu eigen gemacht. Sie hat geltend gemacht, sie habe sich seit Mitte 2008 intensiv um den Abschluss von Versorgungsverträgen nach § 127 Abs. 2 SGB V über den verkürzten Versorgungsweg mit sowohl den jeweiligen Landesverbänden der B., den F. (zunächst W., später firmierend als W.1), als auch z.B. den Verbänden von C.2 und der C.3 jedenfalls für die Zeit nach Ablauf der Zulassung zum 31. Dezember 2008 bzw. 31. Dezember 2009 durch Einführung des Vertragsmodells bemüht. Als Ende 2008 die Neuregelung des § 128 SGB V bekannt geworden sei, habe sie darauf gedrängt, die zum 1. April 2009 anstehenden gesetzlich normierten Anforderungen, insbesondere an den neu geregelten Zahlungsweg im verkürzten Versorgungsweg, in die laufenden Vertragsverhandlungen mit den genannten Krankenkassen und Verbänden aufzunehmen. Im März 2009 sei ein Vertrag mit dem W.1 ausverhandelt gewesen, den die Verantwortlichen des W.1 am 27. März 2009 unterzeichnet an die Klägerin hätten zurücksenden sollen und der am 1. April 2009 hätte in Kraft treten sollen. Zur Vertragsunterzeichnung sei es nie gekommen, weil die Ersatzkassen die Vertragsabsicht "aufgrund des politischen Gegenwindes" nicht weiter hätten verfolgen können. Auch die meisten Landesverbände der B. hätten den Abschluss von Versorgungsverträgen mit der Klägerin von Anfang an abgelehnt. Lediglich mit einigen B. sei die Anpassung bereits bestehender Versorgungsverträge an die Vorgaben des neuen § 128 SGB V gelungen. Ein mit der C.3 mit Wirkung zum 27. März 2009 geschlossener Versorgungsvertrag sei von dieser mit Wirkung zum 31. August 2009 wieder gekündigt worden. Auch ein von der Klägerin angestrebter Beitritt zu vor dem 1. April 2009 bestehenden Versorgungsverträgen der Beklagten sei nicht möglich gewesen, weil nach deren Bedingungen die Leistungen durch Hörgeräteakustiker bzw. in entsprechenden Betriebsstätten zu erfolgen hatten, was im verkürzten Versorgungsweg ausscheidet.

Die Klägerin hat geltend gemacht, das Scheitern ihrer Bemühungen gehe ursächlich auf die kartellrechtswidrigen Beschlussfassungen und Praktiken der Beklagten zurück. Hierdurch sei sie mit Wirkung zum 1. April 2009 von ihrem Absatzmarkt abgeschnitten gewesen. Sie habe ab diesem Zeitpunkt keine neuen Versorgungsverträge mit den im Beschluss des Bundeskartellamts genannten Kassen und Verbänden schließen können. Dadurch sei ihr in der Zeit vom 1. April 2009 bis zum 31. Oktober 2013 ein Gewinn in Höhe von ... € entgangen. Die Klägerin geht davon aus, dass jedenfalls bis zur Rechtskraft der Kartellamtsentscheidung im Juli 2013 die Beklagte die Kartellrechtswidrigkeit ihres Vorgehens nicht anerkannt habe und von der Rechtmäßigkeit ihres gegen die Klägerin und weitere Anbieter des verkürzten Versorgungsweges gerichteten Vorgehens überzeugt gewesen sei. Die Zuwiderhandlungen der Beklagten hätten mindestens bis einschließlich Oktober 2013 nachgewirkt. Im Hinblick auf Schwierigkeiten bei der Darlegung und des Beweises, dass alle aufgrund des kartellrechtswidrigen Verhaltens der Beklagten entgangenen Versorgungsverträge pünktlich zum 1. April 2009 abgeschlossen worden wären, hat die Klägerin einen Sicherheitsabschlag von ..% vorgenommen und einen entgangenen Gewinn in Höhe von ... € geltend gemacht.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.991.347,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

6.

Sie hat geltend gemacht, ein Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften liege nicht vor. Die Abstellungsverfügung des Bundeskartellamts vom 18. November 2011 habe insoweit keine Bindungswirkung, weil sie sich vor Eintritt der Unanfechtbarkeit erledigt habe und daher nicht unanfechtbar und dementsprechend nicht bestandskräftig geworden sei; auch an einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung über die Rechtmäßigkeit der erledigten Verfügung fehle es. Ein Verstoß gegen § 1 GWB liege schon deshalb nicht vor, weil das deutsche Kartellverbot gemäß § 69 Abs. 1 SGB V 2008 nicht auf Versorgungsverträge nach § 127 SGB V und nicht auf die auf Abschluss und Inhalt solcher Verträge gerichteten Beschlüsse der Beklagten anwendbar sei. Das Verhalten der Beklagten habe zudem keine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt und bewirkt; eine solche habe jedenfalls keine spürbaren Auswirkungen gehabt. Auch die Voraussetzungen des Art. 101 AEUV und diejenigen der §§ 19, 20 GWB und Art. 102 AEUV lägen nicht vor. Die Beklagte habe auch nicht schuldhaft gehandelt; aufgrund der Annahme, dass das Kartellverbot auf den Abschluss von Versorgungsverträgen und vorgelagerte Abstimmungen nicht anwendbar sei, fehle es am Vorsatz, aufgrund der Unvermeidbarkeit dieses Irrtums an der Fahrlässigkeit. Jedenfalls sei das Verhalten der Beklagten nicht kausal dafür geworden, dass die Krankenkassen keine Versorgungsverträge mit der Klägerin geschlossen hätten. Die Klägerin trage schon nicht vor, dass sie in bezug auf jede Krankenkasse, für die sie entgangenen Gewinn geltend mache, Bemühungen um einen Vertragsabschluss unternommen habe und dass diese an kartellrechtswidrigem Verhalten der Beklagten gescheitert seien. Ursächlich seien vielmehr die strenge gesetzliche Regulierung des verkürzten Versorgungsweges im Jahr 2009 und Qualitätsbedenken gegen diesen Versorgungsweg. Jedenfalls habe ihr Verhalten nicht bis Ende Oktober 2013 nachgewirkt. Ein Ausbleiben von Versorgungsverträgen sei auch nicht ursächlich für den geltend gemachten entgangenen Gewinn, weil die Klägerin Patienten bis Ende 2009 ohne solche Verträge, im gesamten geltend gemachten Zeitraum durch Beitritt zu bestehenden Verträgen oder aufgrund von Einzelvereinbarungen hätte versorgen können. Das Vorbringen der Klägerin zur Schadenshöhe sei nicht nachvollziehbar, fehlerhaft und methodisch verfehlt. Schließlich sei ihr ein Mitverschulden vorzuwerfen, weil sie es unterlassen habe, bestehenden Verträgen beizutreten und sich nicht ausreichend um den Abschluss eigener Verträge bemüht habe.

7.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. November 2017 für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Grundurteil für unzulässig hält und im übrigen im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die tatbestandlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass der Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach der geltend gemachte Kartellschadensersatzanspruch zusteht, und hierüber durch Grundurteil entschieden.

A.

Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Grundurteil nach § 304 Abs. 1 ZPO nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, wenn grundsätzlich alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und wenn es nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (vgl. BGH, Urteil vom 08.09.2016, VII ZR 168/15, Rn. 21 bei juris; Urteil vom 20.06.2013, VII ZR 4/12, Rn. 30 bei juris; Urteil vom 12.02.2003, XII ZR 324/98, Rn. 22 bei juris).

I.

Nach diesen Maßgaben ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Kartellschadensersatzanspruch dem Grunde nach besteht und das kartellrechtswidrige Verhalten der Beklagten wahrscheinlich zu einem Schaden - in irgendeiner Höhe - bei der Klägerin geführt hat (dazu unter B.).

II.

Zu Unrecht beanstandet die Beklagte, das Grundurteil sei mit Rücksicht auf die Bindungswirkung von Grundurteilen nach § 318 ZPO wegen Unklarheit unzulässig, weil sich ihm nicht entnehmen lasse, ob das Landgericht bei sämtlichen Einzelpositionen jeweils irgendeinen Schaden angenommen hat, nur bei den drei in der Untersagungsverfügung genannten Krankenkassen (B.1, B.2 und K.1) jeweils irgendeinen Schaden angenommen hat oder die Frage, mit welchen Krankenkassen der Klägerin ein Schaden entstanden sein soll, dem Betragsverfahren vorbehalten wollte.

1.

Allerdings muss sich aus dem Grundurteil mit Rücksicht auf dessen Bindungswirkung eindeutig ergeben, inwieweit das Gericht den Streit vorab entschieden hat und welchen Teil es dem Betragsverfahren vorbehalten wollte. Diesem Gesichtspunkt kommt etwa dann besondere Bedeutung zu, wenn das Gericht aus prozessökonomischen Gründen ausnahmsweise einzelne zum Grund des Anspruchs gehörende Fragen im Grundurteil ausklammert und ihre Klärung dem Betragsverfahren überlässt. Solches setzt voraus, dass dem Urteilstenor, zumindest aber den Urteilsgründen, klar zu entnehmen ist, über welche Punkte, die den Grund der Haftung betreffen, im Urteil nicht entschieden worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2003 - XII ZR 324/98, Rn. 22 bei juris).

2.

Unter diesen Gesichtspunkten ist das vorliegende Grundurteil nicht zu beanstanden. Aus dem Tenor in Verbindung mit den Entscheidungsgründen ergibt sich zweifelsfrei, dass das Landgericht die Klage insgesamt für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt und die gesamte geltend gemachte Schadenshöhe dem Betragsverfahren vorbehalten hat.

Nähere Feststellungen dazu, bei wievielen und welchen Krankenkassen ein Schadenseintritt - in irgendeiner Höhe - wahrscheinlich ist, brauchte das Landgericht dazu im Grundurteil nicht zu treffen. Bei der hier geltend gemachten Schadensersatzforderung handelt es sich um eine einheitliche, auf eine schadenstiftende Handlung zurückgehende Forderung, die sich lediglich aus mehreren einzelnen Schadenspositionen - den mit einer Mehrzahl von Krankenkassen entgangenen Gewinnen - zusammensetzt. Bei einer solchen einheitlichen, aus mehreren Einzelposten errechneten Schadensersatzforderung kann die Verpflichtung zum Schadensersatz dem Grunde nach festgestellt werden und dem Betragsverfahren die Prüfung vorbehalten werden, ob und inwieweit die einzelnen Schadenspositionen auf die schadenstiftende Handlung zurückzuführen sind; insoweit handelt es sich um Fragen der haftungsausfüllenden Kausalität (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.2013, VII ZR 4/12, Rn. 30 bei juris; Urteil vom 29.01.2004, I ZR 162/01, Rn. 10 bei juris; Urteil vom 12.07.1989, VIII ZR 286/88, Rn. 11 bei juris; Urteil vom 11.01.1974, I ZR 89/72, Rn. 13 bei juris). Dementsprechend reichte die Feststellung aus, dass es nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht. Insbesondere wäre das Landgericht auch nicht verpflichtet gewesen, die Klage teilweise abzuweisen, wenn es denn bereits jetzt davon ausgegangen wäre, dass einzelne dieser Schadenspositionen, d.h. die mit einer oder mehreren bestimmten Krankenkassen entgangenen Gewinne, ganz oder teilweise nicht schlüssig dargelegt oder aus Rechtsgründen unbegründet seien (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2004, I ZR 162/01, Rn. 10 bei juris).

III.

Das Grundurteil ist auch nicht deswegen unzulässig, weil die Klage als Teilklage mangels Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig wäre. Bei dem von der Klägerin infolge eines Kartellrechtsverstoßes der Beklagten mit einer Mehrzahl von Krankenkassen über mehrere Jahre geltend gemachten entgangenen Gewinn handelt es sich um einen einheitlichen Schaden, der sich nur aus unselbständigen Rechnungsposten zusammensetzt. Die Klägerin kann daher einen Klagebetrag geltend machen, ohne darzulegen, wie dieser sich auf die Einzelposten verteilt (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2011, II ZR 146/09, Rn. 12 bei juris).

B.

In der Sache ist das Landgericht mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz des Kartellschadens zusteht, der ihr im Zusammenhang mit dem kartellrechtswidrigen Vorgehen der Beklagten gegen das von der Klägerin praktizierte Geschäftsmodell des verkürzten Versorgungsweges entstanden ist.

Der Anspruch folgt aus § 33 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GWB in den bis zum 29. Juni 2013 bzw. 8. Juni 2017 gültigen Fassungen (zur Anwendbarkeit des im Zeitpunkt der Schadensentstehung geltenden Rechts vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2011, KZR 75/10 - ORWI, Rn. 13 bei juris, und § 186 Abs. 3 GWB). Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig gegen § 1 GWB verstößt, dem Betroffenen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

I.

Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts in seiner Abstellungsverfügung vom 18. November 2011 (Az. B 3 - 134/09, Anlage B&B 6) hat die Beklagte gegen § 1 GWB - in den seit 2005 gültigen Fassungen - verstoßen, indem sie als Unternehmensvereinigung vor ihren zahlreichen Schreiben vom März und April 2009 den Beschluss gefasst hat, im Vergleich zu älteren Verträgen nach § 127 SGB V günstigere Erstattungspreise für die zuzahlungsfreie Versorgung mit Hörhilfen und für diesbezügliche Reparaturpauschalen nur mit denjenigen Krankenkassen zu vereinbaren, die auf den Abschluss weiterer Versorgungsverträge mit anderen Anbietern, insbesondere über die Versorgung im nach § 128 SGB V zulässigen verkürzten Versorgungsweg, verzichten bzw. solche Verträge nicht abgeschlossen haben. Für den Fall, dass dennoch weitere Verträge geschlossen würden, hätten der Beklagten Sonderkündigungsrechte eingeräumt werden sollen. Insbesondere bezüglich einiger B. sei beschlossen worden, unabhängig von der Höhe des Erstattungspreises keine Vertragsverhandlungen aufzunehmen, soweit Verträge über den verkürzten Versorgungsweg bestünden. Jedenfalls im Fall des Beschlusses der Vorstandstelekonferenz der Beklagten vom 2. November 2009 sei ein solcher Beschluss auch dokumentiert (Rn. 68, 27 ff. der Verfügung).

Diese Beschlüsse hätten eine Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Hörgeräteakustikern und den im verkürzten Versorgungsweg tätigen Anbietern im gesamten Bundesgebiet bezweckt. Sie seien geeignet gewesen, den Wettbewerb spürbar zu beeinträchtigen und hätten auch eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bewirkt. Aus den vorliegenden Verträgen der Beklagten mit Krankenkassen sowie aus Dokumenten zu weiteren Vertragsverhandlungen ergebe sich, dass die Beklagte den Krankenkassen gegen Verzicht auf Konkurrenzverträge Vorteile dafür angeboten und eingeräumt habe, dass diese keine Hörgeräte mehr erstatten, die nicht im Rahmen eines Versorgungsvertrages mit der Beklagten abgegeben werden, bzw. Nachteile (in Form des Verlustes der Vergünstigung) für den Fall in Aussicht gestellt habe, dass sie weitere Verträge - insbesondere über die Versorgung im verkürzten Versorgungsweg - abschließen. Durch diese angebotenen und beschlossenen Vertragsbedingungen seien die in Konkurrenz zu den Hörgeräteakustikern auftretenden Anbieter in ihren wettbewerblichen Möglichkeiten beschränkt worden. Dabei sei auch eine erhebliche Einschränkung der wettbewerblichen Möglichkeiten für die Anbieter im verkürzten Versorgungsweg bewirkt worden. Die Beschlüsse der Beklagten seien auch nicht freistellungsfähig nach § 2 GWB (Rn. 68, 35 ff., der Verfügung).

Die Anwendbarkeit des § 1 GWB sei nicht durch § 69 SGB V in seinen bis 1. Dezember 2010 bzw. ab 1. Januar 2011 geltenden Fassungen ausgeschlossen, weil die Vorschrift lediglich die Leistungsbeziehungen bzw. Handlungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern in Erfüllung ihres sozialrechtlichen Versorgungsauftrages erfasse, nicht aber die Rechtsbeziehungen der Leistungserbringer untereinander, nicht daher Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen der Wettbewerber untereinander, Beschlüsse von Vereinigungen von Leistungserbringern sowie Marktmissbrauch und Behinderung gegenüber Wettbewerbern, die das Horizontalverhältnis der Wettbewerber untereinander betreffen (Rn. 63 ff. der Verfügung).

II.

An diese Feststellungen, die der Senat bereits in den (nicht tragenden) Ausführungen seines Beschlusses vom 1. August 2012 (VI-Kart 7/11 (V), Rn. 89 ff. bei juris) inhaltlich bestätigt hat, hat das Landgericht sich zu Recht gebunden gesehen.

1.

Dies folgt aus § 33 Abs. 4 GWB a.F. Danach ist dann, wenn wegen eines Verstoßes gegen § 1 GWB Schadensersatz begehrt wird, das Gericht an die Feststellung des Verstoßes gebunden, wie sie in einer bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbehörde getroffen wurde. Die Norm ist in ihrer vom 30. Juni 2013 bis 8. Juni 2017 geltenden Fassung gemäß der Übergangsvorschrift des § 186 Abs. 3 GWB und im übrigen unabhängig vom Zeitpunkt des Kartellrechtsverstoßes deshalb anwendbar, weil die Abstellungsverfügung des Bundeskartellamts vom 18. November 2011 erst mit Verwerfung der Rechtsbeschwerde bzw. Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Beschwerdeentscheidung des Senats vom 1. August 2012 (Az. VI-Kart 7/11 (V), juris) durch den Bundesgerichtshof am 9. Juli 2013 (Az. KVR 56/12, juris) bestandskräftig wurde (vgl. zur zeitlichen Anwendbarkeit BGH, Urteil vom 12.06.2018, KZR 56/16 - Grauzementkartell II, Rn. 30 bei juris; Senat, Urteil vom 30.09.2009, VI-U (Kart) 17/08, Rn. 35 bei juris).

Die Bindungswirkung erfasst nicht nur den Tenor, sondern auch die tragenden Gründe der Entscheidung und erstreckt sich auf die Feststellung des Kartellrechtsverstoßes in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht; ausgenommen sind allein die weiteren Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs, insbesondere Schadenskausalität und -höhe sowie Verschulden (vgl. BT-Drucks. 15/3640 S. 54; BGH, Urteil vom 12.07.2016, KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn. 12, 19 bei juris; OLG München, Urteil vom 21.02.2013, U 5006/11 Kart - Fernsehvermarktung, Rn. 90 bei juris; Bechtold/Bosch, § 33 GWB Rn. 46). Während bei einer auf mehrere Begründungen gestützten Verfügung der Kartellbehörde im Fall einer bestätigenden Gerichtsentscheidung nur denjenigen Feststellungen Bindungswirkung im Sinne des § 33 Abs. 4 GWB a.F. zukommt, die die Zurückweisung der Beschwerde tragen (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016, KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn 15 bei juris; Beschluss vom 14.08.2008, KVR 54/07 - Lottoblock I, Rn. 49 bei juris), umfasst die Bindungswirkung der im vorliegenden Fall ohne gerichtliche Sachprüfung bestandskräftig gewordenen Verfügung alle darin zum Kartellrechtsverstoß in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht getroffenen Feststellungen, mithin auch jene zu §§ 19, 20 GWB und Artt. 101, 102 AEUV. Auf diese Vorschriften braucht indes im vorliegenden Schadensersatzverfahren nicht näher eingegangen zu werden, weil für den eingeklagten Schadensersatzanspruch der festgestellte Verstoß gegen § 1 GWB genügt.

