LG Münster, Urteil vom 07.12.2017 - 014 O 650/16
Fundstelle
openJur 2019, 2802
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 12.169,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 8.758,05 € seit dem 15.07.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht den Saldo nach Kündigung eines Girokontos geltend. Die Beklagten erheben u.a. die Einrede der Verjährung.

Am 28.02.2000 beantragten die Beklagten bei der Degussa Bank AG die Eröffnung eines Gemeinschaftskontos. Mit Schreiben vom 22.07.2008 sprach die Degussa Bank bezugnehmend auf Ziffer 19 ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen die Kündigung aus und stellte einen Gesamtbetrag von 8.892,44 € fällig, zu dessen Zahlung sie den Beklagten eine Frist bis spätestens 06.08.2008 setzte. Weiterhin ist in diesem Schreiben wörtlich in den zwei nachfolgenden Sätzen angefügt: "Nach erfolglosem Fristablauf werden wir ohne weitere Ankündigung gerichtliche Schritte gegen Sie einleiten. Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass wir bei verspätetem Zahlungseingang Tageszinsen in Höhe von z.Zt. Euro 2,02 berechnen werden." Wegen der Berechnung des in diesem Schreiben angegebenen Saldos von 8.758,05 € wird auf die Kontoverdichtung Anlage K 2 Bl. 26 d.A. Bezug genommen. Zahlungen seitens der Beklagten erfolgten nicht.

Mit Schreiben vom 01.02.2016 zeigte die Degussa Bank als Zedentin die Abtretung der Ansprüche an die Klägerin aus dem gekündigten Darlehen den Beklagten gegenüber an.

Die Klägerin behauptet, sie habe vor der Kündigung an die Beklagten Mahnungen versandt und zwar am 21.04.2008, 05.05.2008, 19.05.2008, 02.06.2008, 16.06.2008 und 17.06.2008. Ferner sei die Abtretung der Ansprüche der Degussa Bank an die Klägerin wirksam.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 12.169,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 8.758,05 € seit dem 15.07.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten die Abtretung des etwaigen Rückzahlungsanspruchs sowie den Erhalt aller Mahnschreiben. Sie vertreten die Auffassung, § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB finde auf ihren Kündigungssaldo keine Anwendung. Auch begründe die Fristsetzung in dem Kündigungsschreiben vom 22.07.2008 keinen Verzug und der Anspruch sei jedenfalls verwirkt. Die Kündigung sei auch unwirksam, weil die Zedentin ihnen bei Kündigung keine Abrechnungsübersicht beigefügt hat.

Ferner habe ihre eingeräumte Überziehungslinie bei 6.500 € gelegen und eine gegen bzw. ohne den Willen des Kreditinstituts erfolgte Überziehung stelle eine Pflichtverletzung dar, die einen Schadensersatzanspruch der Klägerin begründen könne, so dass hier unterschiedliche Ansprüche vorliegen würden, die von der Klägerin pauschaliert worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 12.169,89 € gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Abtretung der Ansprüche an die Klägerin aus dem gekündigten Darlehen hat die Degussa Bank als Zedentin ausweislich Anlage K4 mit Schreiben vom 01.02.2016 beiden Beklagten gegenüber angezeigt, so dass diese gemäß § 409 Abs. 1 schuldbefreiend an die Klägerin zahlen, auch wenn die Abtretung nicht wirksam erfolgt sein sollte.

Die Kündigung des Darlehens ist wirksam. Sie erfolgte wegen Vermögensverschlechterung gemäß Ziffer 19 der AGB durch die Degussa Bank mit Schreiben vom 22.07.2008 und der Saldo von 8.758,05 € zzgl. Zinsen und Kosten wurde sofort fällig gestellt mit Fristsetzung zur Zahlung spätestens zum 06.08.2008. Die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse i.S.d. Ziff. 19 der AGB ergibt sich aus der Umsatzaufstellung Anlage K2. Ab April 2008 erfolgen auf dem Konto Lastschriftrückgaben, ohne dass auf dem Konto im wesentlichen Guthaben gebucht wurde. Zudem haben die Beklagten der Degussa Bank durch die Wfa im Schreiben vom 27.10.2008 selber mitteilen lassen, dass sie in eine finanzielle Notlage geraten seien.

Sofern die Beklagten bestreiten, sämtliche Mahnungen der Degussa Bank vom 21.04.2008, 05.05.2008, 19.05.2008, 02.06.2008, 16.06.2008 und 17.06.2008 erhalten zu haben, wobei der übrige Schriftverkehr an ihre dauerhaft unveränderte Anschrift offenbar zugegangen ist, kann dies vorliegend dahinstehen, da es sich sämtlich um Mahnungen handelt, die vor der ausgesprochenen Kündigung liegen.