2.

Zu Unrecht wendet die Beklagte ein, die Abstellungsverfügung des Bundeskartellamts könne keine Bindungswirkung im Sinne des § 33 Abs. 4 GWB a.F. entfalten, weil sie nicht bestandskräftig geworden sei, da sie sich im Anfechtungsbeschwerdeverfahren vor dem Senat erledigt habe, indem die Beklagte das mit der Verfügung beanstandete Verhalten endgültig und ernsthaft aufgegeben habe.

a)

Eine Verfügung des Bundeskartellamts gemäß § 32 GWB wie die vorliegende ist bestandskräftig im Sinne des § 33 Abs. 4 GWB a.F., wenn sie mit den ordentlichen Rechtsbehelfen unanfechtbar geworden ist (formelle Bestandskraft, vgl. Emmerich in Immenga/Mestmäcker, § 32 GWB Rn. 24; Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 VwVfG Rn. 20 ff.). Die Verfügung des Bundeskartellamts ist im vorgenannten Sinn formell bestandskräftig geworden, weil die Beklagte ihre gegen sie gerichtete Anfechtungsbeschwerde nicht weiterverfolgt, sondern den ursprünglichen Aufhebungsantrag in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 71 Abs. 2 S. 2 GWB gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit geändert hat, den der Senat - bestätigt vom Bundesgerichtshof - mangels Feststellungsinteresses verworfen hat, ohne inhaltlich bindend über ihn zu entscheiden.

b)

Die Amtsverfügung hat nicht dadurch im Sinne von § 43 Abs. 2 VwVfG ihre (innere und äußere) Wirksamkeit verloren, weil die Beklagte im Senatstermin am 13. Juni 2012 endgültig und ernsthaft die ihr untersagten Verhaltensweisen aufgegeben hat.

aa)

Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass eine Verfügung des Bundeskartellamts dann als erledigt anzusehen ist, wenn sie keine rechtlichen Wirkungen mehr äußern kann, deshalb gegenstandslos geworden ist und damit die mit ihr verbundene Beschwer des Betroffenen nachträglich entfallen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19.06.2007, KVR 16/06, Rn. 18 bei juris; Beschluss vom 31.05.2006, KVR 1/05 - Call-Option, Rn. 13 bei juris; Bechtold/Bosch, § 71 GWB Rn. 9; Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, § 71 GWB Rn. 21; Lembach in Langen/Bunte, § 71 GWB Rn. 39). Durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist ein Verwaltungsakt, der seine regelnde Wirkung verliert, weil etwa der darin bestimmte Termin oder der betroffene Zeitraum abgelaufen sind, der Begünstigte auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet, der Regelungszweck nicht mehr erreicht werden kann, weil Regelungssubjekt oder -objekt wegfallen oder die Regelung deshalb gegenstandslos wird, weil sich die rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen ändern (vgl. im einzelnen Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 VwVfG Rn. 204 ff.; Bechtold/Bosch, § 71 GWB Rn. 9; Lembach in Langen/Bunte, § 71 GWB Rn. 40 ff.).

Demgegenüber tritt etwa bei einem Verwaltungsakt, der dauerhaft wirkende Rechtsfolgen begründet, durch den Eintritt seiner Wirkungen keine Erledigung ein (vgl. OVG Naumburg, Urteil vom 09.12.2010, 2 U 60/10 (Baul), Rn. 25 bei juris, zur vorzeitigen Besitzeinweisung nach § 21 AEG). Auch bei der Erfüllung eines Gebots tritt keine Erledigung ein, wenn der Verwaltungsakt eine auf unbestimmte Dauer gerichtete Verpflichtung ausspricht, die als Grundlage ihrer Erfüllung fortbesteht und sich beständig aktualisiert (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 16.04.2013, 4 A 260/12, Rn. 31 bei juris, zur Verpflichtung zum Anschluss an eine öffentliche Abwasseranlage), wenn ein auf Auskunftserteilung gerichteter Verwaltungsakt nach der Auskunftserteilung Rechtsgrundlage für die Verwertung der Daten bleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 19.06.2007, KVR 16/06, Rn. 19 bei juris) oder wenn von dem Verwaltungsakt, mit dem Handlungspflichten auferlegt werden, jedenfalls für das Vollstreckungsverfahren weiterhin rechtliche Wirkungen ausgehen, z.B. für die Erhebung von Kosten des Vollstreckungsverfahrens (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.09.2008, 7 C 5/08, Rn. 13 bei juris).

bb)

So liegt der Fall hier. Das Bundeskartellamt hat der Beklagten mit der benannten Verfügung unbefristet und damit dauerhaft insbesondere untersagt, Beschlüsse mit dem Inhalt zu fassen, den Krankenkassen günstigere Konditionen anzubieten oder zu gewähren, wenn diese auf Versorgungsverträge über den verkürzten Versorgungsweg verzichten, den Abschluss solcher Verträge an die Bedingung zu knüpfen, dass die Krankenkassen keine Verträge über den verkürzten Versorgungsweg schließen, und in solchen Verträgen ein Sonderkündigungsrecht für den Fall zu vereinbaren, dass die Krankenkassen Verträge über den verkürzten Versorgungsweg schließen. Hierbei handelt es sich um eine Verfügung mit Dauerwirkung, die sich nicht dadurch im Sinne von § 43 Abs. 2 VwVfG erledigte, dass die Beklagte im Anfechtungsverfahren erklärt hat, dieser Verfügung nachkommen zu wollen (Senat, Beschluss vom 1. August 2012, VI-Kart 7/11 (V), Rn. 87 bei juris; vgl. Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, § 71 GWB Rn. 21; Lembach in Langen/Bunte, § 71 GWB Rn. 41).

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht daraus, dass der Senat in seinem Beschluss vom 01.08.2012 (Az. VI-Kart 7/11 (V), Rn. 47 bei juris) ausgeführt hat, die Abstellungsverfügung sei faktisch gegenstandslos geworden, ihre einschränkende Regelungswirkung entfalle faktisch, weil die Beklagte das beanstandete Verhalten von sich aus aufgegeben habe.

Schon aus der Verwendung des Begriffs "faktisch" ergibt sich, dass der Senat hiermit nicht von einer - rechtlichen - Erledigung im oben beschriebenen Sinne gesprochen hat und mithin nicht von einer Unwirksamkeit der Verfügung gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG ausgegangen ist. Die Ausführungen sind im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der von der Beklagten nach Antragsänderung nunmehr verfolgten Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde gemäß § 71 Abs. 2 S. 2 GWB erfolgt. Sie dienten der Begründung dafür, dass die materielle Beschwer der Beklagten für ihre ursprünglich verfolgte Anfechtungsbeschwerde entfallen, diese unzulässig geworden und dadurch grundsätzlich der Weg zur Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde eröffnet worden ist.

Darüber hinausgehende rechtliche Erwägungen waren seinerzeit nicht veranlasst, und mehr hat der Senat in jenem Kartellverwaltungsverfahren auch nicht entschieden. Es war insbesondere nicht darüber zu befinden, ob die Abstellungsverfügung des Amtes aufgrund der "Unterwerfungserklärung" der Beklagten jedwede rechtlichen Wirkungen verloren hat und deshalb im Sinne von § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt ist. Dies ist nicht der Fall. Durch die ernsthafte und endgültige Aufgabe der kartellbehördlich untersagten Verhaltensweisen ist alleine der Verbotsausspruch des Amtes gegenstandslos geworden. Unberührt geblieben ist die Wirksamkeit der - tatsächlichen und rechtlichen - Feststellungen und Bewertungen des Bundeskartellamts zu dem zugrundeliegenden Kartellverstoß der Beklagten. Insoweit entfaltet die Amtsverfügung nämlich nach § 33 Abs. 4 GWB a.F. Bindungswirkung für den Schadensersatzprozess, und diese rechtliche Wirkung steht der Annahme einer Erledigung der Amtsentscheidung nach § 43 Abs. 2 VwVfG entgegen.

c)

Die Annahme der Bindungswirkung der Abstellungsverfügung ist auch nicht, wie die Beklagte meint, mit der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG unvereinbar.

aa)

Richtig ist, dass Art. 19 Abs. 4 GG eine effektive gerichtliche Kontrolle von Hoheitsakten, die in die Rechte des Betroffenen eingreifen, garantiert und der Rechtsschutz nicht durch die Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens unmöglich gemacht, unzumutbar erschwert oder faktisch entwertet werden darf. Wählt der Gesetzgeber eine abgestufte Verfahrensgestaltung, bei der das folgende Verfahren auf einer bindenden Vorentscheidung aufbaut, die durch den Angriff gegen die Endentscheidung nicht mehr oder nur eingeschränkt einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann, so ist dies nur dann mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar, wenn - erstens - sich die Bindung an vorangehende Feststellungen oder Entscheidungen einer anderen Behörde hinreichend klar aus einer gesetzlichen Bestimmung ergibt, - zweitens - gegen die mit Bindungswirkung ausgestattete Teil- oder Vorentscheidung ihrerseits effektiver Rechtsschutz zur Verfügung steht und - drittens - die Aufspaltung des Rechtsschutzes mit einer etwaigen Anfechtungslast gegenüber der Vorentscheidung für die Betroffenen klar erkennbar und nicht mit unzumutbaren Risiken und Lasten verbunden ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 - Garzweiler, Rn. 193 bei juris; Beschluss vom 31.05.2011, 1 BvR 857/07 - Investitionszulage, Rn. 102).

bb)

Nach diesen Maßgaben ist die - in § 33 Abs. 4 a.F. GWB gesetzlich angeordnete - Bindungswirkung der Abstellungsverfügung des Bundeskartellamts im nachfolgenden Schadensersatzprozess mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar. Denn sowohl war die Abstellungsverfügung mit der Anfechtungsbeschwerde nach § 63 GWB überprüfbar als auch war nach Erledigung des Anfechtungsbegehrens infolge Wegfalls der materiellen Beschwer die Rechtmäßigkeit der Verfügung im Wege der Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde nach § 71 Abs. 2 S. 2 GWB gerichtlicher Nachprüfung zugänglich. Dass die Verfügung letztlich ohne gerichtlichen Ausspruch über ihre Rechtmäßigkeit bestandskräftig geworden ist, liegt allein daran, dass die Anfechtungsbeschwerde unzulässig geworden ist, weil die Beklagte erklärt hat, der Verfügung nachkommen zu wollen, und deshalb ihre materielle Beschwer entfallen ist, und dass die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde ebenfalls unzulässig war, weil die Beklagte das erforderliche Feststellungsinteresse nicht dargetan hat und dieses auch sonst nicht festzustellen war. Gelingt es dem Antragsteller lediglich nicht, die Voraussetzungen des an sich statthaften Rechtsbehelfs darzutun, ändert dies nichts an der Bindungswirkung der Entscheidung zu seinen Lasten und ist Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht verletzt (vgl. Bechtold/Bosch, § 33 GWB Rn. 50; Bornkamm/Tolkmitt in Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl., Band 1, § 33 b Rn. 3).

3.

Angesichts der oben dargestellten Bindungswirkung der Verfügung des Bundeskartellamts kommt es nicht darauf an, dass der Senat in seiner die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde der Beklagten wegen Unzulässigkeit verwerfenden Entscheidung (Beschluss vom 01.08.2012, VI-Kart 7/11 (V), juris) - zwangsläufig - keine einer Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 GWB a.F. zugänglichen tragenden Feststellungen zu dem Kartellverstoß der Beklagten getroffen hat. Überdies hat die Klägerin den vom Bundeskartellamt festgestellten Sachverhalt in den vorliegenden Prozess eingeführt und sich zu eigen gemacht. Der Senat hat die tatsächlichen Feststellungen sowie deren rechtliche Bewertung durch das Bundeskartellamt zu einem Verstoß gegen § 1 GWB in seinem oben genannten Beschluss (Rn. 89 ff. bei juris) inhaltlich bestätigt; dabei bleibt es.

III.

Die räumlich jedenfalls auf das Gebiet Deutschlands bezogene Bindungswirkung der Feststellungen des Bundeskartellamts hängt in personeller Hinsicht lediglich auf Schuldnerseite davon ab, dass der auf Schadensersatz in Anspruch Genommene an dem Verfahren, das zur bindenden Entscheidung geführt hat, beteiligt gewesen ist und dort rechtliches Gehör gefunden hat (vgl. Senat, Urteil vom 09.04.2014, VI-U (Kart) 10/12 - Schadensersatzpflicht der Lottogesellschaft, Rn. 36 bei juris; Bechtold/Bosch, § 33 GWB Rn. 50). So liegt es hier.

In zeitlicher Hinsicht erstreckt sich die Bindungswirkung von Anfang März 2009 bis zum Erlass der Verfügung durch das Bundeskartellamt am 18. November 2011. Für die darüber hinausgehende Zeit bis zum 13. Juni 2012 steht aufgrund einer Fortdauervermutung fest, dass die Beklagte an ihrem vom Bundeskartellamt festgestellten Beschluss festgehalten hat.

1.

Für den Umfang der Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 GWB a.F. kommt es auf die im Vorverfahren oder -prozess getroffenen tatsächlichen Feststellungen an. Während eine Bußgeldentscheidung regelmäßig Feststellungen zur Dauer des Verstoßes enthalten wird, weil es sich dabei um ein wesentliches Zumessungskriterium im Rahmen von § 17 OWiG handelt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.07.2013, 6 U 51/12 (Kart), Rn. 46 bei juris), ist der Zeitraum des Verstoßes bei einer Abstellungsverfügung nicht notwendig zu bestimmen. Für deren Rechtmäßigkeit nach § 32 GWB kommt es darauf an, ob eine Zuwiderhandlung gegen eine Vorschrift des GWB oder die Artt. 101, 102 AEUV begangen worden ist oder jedenfalls droht. Die Abstellungsverfügung setzt mithin lediglich eine Begehungsgefahr voraus, die sich regelmäßig, wenn auch nicht notwendig, aus einer in der Vergangenheit liegenden Verletzungshandlung ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 14.08.2008, KVR 54/07 - Lottoblock I, Rn. 52 bei juris). Mit der Feststellung einer Wiederholungsgefahr wird nicht die andauernde weitere Begehung der Zuwiderhandlung festgestellt. Die Feststellung der Gefahr eines (weiteren) Verstoßes ist nicht mit der Feststellung eines tatsächlich eingetretenen Verstoßes gleichzusetzen. Maßgeblich ist damit allein, in welchem Umfang eine Zuwiderhandlung gegen Kartellrecht im Tenor oder in den tragenden Gründen der abschließenden Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren festgestellt worden ist (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 12.07.2016, KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn. 18 f. bei juris).

2.

Dass die Beklagte spätestens Anfang März 2009 den Beschluss gefasst hat, im Rahmen von Vertragsverhandlungen günstigere Erstattungspreise mit Krankenkassen zu vereinbaren, wenn diese erklären, dass sie auf den Abschluss von Konkurrentenverträgen, insbesondere über den verkürzten Versorgungsweg, verzichten, ergibt sich aus den folgenden, ebenfalls im Kartellverwaltungsverfahren festgestellten Indizien, dass die Beklagte mit einem ersten Schreiben vom 6. März 2009 die E. und die L. um Unterstützung dahin gebeten hat, dass ein Vertrag über die verkürzte Versorgung, zu dessen Abschluss vom W.1 eine Bekanntmachung im Sinne des § 127 Abs. 2 SGB V erfolgte, nicht realisiert wird (Rn 22 a der Verfügung), und dass sie mit weiteren Schreiben ab dem 13. März 2009 an alle W.1-Kassen (außer C.4), das C.5, den H., die B. ... und ..., die E.2 und verschiedene M. erklärt hat, dass die mit den Adressaten geschlossenen Versorgungsverträge gekündigt werden müssten, wenn die von den Adressaten vorgesehenen Versorgungsverträge zum verkürzten Versorgungsweg zu einem Wettbewerbsnachteil für die Mitglieder der Beklagten werden und zu einem erheblichen Mitgliederschwund bei der Beklagten führen, was sich schon ankündige (Rn. 22 b der Verfügung).

3.

An dieser Beschlusslage hat die Beklagte im weiteren Verlauf festgehalten. Dies zeigt sich in den festgestellten Angeboten und Abschlüssen von Versorgungsverträgen, die vergünstigte Erstattungspreise und eine Rückkehr zu höheren Erstattungspreisen für den Fall vorsahen, dass die Krankenkassen weitere Versorgungsverträge mit Anbietern des verkürzten Versorgungswegs schließen, und kommt in den Beschlüssen der Vorstandstelekonferenz der Beklagten vom 2. November 2011, wonach bei B., die keinen Vertrag zum verkürzten Versorgungsweg geschlossen haben, auf ein Sonderkündigungsrecht verzichtet, und mit B., die einen solchen Vertrag abgeschlossen haben, bis auf weiteres kein Vertrag geschlossen werden solle (Rn. 22 j der Verfügung), und vom 9. Dezember 2009, wonach die Beklagte allen B. Preisreduktionen anbiete, wenn diese sich verpflichten, keine weiteren Verträge mit Anbietern im verkürzten Versorgungsweg zu schließen (Rn. 22 n der Verfügung), ebenso deutlich zum Ausdruck wie in den zwischen Dezember 2009 und März 2010 erfolgten schriftlichen Verhandlungen einer Zusatzvereinbarung über eine Preisreduktion mit dem B.3, in denen Einigkeit bestand, dass der verkürzte Versorgungsweg nicht durch weitere Vertragsschlüsse ausgebaut werde (Rn. 22 o - p der Verfügung). Die Fortdauer des Beschlusses zeigt sich nach den Feststellungen des Bundeskartellamts zuletzt in der Vereinbarung zwischen der Beklagten und der B.2 vom 1. April 2010 über reduzierte Erstattungspreise und ein Sonderkündigungsrecht für den Fall, dass die Krankenkasse Versorgungsverträge mit anderen Versorgungsmodellen schließt (Rn. 20 der Verfügung).

4.

Für die weitere Zeit bis zum Erlass der Verfügung am 18. November 2011 streitet eine Fortdauervermutung für die fortbestehende Geltung des Beschlusses der Beklagten, die das Bundeskartellamt der Annahme der Wiederholungsgefahr zugrundegelegt hat und die im Kartellverwaltungsverfahren weder durch die Verpflichtungszusagen der Beklagten vom 23. Dezember 2010, die sie mit Schreiben vom 27. Januar 2011 wieder zurückgenommen hat, ausgeräumt wurden noch dadurch, dass die Beklagte mit Schreiben vom 27. Dezember 2010 den drei Krankenkassen, mit denen sie die in der Amtsverfügung festgestellten Vereinbarungen getroffen hat, mitgeteilt hat, dass sie auf die darin vereinbarten Sonderkündigungsrechte zu ihren Gunsten mit sofortiger Wirkung endgültig verzichte (Rn. 74 ff. der Verfügung).

5.

Auch dafür, dass die Beklagte in der Folgezeit bis zum 13. Juni 2012, als sie im Senatstermin im Beschwerdeverfahren gegen die Amtsverfügung erklärte, sie wolle endgültig auf die Verwendung der in Rede stehenden Klauseln verzichten und beabsichtige nicht, solche Vertragsbestimmungen nochmals abzuschließen, an ihrer Beschlusslage festgehalten hat, streitet eine tatsächliche Fortdauervermutung, die die Beklagte nicht erschüttert hat.

a)

Unternehmen, die ihr Verhalten koordiniert haben, weil sie sich wirtschaftliche Vorteile durch die Beseitigung oder Verringerung des zwischen ihnen bestehenden Wettbewerbs versprechen, haben danach regelmäßig weder Anlass, die Verhaltenskoordinierung zu bekräftigen, noch von ihr abzuweichen. Dies gilt jedenfalls, solange die für die Abstimmung wesentlichen ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen fortdauern und kein Beteiligter erkennbar aus ihr ausbricht. Das rechtfertigt sowohl die Vermutung, dass die Beteiligten an ihrer Beschlusslage festhalten, als auch die weitere Vermutung, dass sie sich bei ihrem weiteren Marktauftritt so verhalten, wie sie es untereinander abgestimmt haben (vgl. EuGH, Urteil vom 04.06.2009, C-8/08 - T-Mobile/Netherlands/NMA, Rn. 51 ff. bei juris; Urteil vom 08.07.1999, C-49/92 - Kommission/Anic Partecipazioni, Rn. 121 bei juris; BGH, Urteil vom 12.07.2016, KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn. 24 bei juris; Urteil vom 12.04.2016, KZR 31/14 - Gemeinschaftsprogramme, Rn. 44 bei juris). Zur Beendigung der Vermutungswirkung ist entweder eine ernsthafte und glaubhafte Erklärung erforderlich, aus der sich ergibt, dass die beanstandete Verhaltensweise aufgegeben wird, oder eine anderweitige Zäsur im Geschehen (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016, KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn. 30, 35; Beschluss vom 14.08.2008, KVR 54/07 - Lottoblock I, Rn. 53 bei juris; Senat, Urteil vom 09.04.2014, VI-U (Kart) 10/12 - Schadensersatzpflicht der Lottogesellschaft, Rn. 47 bei juris; Bornkamm in Langen/Bunte, § 32 GWB Rn. 16).

b)

Eine solche Zäsur wurde vorliegend durch die Zustellung der Abstellungsverfügung vom 18. November 2011 nicht bewirkt.

aa)

Eine die Vermutung andauernden kartellrechtswidrigen Verhaltens beendende Zäsurwirkung kann unter Umständen auch einer Abstellungsverfügung zukommen, die im kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren ergangen ist. Es liegt nicht fern, zu erwarten, dass sich ein grundsätzlich rechtstreuer Adressat an eine sofort vollziehbare behördliche Untersagungsverfügung hält (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016, KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn. 35 bei juris).

Jedenfalls bei einem punktuellen Kartellrechtsverstoß wie einer einmaligen Verhaltensabstimmung, deren Auswirkungen potentiell zeitlich unbegrenzt sind, kann die Zustellung der Verfügung für sich allein indes die Vermutung einer andauernden Bestimmung oder Beeinflussung des Marktgeschehens durch die Verhaltenskoordination regelmäßig nicht entfallen lassen. Andernfalls würde vernachlässigt, dass die Beteiligten in einem solchen Fall, ohne erneut aktiv kartellrechtswidrig handeln zu müssen, sich schlicht weiter an die einmal getroffene Abstimmung halten können. Es liegt deshalb nahe, dass die Teilnehmer einer solchen, durch eine punktuelle Handlung ins Werk gesetzten Abstimmung auch nach Zustellung der Untersagungsverfügung unverändert an ihrem abgestimmten Verhalten festhalten. Für die Widerlegung der Vermutung einer Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens ist es in einem solchen Fall auch nach Zustellung der Abstellungsverfügung weiterhin erforderlich, dass sich ein an dem Kartellrechtsverstoß beteiligtes Unternehmen offen und eindeutig von der Abstimmung distanziert, so dass den anderen Teilnehmern bewusst wird, dass es sich nicht mehr daran hält (vgl. EuGH, Urteil vom 07.01.2004, C-204/00 - Aalborg Portland u.a., Rn 81 ff. bei juris; BGH, Urteil vom 12.07.2016, KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn. 36 bei juris).

bb)

Nach diesen Maßgaben kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte die Zustellung der Verfügung des Bundeskartellamts zum Anlass genommen hat, ihre Haltung zum verkürzten Versorgungsweg zu ändern und von dem kartellrechtswidrigen Beschluss abzurücken. Die Beklagte trägt dazu nichts vor, und solche Umstände ergeben sich auch sonst nicht aus der Akte. Im Gegenteil spricht die Tatsache, dass die Beklagte Beschwerde gegen die Verfügung eingelegt und erst im Senatstermin vom 13. Juni 2012 die ihr verbotenen Verhaltensweisen aufgegeben hat, dafür, dass sie bis dahin an ihrem bisherigen Beschluss festgehalten hat.

c)

Soweit die Beklagte am 28. März 2012 alle Versorgungsverträge mit den gesetzlichen Krankenkassen gekündigt hat, räumt auch dies die Fortdauervermutung nicht aus. Die Beklagte hat diesen Schritt damit begründet, dass sie die Verträge mit Rücksicht auf Änderungen in der damaligen Rechtslage, insbesondere auf die zum 1. März 2012 in Kraft getretenen neuen Festbeträge für an Taubheit grenzende Schwerhörige von 841,94 € brutto je Hörgerät, neu verhandeln wollte. Eine offene und eindeutige Distanzierung von ihrem kartellrechtswidrigen Beschluss ergibt sich hieraus nicht.

6.

Nach alledem liegt die erforderliche Zäsur, ab der der Kartellverstoß aufgegeben war, erst in der im Beschwerdeverfahren im Senatstermin vom 13. Juni 2012 abgegebenen Erklärung, die Beklagte wolle auf die Verwendung der in Rede stehenden Klauseln endgültig verzichten und beabsichtige nicht, solche Vertragsbestimmungen nochmals abzuschließen (vgl. auch Senat, Beschluss vom 01.08.2012 - VI-Kart 7/11 (V), Rn. 179 bei juris). Dies besagt indes nichts darüber, ob der Klägerin infolge des bis zum 13. Juni 2012 fortdauernden kartellrechtswidrigen Beschlusses auch im darüber hinausgehenden Zeitraum bis zum 31. Oktober 2013 ein Kartellschaden entstanden ist, denn der - hier zeitliche - Schadensumfang betrifft die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität (dazu unter VII.), nicht hingegen die für § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 GWB a.F. haftungsbegründende Frage eines Verstoßes gegen eine Vorschrift des GWB.

IV.

Über die bindenden Feststellungen des Bundeskartellamts hinaus stellt der Senat Folgendes fest:

1.

Der gegen § 1 GWB verstoßende Beschluss, den die Beklagte vor ihren ersten Schreiben von März und April 2009 gefasst hat, beschränkte sich nicht auf den Inhalt, Krankenkassen günstigere Erstattungspreise anzubieten, wenn sie auf den Abschluss von Versorgungsverträgen über den verkürzten Versorgungsweg verzichten. Er hatte vielmehr weitergehend allgemein den Inhalt, ab dem 1. April 2009 den Anbietern des verkürzten Versorgungsweges den Marktzutritt zu verwehren und hierzu die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, wie Krankenkassen die Kündigung bestehender Versorgungsverträge anzukündigen, wenn diese Verträge über den verkürzten Versorgungsweg abschließen, sich in der Öffentlichkeit und gegenüber Behörden gegen den verkürzten Versorgungsweg auszusprechen und Versorgungsverträge mit Krankenkassen so zu formulieren, dass Anbieter des verkürzten Versorgungsweges diesen nicht "zu den gleichen Bedingungen" gemäß § 127 Abs. 2a SGB V beitreten können. Auch insoweit hat die Beklagte ihren Beschluss erst am 13. Juni 2012 aufgegeben; die oben erwähnten Gründe gelten hierfür entsprechend.

a)

Die Beklagte räumt selbst ein, ihre Delegiertenversammlung habe am 10. März 2009 beschlossen, den Vorstand zu beauftragen, "alle rechtlichen Mittel" zu nutzen, um den Abschluss des vorgesehenen Vertrages über den verkürzten Versorgungsweg zwischen der Klägerin und dem W.1 zu verhindern, sowie die Öffentlichkeit "über die unhaltbaren Zustände im Zusammenhang mit dem verkürzten Versorgungsweg" zu informieren (GA Bl. 122, 887).

Einen solchen weitergehenden Beschlussinhalt indizieren auch das erste Schreiben der Beklagten vom 6. März 2009, mit dem diese die E. und die L. um Unterstützung dahin gebeten hat, dass ein Vertrag über die verkürzte Versorgung, zu dessen Abschluss vom W.1 eine Bekanntmachung im Sinne des § 127 Abs. 2 SGB V erfolgte, nicht realisiert wird (Rn 22 a der Verfügung), und die weiteren Schreiben ab dem 13. März 2009 an alle W.1-Kassen (außer C.4), das C.5, den H., die B.1 ... und ..., die E.2 und verschiedene M., in denen die Beklagte erklärt hat, dass die mit den Adressaten geschlossenen Versorgungsverträge gekündigt werden müssten, wenn die von den Adressaten vorgesehenen Versorgungsverträge zum verkürzten Versorgungsweg zu einem Wettbewerbsnachteil für die Mitglieder der Beklagten werden und zu einem erheblichen Mitgliederschwund bei der Beklagten führen, was sich schon ankündige (Rn. 22 b der Verfügung).

Weitere Indizien hierfür sind das Schreiben der Beklagten vom 17. März 2009, mit dem diese das C.6 um "rasche aufsichtsrechtliche Prüfung des Vertragsentwurfs und ein Einschreiten gegen das Vorgehen der bekanntgebenden Krankenkassen" (Hervorhebung im Original) bat, da die Zeit sehr dränge (Anlage B 29). Aus mehreren Schreiben des C.5 vom 24. April 2009 und 13. Mai 2009 und der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten vom 30. April 2009 ergibt sich, dass die Beklagte deshalb auch an diese Behörden herangetreten ist (Anlage B 18). Mit Schreiben vom 28. April 2009 wandte die Beklagte sich erneut an die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten, um diese "auf möglicherweise unzulässige Regelungen in mehreren Verträgen zum so genannten verkürzten Versorgungsweg aufmerksam" zu machen (Anlage B 28).

Mit weiterem Schreiben vom 28. April 2009 wandte die Beklagte sich zudem an den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages und erklärte, der Gesetzgeber sollte den neu geschaffenen § 128 SGB V wegen aktueller Fehlentwicklungen nachbessern; mit dem verkürzten Versorgungsweg solle ein gefahrengeneigtes Handwerk durch dafür nicht qualifiziertes Personal in der HNO-Praxis ersetzt werden, was zu Lasten der Versorgungsqualität und der mittelständigen Strukturen im Hörgeräteakustiker-Handwerk gehe; im Interesse des Versichertenschutzes sei auf den verkürzten Versorgungsweg zu verzichten (Anlage B 31).

b)

Eine solche weitergehende Beschlussfassung hat die Beklagte nicht substantiiert bestritten.

aa)

Soweit sie vorträgt, ihrem Vorgehen gegen den Vertragsentwurf zwischen der Klägerin und dem W.1 lasse sich keine generelle Ablehnung des verkürzten Versorgungsweges entnehmen, sie habe nur rechtliche Bedenken gegen die Ausgestaltung dieses Vertrages gehabt, weil es sich um einen trilateralen Vertrag zwischen Klägerin, kooperierenden Ärzten und W.1 gehandelt habe(GA Bl. 124), ist dies nicht plausibel. Schon der Umstand, dass die Beklagte als an einem zwischen zwei - oder drei - Vertragspartnern geschlossenen Vertrag unbeteiligte Dritte meinte, wegen rechtlicher Bedenken gegen diesen vorgehen zu müssen, setzt ein besonderes Interesse voraus, das sich vorliegend nur aus der Absicht erklären lässt, die niedergelassenen Hörgeräteakustiker im Wettbewerb vor dem verkürzten Versorgungsweg zu schützen. Wäre es der Beklagten nur um rechtliche Bedenken gegen die konkrete Ausgestaltung des Vertrages gegangen, so ist auch nicht nachvollziehbar, warum sie dann nicht nur an das C.6, sondern auch an das C.5, die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten und den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages herangetreten ist und auch anderen als den betroffenen Ersatzkassen eine Vertragskündigung für den Fall angekündigt hat, dass die von diesen vorgesehenen Verträge zum verkürzten Versorgungsweg zu einem Wettbewerbsnachteil für ihre Mitglieder werden. Dieses massive Vorgehen ist nur vor dem Hintergrund verständlich, dass es der Beklagten darauf ankam, den verkürzten Versorgungsweg ab dem 1. April 2009 - ab dem erstmals Versorgungsverträge jedenfalls der kooperierenden Ärzte mit den Krankenkassen hierfür nötig waren - möglichst insgesamt zu verhindern. Dafür spricht gerade auch die Formulierung in ihrem Beschluss, es solle die Öffentlichkeit "über die unhaltbaren Zustände im Zusammenhang mit dem verkürzten Versorgungsweg" informiert werden, und in ihrem Schreiben vom 28. April 2009 an den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, der verkürzte Versorgungsweg gehe zu Lasten des Hörgeräteakustiker-Handwerks, auf ihn solle verzichtet werden.

bb)

Nichts anderes gilt, soweit die Beklagte einwendet, sie habe auch deshalb rechtliche Bedenken gehabt, weil der W.1 der Meinung gewesen sei, ein Leistungserbringer könne nur entweder an einem Vertrag über den verkürzten Versorgungsweg oder an einem solchen über den traditionellen Versorgungsweg beteiligt sein (GA Bl. 126, 888). Dieses Bedenken kann für die Beklagte schon deshalb nicht maßgebend gewesen sein, weil es ihr darum ging, den Bestand des traditionellen Versorgungswegs zu sichern, sie dagegen gar kein Interesse daran hatte, dass ihre Mitglieder in beiden Versorgungswegen tätig sein könnten, was sich im übrigen auch von selbst ausschließt.

cc)

Dass es der Beklagten nicht allein um rechtliche Bedenken gegen die Ausgestaltung des Vertrags, sondern vielmehr darum ging, die Anbieter im verkürzten Versorgungsweg als Wettbewerber der in der C. zusammengeschlossenen Hörgeräteakustiker insgesamt zu verhindern, wird auch aus dem Bericht über jene Delegiertenversammlung in der Innungszeitschrift ... 4/2009 (Anlage B&B 7) deutlich, in dem es unter der Überschrift "Entschlossenes Handeln der C." auf S. 23 im letzten Absatz heißt, dass die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Branche beschrieben worden seien, alle Beteiligten sich einig gewesen seien, dass nun ein entschiedenes Handeln notwendig sei und alle verfügbaren Mittel ergriffen werden sollten, um sich gegen den W.1-Vertrag zu wehren.

Soweit die Beklagte vorträgt, mit "allen rechtlichen Mitteln", die der Vorstand nach dem Beschluss vom 10. März 2009 zur Verhinderung des W.1-Vertrages habe nutzen sollen, seien keine wirtschaftlichen Druckmittel, sondern gerichtliche und behördliche Überprüfungsmöglichkeiten gemeint gewesen (GA Bl. 122), ändert dies zunächst nichts daran, dass der Beschluss den Marktausschluss der Anbieter des verkürzten Versorgungsweges bezweckte und deshalb kartellrechtswidrig ist. Eine Einschränkung des Beschlussinhalts lässt sich dem im übrigen auch nicht entnehmen, weil die Beklagte dort, wo die von ihr genannten rechtlichen Mittel nicht erfolgversprechend waren, sehr wohl bereit war, wirtschaftliche Druckmittel einzusetzen, und solche auch eingesetzt hat, nämlich insbesondere bei den B., denen sie reduzierte Erstattungspreise für den Fall angeboten hat, dass diese auf Versorgungsverträge über den verkürzten Versorgungsweg verzichten.

Es ging der Beklagten demnach offensichtlich nicht darum, einen einzelnen Vertrag wegen rechtlicher Bedenken gegen dessen Ausgestaltung zu verhindern, sondern darum, den Vertrag mit allen Mitteln deshalb zu verhindern, weil er der erste ausverhandelte Vertrag über den verkürzten Versorgungsweg war, der mit seinem Inkrafttreten bundesweit für alle Ersatzkassen (außer C.4) gegolten hätte, so dass dann ein Vorgehen gegen den verkürzten Versorgungsweg wesentlich weniger aussichtsreich gewesen wäre als im Falle der Verhinderung bereits dieses Vertrages.

c)

Unter diesen Umständen erstreckte der Beschluss der Beklagten sich auch darauf, den verkürzten Versorgungsweg dadurch zu verhindern, dass ihre Versorgungsverträge mit den Krankenkassen so formuliert werden, dass die Anbieter des verkürzten Versorgungsweges diesen nicht nach § 127 Abs. 2a SGB V beitreten können, weil es insoweit an "den gleichen Bedingungen" fehlt.

aa)

Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe zwei Versorgungsverträgen der Beklagten mit dem W.1 vom 1. Februar 2007 und der K.1 vom 1. März 2008 aufgrund der darin enthaltenen Formulierungen, die Leistungen erfolgten durch nach dem Berufsbild des Hörgeräteakustiker-Handwerks ausgebildete Mitarbeiter bzw. seien in der zugelassenen Betriebsstätte vorzunehmen, nicht beitreten können, lässt sich zwar mangels näheren Vortrags und sonstiger Anhaltspunkte nicht feststellen, die Beklagte habe die Formulierungen aufgrund eines schon damals gefassten Beschlusses zum Zwecke der Verhinderung eines Beitritts durch Anbieter des verkürzten Versorgungsweges vereinbart, indem diese inhaltlich so formuliert werden, dass sie auf das Geschäftsmodell des verkürzten Versorgungswegs nicht anwendbar sind. Denn die Beitrittsmöglichkeit wurde erst mit Wirkung zum 1. Januar 2009 durch § 127 Abs. 2a SGB V geschaffen, und die Klägerin war im Zeitpunkt der Vertragsschlüsse noch nicht auf Versorgungsverträge mit den Krankenkassen angewiesen.

bb)

Die Beklagte hat aber auch im Kartellzeitraum jedenfalls mit der B. ... zum 1. Februar 2010 einen Versorgungsvertrag geschlossen (Anlage B 36), dem die Anbieter des verkürzten Versorgungsweges nicht beitreten können, weil ihr Geschäftsmodell nicht "zu den gleichen Bedingungen" wie dasjenige der niedergelassenen Hörgeräteakustiker praktiziert wird. So ist hier weiterhin in § 3 Abs. 2 des Vertrages die Formulierung enthalten, "alle erforderlichen Leistungen bei der Hörsystemversorgung im Rahmen dieses Vertrages ... sind in der zugelassenen Betriebsstätte vorzunehmen", und in Abs. 3 diejenige, dass der Hörgeräteakustiker sicherstellt, "dass an der Versorgung nur qualifiziertes Personal mitwirkt", welches "nach dem Berufsbild des Hörgeräteakustiker-Handwerks ausgebildete Mitarbeiter" sind.