Sofern die Beklagte sich gegen ihre Inanspruchnahme damit verteidigen, die Klägerin bzw. die Zedentin habe ihnen bei Kündigung keine Abrechnungsübersicht beigefügt, so ist die Beifügung einer Abrechnungsübersicht keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung. Zudem erfolgte die Kontoführung mit quartalsweiser Abrechnung und die Beklagten haben nicht vorgetragen, dass sie gegen diese zu irgendeinem Zeitpunkt Einwendungen erhoben haben, so dass der Kontostand nach dem 1. Quartal -9.013,25 € betrug. Die Beklagten haben auch nicht vorgetragen, dass sie diese Forderung ganz oder teilweise durch Zahlungen erfüllt haben und deshalb der Saldo von 8.758,05 € nicht zutreffend sei. Die Darlegungs- und Beweislast für die ganz oder teilweise Erfüllung der Forderung durch Tilgung liegt bei den Beklagten, nicht bei der Klägerin.

Sofern sich die Beklagten gegen die Zahlung von 5 € Portokosten wenden, gehen diese nicht in den Mahnkosten von 13.00 € auf und der geltend gemachte Betrag von insgesamt 18 € erscheint als Pauschale schon deshalb angemessen, da vorliegend Mahnungen für beide Darlehensnehmer zu bearbeiten sind. Die Klägerin hat durch Vorlage der Mahnungen belegt, dass diese erstellt wurden, so dass die Pauschale für die Bearbeitung angefallen sind, selbst wenn die erstellten Mahnungen im Postwege den Beklagten nicht zugegangen sein sollten.

Entgegen der Ansicht der Beklagten befinden sie sich mit der Zahlung des Betrages auch seit dem 07.08.2008 in Verzug, denn in der Kündigung sind die Beklagten zur Zahlung bis spätestens 06.08.2008 aufgefordert worden zugleich mit dem Hinweis der Einleitung gerichtlicher Schritte ohne weitere Ankündigung, so dass die Verjährung des Anspruchs gemäß § 497 Abs. 3 S.3 BGB gehemmt und damit keine Verjährung eingetreten ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 497 Abs. 3 S. 3 BGB auf einen Dispositionskredit anwendbar (BGH Urteil vom 13.07.2010 - XI ZR 27/10 zitiert nach beckonline). Zweck des § 497 Abs.3 S.3 BGB ist es, für den Bereich fälliger nichttitulierter Darlehensrückzahlungsansprüche sowie nichttitulierter Ansprüche auf Rückstände von Zinsen zu vermeiden, dass der Darlehensgeber allein zur Verhinderung der kurzen dreijährigen Verjährung nach § 195 BGB die Titulierung betreibt, was die Schuldenlast des Darlehensnehmers noch weiter erhöhen würde (BGH a.a.O.).

Als verzugsbegründende Mahnung genügt jede eindeutige und bestimmte Aufforderung, mit der der Gläubiger unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass er die geschuldete Leistung verlangt; auf die Rechtsfolgen eines Verzuges muss - anders als im Fall des § 286 Abs. 3 S. 1 BGB - nicht hingewiesen werden (BGH, Urteil vom 10.03.1998 - X ZR 70/96 zitiert nach beckonline). Der Gesetzeszweck von § 497 BGB a.F. gebietet keine Auslegung von § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. bzw. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB dahingehend, dass Fälligstellung und Mahnung nicht verzugsbegründend verbunden werden können. Zur Herbeiführung des Schuldnerverzuges bedarf es einer Mahnung des Gläubigers, die zwar grundsätzlich erst nach Fälligkeit wirksam erfolgen kann, jedoch ausnahmsweise mit der die Fälligkeit begründenden Handlung des Gläubigers verbunden werden darf. Allein die erstmalige Zusendung einer Rechnung über eine Entgeltforderung i.S.v. § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB mit der einseitigen Bestimmung eines Zahlungszieles durch den Gläubiger vermag den Schuldnerverzug eines Verbrauchers nicht zu begründen, wenn die Rechnung keinen Hinweis auf den Verzugseintritt oder ähnliche Zusätze enthält.