Dem liegt nach dem oben Gesagten offensichtlich der Beschluss zugrunde, den verkürzten Versorgungsweg nicht nur durch ein Vorgehen gegen eigenständige Versorgungsverträge der Anbieter mit den Krankenkassen zu verhindern, sondern auch dadurch, dass die schon früher - als die Anbieter des verkürzten Versorgungsweges noch keine Versorgungsverträge brauchten - verwendeten Formulierungen in den neuen Versorgungsverträgen der Beklagten weitergenutzt und nicht im Sinne der Ermöglichung eines Beitritts nach § 127 Abs. 2a SGB V geöffnet werden.

2.

Unstreitig ist zudem, dass die Beklagte in Ausführung ihres vom Bundeskartellamt festgestellten Kartellrechtsverstoßes auch am 25. Juni 2009 mit der B. ... mit Wirkung zum 15. Juli 2009 eine Nachtragsvereinbarung als Nebenvereinbarung zu dem Versorgungsvertrag geschlossen hat, den sie am 1. Januar 2009 mit mehreren Krankenkassen und Krankenkassenverbänden für ... geschlossen hatte, und die einen Vertragspreis von 360 € pro Hörgerät vorsah, die Geltung dieses Preises aber an die Bedingung knüpfte, dass die B. ... keine Verträge über eine Versorgung im verkürzten Versorgungsweg schließt; anderenfalls sollten die am 1. Januar 2009 vereinbarten Preise wieder aufleben (GA Bl. 139).

Daraus, dass die Beklagte mit Wirkung zum 9. November 2009 auf diese Klausel verzichtete, ohne dass die alten Preise wiederauflebten (Anl. B 37), ergibt sich ebenfalls nichts für eine Abstandnahme vom erwähnten Beschluss der Beklagten, denn der Verzicht auf die Bedingungs-Klausel erfolgte aufgrund eines vom Bundeskartellamt ermittelten Schreibens der Beklagten an die B. ... vom 6. November 2009, in dem es heißt, dass die Beklagte auf die Klausel verzichte, da die B. ... mitgeteilt habe, dass sie keinen Vertrag im Rahmen des verkürzten Versorgungsweges geschlossen habe und auch nicht plane, derartige Verträge abzuschließen (Rn. 22 l der Verfügung).

V.

Die Klägerin ist kartellbetroffen im Sinne des § 33 Abs. 3, Abs. 1 S. 1 und 3 GWB a.F., weil sie als Mitbewerberin der in der Beklagten zusammengeschlossenen Hörgeräteakustiker durch den Kartellrechtsverstoß der Beklagten beeinträchtigt ist.

1.

Die Anspruchsberechtigung erfordert eine konkrete Kartellbetroffenheit, die als anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal nach § 286 ZPO festzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016, KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn. 47). Die Kartellbetroffenheit der Klägerin ergibt sich im Streitfall daraus, dass diese zur Fortsetzung ihres seit 1996 betriebenen Geschäftsmodells über den 31. März 2009 hinaus auch weiterhin auf die Zusammenarbeit mit den gesetzlichen Krankenkassen angewiesen war und der kartellrechtswidrige Beschluss der Beklagten und alle zu seiner Umsetzung vorgenommenen Handlungen sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher und räumlicher Hinsicht diese Zusammenarbeit der Anbieter des verkürzten Versorgungsweges mit den gesetzlichen Krankenkassen betreffen und darauf zielen, sie zu verhindern (zur Maßgeblichkeit dieser Kriterien vgl. Senat, Urteil vom 22.08.2018, VI-U (Kart) 1/17, Urteilsumdruck S. 27; OLG München, Urteil vom 28.06.2018, 29 U 2644/17 Kart - Weichenkartell, Rn. 70 bei juris; Urteil vom 08.03.2018, U 3497/16 Kart - Kartell der Schienenfreunde, Rn. 62 bei juris).

2.

Soweit die Beklagte einwendet, die Klägerin habe ausreichende Bemühungen darum, mit allen Krankenkassen, bezüglich derer sie wegen verweigerter Versorgungsverträge Schadensersatz geltend macht, Versorgungsverträge abzuschließen, nicht substantiiert vorgetragen, kommt es darauf für die Frage der Kartellbetroffenheit nicht an.

a)

Ob die Vertragsbemühungen der Klägerin ausreichend waren, um in entsprechende Verträge zu münden, ob also Versorgungsverträge deshalb gescheitert sind - oder verspätet geschlossen wurden -, weil die Klägerin sich nicht ausreichend um solche bemüht hat, und nicht deshalb, weil die Krankenkassen sie aufgrund des kartellrechtswidrigen Beschlusses der Beklagten nicht schließen wollten, betrifft nicht die haftungsbegründende Frage der Kartellbetroffenheit der Klägerin, sondern die der haftungsausfüllenden Kausalität, für die die § 287 ZPO, § 252 BGB gelten, ggf. die eines Mitverschuldens der Klägerin.

b)

Dasselbe gilt aber auch für die Frage, ob die Klägerin den betreffenden Krankenkassen überhaupt Versorgungsverträge angeboten hat.

Denn die Klägerin war als nach alter Rechtslage zugelassene Leistungserbringerin nach der Übergangsregelung des § 126 Abs. 2 S. 3 SGB V in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung noch bis zum 31. Dezember 2009 zur Versorgung der Versicherten ohne Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen berechtigt. Für die Zeit ab dem 1. April 2009 galt insoweit nur, dass die Vergütung des kooperierenden Arztes nach § 128 Abs. 2 SGB V durch den Leistungserbringer untersagt war und der Arzt nach § 128 Abs. 4 SGB V einen Versorgungsvertrag mit der Krankenkasse benötigte. Die Klägerin ist daher im Zeitraum ab 1. April 2009 bereits deshalb kartellbetroffen, weil sie - was unstreitig ist - beabsichtigte, ihr Geschäftsmodell mit den Krankenkassen fortzusetzen und der kartellrechtswidrige Beschluss der Beklagten sich dagegen richtete.

Auch dazu, ob die Klägerin allen Krankenkassen, bezüglich derer sie Schadensersatz begehrt, wenigstens Verträge angeboten hat, brauchen daher für die Frage der Kartellbetroffenheit der Klägerin keine Feststellungen getroffen zu werden. Insofern liegt der Fall anders als der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.07.2016 (KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn. 67, 47 bei juris) zugrundeliegende, in dem die Kartellbetroffenheit der dortigen Klägerin ein Vertragsangebot an die kartellbeteiligte Beklagte deshalb voraussetzte, weil dort allein ein Vertrag als Grundlage der Zusammenarbeit in Betracht kam.

Die Frage, ob die Klägerin sich überhaupt - rechtzeitig - durch Vertragsangebote und dann auch ausreichend um Versorgungsverträge mit den Krankenkassen, die für sie erst ab 1. Januar 2010 zwingend erforderlich waren, bemüht hat, ist daher im vorliegenden Fall insgesamt eine der haftungsausfüllenden Kausalität bzw. des Mitverschuldens.

VI.

Die Beklagte hat den Kartellrechtsverstoß schuldhaft begangen, weil sie mit ihrem Beschluss den Anbietern des verkürzten Versorgungswegs den Marktzutritt faktisch verwehren wollte, wie es in dem vom Bundeskartellamt ermittelten vertraulichen Aktenvermerk vom 22. Juli 2009 (Rn. 22 e der Verfügung) auch ausdrücklich heißt.

1.

Für die Zeit ab Mai 2011 fällt der Beklagten Vorsatz zur Last und kann diese sich nicht darauf berufen, sie sei rechtsirrtümlich davon ausgegangen, das Kartellverbot sei gemäß § 69 SGB V in den bis Ende 2010 bzw. ab Anfang 2011 geltenden Fassungen auch auf die dem Abschluss von Versorgungsverträgen nach § 127 SGB V vorgelagerten Beschlüsse über den Inhalt der Verträge nicht anwendbar.

Der Senat hat mit Beschluss vom 4. Mai 2011 (VI-Kart 7/10 (V), juris) die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Bundeskartellamts vom 11. Juni 2010 (B3-134/09) zurückgewiesen, mit dem das Bundeskartellamt der Beklagten gestützt auf § 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 3 GWB a.F. u.a. aufgegeben hatte, ihm für die Zeit ab Januar 2008 näher bezeichnete Unterlagen zum verkürzten Versorgungsweg in der Hörgeräteversorgung sowie zu Vertragsverhandlungen mit Krankenkassen zur Einsichtnahme und Prüfung in ihren Geschäftsräumen vorzulegen und herauszugeben.

In diesem Zurückweisungsbeschluss hat der Senat ausgeführt, dass die Beschlussfassung der Beklagten den Verbotstatbestand des § 1 GWB erfüllt und dass § 1 GWB anwendbar und nicht durch § 69 SGB V in der Fassung des Jahres 2010 ausgeschlossen ist. Dies hat der Senat damit begründet, dass für den Bereich der kartellbehördlichen Fusionskontrolle durch den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 2008 (KVR 26/07 - Kreiskrankenhaus Bad Neustadt, juris) höchstrichterlich bereits entschieden ist, dass § 69 Abs. 1 SGB V die Anwendung des Kartellrechts nicht ausschließt, weil die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur die Rechtsbeziehungen im Vertikalverhältnis zwischen den Krankenkassen und ihren Verbänden auf der einen Seite und den Leistungserbringern und ihren Verbänden auf der anderen Seite erfasst, so dass das Horizontalverhältnis der Leistungserbringer untereinander vom Anwendungsausschluss des Kartellrechts demgegenüber grundsätzlich unberührt bleibt. Im Hinblick auf das Regelungsziel des § 69 Abs. 1 SGB V, die Tätigkeiten der Krankenkassen, die im Zusammenhang mit der Erfüllung ihres öffentlichrechtlichen Versorgungsauftrags stehen, dem Privatrecht und damit auch dem Wettbewerbs- und Kartellrecht zu entziehen, kann die Vorschrift auch die Beziehungen der Leistungserbringer untereinander erfassen. Voraussetzung ist allerdings, dass es um Handlungen in Erfüllung des öffentlichrechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen geht, was bei der Fusion von zwei Krankenhäusern nicht der Fall ist.

Der Senat hat weiter ausgeführt, dass für § 1 GWB mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Gesetzeswortlaut und Regelungszweck dieselben Rechtsgrundsätze gelten und dass die Voraussetzungen, unter denen § 69 SGB V 2010 die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern dem Kartellrecht entzieht, im Entscheidungsfall nicht vorliegen, weil insoweit nicht auf die (vertikalen) Versorgungsverträge zwischen der Beklagten und den Krankenkassen abzustellen ist, sondern auf die dem Vertragsschluss vorausgegangene (horizontale) Beschlussfassung in der Beklagten (Rn. 19 ff. bei juris).

Seit dieser Entscheidung kann die Beklagte sich mithin nicht mehr auf einen ihren Vorsatz ausschließenden Rechtsirrtum über die Anwendbarkeit des § 69 SGB V auf ihre Beschlussfassung berufen.

2.

In der davor liegenden Zeit hat die Beklagte mindestens fahrlässig gehandelt. Sie kann sich nicht darauf berufen, vor der erwähnten Senatsentscheidung einem entschuldigten Rechtsirrtum unterlegen zu sein.

a)

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Rechtsirrtum nur dann entschuldigt, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte. Bei zweifelhaften Rechtsfragen, in denen sich noch keine einheitliche Rechtsprechung gebildet hat und die insbesondere nicht durch höchstrichterliche Entscheidungen geklärt sind, braucht dies zwar nicht zu bedeuten, dass für den rechtsirrig Handelnden die Möglichkeit einer ihm ungünstigen gerichtlichen Entscheidung undenkbar gewesen sein müsste. Durch strenge Anforderungen an seine Sorgfalt muss indessen verhindert werden, dass er das Risiko der zweifelhaften Rechtslage dem anderen Teil zuschiebt. Fahrlässig handelt daher, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss. Die Sorgfaltspflicht kann die Einholung sachkundigen Rechtsrats gebieten (vgl. BGH, Urteil vom 03.06.2014, XI ZR 147/12, Rn. 24 f. bei juris; Urteil vom 10.10.1989, KZR 22/88 - Neugeborenentransporte, Rn. 23 f. bei juris; Urteil vom 16.12.1986, KZR 36/85 - Taxizentrale Essen, Rn. 19 bei juris; Senat, Urteil vom 30.09.2009, VI-U (Kart) 17/08 (V), Rn. 55 f. bei juris).

b)

Nach diesen Maßgaben kann von einem den Vorwurf der Fahrlässigkeit ausschließenden Rechtsirrtum der Beklagten keine Rede sein.

aa)

Die Beklagte kann sich bereits nicht darauf berufen, die Frage, ob das Kartellverbot gemäß § 69 SGB V in den beiden genannten Fassungen auch auf den Verträgen nach § 127 SGB V vorgelagerte Beschlüsse über deren Inhalt nicht anwendbar sei, sei zweifelhaft und durch höchstrichterliche Entscheidungen nicht geklärt gewesen.

(1)

Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift, die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Leistungserbringern und deren Verbänden abschließend dem Sozialrecht unterstellt, ist die Annahme, damit könnten auch Rechtsbeziehungen und Handlungen der Leistungserbringer untereinander abschließend dem Sozialrecht unterstellt und der Anwendbarkeit des § 1 GWB entzogen sein, nicht gerechtfertigt. Auch aus der systematischen Stellung des § 69 SGB V im die gesetzliche Krankenversicherung betreffenden Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, die Regelung könne über ihren Wortlaut hinaus auch solche privatrechtlichen Beziehungen und Handlungen der Leistungserbringer untereinander betreffen, die nicht vom öffentlichrechtlichen Versorgungsauftrag der Krankenkassen erfasst sind. Eine zweifelhafte Rechtslage bestand mithin nicht.

Dementsprechend ließ sich schon den - zu älterer Rechtslage ergangenen - Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 2. Oktober 2003 (I ZR 117/01 - Krankenkassenzulassung, Rn. 27 bei juris) und vom 23. Februar 2006 (I ZR 164/03 - Blutdruckmessungen, Rn. 23 bei juris), denen Rechtsbeziehungen bzw. Handlungen zwischen einer Krankenkasse und einem Leistungserbringer (Apotheke) zugrundelagen, aus denen jeweils ein anderer Rechte herleiten wollte, nicht entnehmen, § 69 SGB V nehme auch privatrechtliche Rechtsbeziehungen und Handlungen von Leistungserbringern untereinander, die nicht der Erfüllung des öffentlichrechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen gegenüber den Versicherten dienen, vom Kartellverbot aus.

(2)

Spätestens seit der vor der kartellrechtswidrigen Beschlussfassung der Beklagten ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 2008 (KVR 26/07 - Kreiskrankenhaus Bad Neustadt, Rn. 18 bei juris), in der es um die Zusammenschlusskontrolle bei Krankenhausfusionen ging, war höchstrichterlich geklärt, dass § 69 SGB V die Beziehungen von Leistungserbringern untereinander nur erfassen kann, soweit es um Handlungen in Erfüllung des öffentlichrechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen geht, und dass Krankenhäuser, die sich zusammenschließen, diesen Versorgungsauftrag nicht erfüllen, weil sie damit nur im eigenen Interesse die Strukturen verändern, die für die Erfüllung des öffentlichrechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen zur Verfügung stehen. Da es zu Handlungen in Erfüllung dieses Auftrags erst nach Schaffung entsprechender Strukturen kommen kann, ist die Schaffung der Struktur selbst noch keine derartige Handlung.

Angesichts dieser Entscheidung konnte für die Beklagte als Bundesinnung und Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht in einer den Fahrlässigkeitsvorwurf ausschließenden Weise zweifelhaft sein, dass dieselben Erwägungen auch auf § 1 GWB anwendbar sind und zu dem Ergebnis führen, dass die den (vertikalen) Verträgen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern vorgelagerten (horizontalen) Beschlüsse der Leistungserbringer untereinander nur dann vom Kartellverbot ausgenommen sein können, wenn es um die Erfüllung des öffentlichrechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen geht, und dass solches selbstverständlich nicht der Fall ist, wenn hierdurch Mitbewerber vom Wettbewerb ausgeschlossen werden sollen.

Aufgrunddessen kommt es, wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 1. August 2012 (Az. VI-Kart 7/11 (V), Rn. 108 bei juris) ausgeführt hat, nicht darauf an, ob das Bundeskartellamt in seiner Stellungnahme zur Änderung des § 69 SGB V im Zuge des GKV-WSG zu einer abweichenden Beurteilung gelangt und davon ausgegangen ist, dass auch Kartellabsprachen auf Anbieter- oder Nachfragerseite unter § 69 SGB V fallen, oder jedenfalls befürchtet hat, die Vorschrift könne so verstanden werden.

bb)

Vor diesem Hintergrund bestanden schon keine Zweifel oder Unklarheiten über die Rechtslage, die es der Beklagten hätten geboten erscheinen lassen können, fachkundigen Rechtsrat einzuholen. Selbst wenn angenommen wird, es habe eine Situation vorgelegen, in der die Beklagte berechtigt gewesen wäre, zur Frage der Anwendbarkeit des Kartellrechts auf ihren Beschluss zum Umgang mit dem verkürzten Versorgungsweg Rechtsrat einzuholen, so erfüllt ihr Vortrag dazu nicht einmal im Ansatz die Voraussetzungen, unter denen sie sich in einer den Fahrlässigkeitsvorwurf ausschließenden Weise auf diesen Rechtsrat hätte verlassen dürfen.

(1)

Es fehlt bereits an substantiiertem Vortrag dazu, aufgrund welcher konkreten Umstände die Beklagte die von ihr beauftragte Rechtsanwaltssozietät E.3 für im "Sozialversicherungs- und Gesundheitskartellrecht" spezialisiert gehalten hat und halten durfte und dass sie der Anwaltssozietät die Frage der Anwendbarkeit von § 69 SGB V auf ihren Beschluss zur Prüfung vorgelegt hat. Einen schriftlichen Prüfauftrag hat sie nicht beigebracht. Nach ihrem Vortrag bezog sich der erteilte Auftrag, soweit sie sich bezüglich des Irrtums auf den daraufhin erteilten Rechtsrat beruft, lediglich auf die rechtliche Prüfung der mit der B. ... vereinbarten Bedingungs-Klausel (GA Bl. 190, 435, 913), nicht aber auf ihren Beschluss.

Die Beklagte trägt weiter nicht vor, welcher Rechtsanwalt den Rechtsrat erteilt hat und dass dieser über die erforderlichen Kenntnisse des Kartellrechts verfügte, und legt auch diesen Rechtsrat nicht vor, bei dem es sich um eine mehrere Seiten lange Email vom 7. Juli 2009 handeln soll (GA Bl. 191, 435, 913). Sie zitiert lediglich aus dieser Email, jedoch allein das Ergebnis des Rechtsrats, das darin bestand, dass die Kanzlei statt der Bedingungs-Klausel die Vereinbarung eines Sonderkündigungsrechts der Beklagten für den Fall vorschlug, dass die Krankenkasse weitere Versorgungsverträge abschließt (GA Bl. 191, 913).

Die rechtliche Begründung für diesen Vorschlag, die für die Frage maßgebend ist, ob die Beklagte sich auf den Rechtsrat verlassen durfte, zitiert die Beklagte nicht. Diese hat sie erstinstanzlich dahingehend zusammengefasst, der "Vermerk", also wohl die erwähnte Email, habe keine Überlegungen zu einem etwaigen Verstoß des Vertrags mit der B. ... gegen das Kartellverbot enthalten, "weil die Rechtsanwaltskanzlei E.3 eine Anwendbarkeit des Kartellverbots auf die dem vom Kartellverbot nach § 69 SGB V 2008 ausgenommenen Versorgungsvertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V vorgelagerten Beschlüsse der Beklagten als Verband von Leistungserbringern aus der damaligen Sicht nicht für möglich hielt". Bei diesem Vortrag bleibt schon völlig unklar, woher die Beklagte weiß, dass die Kanzlei eine Anwendbarkeit des Kartellverbots auf die vorgelagerten Beschlüsse nicht für möglich hielt, wenn der Vermerk keine Überlegungen zu einem etwaigen Verstoß des Versorgungsvertrags mit der B. ... gegen das Kartellverbot enthielt. Der Vortrag ist auch darüber hinaus nicht plausibel, weil sich gar nicht nachvollziehen lässt, dass und welche Überlegungen die Kanzlei zu einer Anwendbarkeit von § 69 SGB V auf den Versorgungsvertrag einerseits und den vorgelagerten Beschluss der Beklagten andererseits angestellt hat und ob und welchen Zusammenhang sie insoweit zwischen beidem gesehen hat.

Soweit die Kanzlei - deren Vermerk keine Überlegungen zu einem etwaigen Verstoß des Vertrags mit der B. ... gegen das Kartellverbot enthalten haben soll - gleichwohl einen Kartellrechtsverstoß durch die mit der B. ... vereinbarte auflösende Bedingung aber nicht gänzlich ausschließen wollte (GA Bl. 191) bzw. meinte, die Bedingung könne einen Verstoß der Krankenkassen gegen §§ 19 und 20 GWB darstellen (GA Bl. 435), wie die Beklagte erstinstanzlich vorgetragen hat, bleibt völlig offen, warum dieselben Erwägungen nicht auch für das stattdessen vorgeschlagene Sonderkündigungsrecht gelten sollten.

(2)

Nach dem, was die Beklagte vorgetragen hat, lässt sich der "Rechtsrat" der Anwaltskanzlei dahin verstehen, dass diese statt einer ausdrücklich an den Abschluss eines Versorgungsvertrages zum verkürzten Versorgungsweg geknüpften auflösenden Bedingung, wie mit der B. ... vereinbart (GA Bl. 139), ein Sonderkündigungsrecht mit der Formulierung, dieses gelte für den Fall, dass die Krankenkasse weitere Versorgungsverträge schließt, vorgeschlagen hat, um so den Kartellrechtsverstoß nicht sofort sichtbar werden zu lassen. Bei einem solchen Verständnis wäre auch erklärbar, warum die Beklagte die Email nicht vollständig vorgelegt hat. Dazu passt, dass in einem vom Bundeskartellamt ermittelten vertraulichen Aktenvermerk der Beklagten vom 22. Juli 2009 ausführlich auf mögliche Kartellrechtsverstöße bezüglich der Bedingungs-Klausel eingegangen und festgestellt wird, dass dann, wenn die B. ... sich daran hält, der damit einhergehende Ausschluss von verkürzten Versorgungsverträgen die Wettbewerbsmöglichkeiten der Anbieter des verkürzten Versorgungsweges erheblich einschränkt und ihnen der Marktzutritt damit faktisch verwehrt ist (Rn. 22 e der Verfügung).

Nach alledem hat die Beklagte jedenfalls nicht substantiiert vorgetragen, die Kanzlei habe sie dahin beraten, dass das Kartellverbot auf ihren Beschluss nicht anwendbar sei, und darauf habe sie sich verlassen und verlassen dürfen. Dementsprechend liegen keine einer Beweisaufnahme zugänglichen Behauptungen vor. Der angebotene Zeugenbeweis ist auf Ausforschung der Tatsachen gerichtet, die zu beweisen wären, und hat daher zu unterbleiben.

VII.

Der schuldhafte Kartellrechtsverstoß der Beklagten hat bei der Klägerin mit der für den Erlass eines Grundurteils nach § 304 Abs. 1 ZPO notwendigen und ausreichenden Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden - in irgendeiner Höhe - geführt.

1.

Dabei ist von folgenden Grundlagen auszugehen:

a)

Schon für die Frage, ob der Klägerin durch den Kartellrechtsverstoß der Beklagten ein Schaden entstanden ist, gilt das Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO. Für die richterliche Überzeugungsbildung reicht daher eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden entstanden ist.

Die Vorschrift des § 287 Abs. 1 ZPO ist - nur - im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität anwendbar und gilt dort nicht nur für die Höhe des Schadens, sondern auch für die Frage, ob ein Schaden überhaupt entstanden ist. Während bei deliktischen oder vertraglichen Schadensersatzansprüchen, die die Verletzung eines Rechtsguts voraussetzen, die primäre Rechtsgutsverletzung zur haftungsbegründenden Kausalität gehört, ist dann, wenn der Schadensersatzanspruch unabhängig von der Verletzung eines Rechtsguts entsteht, bereits der erste Schaden der haftungsausfüllenden Kausalität zuzuordnen. Begehrt ein Kläger wegen eines Verstoßes gegen Kartellrecht Schadensersatz, macht er einen Schaden geltend, ohne dass die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts erforderlich ist. Für die Frage, ob infolge des Kartellrechtsverstoßes ein Schaden entstanden ist, gilt deshalb die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016, KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn. 41 ff. bei juris).

b)

Wird Schadensersatz in Form von entgangenem Gewinn geltend gemacht, wie es vorliegend der Fall ist, so kommt dem Anspruchsteller im Rahmen der Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität für die Darlegung und den Nachweis des Schadens neben der Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO nach § 252 S. 2 BGB die widerlegbare Vermutung zugute, dass derjenige Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, entgangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016, KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn. 46 bei juris). Entscheidend ist demnach, ob aufgrund der Marktgegebenheiten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten war, dass die Krankenkassen ab dem 1. April 2009 weiterhin mit der Klägerin im verkürzten Versorgungsweg zusammengearbeitet hätten - spätestens ab dem 1. Januar 2010 über Versorgungsverträge -, wenn die Beklagte nicht den kartellrechtswidrigen Beschluss gefasst hätte, den verkürzten Versorgungsweg zu verhindern.

c)

Die Beklagte macht zu Unrecht geltend, diese Beweiserleichterungen würden für die Frage, ob zwischen der Klägerin und den Krankenkassen, derentwegen diese Schadensersatz beansprucht, eine weitere Zusammenarbeit zustandegekommen wäre, nicht gelten, weil dies davon abhänge, ob die Klägerin sich dafür entschieden und die Krankenkassen dem zugestimmt hätten, worin sie frei gewesen seien.

aa)

Nicht unter die Vermutungswirkung des § 252 S. 2 BGB fallen allerdings die Anknüpfungstatsachen hierfür; diese hat der Anspruchsteller darzulegen und ggf. zu beweisen. Hängt dementsprechend etwa in Beratungsfällen der geltend gemachte Schaden davon ab, dass der Anspruchsteller sich für eine von mehreren Handlungsalternativen entschieden hätte, so muss er darlegen und ggf. beweisen, dass er sich für diese Handlungsalternative entschieden hätte. Erfordert diese Handlungsalternative die Bereitschaft Dritter, etwa wenn es um einen Vertragsschluss geht, muss auch diese dargelegt und ggf. bewiesen werden (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2015, IX ZR 197/14, Rn. 27 f. bei juris; Urteil vom 24.04.2012, XI ZR 360/11, Rn. 13 bei juris; Urteil vom 19.01.2006, IX ZR 232/01, Rn. 29 f. bei juris; Senat, Urteil vom 09.04.2014, VI-U (Kart) 10/12 - Schadensersatzpflicht der Lottogesellschaft, Rn. 102 bei juris). Dabei gilt für diese Anknüpfungstatsachen das Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 28.05.2013, XI ZR 148/11, Rn. 45 bei juris; Senat, Urteil vom 11.12.2013, VI-U (Kart) 50/12, Rn. 17 bei juris).

bb)

Diese Grundsätze finden im Streitfall indes keine Anwendung. Der Anwendungsbereich der § 287 ZPO, § 252 BGB ist bereits aufgrund der konkret nachteiligen Kartellbetroffenheit der Klägerin eröffnet (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016, KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn. 67 bei juris). Ob die Klägerin ihre Zusammenarbeit mit den Krankenkassen im verkürzten Versorgungsweg aufgrund abgeschlossener Versorgungsverträge - oder bis 31.12.2009 ggf. ohne solche - fortgesetzt hätte, wenn die Beklagte den kartellrechtswidrigen Beschluss nicht gefasst hätte, ist dementsprechend auf Grundlage der § 287 ZPO, § 252 BGB zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016, KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn. 67 bei juris).

Dies betrifft selbstverständlich auch die Frage, ob die Krankenkassen den Verträgen ohne den Kartellrechtsverstoß der Beklagten zugestimmt hätten bzw. ob sie ihnen aufgrund des Kartellrechtsverstoßes der Beklagten nicht zugestimmt haben. Denn hierbei handelt es sich nicht um eine Anknüpfungstatsache, sondern um die Kernfrage der Schadensentstehung, während in den Fällen, in denen aufgrund von Beratungsfehlern Schadensersatz wegen eines entgangen Geschäftes begehrt wird, die Frage, ob daran der notwendig zu beteiligende - und mit der anspruchsbegründenden Rechtsverletzung in keiner Beziehung stehende - Dritte mitgewirkt hätte, eine Vorfrage darstellt.

2.

Im Streitfall lässt sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der Klägerin durch das streitbefangene Verhalten der C. jedenfalls im Klagezeitraum ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden ist, weil durch das kartellrechtswidrige Verhalten der Beklagten der Absatz von Hörgeräten - und zwar nicht, was ausreichen würde, nur eines einzigen Gerätes, sondern einer erheblichen Anzahl von Hörgeräten - im verkürzten Versorgungsweg verhindert worden ist und der Klägerin dadurch ein Gewinn entgangen ist.

a)

Es steht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Kartellverstoß nicht nur den Absatz eines einzelnen Hörgeräts der Klägerin im verkürzten Versorgungsweg verhindert hat, sondern eine erhebliche Anzahl von Hörgeräten betroffen ist.

aa)

Es liegt in der Natur des streitbefangenen Kartellverstoßes, dass er sich im Geschäftsbetrieb der Klägerin umsatzmindernd ausgewirkt hat. Bei kaufmännisch vernünftigem Verhalten haben die von der Beklagten kartellrechtswidrig offerierten und mit vier Krankenkassen sodann auch vereinbarten Preisnachlässe eine Sogwirkung entfaltet, die Umsatz vom verkürzten Versorgungsweg abgezogen und auf die in der C. zusammengeschlossenen Hörgeräteakustiker umgelenkt hat. Vernünftiges Verhalten zugrunde gelegt, dokumentiert die vertragliche Vereinbarung der Preisnachlässe das Interesse der betreffenden Krankenkasse, von dieser Vereinbarung auch Gebrauch zu machen, d.h. zwecks Realisierung der Preisnachlässe nicht über den verkürzten Versorgungsweg zu beziehen; sie belegt zum anderen die sichere Erwartung der C., dass die angesprochenen Krankenkassen und Krankenkassenverbände ohne die kartellrechtswidrige Offerte bereit gewesen wären, den Bedarf ihrer Krankenversicherten an Hörgeräten auch über den verkürzten Versorgungsweg zu decken. Nichts spricht dafür, dass die C. über Jahre hinweg das in Betracht kommende Nachfrageinteresse der Krankenkassen unzutreffend eingeschätzt hat.

bb)

Die gegen die vorstehende Beurteilung gerichteten Angriffe der Beklagten gehen fehl. Die Beklagte wendet ein, der Rückgang der Geschäftstätigkeit der Klägerin ab April 2009 sei ausschließlich auf die Folgen der Einführung und Verschärfung des § 128 SGB V zurückzuführen. Es hätten - so trägt sie vor - qualitative Bedenken der Krankenkassen gegen die Hörgeräte aus dem verkürzten Versorgungsweg bestanden. Zudem habe für die Anbieter im verkürzten Versorgungsweg ab 1. April 2009 die Notwendigkeit bestanden, einen eigenen Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen abzuschließen. Überdies habe bei den Krankenkassen Rechtsunsicherheit über die Auslegung des zum 1. April 2009 in Kraft getreten § 128 SGB V 2008 bestanden. Schließlich sei die Inanspruchnahme des verkürzten Versorgungswegs für die Krankenkassen mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden gewesen. Die genannten Umstände hätten - so meint die Beklagte - zur Folge gehabt, dass Hörgeräte ab 1. April 2009 im verkürzten Versorgungsweg überhaupt nicht mehr absetzbar gewesen seien. Erst ab dem 1. November 2013 habe sich die Situation geändert, weil aufgrund der zu diesem Datum erfolgten Erhöhung der Festbeträge für Hörgeräte die Versorgung über den verkürzten Versorgungsweg aus Sicht der Krankenkassen deutlich lukrativer geworden sei. In der Gesamtschau sei - so reklamiert die Beklagte - der vom Landgericht angenommene Anscheinsbeweis für die Entstehung eines Schadens erschüttert. Einen demgemäß notwendigen Schadensnachweis habe die Klägerin - auch unter Heranziehung der in § 287 ZPO und § 252 BGB enthaltenen Beweiserleichterungen - nicht erbracht.

cc)

Das Vorbringen der Beklagten greift nicht durch.

(1)

Die Argumentation der Berufung lässt außer Betracht, dass der Erlass eines Grundurteils nicht den Nachweis eines Schadens im Sinne von §§ 286, 287 ZPO erfordert. Ausreichend ist, wenn die kausale Entstehung irgendeines Schadens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Das ist der Fall. Mit Recht zieht die Berufung nicht in Zweifel, dass - kaufmännisch vernünftiges Verhalten der C. und der von ihr angesprochenen Krankenkassen unterstellt - die angebotenen und vereinbarten Preisnachlässe geeignet waren, den Absatz der Klägerin zu beeinträchtigen und den Verkauf von Hörgeräten im verkürzten Versorgungsweg zu behindern. Andernfalls wäre nämlich das jahrelange Bemühen der C., die Krankenkassen durch die Offerte von an einen Boykott des verkürzten Versorgungswegs gekoppelte Preisnachlässe von Geschäftsbeziehungen zur Klägerin und anderen Anbietern im verkürzten Versorgungsweg abzuhalten, von vornherein sinnlos und der mit der Prüfung und dem Abschluss der entsprechenden Versorgungsverträge auf beiden Seiten (C. und Krankenkassen) verbundene Aufwand erkennbar nutzlos aufgewendet gewesen. Überdies hätte die C., wenn die Krankenkassen ab April 2009 einen Bezug von Hörgeräten über den verkürzten Versorgungsweg ohnehin abgelehnt hätten, zum Nachteil der ihr angeschlossenen Hörgeräteakustiker über Jahre hinweg unberechtigt und grundlos Preisvorteile gewährt. Eine dahingehende Annahme ist lebensfremd und auszuschließen.

(2)

Bei der geschilderten Ausgangslage ist die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt irgendeines Schadens der Klägerin nur zu verneinen, wenn die von der Berufung vorgebrachten Alternativgründe ab April 2009 die Wirkungslosigkeit des streitbefangenen Kartellverstoßes in einem Maße nahelegen, dass die ernsthafte Möglichkeit eines kartellbedingten Schadens ausgeschlossen ist. Das wiederum erfordert, dass die Krankenkassen ab April 2009 aus den von der Berufung vorgetragenen Gründen vernünftigerweise sowieso - d.h. ohne Rücksicht auf die offerierten Preisnachlässe - keinen Anreiz hatten, Hörgeräte im verkürzten Versorgungsweg zu beschaffen. Dem ist nicht so.

(a)

Dagegen spricht bereits, dass die C. viele Monate nach April 2009 die ersten Versorgungsverträge mit den streitbefangenen kartellrechtswidrigen Preisnachlässen abgeschlossen hat. Aufgrund der Bindungswirkung des Amtsbeschlusses vom 18. November 2011 steht fest, dass die Beklagte ab August 2009 derartige Verträge in der Variante "Kündigungsrecht" geschlossen hat, und zwar mit der "B.1" am 15. August 2009, mit der "K.1" am 1. März 2010 und mit der "B.2" am 1. April 2010. Diese Vertragsabschlüsse belegen: Weder aus Sicht der C. noch nach der Einschätzung der vertragsgebundenen Krankenkassen hatten die zum 1. April 2009 geänderte Rechtslage in § 128 SGB V 2008 und/oder Bedenken gegen die Produktqualität zur Folge, dass für die Krankenkassen ein Bezug im verkürzten Versorgungsweg vernünftigerweise nicht mehr in Frage kommen konnte. Die Beklagte räumt zudem ein, mit der "B. ..." einen bestehenden Versorgungsvertrag zum 15. Juli 2009 um die in Rede stehende kartellrechtswidrige auflösende Bedingung ergänzt zu haben. Dass die Bedingung auf Bitten der B. ... am 6. November 2009 wieder gestrichen worden ist, belegt nicht, dass ein Bezug im verkürzten Versorgungsweg ohnehin nicht in Frage gekommen wäre. Viel näher liegt das Gegenteil.

(b)

In die gleiche Richtung weist das Antwortschreiben der C. auf ein Schreiben des B.3 vom 8. Oktober 2009, in dem es auszugsweise heißt:

"Richtigerweise stellen Sie fest, dass wir mit unserem Angebot ... insbesondere mit den Leistungsargumenten "Preis und Qualität" den verkürzten Versorgungsweg für Sie und Ihre Versicherten unattraktiv gestalten wollen.

...

Wie schon in der Vergangenheit auch haben sich nicht alle Krankenkassen (lies: einer bestimmten Art) ... einheitlich zu unseren Vertragsangeboten positiv entschieden. Wir würden uns allerdings freuen, wenn sich möglichst alle Krankenkassen (lies: einer bestimmten Art) für den traditionellen Versorgungsweg entscheiden könnten und somit den Leistungsargumenten "Preis und Qualität" Vorfahrt gewähren!"