Entgegen der Auffassung des OLG Hamm in ihrem in diesem Rechtsstreit ergangenen Beschluss über die Gewährung von Prozesskostenhilfe vom 09.08.2017 - I-31 W 10/17 (veröffentlicht in beckonline) ist die Kammer der Auffassung, dass die Beklagten vorliegend das Kündigungsschreiben nach ihrem objektiven Empfängerhorizont bereits zugleich als Mahnung verstehen mussten. Es handelt sich nicht lediglich um eine erstmals erteilte Rechnung, die keinen Hinweis auf den Verzugseintritt oder ähnliche Zusätze enthält. In dem Kündigungsschreiben vom 22.07.2008 wird die Höhe des Saldos genannt und sofort fällig gestellt. Zugleich wird eine zweiwöchige Zahlungsfrist bis zum 06.08.2008 eingeräumt, bis zu der Saldo spätestens gezahlt werden muss. Damit haben die Beklagten durch dieses Schreiben zum einen Kenntnis, dass die Vertragsbeziehung beendet ist, die Klägerin 8.892,44 € von ihnen fordert, diese Summe sofort fällig ist und sie die Summe bis spätestens zum 06.08.2008 gezahlt haben müssen. Zum anderen hat die Klägerin sodann einen zumindest dem Hinweis auf den Verzugseintritt ähnlichen Zusatz hinzugefügt, indem sie in den zwei nachfolgenden Sätzen wörtlich mitteilt: "Nach erfolglosem Fristablauf werden wir ohne weitere Ankündigung gerichtliche Schritte gegen Sie einleiten. Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass wir bei verspätetem Zahlungseingang Tageszinsen in Höhe von z.Zt. Euro 2,02 berechnen werden." Die Kammer teilt nicht die Auslegung des OLG Hamm, dieser Satz suggeriere, dass noch weitere Maßnahmen veranlasst werden und ein Verzug erst unmittelbar durch Klageerhebung bzw. Einleitung eines Mahnverfahrens eintritt. Durch diese beiden Sätze sind die Beklagten darüber informiert, dass bei Nichtzahlung des Saldos bis spätestens zum 06.08.2008 kein weiterer Schriftverkehr und damit auch keine weitere Zahlungsaufforderung seitens der Degussa Bank mehr folgen wird und gerichtliche Schritte eingeleitet werden. Die Androhung gerichtlicher Schritte nach fruchtlosem Ablauf einer Frist erzeugt bei einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher die Vorstellung, dass der Gläubiger seine Forderung zwangsweise durchsetzen wird, nicht aber, dass erst durch ein gerichtliches Verfahren überhaupt erst Verzug eintritt. Die Androhung gerichtlicher Schritte lässt erkennen, dass der Gläubiger der Auffassung ist, dass er eindeutig und bestimmt aufgefordert und unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat, dass er die geschuldete Leistung verlangt und er bei Nichtbefolgung dieses Verlangens die dafür vorgesehene staatliche Hilfe in Anspruch nehmen wird.

Soweit in § 286 Abs. 1 S.2 BGB der [fehlenden] Mahnung die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleichstehen, ist dies zu unterscheiden von dem Fall, dass eine Mahnung nicht fehlt sondern die vorherige Androhung einer Klage oder eines Mahnverfahrens der Einleitung eines solchen Verfahrens gerade vorgeschaltet und deshalb als Mahnung zu werten ist. Mit der Androhung ist der Verbraucher gemahnt, dass er die geforderte Leistung zu erbringen und andernfalls ein Gerichtsverfahren mit weiteren Kosten zu erwarten hat. Der Verbraucher versteht die Androhung gerichtlicher Schritte hingegen nicht dahingehend, dass der Gläubiger erst mittels eines gerichtlichen Verfahrens unzweideutig zum Ausdruck bringen will, dass er die geschuldete Leistung verlangt. Die Leistung ist bereits unzweideutig verlangt und die Androhung gerichtlicher Schritte dient lediglich der Durchsetzung dieser Forderung. Somit befinden sich die Beklagten seit dem 06.08.2008 in Verzug, so dass gemäß § 497 Abs.3 S.3 BGB die Verjährung gehemmt ist.

Auch der Einwand der Verwirkung greift nicht, da es am Umstandsmoment fehlt. Die Degussa Bank hat in keiner Weise durch ein Verhalten Anlass dazu gegeben, dass die Beklagten das Vertrauen entwickeln konnten, sie werden nicht mehr in Anspruch genommen.

Sofern die Beklagten schließlich anführen, ihre eingeräumte Überziehungslinie habe bei 6.500 € gelegen und eine gegen bzw. ohne den Willen des Kreditinstituts erfolgte Überziehung stelle eine Pflichtverletzung dar, die einen Schadensersatzanspruch begründen könne, kann das Gericht diesem Argumentationsansatz nicht folgen und die Zielrichtung und daraus hergeleiteten rechtlichen Folgerungen nicht erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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