Dieser Inhalt des Schreibens ist mit der Behauptung der Beklagten, die Krankenkassen hätten ab 1. April 2009 aus den vorgetragenen Gründen sowieso keine Hörgeräte im verkürzten Versorgungsweg gekauft, unvereinbar.

(c)

Gleiches gilt für die vom Bundeskartellamt in Randnummer 22 seiner Amtsentscheidung als Beleg für den Kartellverstoß herangezogenen zahlreichen Protokolle, Aktenvermerke und Schreiben der C. aus der Zeit ab 1. April 2009. Sie sind nur dann plausibel und erklärbar, wenn sowohl die C. als auch die angesprochenen Krankenkassen der Meinung waren, dass ohne das Angebot von Preisnachlässen Wettbewerb durch die Anbieter im verkürzten Versorgungsweg zu erwarten ist. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang insbesondere die in Rn. 22 Buchstaben c), d), e) am Ende, h), i), j), k) im zweiten und vierten Absatz, l), m), o) und p) aufgeführten Unterlagen. Sie stehen in einem diametralen und unaufgelösten Widerspruch zu dem Berufungsvorbringen. Nichts spricht bei vernünftiger Betrachtung dafür, dass die C. und die in den Schriftstücken genannten Krankenkassen und Krankenkassenverbände die Sachlage vollkommen verkannt und über viele Monate das Bestreben zur Beeinträchtigung des verkürzten Versorgungsweges weiterverfolgt haben, obschon für die Krankenkassen ein Bezug im verkürzten Versorgungsweg ohnehin nicht in Betracht kommen konnte.

(d)

In alledem fügt sich ein, dass die Beklagte erst im Senatstermin am 13. Juni 2012 endgültig und ernsthaft erklärt hat, die Verwendung der streitbefangenen kartellrechtswidrigen Vertragsklauseln aufgeben zu wollen. Sie hat zudem erst unter dem 27.12.2010 gegenüber der "K.1" und der "B.2" sowie unter dem 31. März 2010 gegenüber der "B.1" auf ihr kartellrechtswidrig vereinbartes Sonderkündigungsrecht verzichtet und die Variante "auflösende Bedingung" bei der "B. ..." am 6. November 2009 aufgegeben.

Die dagegen gerichteten Einwände der Berufung bleiben erfolglos.

(aa)

Die Behauptung, die "K.1" habe sich wegen der erhöhten Verwaltungskosten und aufgrund von Qualitätsbedenken gegen den verkürzten Versorgungsweg entschieden, ist substanzlos. Das gilt, weil zum einen die erforderlichen Einzelheiten dazu, welcher konkrete Verwaltungsaufwand prohibitiv gewirkt haben soll, fehlen, und weil zum anderen jede Aussage dazu fehlt, wann die behauptete Entscheidung gegen den verkürzten Versorgungsweg gefallen sein soll. Daher wäre die Vernehmung des Zeugen L.1 ein unzulässiger Ausforschungsbeweis.

Dass die "K.1" nach der Aufhebung des Sonderkündigungsrechts der C. Ende Dezember 2010 bis heute keine Hörgeräte auf dem verkürzten Versorgungsweg bezogen haben, ist kein zwingendes Indiz für den Sachvortrag der Beklagten. Da ab November 2013 wegen der deutlich erhöhten Festbeträge der verkürzte Versorgungsweg nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten lukrativ geworden sein soll, muss die Entscheidung der K.1, keine Hörgeräte über den verkürzten Versorgungsweg zu beziehen, andere Gründe haben.

(bb)

Die Beklagte räumt ein, mit der "B. ..." einen bestehenden Versorgungsvertrag zum 15. Juli 2009 um die in Rede stehenden kartellrechtswidrige auflösende Bedingung ergänzt zu haben. Dass die Bedingung auf Bitten der B. ... am 6. November 2009 wieder gestrichen worden ist, belegt nicht, dass ein Bezug im verkürzten Versorgungsweg ohnehin nicht in Frage gekommen wäre. Viel näher liegt das Gegenteil.

Die Behauptung, auch für die "B. ..." sei der verkürzte Versorgungsweg wegen des erheblichen Verwaltungsmehraufwands unattraktiv geworden und Qualitätsbedenken seien hinzugekommen, ist substanzlos. Auch insoweit werden weder die erforderlichen Einzelheiten dazu, welcher konkrete Verwaltungsaufwand prohibitiv gewirkt haben soll, vorgetragen, noch wird dargelegt, wann die Entscheidung gegen den verkürzten Versorgungsweg gefallen sein soll. Daher wäre die Vernehmung der Zeugen E.4 und A. ein unzulässiger Ausforschungsbeweis. Der aus einem Artikel des C.7 zitierte einzelne Satz ist in diesem Zusammenhang nicht aussagekräftig und ersetzt - was auf der Hand liegt - nicht den prozessrechtlich erforderlichen substantiierten Sachvortrag.

(cc)

Die Beklagte bestreitet in Bezug auf die "B.2" eine Kausalität des Kartellverstoßes und verweist darauf, dass die Klägerin Verhandlungen mit dieser Krankenkasse über den Abschluss eines Versorgungsvertrages nicht vorgetragen habe. Es kann auf sich beruhen, ob der Einwand einer Schadensersatzhaftung der Beklagten für entgangene Gewinne aus Geschäften mit der "B.2" entgegensteht. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium genügt der Hinweis, dass die fehlende Initiative der Klägerin gegenüber der "B.2" schon im Ansatz die Schadenswahrscheinlichkeit irgendeines Schadens der Klägerin im Verhältnis zu irgendeiner Krankenkasse nicht ausräumt. Anders als die Berufung meint, macht die Klägerin mit der Klage nämlich einen einzigen Kartell-Schadensersatzanspruch geltend, wobei die entgangenen Gewinne bei den einzelnen Krankenkassen nur Schadensposten darstellen. Die C. hat ein und denselben Kartellverstoß zum Nachteil der Klägerin praktiziert, weshalb die einzelnen über die Monate und Jahre vorgenommenen Umsetzungsakte der C. einen einheitlichen Lebenssachverhalt darstellen, der eine kartellrechtliche Ersatzhaftung auslöst.

Ob und inwieweit der Absatz der Klägerin bei der "B.2" behindert worden ist, ist deshalb eine Frage des Schadensumfangs und nicht eine bereits im Grundurteil zu klärende Fragestellung.

(dd)

Erfolglos bleibt auch die Rechtsverteidigung der Beklagten in Bezug auf die "B.1".

In ihrem Schreiben vom 5. August 2009 (Anlage B 43) teilt die "B.1" der Klägerin mit, dass sie die Vertragsverhandlungen abbreche, weil der Abschluss eines Versorgungsvertrages auf ihrer Seite zu einer nicht vertretbaren Erhöhung des Verwaltungsaufwands führen werde, was der vom Gesetzgeber gewollten Einsparung von Verwaltungskosten zuwider laufe. Das Schreiben belegt nichts. Abgesehen davon, dass es in Bezug auf den angeblich prohibitiven Verwaltungsmehraufwand vollkommen substanzlos und nicht nachvollziehbar ist, kann sich der Inhalt des Schreiben zwangslos und naheliegend auch dadurch erklären, dass die "B.1" wenig später am 15. August 2009 die kartellrechtswidrig angebotenen Preisnachlässe der C. vertragsfest vereinbarte.

Unergiebig ist ebenso das Schreiben der "B.1" an die T. vom 5. August 2009 (Anlage B 44). Es handelt sich um ein mit Anlage B 43 inhaltsgleiches Schreiben. Da die von der C. gewährten Preisvorteile daran geknüpft waren, dass die B.1 von keinem Anbieter im verkürzten Versorgungsweg bezieht, kann sich der Inhalt des Schreibens zwangslos so erklären wie zu Anlage B 43 erläutert.

(ee)

Der Sachvortrag der Beklagten zu den anderen Krankenkassen und zum B.3 sind für die Feststellung der Haftung der Beklagten dem Grunde nach nicht entscheidungserheblich und bedürfen an sich daher keiner rechtlichen Prüfung.

b)

Die Verpflichtung des Schädigers zur Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB umfasst auch den Ersatz entgangenen Gewinns. Hierunter sind alle Vermögensvorteile zu verstehen, die im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses noch nicht zum Vermögen des Verletzten gehörten, ihm ohne dieses Ereignis aber zugeflossen wären (vgl. BGH, NJW 2000, 2670; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. [2011], § 252 Rz. 1).

aa)

Für die Darlegung und den Nachweis eines entgangenen Gewinns gewährt § 252 S. 2 BGB dem Verletzten eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung in Form einer widerlegbaren Vermutung: Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Danach bietet die Vorschrift dem Geschädigten zwei Möglichkeiten der Schadensberechnung, nämlich zum einen die abstrakte Methode, die von dem regelmäßigen Verlauf im Geschäftsverkehr ausgeht, dass der Kaufmann gewisse Geschäfte im Rahmen seines Gewerbes tätigt und daraus Gewinn erzielt, und zum anderen die konkrete Methode, bei welcher der Geschädigte nachweist, dass er durch die schädigende Handlung an der Durchführung bestimmter Geschäfte gehindert worden ist und dass ihm wegen der Nichtdurchführbarkeit dieser Geschäfte Gewinn entgangen ist (vgl. etwa BGH, [Versäumnis-] Urteil vom 19.10.2005 - VIII ZR 392/03, NJW-RR 2006, 243 f., Rz. 9 bei juris; BGH, Urteil vom 30.5.2001 - VIII ZR 70/00, WM 2001, 2010 m.w.N.).

Im Fall der abstrakten Schadensberechnung - wie sie vorliegend relevant ist - ist die volle Gewissheit, dass der Gewinn gezogen worden wäre, nicht erforderlich; vielmehr genügt der Nachweis einer gewissen Wahrscheinlichkeit (BGH, Urteil vom 19.10.2005 - VIII ZR 392/03, NJW-RR 2006, 243 f., Rz. 9 bei juris). Dabei dürfen keine zu strengen Anforderungen gestellt werden; ausreichend, aber auch erforderlich ist der (gegebenenfalls zu beweisende) Vortrag von Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen, auf deren Grundlage eine Schätzung möglich ist (Palandt/Grüneberg, § 252 Rz. 4 m.w.N.). Ist hiernach ersichtlich, dass der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, wird vermutet, dass er erzielt worden wäre; dem Ersatzpflichtigen obliegt dann der Beweis, dass er nach dem späteren Verlauf oder aus irgendwelchen anderen Gründen dennoch nicht erzielt worden wäre (vgl. BGH, a.a.O.).

bb)

Dass der Klägerin aus den kartellrechtswidrig verhinderten Umsätzen ein Gewinn in irgendeiner Höhe entgangen ist, folgt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit aus einer einfachen Überlegung:

Ist infolge des Kartellverstoßes der Absatz nur eines einzigen Hörgerätes unterblieben, ist der aus diesem Verkauf resultierende Gewinn entgangen. Da dieses eine Zusatz-Geschäft mühelos mit der bereits vorhandenen Geschäftsausstattung (Personal, Betriebsmittel) hätte miterledigt werden können, sind keine gewinnmindernden Zusatzkosten in Ansatz zu bringen. Dass die Klägerin den Absatz ihrer Hörgeräte als solche gewinnneutral oder sogar verlustbringend kalkuliert und betrieben hat, behauptet die Beklagte selbst nicht und dafür ist auch ansonsten nichts ersichtlich.

Ist der Verkauf einer erheblichen Anzahl von Hörgeräten verhindert worden, mögen für die Bewältigung eines größeren Geschäftsvolumens ab irgendeinem Mehrumsatzvolumen Zusatzkosten in die Gewinnberechnung einzubeziehen sein. Es spricht aber nichts für die Annahme, dass die Klägerin die diesbezügliche Kalkulation sachwidrig und fehlerhaft derart vorgenommen hätte, dass aus dem Mehrumsatz nicht in irgendeiner Höhe ein Gewinn oder gar ein Verlust entstanden wäre. Das behauptet auch die Beklagte nicht.

3.

Nach diesen Maßgaben hat der kartellrechtswidrige Beschluss der Beklagten wahrscheinlich zu einem Schaden - in irgendeiner Höhe - bei der Klägerin geführt, weil nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten war, dass die Klägerin ihre Tätigkeit im verkürzten Versorgungsweg zumindest mit einigen der Krankenkassen, derentwegen sie Schadensersatz geltend macht, im Kartellzeitraum fortgesetzt hätte und hierbei Gewinne erzielt hätte, wenn die Beklagte den Kartellrechtsverstoß nicht begangen hätte. Diese Feststellungen genügen für die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach.

Hierbei ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht maßgeblich, dass bzw. ob sie ihren Beschluss allenfalls mit den in der Bundeskartellamtsverfügung genannten drei Krankenkassen (B.1 und B.2, K.1) und der B. ... umgesetzt hat. Denn der Kartellrechtsverstoß liegt bereits in dem zugrundeliegenden Beschluss, der über Jahre hinweg gegenüber einer Vielzahl von Krankenkassen und Krankenkassenverbänden sowie dritten Stellen in vielfacher Art und Weise praktiziert worden ist und dessen Praktizierung zu einem einheitlichen Schadensersatzanspruch der Klägerin führt. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob auch die nicht zu einem Versorgungsvertrag führenden Vorgänge zum Kartellschaden der Klägerin beigetragen haben. Gleichwohl ist das Nachfolgende festzuhalten:

a)

Bezüglich des W.1 (außer C.4, die an dem Vertrag nicht beteiligt gewesen wäre) war nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten, dass die Klägerin ihre Zusammenarbeit mit diesem, und zwar bereits ab dem 1. April 2009 aufgrund eines Versorgungsvertrags, fortgesetzt hätte, dass die Fortsetzung dieser Zusammenarbeit aufgrund des Beschlusses der Beklagten, den verkürzten Versorgungsweg mit allen verfügbaren Mitteln zu verhindern, gescheitert ist, wobei eine Mitverursachung ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.1989, III ZR 192/87, Rn. 21 bei juris; Urteil vom 25.01.1983, KZR 12/81 - Familienzeitschrift, Rn. 48 bei juris; Bechtold/Bosch, § 1 GWB Rn. 30), und der Klägerin daraus ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden ist.

aa)

Dieser Versorgungsvertrag wäre nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zum 1. April 2009 zustandegekommen; er war fertig ausverhandelt und sollte vom W.1 am 27. März 2009 unterschrieben zurückgesendet werden und am 1. April 2009 in Kraft treten. Es spricht alles dafür, dass es zur Vertragsunterzeichnung durch den W.1 aufgrund des massiven Einschreitens der Beklagten auf breiter Front nicht nur gegen die spezielle Ausgestaltung dieses Vertrages, sondern gegen einen Vertrag des W.1 über den verkürzten Versorgungsweg überhaupt und letztlich gegen den verkürzten Versorgungsweg an sich, wie oben unter IV. 1. dargestellt, nicht gekommen ist.

(1)

Es sind keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass der Beschluss der Beklagten - und die in dessen Umsetzung erfolgten Maßnahmen - hierfür nicht mindestens mitursächlich waren und der W.1 den Vertrag aus anderen - autonomen - Gründen nicht geschlossen hat, weshalb auch keine Veranlassung bestand, den von der Beklagten angebotenen Zeugenbeweis zu erheben.

Dagegen spricht schon, dass der W.1 der Klägerin mit Email vom 1. April 2009- vorab - mitgeteilt hat, dass er "leider" berichten müsse, "dass die Ersatzkassen aufgrund des ‚politischen Gegenwinds‘ derzeit die Vertragsabsicht nicht weiterverfolgen können." (Anlage B&B 2). Hieraus ergibt sich deutlich, dass zum einen keine rechtlichen Bedenken für den W.1 maßgeblich waren - die im übrigen durch eine entsprechende Änderung des Vertrages hätten ausgeräumt werden können - und dass zum anderen der W.1 die Vertragsabsicht nicht aufgrund freier eigener Entscheidung aufgegeben hat, sondern sich hierzu von außen, nämlich durch den politischen Gegenwind, gedrängt sah. Diesen aber hat die Beklagte bewusst und gezielt entfacht, nämlich, wie oben unter IV. 1. dargestellt, durch ihre zahlreichen Schreiben, etwa vom 6. März 2009 an die E. und L. (Rn. 22 a der Amtsverfügung), vom 13. März 2009 an alle W.1-Kassen (außer C.4), vom 13. März 2009 an das C.5, vom 14. März 2009 an den H. (Rn. 22 b der Verfügung), vom 17. März 2009 an das C.6 (Anlage B 29), mehrfach an die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten (Anlage B 18, B 28) und vom 28. April 2009 an den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages (Anlage B 31).

(2)

Soweit die Beklagte die Rechtsunsicherheit aufgrund der neuen Rechtslage, den mit dem verkürzten Versorgungsweg nunmehr verbundenen erhöhten Verwaltungsaufwand oder Qualitätsbedenken als Gründe für die Ablehnung von Versorgungsverträgen durch die Krankenkassen anführt, waren diese Kriterien jedenfalls für den W.1 nicht maßgeblich.

(a)

Sofern in den in der Email vom 1. April 2009 schon angekündigten offiziellen Ablehnungsschreiben des W.1 an die Klägerin und eine Mitbewerberin vom 9. und 14. April 2009 (Anlage B 19) "derzeitige rechtliche Bedenken gegen einen solchen Vertrag" benannt werden, lässt dies angesichts des Wortlauts der vorangegangenen Email nicht den Schluss zu, der W.1 habe solche tatsächlich gehabt, sondern denjenigen, er habe den tatsächlichen Grund der Beeinflussung durch die Beklagte in einem offiziellen Schreiben nicht offenlegen wollen. Hätte allein die Unsicherheit aufgrund der neuen Rechtslage - oder der mit dem verkürzten Versorgungsweg verbundene erhöhte Verwaltungsaufwand - die Kassen von entsprechenden Versorgungsverträgen abgehalten, so wäre auch nicht verständlich, warum die Beklagte den dargestellten beträchtlichen Aufwand betrieben hat, um solche Verträge zu verhindern.

(b)

Dasselbe gilt, soweit die Ersatzkassen, als sie von der Mitbewerberin T. der Klägerin vor dem Sozialgericht Hamburg und nachfolgend vor dem Landessozialgericht Hamburg auf einen Vertragsschluss (Anlage B 5 und B 6) und von der Klägerin vor dem Sozialgericht Münster auf Feststellung der Verpflichtung zur weiteren Versorgung im verkürzten Versorgungsweg (Anlage B 7, B 45, B 46) in Anspruch genommen wurden, geltend gemacht haben, im traditionellen Versorgungsweg sei die Qualität der Versorgung wegen der Betreuung vor Ort und der größeren Angebotsvielfalt beim Hörgeräteakustiker höher. Dem lassen sich keine nachvollziehbaren Argumente entnehmen, warum der verkürzte Versorgungsweg aus Sicht der Krankenkassen nicht neben der traditionellen Versorgung für diejenigen Versicherten in Betracht gekommen wäre, die auf die Betreuung beim Hörgeräteakustiker und dessen größere Angebotsvielfalt keinen Wert legen, es sei denn, infolge der Beeinflussung durch die Beklagte.

(c)

Der Vortrag der Beklagten zu angeblichen Qualitätsbedenken der Krankenkassen gegen den verkürzten Versorgungsweg ist auch im übrigen substanzlos.

(aa)

Die Klägerin benötigte vor der Einführung des Vertragsmodells zum 1. April 2007 gemäß § 126 SGB V eine behördliche Zulassung als Leistungserbringerin der Hilfsmittelversorgung, über die sie unstreitig seit 1996 verfügte. Diese Zulassung war zu erteilen, wenn der Leistungserbringer eine ausreichende, zweckmäßige, funktionsgerechte und wirtschaftliche Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel gewährleistet und die für die Versorgung der Versicherten geltenden Vereinbarungen anerkennt, § 126 Abs. 1 S. 2 SGB V in den bis zum 31. März 2007 geltenden Fassungen. Die Klägerin hat diese Voraussetzungen offensichtlich erfüllt, zumal ihre Zulassung nicht widerrufen worden ist, was gemäß § 126 Abs. 4 SGB V a.F. möglich war, wenn der Leistungserbringer nach Zulassung die Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllte.

(bb)

Die Beklagte hat zudem keine Fälle aus der vor dem 1. April 2009 liegenden Zeit, in der die Klägerin aufgrund ihrer Zulassung im verkürzten Versorgungsweg tätig war, vorgetragen, in denen es aufgrund qualitativer Unzulänglichkeiten bei der Herstellung der Hörgeräte durch die Klägerin oder bei der Abgabe an den Patienten durch den kooperierenden HNO-Arzt zu Problemen bei der Hörgeräteversorgung von Patienten gekommen sein soll, die den verkürzten Versorgungsweg genutzt haben.

Der Vortrag der Beklagten beschränkt sich letztlich auf die Behauptung, es habe jedenfalls die Gefahr einer kostenerhöhenden Überversorgung von Patienten mit Hörgeräten bestanden, weil die kooperierenden HNO-Ärzte mit der Verordnung einer Hörhilfe zugleich an deren Abgabe an den Patienten finanziell partizipiert hätten. Diese pauschal behauptete Missbrauchsmöglichkeit hat indes mit Qualitätsbedenken im Hinblick auf die Hörgeräteversorgung im verkürzten Versorgungsweg als solche nichts zu tun und ist als Argument vorliegend ohnehin irrelevant, weil ihr durch die zum 1. April 2009 in Kraft getretene Neuregelung des § 128 SGB V mit der Vergütung des Arztes unmittelbar durch die Krankenkasse und die zum 23. Juli 2009 in Kraft getretene Änderung mit der vorherigen Prüfung der Verordnung der Weg versperrt wurde. Dieses Missbrauchsargument taugte dementsprechend nicht als Begründung für die Verweigerung von Versorgungsverträgen zum verkürzten Versorgungsweg für die Zeit ab 1. April 2009. Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt, dass die vorherige Überprüfung der Verordnung durch die Krankenkasse erst zum 23. Juli 2009 in Kraft getreten ist. Denn die Krankenkassen hatten auch schon seit dem 1. April 2009 die Möglichkeit, im Rahmen des Verfahrens der Vergütungsauszahlung an den kooperierenden HNO-Arzt die Notwendigkeit des abgegebenen Hörgeräts zu überprüfen.

(cc)

Auch aus der späteren Zeit, in der die Klägerin aufgrund nunmehr geschlossener Versorgungsverträge wieder zunehmend im verkürzten Versorgungsweg tätig war (und ist), hat die Beklagte keinen einzigen Fall dargelegt, in dem es zu Qualitätsproblemen gekommen sei. Der Vortrag der Beklagten, dies liege daran, dass die Klägerin offenbar um das Jahr 2013 herum die von den Krankenkassen bemängelten Qualitätsdefizite erkannt und zu beseitigen versucht habe, ist völlig aus der Luft gegriffen und gänzlich substanzlos.

bb)

Durch das Scheitern des Vertragsschlusses mit dem W.1 ist der Klägerin wahrscheinlich ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden.

(1)

Es war nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwarten, dass dann, wenn die Versicherten der Ersatzkassen imstande gewesen wären, auch über den 1. April 2009 hinaus zwischen der Versorgung im traditionellen und verkürzten Versorgungsweg zu wählen, jedenfalls ein nennenswerter Teil der Versicherten sich weiterhin für den verkürzten Versorgungsweg entschieden hätte und die Klägerin daraus Umsätze generiert hätte. Angesichts eines von der Klägerin behaupteten Umsatzes mit den Ersatzkassen von knapp 1,8 Millionen € in 2008 und knapp 20.000 € in 2010 (Anlage B&B 9) liegt dies geradezu auf der Hand, auch dann, wenn die behaupteten Zahlen im einzelnen fehlerbehaftet wären, und auch dann, wenn die Umsatzzahlen des Jahres 2008 die mit der C.4 erzielten Umsätze mitenthielten. Es entspricht ebenso dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, dass die seit 1996 erfolgreich im verkürzten Versorgungsweg tätige Klägerin die für diese Umsätze erforderlichen Personal- und sonstigen Aufwandskosten kaufmännisch vernünftig kalkuliert und im Ergebnis einen Gewinn erzielt hätte.

Keiner Beantwortung im Verfahren über die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach bedürfen die Fragen, ob der Klägerin aufgrund des Nichtabschlusses des W.1-Vertrages zum 1. April 2009 in der Zeit vom 1. April 2009 bis 31. Oktober 2013 tatsächlich Umsätze in Höhe von 9.786.619,50 € entgangen sind (Anlage B&B 9), ob also der gesamte Zeitraum zugrundezulegen ist, ob etwa ab Aufgabe des kartellrechtswidrigen Beschlusses der Beklagten am 13. Juni 2012 eine andere Bewertung der Ursächlichkeit zu erfolgen hat, ob die Grundlagen und Methoden der Umsatzverlustberechnung richtig sind und ob die ersparten Personal- und sonstigen Aufwandskosten zutreffend berechnet sind. Diese Fragen sind im Betragsverfahren zu prüfen.

(2)

Soweit die Beklagte einwendet, die Klägerin habe Patienten bis Ende 2009 noch ohne Versorgungsvertrag versorgen können, steht dies der Annahme, dass ihr ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden ist, schon deshalb nicht entgegen, weil zwar für die Klägerin die Teilnahme am verkürzten Versorgungsweg bis Ende 2009 noch ohne Versorgungsvertrag möglich gewesen wäre, nicht aber für die kooperierenden Ärzte, die ab dem 1. April 2009 Versorgungsverträge brauchten. Zu solchen ist es aber infolge des Kartellrechtsverstoßes der Beklagten nicht gekommen, so dass das Modell des verkürzten Versorgungsweges allein deshalb auch für die Klägerin nicht mehr praktizierbar war.

In welchem Umfang es der Klägerin gelungen ist, aufgrund von Einzelfallvereinbarungen Gewinne zu erzielen, ist ebenso im Betragsverfahren zu berücksichtigen wie die Frage, ob die Klägerin im betroffenen Zeitraum anstelle der sonst mit dem verkürzten Versorgungsweg erzielten Gewinne anderweitige Gewinne durch Versorgung von Versicherten in Hörcentern oder mit dem Geschäftsmodell "X." generieren konnte. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand spricht nichts dafür, dass die Klägerin mit diesen Tätigkeiten die ihr aufgrund des verweigerten Versorgungsvertrags entgangenen Gewinne auch nur annähernd hätte kompensieren können; ein Schadenseintritt bleibt damit auch dann wahrscheinlich, wenn unterstellt wird, dass die Klägerin solche Gewinne erzielt hätte.

(3)

Ein Mitverschulden der Klägerin infolge eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 S. 1 BGB ist insoweit ausgeschlossen, als die Beklagte geltend gemacht hat, die Klägerin habe bestehenden Versorgungsverträgen nach § 127 Abs. 2 a SGB V beitreten können und habe dies unterlassen. Denn dem zwischen der Beklagten und dem W.1 bestehenden Versorgungsvertrag vom 1. Februar 2007 konnte die Klägerin nicht zu den erforderlichen "gleichen Bedingungen" beitreten, da dieser die Leistungserbringung durch einen Hörgeräteakustiker in seiner Betriebsstätte voraussetzte (oben unter IV.1.c)).

Soweit die Beklagte weiter geltend macht, die Klägerin habe sich nicht ausreichend um - rechtzeitige - Vertragsabschlüsse mit den Krankenkassen bemüht, ist eine solche Versäumung der Schadensminderungspflicht jedenfalls betreffend den W.1 ausgeschlossen, weil mit diesem ohne den Kartellrechtsverstoß der Beklagten ein Versorgungsvertrag zum 1. April 2009 zustandegekommen wäre.

b)

Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist schon nach dem zuvor Erwähnten dem Grunde nach berechtigt. Es ist aber auch wahrscheinlich, dass der Klägerin insoweit ein weiterer Schaden entstanden ist, als sie geltend macht, infolge des Kartellrechtsverstoßes der Beklagten habe sie mit den B. ..., B.1 und B.2 keine Versorgungsverträge schließen können.

aa)

Im Hinblick auf die Umsetzung des kartellrechtswidrigen Beschlusses der Beklagten gegenüber den B. ist folgendes festzustellen:

Der B.3 war an einer Fortsetzung des verkürzten Versorgungswegs ab dem 1. April 2009 mit der Klägerin interessiert und forderte diese mit Schreiben vom 27. Januar 2009 (Anlage B&B 37-1) zu Vertragsgesprächen auf. Ein solches Gespräch fand am 17. März 2009 unter Teilnahme der B. ...und ... statt (Anlage B&B 37-2). Im Verlauf der Gespräche wurde ein Mustervertrag ausgehandelt, zu dem konkrete Gespräche mit den einzelnen B. erfolgen sollten (Anlage B&B 37-3). Dieser im Schriftsatz der Klägerin vom 6. Juli 2018 enthaltene Vortrag unterliegt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht der Zurückweisung gemäß § 531 Abs. 2 ZPO (und auch nicht nach § 530) als verspätet, weil er unstreitig ist.

Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts hat die Beklagte mit Schreiben vom 27. März 2009 der B. ..., der B.2 und der B.1, mit Schreiben vom 24. April 2009 der B. ... und mit Schreiben vom 2. Juni 2009 der B. ... und der B. ... ebenfalls mitgeteilt, dass die geschlossenen Verträge gekündigt werden müssten, wenn die von den Adressaten vorgesehenen Verträge zum verkürzten Versorgungsweg zu einem Wettbewerbsnachteil für ihre Mitglieder würden (Rn 22 b der Verfügung).

Die B. ... schloss mit der Klägerin zum 1. April 2009 einen Vertrag über den verkürzten Versorgungsweg, der in Erwartung weiterer Gesetzesänderungen zum 31. Juli 2009 auslaufen sollte (GA Bl. 136). Die Beklagte teilte der B. ... mit Schreiben vom 24. April 2009 ihre rechtlichen Bedenken mit und bat mit Schreiben vom 23. Juni 2009 (GA Bl. 136) das Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes ... um aufsichtsbehördliche Überprüfung des Vertrages; dieses forderte die B. ... auf, bei neuen Vertragsverhandlungen die Gesetzesänderungen zu berücksichtigen (Anlage B 4).

Auch die B. ... schloss mit der Klägerin offenbar einen Vertrag über den verkürzten Versorgungsweg, zu dem die Beklagte ihr mit Schreiben vom 26. Mai 2009 mittteilte, sie habe "auch" den von ihr abgeschlossenen Vertrag zum verkürzten Versorgungsweg der dafür zuständigen Aufsicht zur Prüfung vorgelegt (Anlage B 33).

Aus dem vom Bundeskartellamt ermittelten Protokoll der Vorstandstelekonferenz der Beklagten vom 11. Mai 2009 ergibt sich, dass die Beklagte gegenüber dem B.3 den B., die keinen Vertrag mit den Anbietern des verkürzten Versorgungsweges schließen, einen deutlichen Preisnachlass angeboten hat, was die B. nicht angenommen hätten (Rn 22 c der Verfügung). Die Beklagte räumt selbst ein, dass sich das Angebot des Preisnachlasses auch auf solche B. bezog, die ein Sonderkündigungsrecht für den Fall des Abschlusses eines Vertrages über den verkürzten Versorgungsweg akzeptieren würden (GA Bl. 131).

Am 25. Juni 2009 hat die Beklagte nach eigenem Vorbringen mit der B. ... mit Wirkung zum 15. Juli 2009 eine Nachtragsvereinbarung zum bestehenden Versorgungsvertrag mit einem günstigeren Vertragspreis von 360 € pro Hörgerät unter der Bedingung geschlossen, dass die B. ... keine Verträge über eine Versorgung im verkürzten Versorgungsweg schließt; anderenfalls sollten die am 1. Januar 2009 vereinbarten Preise wieder aufleben (GA Bl. 139). Hierzu verhält sich ein vertraulicher Aktenvermerk der Beklagten vom 22. Juli 2009 (Rn. 22 e der Amtsverfügung), in dem ausführlich auf mögliche Kartellrechtsverstöße bezüglich der Bedingungs-Klausel eingegangen wird und in dem es heißt, die B. ... dürfe keine Verträge zur verkürzten Versorgung schließen, wenn sie sich die günstigeren Preise sichern wolle; daran werde sie sich voraussichtlich halten, und dies schränke die Wettbewerbsmöglichkeiten der Anbieter des verkürzten Versorgungsweges erheblich ein, der Marktzutritt sei ihnen damit faktisch verwehrt. Mit Schreiben vom 6. November 2009 teilte die Beklagte der B. ... mit, dass sie auf die Bedingungs-Klausel verzichte, weil die B. ... erklärt habe, dass sie keinen Vertrag zum verkürzten Versorgungsweg geschlossen habe und derartiges auch nicht plane (Rn. 22 l der Verfügung). Die Bedingungsklausel wurde zum 9. November 2009 aufgehoben (Anlage B 37). Ab dem 1. April 2010 galt für die B. ... die unten erwähnte, zwischen Beklagter und B.3 ausgehandelte Ergänzungsvereinbarung, die kein Sonderkündigungsrecht enthielt, wohl aber in der Präambel den Passus, die Vertragsparteien gingen davon aus, dass der verkürzte Versorgungsweg stagniere und sich zukünftig rückläufig entwickeln werde.

Die B.1 teilte der Klägerin mit Schreiben vom 5. August 2009 mit, nachdem sie zunächst beabsichtigt habe, einen Vertrag über den verkürzten Versorgungsweg zu schließen, könne sie diese Absicht nicht fortführen, da nach der Gesetzesänderung zum 23. Juli 2009 der mit der verkürzten Versorgung verbundene Verwaltungsaufwand zu hoch sei (Anlage B 43). Am 15. August 2009 vereinbarte die Beklagte nach den Feststellungen des Bundeskartellamts mit der B.1 günstigere Erstattungspreise und ein dafür geltendes Sonderkündigungsrecht für den Fall, dass die Kasse andere Versorgungsverträge schließt, womit nach einem Ergebnisprotokoll der Kasse über ein Gespräch mit der Beklagten vom 28. Juli 2009 nur Verträge über den verkürzten Versorgungsweg gemeint waren (Rn. 18, 22 f der Verfügung). Die Beklagte verzichtete mit Schreiben vom 27. Dezember 2010 auf das Sonderkündigungsrecht, wobei für die B.1 bereits seit 1. April 2010 die bereits erwähnte, zwischen Beklagter und B.3 ausgehandelte Ergänzungsvereinbarung galt.

Die B. ... hatte der Klägerin mit Schreiben vom 23. Juli 2009 mitgeteilt, dass sie aufgrund der neuen gesetzlichen Vorgaben, die die verkürzte Versorgung erheblich erschwerten, keine Verlängerung der Vereinbarung vorsehe. (Anlage B 24). Laut Protokoll der Vorstandstelekonferenz der Beklagten vom 7. September 2009 wurde berichtet, dass die B. ... einen Vertrag zum verkürzten Versorgungsweg nicht verlängert habe und die Beklagte ihr die neuen (günstigeren) Vertragspreise angeboten habe (Rn. 22 g der Verfügung). Eine entsprechende Vereinbarung mit einem Erstattungspreis von 360 € pro Hörgerät erfolgte - ohne Sonderkündigungsrecht - zum 1. Februar 2010 (Anlage B 36).

Laut demselben Protokoll versicherte die Beklagte der B. ... "nochmals", dass die neuen Preise nur mit den Krankenkassen vereinbart werden, die keinen Vertrag zum verkürzten Versorgungsweg geschlossen haben (Rn 22 g der Verfügung).

Auch in einer Verhandlungsrunde mit dem B.3 vom 29. September 2009 wies die Beklagte darauf hin, dass die abgesenkten Preise nur mit den B. vereinbart werden könnten, die einem expliziten Vertragspassus über den Ausschluss anderweitiger Versorgungsverträge, insbesondere über den verkürzten Versorgungsweg, zustimmen. Es gelang der Beklagten aber nicht, die betroffenen B. zu animieren, von ihren Verträgen zum verkürzten Versorgungsweg Abstand zu nehmen (Rn 22 h und i der Verfügung).

Der B.3 kritisierte in seinem Schreiben vom 8. Oktober 2009 das Verhalten der Beklagten in der Verhandlungsrunde vom 29. September 2009 (Preisreduktion nur gegen Verzicht auf Verträge zum verkürzten Versorgungsweg) (Rn. 22 h und i der Verfügung). Daraufhin kam es zu dem bereits erwähnten Beschluss der Beklagten vom 2. November 2009, bei B., die keinen Vertrag zum verkürzten Versorgungsweg geschlossen haben, auf ein Sonderkündigungsrecht zu verzichten, und mit B., die einen solchen Vertrag geschlossen haben, bis auf weiteres keinen Vertrag zu schließen (Rn. 22 j der Verfügung).

Auf das Schreiben des B.3 vom 8. Oktober 2009 antwortete die Beklagte, dass sie mit dem Angebot günstigerer Preise den verkürzten Versorgungsweg unattraktiv gestalten wolle und sich freuen würde, wenn sich möglichst viele B. für den traditionellen Versorgungsweg entscheiden würden (Rn. 22 k der Verfügung).

Laut Protokoll ihrer Vorstandstelekonferenz vom 9. Dezember 2009 einigte die Beklagte sich auf den Kompromiss, dass Preisreduktionen allen B. angeboten werden sollten, soweit diese sich verpflichten, keine weiteren Verträge zum verkürzten Versorgungsweg abzuschließen, bestehende Verträge könnten allerdings bestehen bleiben (Rn. 22 n der Verfügung).

Laut Schreiben der Beklagten an den B.3 vom 16. Dezember 2009 bestand Einigkeit, dass der verkürzte Versorgungsweg nicht durch weitere Vertragsabschlüsse ausgebaut wird. Gleichzeitig wurde eine Ergänzungsvereinbarung mit einer knapp 10 %igen Preisreduktion in Aussicht gestellt (Rn 22 o der Verfügung).

Diese Ergänzungsvereinbarung mit einer Absenkung des Erstattungspreises auf 360 € je Hörgerät wurde zwischen der Beklagten und dem B.3 mit Wirkung zum 1. April 2010 vereinbart. In der Präambel dazu heißt es u.a., die Vertragsparteien gingen davon aus, dass der verkürzte Versorgungsweg stagniere und sich zukünftig rückläufig entwickeln werde (Rn. 22 p der Verfügung, Anlage B 35). Die Ergänzungsvereinbarung galt für alle B., die Parteien des Vertrages vom 31. März 2007 waren, d.h. die B. ...,..., ..., und ...

Mit der hieran nicht beteiligten B.2 schloss die Beklagte am 1. April 2010 eine ebensolche Zusatzvereinbarung unter Vereinbarung eines Sonderkündigungsrechts für den Fall des Abschlusses anderer Versorgungsverträge mit anderen Versorgungsmodellen (Rn. 20 der Verfügung). Mit Schreiben vom 27. Dezember 2010 verzichtete die Beklagte auf das Sonderkündigungsrecht.

bb)

Bei dieser Sachlage spricht zunächst alles dafür, dass die B. ..., die B.2 und die B.1 deshalb keine Versorgungsverträge mit der Klägerin geschlossen haben, weil sie infolge der von der Beklagten angebotenen und mit dieser vereinbarten Preisreduktion - von offenbar 390 € pro Hörgerät (GA Bl. 1052) - auf 360 € pro Hörgerät gegen auflösende Bedingung bzw. Sonderkündigungsrecht für den Fall des Abschlusses von Verträgen über den verkürzten Versorgungsweg sich dazu verpflichtet sahen, solche Verträge nicht zu schließen, jedenfalls aber angesichts der Preisreduktion - wie von der Beklagten beabsichtigt - keine Veranlassung sahen, zusätzlich Verträge über den verkürzten Versorgungsweg zu schließen, weil sie nicht damit rechnen konnten, hierdurch noch weitere Ersparnisse zu erzielen; die Klägerin hatte 370 € pro Hörgerät angeboten (GA Bl. 1052), und mit einem Unterbieten des Betrages von 360 € war vernünftigerweise nicht zu rechnen.

Ebenso spricht nach Lage der Dinge alles dafür, dass die B. ... in der Zeit nach Wegfall der Bedingungsklausel ab dem 9. November 2009 und ab dem 1. April 2010, ab dem für sie die zwischen B.3 und Beklagter ausgehandelte Zusatzvereinbarung über eine Preisreduktion auf 360 € pro Hörgerät ohne Sonderkündigungsrecht galt, am Verzicht auf Verträge über den verkürzten Versorgungsweg festgehalten hat, weil deren Verhinderung das erklärte und allen B. bekannte Ziel der Beklagten war, wie es insbesondere auch in der Präambel zu jener Zusatzvereinbarung vom 1. April 2010 zum Ausdruck kam, und weil es angesichts der Preisreduktion nicht erfolgversprechend erschien, durch Versorgungsverträge über den verkürzten Versorgungsweg weitere Kostenersparnisse erzielen zu können.

Dieselben Erwägungen gelten für die B.1, für die ebenfalls ab dem 1. April 2010 die vom B.3 mit der Beklagten geschlossene Zusatzvereinbarung reduzierter Preise ohne Sonderkündigungsrecht galt, und für die B.2, gegenüber der die Beklagte mit Schreiben vom 27. Dezember 2010 auf das am 1. April 2010 vereinbarte Sonderkündigungsrecht verzichtete.

cc)

Die Beklagte hat jedenfalls keine nachvollziehbaren Gründe dargelegt, und solche sind auch sonst nicht ersichtlich, aus denen die genannten Kassen aufgrund autonomer Entscheidung auf den verkürzten Versorgungsweg verzichtet hätten. Ihre Behauptung, die B. ... habe wegen des Verwaltungsaufwands und aus Qualitätsgründen ohnehin nicht beabsichtigt, Verträge über den verkürzten Versorgungsweg zu schließen (GA Bl. 854, 139, 216), ist ohne jede Substanz; keine dahingehende Äußerung ist vorgetragen. Im Gegenteil ergibt sich aus der Teilnahme der B. ... am Gespräch vom 17. März 2009 (Anlage B&B 37-2) und aus dem später erfolgten Vertragsschluss mit der Klägerin zum 1. April 2013 deren Interesse am verkürzten Versorgungsweg.

Nichts anderes gilt für die B.1, die ebenfalls an dem Gespräch vom 17. März 2009 teilgenommen und mit der Klägerin Vertragsverhandlungen geführt hatte. Soweit die Kasse der Klägerin mit Schreiben vom 5. August 2009 mitgeteilt hat, sie könne die Vertragsabsicht nicht fortführen, da nach der Gesetzesänderung zum 23. Juli 2009 der mit der verkürzten Versorgung verbundene Verwaltungsaufwand zu hoch sei (Anlage B 43), spricht alles dafür, dass diese Äußerungen lediglich vor dem Hintergrund der kurz darauf am 15. August 2009 mit der Beklagten vereinbarten Preisreduktion zu sehen sind, zumal die zum 23. Juli 2009 in Kraft getretene Änderung des Verwaltungsaufwands im wesentlichen darin bestand, dass die Kassen die ärztliche Verordnung gemäß § 128 Abs. 4b SGB V vorab zu prüfen und mit einer Beratung über die Versorgungswege dem Versicherten zuzuleiten hatten, während zuvor und im traditionellen Versorgungsweg die Prüfung der Verordnung nachträglich erfolgt.

Auch für die B.2, die ihr Interesse am verkürzten Versorgungsweg ebenfalls durch Teilnahme an dem Gespräch vom 17. März 2009 dokumentiert hat, ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass diese aus autonomen Gründen auf den verkürzten Versorgungsweg verzichtet hat. Die Beklagte beruft sich auch insoweit nur pauschal darauf, dass es naheliege, die B.2 habe wegen der strengen gesetzlichen Regelungen und Qualitätsbedenken keine Verträge zum verkürzten Versorgungsweg geschlossen (GA Bl. 855, 218). Dagegen spricht, dass die B.2 zum 1. Dezember 2013 einen Vertrag mit der Klägerin zum verkürzten Versorgungsweg geschlossen hat.

dd)

Infolge der mit den B. ..., B.1 und B.2 nicht zustande gekommenen Verträge ist der Klägerin wahrscheinlich ein weiterer Schaden entstanden. Dies legt allein die Größenordnung der behaupteten Umsatzrückgänge von rund ... € in 2008 auf ... € in 2010 bei der B. ..., von rund ... € in 2008 auf 0 € in 2010 bei der B.1 und rund ... € in 2008 auf rund ... € in 2010 bei der B.2 nahe (Anlage B&B 9).

Ob die Klägerin die behaupteten Umsatzverluste und ersparten Aufwendungen richtig berechnet hat, bleibt der Klärung im Betragsverfahren vorbehalten, ebenso, ob die Klägerin insoweit bereits ab dem 1. April 2009 Schadensersatz beanspruchen kann und ob der Schadenszeitraum bis Ende Oktober 2013 reicht. Dabei spricht allerdings jetzt schon vieles dafür, dass der kartellrechtswidrige Beschluss der Beklagten und die in seiner Umsetzung angebotenen und vereinbarten Preisreduktionen über die Aufgabe des kartellrechtswidrigen Beschlusses am 13. Juni 2012 hinaus bis zu diesem Zeitpunkt ursächlich fortwirkten, weil die Kassen erst mit Anhebung der vom H. festzusetzenden Erstattungspreise von 421,28 € brutto auf 784,94 € brutto pro Hörgerät zum 1. November 2013 wirtschaftliche Veranlassung hatten, erneut Vertragsverhandlungen mit den Anbietern des verkürzten Versorgungsweges aufzunehmen.

c)

Ein weitergehender Schaden ist im Hinblick auf die B. ..., ... und ... jedenfalls derzeit nicht ausgeschlossen und daher im Betragsverfahren zu prüfen.

aa)

Die B. ... mag zwar mit Inkrafttreten des § 128 SGB V ihren Vertrag mit der Klägerin gekündigt haben und gegen den verkürzten Versorgungsweg gewesen sein, weil sie nicht gewollt habe, dass Ärzte Geldleistungen für Versorgungen erhalten, die sie selbst verordnet haben (vgl. Anlage B 17). Sie hat aber gleichwohl an der Zusatzvereinbarung mit der Beklagten vom 1. April 2010 (Anlage B 35) teilgenommen und überdies bereits zum 1. September 2012, also rund ein Jahr vor Inkrafttreten der erhöhten Erstattungspreise, einen Versorgungsvertrag mit der Klägerin geschlossen.

bb)

Die B. ..., die am Vertragsgespräch vom 17. März 2009 teilgenommen hat (Anlage B&B 37-2), hat anschließend einen Versorgungsvertrag mit der Klägerin zum 1. April 2009 geschlossen, der allerdings in Erwartung weiterer Gesetzesänderungen zum 31. Juli 2009 auslaufend vereinbart wurde. Soweit sie der Klägerin mit Schreiben vom 23. Juli 2009 mitgeteilt hat, dass sie aufgrund der neuen gesetzlichen Vorgaben, die die verkürzte Versorgung erheblich erschwerten, keine Verlängerung der Vereinbarung vorsehe (Anlage B 24), erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass hierfür auch das Vorgehen der Beklagten gegen den ursprünglichen Vertrag gegenüber dem Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes ... (Anlage B 4) und das Angebot günstigerer Erstattungspreise durch die Beklagte, wie es im Protokoll der Vorstandstelekonferenz der Beklagten vom 7. September 2009 dokumentiert ist (Rn. 22 g der Amtsverfügung), und die daraufhin getroffene Vereinbarung zum 1. Februar 2010 (Anlage B 36) ursächlich waren, zumal die B. ... zum 1. Januar 2014 auch wieder einen Versorgungsvertrag mit der Klägerin geschlossen hat.

cc)

Auch die B. ... hat an dem erwähnten Vertragsgespräch vom 17. März 2009 teilgenommen. Zum weiteren Verlauf ist lediglich aktenkundig, dass sie mit Schreiben vom 26. Mai 2009 gegenüber der Mitbewerberin der Klägerin T. darauf hingewiesen hat, der bisherige Versorgungsvertrag sei angesichts der neuen Rechtslage zum 31. März 2009 nichtig geworden, und ein neuer bestehe nicht (Anlage B 48). Die B. ... ist ebenfalls Partner der Zusatzvereinbarung mit der Beklagten über reduzierte Erstattungspreise und hat zum 1. September 2012 einen Versorgungsvertrag mit der Klägerin geschlossen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass auch bei der B. ... der Kartellrechtsverstoß der Beklagten jedenfalls mitursächlich dafür ist, dass zuvor kein Vertrag mit der Klägerin geschlossen wurde.

dd)

Dasselbe gilt derzeit für die B. ..., die jedenfalls zunächst mit der Firma T. Verhandlungen geführt, dieser dann mit Schreiben vom 24. August 2009 (Anlage B 47) ohne Angabe von Gründen mitgeteilt hat, sie habe sich entschieden, keine Verträge über den verkürzten Versorgungsweg zu schließen, gleichwohl an der Zusatzvereinbarung mit der Beklagten vom 1. April 2010 beteiligt war, wenngleich sie auch später keinen Vertrag mit der Klägerin geschlossen hat.

d)

Auch im Hinblick auf die C.3 und die von dieser vertretenen M. ist eine Mitursächlichkeit des Kartellrechtsverstoßes der Beklagten für die Verweigerung von Versorgungsverträgen derzeit nicht auszuschließen und die weitere Prüfung im Betragsverfahren vorzunehmen.

aa)

Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Bundeskartellamts mit Schreiben vom 27. März 2009 an die E.2 und vom 24. April 2009 an verschiedene M. erklärt, dass die Versorgungsverträge gekündigt werden müssten, wenn vorgesehene Versorgungsverträge zum verkürzten Versorgungsweg zu einem Wettbewerbsnachteil ihrer Mitglieder würden (Rn. 22 b der Verfügung).

Die C.3 schloss - für sich und in Vertretung der M. - mit der Klägerin am 27. März 2009 einen Vertrag über die verkürzte Versorgung zum 1. April 2009. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 24. April 2009 ihre rechtlichen Bedenken mit und regte bei der BVA eine aufsichtsrechtliche Prüfung an (GA Bl. 143).

Laut Schreiben der C.3 vom 20. April 2009 (Anlage B 34) kam es am 16. April 2009 zu einem Gespräch mit der Beklagten über einen ersten bundesweiten Rahmenvertrag. Die C.3 wies darauf hin, dass sie die Bedenken der Beklagten hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der von ihr zum verkürzten Versorgungsweg geschlossenen Verträge nicht teile.

In einem Gespräch zwischen Beklagter und C.3 vom 29. Juni 2009 einigte man sich nach den Feststellungen des Bundeskartellamts auf günstigere Preise als die im - auf das Gespräch über einen ersten bundesweiten Rahmenvertrag hin offenbar geschlossenen - Vertrag vom 1. Juni 2009 vereinbarten. Die Beklagte vermerkte am 30. Juni 2009, dass die C.3 den Vertrag mit Anbietern des verkürzten Versorgungsweges kündigen werde (Rn. 22 d der Amtsverfügung).

Mit Schreiben vom 26. Juni 2009 kündigte die C.3 - zugleich für die M. - die mit der Klägerin geschlossenen Verträge "aufgrund der aktuellen Änderungen in der Gesetzgebung (§ 128 SGV V)" (Anlage B&B 3).

bb)

Unter diesen Umständen erscheint ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Angebot reduzierter Erstattungspreise durch die Beklagte und der Vertragskündigung gegenüber der Klägerin nicht ausgeschlossen, mag auch, worauf die Beklagte hinweist, die Vertragskündigung vor der Einigung über die günstigeren Preise erfolgt sein. Dass dieser zeitlichen Differenz von drei Tagen ausschlaggebende Bedeutung zukommt, ist derzeit angesichts des Umstands, dass der Einigung vom 29. Juni 2009 Verhandlungen vorausgegangen sein werden, nicht sehr wahrscheinlich.

e)

Was die K.1 betrifft, so ist ein weitergehender Schaden der Klägerin jedenfalls deshalb nicht ausgeschlossen, weil die Beklagte am 1. März 2010 mit der K.1 die vom Bundeskartellamt festgestellte Zusatzvereinbarung günstigerer Erstattungspreise mit einem Sonderkündigungsrecht für den Fall des Abschlusses weiterer Versorgungsverträge über andere Versorgungsmodelle (Rn. 19 der Verfügung) geschlossen hat, mag auch die Beklagte mit Schreiben vom 27. Dezember 2010 auf das Sonderkündigungsrecht verzichtet haben.

f)

Nicht ausgeschlossen ist auch ein weitergehender Schaden betreffend die C.2, an die die Klägerin unstreitig über die sie vertretenden Firmen T.2 mit Email vom 6. April 2009 (Anlage B&B 38-2) und H.2 mit Email vom 10. Juni 2009 (Anlage B&B 38-6) unter Übersendung eines Vertragsentwurfs bzw. Angebots herangetreten ist. Soweit die Beklagte ein Schreiben der C.8 vom 28. Mai 2009 (Anlage B 50) vorlegt, in dem die Kasse einem Versicherten erklärt, warum sie seinem Antrag auf Kostenübernahme für Hörgeräte auf dem verkürzten Versorgungsweg nicht stattgibt, ist damit jedenfalls nicht substantiiert vorgetragen, dass für das Nichtzustandekommen eines Versorgungsvertrages mit der Klägerin allein Qualitätsbedenken maßgeblich gewesen seien.

g)

Die Beklagte geht letztlich auch selbst davon aus, dass ihr kartellrechtswidriger Beschluss und die zu seiner Umsetzung ergriffenen Maßnahmen ursächlich dafür gewesen sind, dass die betroffenen Krankenkassen keine Verträge zum verkürzten Versorgungsweg geschlossen oder solche gekündigt haben. Denn in dem Bericht zur Delegiertenversammlung der Beklagten in der Ausgabe 10/2009 der Innungszeitschrift "..." heißt es auf S. 54, "gerade die Kündigungen der Verträge zum verkürzten Versorgungsweg durch die meisten Krankenkassen wie W.1, B., C.3 bzw. C.2 und die gleichzeitigen Vertragsneuabschlüsse durch die C. zeigen auf, dass der eingeschlagene Weg der einzig richtige ist" (Anlage B&B 7a).

h)

Soweit die Beklagte sich auch gegenüber den anderen Krankenkassen als dem W.1 darauf beruft, die Klägerin habe die ihr durch verweigerte Versorgungsverträge entgangenen Gewinne anderweitig kompensiert, gilt das oben unter 3. a) bb) (2) Erwähnte entsprechend.

Ein Mitverschulden der Klägerin infolge eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 S. 1 BGB durch Nichtbeitritt zu bestehenden Verträgen nach § 127 Abs. 2a SGB V ist auch bei den anderen Krankenkassen ausgeschlossen. Die Beklagte hat keine bestehenden beitrittsfähigen Verträge aufgezeigt, und solche sind auch sonst nicht ersichtlich.

Der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe sich nicht bzw. nicht ausreichend um rechtzeitige Vertragsabschlüsse mit den anderen Krankenkassen bemüht, ist der Prüfung im Betragsverfahren vorzubehalten, weil eine solche Versäumung der Schadensminderungspflicht jedenfalls nicht zum gänzlichen Ausschluss des Schadensersatzanspruchs führen kann.

Zwar begründet § 254 BGB eine anspruchsausschließende Einwendung, die zum gänzlichen Ausschluss des Ersatzes führen kann, soweit der Schaden insgesamt hätte vermieden werden können. Die Prüfung der Versäumung der Schadensminderungspflicht muss daher in der Regel im Grundurteil vorgenommen werden. Nur wenn feststeht, dass die Versäumung der Schadensminderungspflicht nicht zum Haftungsausschluss führt, somit jedenfalls ein Anspruch des Geschädigten bleibt, darf die Entscheidung darüber dem Betragsverfahren vorbehalten werden (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.1999, VIII ZR 121/98, Rn. 26 bei juris; Urteil vom 13.05.1997, VI ZR 145/96, Rn. 12 bei juris; Zöller/Feskorn, § 304 ZPO Rn. 17).

So liegt der Fall hier. Der Mitverschuldenseinwand kann den Anspruch jedenfalls nicht gänzlich ausschließen, weil er etwa gegenüber dem W.1, mit dem der Vertrag zum 1. April 2009 geschlossen worden wäre, nicht in Betracht kommt, ebensowendig gegenüber den B., mit denen ein Mustervertrag ausgehandelt war, und etwa gegenüber der C.3 und den M., mit denen seit dem 1. April 2009 ein Versorgungsvertrag bestand.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Wird die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil in vollem Umfang zurückgewiesen, sind ihm gemäß § 97 Abs. 1 ZPO schon im Berufungsurteil die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen (vgl. Zöller/Feskorn, § 304 ZPO Rn. 40).

D.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

E.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Senat hat den Streitfall auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden.