LG Münster, Urteil vom 22.07.2015 - 012 O 374/14
Fundstelle
openJur 2019, 2775
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 20.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2014 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 1.172,51 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf EUR 837,76 seit dem 06.11.2014 sowie auf weitere EUR 334,75 seit dem 03.03.2015 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aufgrund der unbefugten Veröffentlichung der Bilddatei, welche die Klägerin und den Beklagten beim Oralverkehr zeigt, im Internet entstanden sind und zukünftig entstehen werden, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Entschädigungsansprüche, nachdem der Beklagte ein intimes Bild der Klägerin im Internet veröffentlichte.

Die Parteien führten eine etwa zweijährige Liebesbeziehung. Im Jahr 2011, als die Klägerin 15 oder 16 war, fertigte der Beklagte mit seinem Handy ein Foto von der Klägerin, welches sie bei der Ausführung von Oralverkehr an ihm zeigt. Das Gesicht der Klägerin ist auf dem Foto identifizierbar. Einige Zeit nachdem sich die Klägerin Ende 2011 von dem Beklagten getrennt hatte, schickte dieser ihr das Foto per Whattsapp zu. Sie forderte ihn auf, das Foto umgehend zu löschen, was der Beklagte auch zusagte.

Im Oktober 2013 stellte der Beklagte das Foto in seinem Profil auf der Internetplattform tumblr.com (www.loveinperpetuity.tumblr.com) online, die allgemein zugänglich ist und insbesondere von gemeinsamen Freunden und damaligen Klassenkameraden besucht wurde. Das Foto verbreitete sich sodann auch über andere Dienste, zum Beispiel Facebook oder Whattsapp. Nachdem die Klägerin von einer Freundin auf die Veröffentlichung des Bildes hingewiesen worden war, erstattete sie sofort Anzeige gegen den Beklagten und forderte ihn telefonisch auf, das Foto zu entfernen. In der Folgezeit untersagten die Eltern der Klägerin dem Beklagten die Kontaktaufnahme mit ihrer Tochter, weshalb der Beklagte einen Brief an die Eltern verfasste. Auf den Inhalt des Briefes wird Bezug genommen (Bl. 37ff. d. A.). Sein Profil bei tumblr.com wurde vom Beklagten mittlerweile gelöscht.

Mit Schreiben vom 27.10.2014 wurde der Beklagte unter Fristsetzung aufgefordert, eine Verpflichtungs- und Unterlassungserklärung abzugeben sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 5.000,- zu zahlen (s. Anlage K7, Bl. 16ff. d. A.). Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Schadensersatz- und Verpflichtungsbegehren weiter.

Die Klägerin behauptet, keine Kenntnis von der Anfertigung des Fotos gehabt zu haben, insbesondere habe sie nicht in die Kamera gesehen, als das Bild aufgenommen wurde. Sie habe das Bild erstmals nach der Trennung gesehen, als der Beklagte es ihr bei Whattsapp geschickt habe. Das Foto, sowie 2 weitere von ihr auf der Internetseite veröffentlichte Bilder, habe der Beklagte veröffentlicht, um sich zu rächen und sich auf ihre Kosten selbst darzustellen. Sie habe in Folge der Veröffentlichung des Fotos im Internet eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten, die fortdauere. Für sie sei jeder Schulbesuch nach der Veröffentlichung des Bildes ein Spießrutenlauf gewesen. Sie habe unter extremer Angst gelitten, auf das Foto angesprochen zu werden, weshalb auch ihre schulischen Leistungen stark abgefallen seien. Sie habe sich aus dem sozialen Leben sowie von ihren Freunden zurückgezogen und suizidale Phantasien gehabt. Noch heute lebe sie zurückgezogen und habe Angst, allein das Haus zu verlassen, weil sie noch immer auf das Foto angesprochen werde. Wegen der Veröffentlichung des Bildes sei sie ab Dezember 2013 in psychologischer Behandlung. Am 06.05.2014 habe sie eine Psychotherapie begonnen, ab dem 22.01.2015 sei sie bis zum 31.03.2015 zur tagesklinischen Behandlung in der LWL-Klinik gewesen. Insoweit wird Bezug genommen auf den als Anlage K 17 zur Akte gereichten Entlassungsbericht vom 31.03.2015 (Bl. 114f. d. A.). Sie sei zur Alltagsbewältigung auf die Einnahme von Antidepressiva angewiesen.

Sie ist der Ansicht, die unkontrollierbare Weiterverbreitung des Fotos rechtfertige ein Schmerzensgeld, das einen Mindestbetrag von EUR 5.000,- deutlich übersteige. Der Feststellungsantrag sei insbesondere zulässig, weil er auch die Kosten einer eventuell in der Zukunft bestehenden Möglichkeit, das Foto insgesamt aus dem Internet zu löschen, abdecken könne.

Die Klägerin hatte zunächst auch beantragt, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, das Foto zu verbreiten sowie ihn zu verpflichten, das Foto in jeder Form zu löschen und physische Kopien zu vernichten. Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 17.11.2014 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben (s. als Anlage B 1 in Kopie zur Akte gereichte Unterlassungserklärung, Bl. 36) und mit eidesstattlicher Versicherung vom 29.01.2015 (Bl. 52 d. A.) erklärt hat, das Foto von sämtlichen Speichermedien gelöscht und physische Kopien vernichtet zu haben, hat sie den Rechtsstreit am 17.03.2015 insoweit für erledigt erklärt (Bl. 56 d. A.). Der Beklagte hat der Erledigung mit Schriftsatz vom 01.04.2015 zugestimmt (Bl. 101 d. A.).

Mit Schriftsatz vom 12.03.2015 hat sie zudem ihre Klage hinsichtlich der außergerichtlich entstandenen Nebenkosten, deren Erstattung sie vom Beklagten verlangt, erweitert, nachdem der Beklagte mit weiterer Abmahnung (Anlage K 14, Bl. 91 d. A.) zur Löschung von zwei anderen, die Klägerin zeigenden Bildern aufgefordert wurde.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch EUR 5.000,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei dem 05.11.2014, sowie vorgerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.1172,51 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten auf EUR 837,76 seit dem 05.11.2014 sowie auf weitere EUR 334,75 seit dem 03.03.2015 zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche der Klägerin aufgrund der unbefugten Herstellung und der unbefugten Veröffentlichung der Bilddatei, welche die Klägerin und den Beklagten beim Oralverkehr zeigt, im Internet entstanden sind und zukünftig entstehen werden, insbesondere hinsichtlich der Kosten einer effizienten Entfernung der Bilddatei aus dem Internet.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, das Foto sei hochgeladen worden, als er in der Nacht vom 04. auf den 05.10.2013 bei einer von ihm ausgerichteten Feier stark alkoholisiert gewesen sei. Er könne sich nicht daran erinnern, die Veröffentlichung selbst herbeigeführt zu haben. Als ihn die Klägerin am Tag danach angerufen habe, habe er umgehend das Foto von der Internetseite entfernt. Für die Verbreitung sei ausschließlich ein Bekannter der Parteien, ein Herr E T, verantwortlich, der das Foto gesehen und im Freundeskreis weitergeleitet habe. Zudem habe sein tumblr-Profil auch nur 7 Follower gehabt.

Er ist der Ansicht, ihm könne kein Vorwurf wegen der Verbreitung des Fotos gemacht werden, da er alles unternommen habe, um das Foto sofort wieder zu entfernen und sich bei der Klägerin zu entschuldigen.

Im Verhandlungstermin vom 04.05.2015 hat das Gericht die Parteien persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls Bezug genommen (Bl. 116ff. d. A.). Zudem hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, auf das Bezug genommen wird. Im Termin vom 22.07.2015 hat die Sachverständige Dr. med. C ihr Gutachten mündlich erläutert, insoweit wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 148ff. d. A.).

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist in der geänderten Fassung zulässig, insbesondere hat die Klägerin ein Feststellungsinteresse für den Antrag zu 2. Ein solches besteht immer dann, wenn aufgrund einer eingetretenen Verletzung nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Schadensentwicklung wegen derzeit nicht ersichtlicher Entwicklungen fortschreitet. Dies ist vorliegend der Fall.

I.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes nach §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB sowie nach § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG auf Geldentschädigung wegen der Veröffentlichung eines sie beim Oralverkehr zeigenden Fotos gegen den Beklagten in Höhe von insgesamt EUR 20.000,- zu.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts gemäß § 286 Abs. 1 ZPO fest, dass der Beklagte durch die Veröffentlichung im Internet die Intimsphäre der Klägerin in rechtswidriger Weise verletzt und dadurch eine gesundheitliche Beeinträchtigung hervorgerufen hat.

1.

Der Beklagte räumte in seiner Anhörung im Termin vom 04.05.2015 selbst ein, dass er für die Veröffentlichung des Bildes, welches die Klägerin und ihn beim Oralverkehr zeigt, verantwortlich ist. So gab er an, das Foto habe sich wie ein Lauffeuer verbreitet, nachdem ein Bekannter der Klägerin es im Internet gefunden habe. Er sei aber derjenige gewesen, der es zuvor hochgeladen hatte (s. Sitzungsprotokoll vom 04.05.2015, dort S. 3, Bl. 118 d. A.). Soweit der Beklagte der Ansicht ist, ihm seien die eingetretenen Schäden nicht zuzurechnen, weil die Verbreitung im Freundeskreis nicht von ihm bewirkt worden sei, er sogar versucht habe, sie zu verhindern, kann dem nicht gefolgt werden. Ausgangspunkt jeder Weiterverbreitung ist stets das erstmalige "Zur-Verfügung-Stellen". Es ist Bedingung dafür, dass das Bild von anderen gespeichert, kopiert und verschickt werden kann. Dass es so kommen würde, ist auch ohne Weiteres für den Beklagten vorhersehbar gewesen und entspricht einem normalen Lauf der Dinge. Dies folgt zum einen schon aus dem gewählten Medium, der Veröffentlichung auf einer Internetplattform. Wie der Beklagte selbst im undatierten Brief an die Eltern der Klägerin, der als Anlage B 2 vorgelegt wurde, ausführt, "vergisst das Internet nie", weshalb die Veröffentlichung nie wieder ganz rückgängig gemacht werden kann (s. S. 2 des Briefes, Bl. 38 d. A.). Zum anderen ist es unter Berücksichtigung des damaligen Alters von Mitschülern, Freunden und Bekannten der Parteien auch keine Überraschung, dass ein solches Foto einer Gleichaltrigen große Aufmerksamkeit auf sich zieht: Wer mitreden will, muss im Besitz des Fotos sein; wer es hat, prahlt damit vor anderen.

Dem Beklagten kann auch nicht gefolgt werden, wenn er sich darauf beruft, dass sein Account nur 7 Follower gehabt habe. Unabhängig davon, ob diese Behauptung zutrifft, ist es für das Vorliegen einer schädigenden Handlung unerheblich, da durch das Zur-Verfügung-Stellen online bereits ein unüberschaubarer Betrachterkreis geschaffen wurde. Es mag stimmen, dass nur 7 Follower von dem Upload des Bildes benachrichtigt wurden, es wurde aber einer großen Öffentlichkeit zugägnlcih gemacht.

2.

Durch die Veröffentlichung des Bildes hat der Beklagte die Intimsphäre der Klägerin in rechtswidriger Weise beeinträchtigt.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des BVerfG gewährt das Grundgesetz dem Einzelnen im Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung einen unantastbaren Bereich zur Entfaltung seiner Persönlichkeit, der wegen seiner besonderen Nähe zur Menschenwürde absolut geschützt und einer Einschränkung durch Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zugänglich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.01.1973 - 2 BvR 454/71 -, NJW 1973, 891). Diesem Kernbereich gehören grundsätzlich Ausdrucksformen der Sexualität an. Im Übrigen hängt die Beurteilung, ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zuzuordnen ist, davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (BVerfG, Beschluss vom 10.6.2009 - 1 BvR 1107/09 -, NJW 2009, 3357).

Das Foto zeigt ein Element der höchstpersönlichen und geheim zuhaltenden Lebensgestaltung. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Veröffentlichung des Bildes keine willentliche Öffnung der Intimsphäre der Klägerin zugrunde liegt. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten unterstellt, dass die Klägerin auf dem Foto erkennbar in die Kamera blicken sollte und somit von einer Zustimmung zur Anfertigung des Bildes auszugehen wäre, ist kein Umstand ersichtlich, nach dem sie auch einer Veröffentlichung des Fotos zugestimmt hätte. Das Anfertigen erotischer oder auch pornographischer Bilder an sich in einer Partnerschaft enthält nicht automatisch auch die Einwilligung, diese im Internet der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine solche Zustimmung ist auch vom Beklagten nicht vorgetragen. Eine Aufklärung des zwischen den Parteien streitigen Punktes, ob die Klägerin von der Aufnahme wusste, konnte also unterbleiben, so dass auch das streitgegenständliche Foto nicht als Beweismittel in Augenschein zu nehmen war. Denn jedenfalls unstreitig ist, dass die Klägerin auf dem Bild eindeutig identifizierbar ist, somit also ein Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht besteht. Die Inaugenscheinnahme des Bildes durch das Gericht und Erörterung des Abgebildeten mit den am Prozess Beteiligten hätte für die Klägerin eine ganz wesentliche weitere Belastung dargestellt, die mangels Erheblichkeit der zu beantwortenden Frage unterbleiben konnte. Insoweit haben die Parteien auch - was unprotokolliert geblieben ist - im Verhandlungstermin am 22.07.2015 auf den Hinweis des Gerichts ihr Einverständnis damit erklärt, auf die Inaugenscheinnahme des Bildes zu verzichten.

Die Vornahme einer sexuellen Handlung, wie sie durch das Foto dargestellt wird, betrifft den Kernbereich der menschlichen Entfaltung, weil kaum ein anderer Moment vorstellbar ist, der ein höheres Maß an Vertraulichkeit beinhaltet. Durch die Veröffentlichung des Bildes im Internet hat der Beklagte den intimen Moment zwischen ihm und der Klägerin in die Öffentlichkeit gestellt und ihn Dritten zugänglich gemacht. Nach allgemein vorherrschenden Wertevorstellungen gehört die Sexualität jedoch zu den Angelegenheiten, für die ihrer Natur nach ein Anspruch auf Geheimhaltung besteht. Die Verletzung dieser Geheimhaltungspflicht ist allgemein und in diesem Fall rechtswidrig, weil der Kernbereich höchstpersönlicher Lebensgestaltung unantastbar ist und dem Beklagten im Übrigen auch keine rechtfertigenden Motive zur Seite stehen.

3.

Die rechtswidrige Veröffentlichung ist auch schuldhaft erfolgt. Der Beklagte hat keinen substantiierten Vortrag dahingehend erbracht, dass er im Moment des Hochladens des Fotos in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit gemäß § 827 S. 1 BGB war. Soweit er vorträgt, er sei stark alkoholisiert gewesen und habe sich am nächsten Tag nicht erinnern können, genügt dies nicht den Anforderungen, die an eine Vorsatz ausschließende Geistesstörung gemäß § 827 S. 2 BGB zu stellen sind. Es genügt nicht schon eine geminderte Geistes- oder Willenskraft, auch die rauschbedingte Unfähigkeit zu ruhiger und vernünftiger Überlegung reicht nicht aus (s. Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl. 2015, § 827 Rn. 2). Zwar mag der Beklagte alkoholbedingt emotional instabil gewesen sein, die freie Willensbestimmung ist allerdings erst im Zustand eines Vollrausches ausgeschlossen, der dem der Bewusstlosigkeit nach § 827 S. 1, 1. Alt BGB nahe kommt. Bei lebensnaher Betrachtung ist für das Hochladen eines Bildes jedoch noch eine gewisse manuelle und geistige Steuerungsfähigkeit notwendig, anderenfalls wären die technischen Schritte - Auswahl des Bildes aus der Galerie, Hochladen und Bestätigen - nicht umsetzbar. Bei völligem Verlust der Steuerungsfähigkeit wäre auch die Entschlussfassung, das etwa 2 Jahre zuvor aufgenommene Bild nun ins Internet zu stellen, nicht erklärbar. Da feststeht, dass der Beklagte das Bild hochlud, steht damit zur Überzeugung des Gerichts auch dessen genügende Steuerungsfähigkeit fest.

Im Übrigen hätte der Beklagte, sollte man einen die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit durch den Alkoholkonsum annehmen, wegen der §§ 276, 827 S. 2 BGB wenigstens fahrlässig und damit ebenfalls schuldhaft gehandelt. Denn es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund er die Alkoholisierung ohne sein Verschulden herbeigeführt hätte. Dafür ist auch von ihm nichts vorgetragen.

4.

Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin ist schwerwiegend und kann ihrer Art nach nur durch eine Geldentschädigung befriedigend ausgeglichen werden. Die Veröffentlichung des Bildes hat zur Folge, dass das Bild der Klägerin im Internet unkontrollierbar und bis auf Weiteres unwiderruflich von einer theoretisch unbegrenzten Anzahl Fremder betrachtet werden kann. Da keine Löschungsmöglichkeit für eine im Internet veröffentlichte Datei existiert und das Bild bereits auf verschiedenen Smartphones und Computern gespeichert wurde, kommt nur eine Entschädigung für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Geldform in Betracht.

Bei der Bemessung der Höhe der Geldentschädigung hat das Gericht sowohl solche Umstände berücksichtigt, die die Tat als solche betreffen, als auch Umstände, die in der Person der Klägerin und des Beklagten begründet sind.

Bezogen auf die Eingriffshandlung als solche war deren vorsätzliche, wenigstens jedoch durch bewusste Alkoholisierung fahrlässige Begehungsweise zu berücksichtigen. Dem Beklagten war bewusst, dass er durch das Hochladen im Internet einen irreversiblen Zustand ("Das Internet vergisst nie.") herbeiführen würde. Er hat die Möglichkeit, die Klägerin mittels des in seinem Besitz befindlichen Fotos zur Schau zu stellen, ausgenutzt und damit einen ganz erheblichen Vertrauensbruch begangen. Soweit der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung bekundete, er sei wohl "zu lasch" (Sitzungsprotokoll vom 04.05.2015, dort S. 3, Bl. 118 d. A.) mit dem Foto umgegangen, kann das nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Denn jedenfalls war ihm bewusst, dass das Foto nicht in die Öffentlichkeit gehörte und welche Wirkung das Foto haben könnte.

Der Umstand, dass der Beklagte das Foto bereits 2 Jahre zuvor in einem Whattsapp-Chat an die Klägerin versandt hatte, war weder zu Gunsten noch zu Lasten des Beklagten zu berücksichtigen. Seine Bekundung, er habe das Foto ohne Grund und ohne Verfolgung eines bestimmten Zwecks an die Klägerin geschickt, ist zwar nicht plausibel. Es lässt sich jedoch nicht mehr feststellen, welche Motive der Beklagte sowohl mit der Konfrontation im Whattsapp-Chat als auch mit der Veröffentlichung verfolgte. Jedenfalls zu berücksichtigen ist jedoch, dass es schon nach der Bekundung des Beklagten keinen einzigen Grund dafür gibt, dass sein Verhalten erklären oder ansatzweise entschuldigen könnte. Das Gericht konnte sich in der persönlichen Anhörung davon überzeugen, dass der Beklagte die grundsätzliche Einsichtsfähigkeit besitzt, die Tragweite einer Veröffentlichung des Bildes im Internet, zu erkennen. Eine ausreichende Medienkompetenz wird schon an der Schule vermittelt und folgt auch für einen jungen Menschen, der mit der Pflege mehrerer Profile in sozialen Netzwerken wie tumblr und Facebook vertraut ist, schon aus seiner eigenen Erfahrung.

Auf Seiten der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass für sie der Eingriff in ihre Intimsphäre umso schwerer wiegt, als der Beklagte ihr ehemaliger Lebensgefährte ist und sie zu ihm auch nach der Trennung jedenfalls kein feindschaftliches Verhältnis hatte. Der Bruch des ihm entgegengebrachten Vertrauens wiegt für sie danach schwer. Zudem hat sich das Foto gerade in ihrem engeren Bekanntenkreis - nämlich auf der Schule - verbreitet. Gerade in diesem Bereich, wo man denselben Menschen tagtäglich begegnet, ist die "Zur-Schau-Stellung" ihrer Intimsphäre besonders beeinträchtigend für die Klägerin. Aber auch die Erwartung, dass das Foto noch Jahre später irgendwo auf der Welt betrachtet wird, ist für den als Ausgleich anzusetzenden Entschädigungsbetrag maßgeblich.

5.

Wegen der oben unter 1. - 4. genannten Gründe steht der Klägerin ferner auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld nach §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB zu, weil sie durch die Veröffentlichung in ihrer Gesundheit beeinträchtigt wurde.

Insoweit hat die Sachverständige Dr. med. C nachvollziehbar ausgeführt, dass die Klägerin unter einer psychischen Erkrankung leidet, die auf die Veröffentlichung des Fotos zurückzuführen ist. Die dargelegte Kausalkette zwischen der schadensstiftenden Situation - der Anfertigung eines Fotos vom oralen Geschlechtsverkehr - und dem schädigenden Ereignis, das in der Veröffentlichung des Fotos liegt, und zur Gesundheitsschädigung führte, ist plausibel und auch für einen Laien nachvollziehbar. Das Gericht folgt der Sachverständigen aus eigener Überzeugung.

In Bezug auf die Kausalität des schädigenden Ereignisses für die Gesundheitsschädigung der Klägerin führt die Sachverständige auf S. 43 ihres Gutachtens vom 18.06.2015 aus, es sei "unzweifelhaft", dass die psychischen Reaktionen der Klägerin darauf zurückzuführen seien, dass das Bild von ihr online aufgetaucht sei. Es handle sich um einen psychosozialen Belastungsfaktor, der das psychiatrische Störungsbild mangels anderer in dieser Zeit liegender ebenso traumaspezifischer Umstände allein herbeigeführt hat. Dieser Feststellung folgt das Gericht, weil auch vom insoweit beweisbelasteten Beklagten keine anderen Umstände dargelegt wurden, die eine ähnliche Wirkung hätten haben können.

Der Art nach konnte die Sachverständige bei der Klägerin eine zweigeteilte psychiatrische Diagnose stellen. Zunächst habe sich direkt im Anschluss an die Veröffentlichung eine akute Belastungsreaktion bei der Klägerin eingestellt. Die Entwicklung sei dadurch jedoch nicht abgeschlossen, sondern die Klägerin habe einen sogenannten Sekundärschaden entwickelt. Diesen hat die Sachverständige unter Anwendung anerkannter psychiatrischer Maßstäbe, ICD-10, Diagnose F-40, als eine Anpassungsstörung in Form der Agoraphobie diagnostiziert.

Aufgrund der nachgewiesenen Sachkunde der Sachverständigen und unter Berücksichtigung ihrer auch für medizinische Laien plausiblen Ausführungen konnte sich das Gericht ein eigenes Bild von der psychiatrischen Diagnoseerstellung machen. Das Gericht ist von der Richtigkeit der Feststellungen der Sachverständigen überzeugt, weil diese sich ausführlich mit der Klägerin beschäftigte und dabei sowohl auf eigene Untersuchungen als auch auf fremde Vorbefunde angemessen einging. Insbesondere hat sie nicht einfach Vorbefunde übernommen, sondern zum Beispiel das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung entgegen der Ansicht eines anderen Psychotherapeuten abgelehnt.

Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Termin vom 22.07.2015 das Vorgehen der Sachverständigen rügte, kann den vorgebrachten Einwänden nicht gefolgt werden. Die Epikrise der LWL Klinik durfte von der Sachverständigen als Anknüpfungstatsache hinzugezogen werden, weil sie schon Gegenstand der Gerichtsakte ist (s. Anlage K17 zum Schriftsatz vom 17.04.2015, Bl. 114f. d. A.). Eine weitere Beiziehung einer allgemeinen Krankenakte der Klägerin war nicht angezeigt. Insoweit hatte der Beklagte im Laufe des Rechtsstreits keinerlei Anknüpfungspunkte dafür benannt, dass von einer zu berücksichtigenden Vorerkrankung der Klägerin ausgegangen werden könnte, die anhand anderer Krankenunterlagen zu untersuchen gewesen wäre. Die Sachverständige durfte deshalb darauf vertrauen, dass eine durch sie ausgeführte Voruntersuchung, auch in physischer Hinsicht relevante Vorerkrankungen zu Tage bringen würde.

Seiner Rechtsfolge nach enthält der Schmerzensgeldanspruch wegen der schuldhaften und rechtswidrigen Gesundheitsschädigung eine Ausgleichs- und eine Genugtuungsfunktion. Neben den bereits oben unter 4. angesprochenen Umständen ist hier insbesondere der psychiatrische Krankheitsverlauf für die Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Aus den nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen, denen das Gericht sich anschließt, ergibt sich, dass die Klägerin durch die Entwicklung einer psychiatrischen Störung in ihrem alltäglichen Leben schwer beeinträchtigt wurde. So habe sie sich aus Angst vor Konfrontation mit dem Bild sozial nahezu vollständig zurückgezogen und suizidale Tendenzen entwickelt. Die Entwicklung der Klägerin sei in psychiatrischer Hinsicht nicht ungewöhnlich, da die von ihr geäußerten Ängste und Reaktionen in vergleichbaren Fällen ebenfalls festzustellen seien. Insbesondere auch wegen der Befassung der Sachverständigen mit ähnlichen Fällen schließt sich das Gericht ihren Ausführungen an. So ist es auch aus Laiensicht eine nachvollziehbare und erwartbare Reaktion auf das Geschehene, dass die Klägerin sich aus ihrem sozialen Umfeld zurückzog und durch die Scham und den Vertrauensbruch in eine psychiatrische Störung hineinwuchs. Dabei muss vor allem berücksichtigt werden, dass die Klägerin sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung in einem Alter befand, dass eine maximale Verletzlichkeit mit sich bringt. Gerade in der Pubertät sind emotionale Reaktionen oft unkontrollierbar und den Betroffenen fehlt, wie die Sachverständige ausführte, ein funktionierendes System von Schutzmechanismen, um die Verletzung abzuwehren.

Neben der über einen langen Zeitraum bestehenden und noch fortdauernden Beeinträchtigung der Klägerin durch die Agoraphobie ist auch die temporäre Suizidalität bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Hierhin zeigt sich, wie schwerwiegend die Krise der Klägerin und wie verzweifelt sie war. Die Sachverständige hat insoweit nachvollziehbar erläutert, dass es sich um eine typische Reaktion handelt, die sich lediglich aufgrund der Unterstützung durch die Familie und die engsten Freunde nicht in eine schlimmere Situation weiterentwickelte.

6.

Insbesondere wegen der Folgen für die Klägerin und ihr weiteres Leben hält das Gericht ein Schmerzensgeld bzw. eine Geldentschädigung von insgesamt EUR 20.000,00 für angemessen. Die beiden einschlägigen Anspruchsgrundlagen verfolgen dieselben Zwecke mit der Geldzahlungspflicht, nämlich eine Genugtuungs- sowie Ausgleichsfunktion. In Anbetracht dessen hat das Gericht davon abgesehen, Einzelbeträge für den jeweiligen Tatbestand zu beziffern. Es geht in diesen Fällen nicht um die Bezifferung einzelner Positionen und deren Addition, sondern um eine Gesamtentscheidung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Falles. Ein besonderes Gewicht liegt bei der Bemessung des zu zahlenden Betrages darauf, dass die Klägerin in jungen Jahren empfindlich in ihrer weiteren Entwicklung beeinträchtigt wurde und die Folgen voraussichtlich noch weitere Zeit wird erleiden müssen. Die Veröffentlichung liegt nunmehr fast zwei Jahre zurück, die Therapie wird unter Berücksichtigung der wesentlichen Umstände jedoch nach Ansicht der Sachverständigen noch mindestens ein halbes Jahr in Anspruch nehmen müssen.

Das Gericht hat bei der Bemessung zugunsten des Beklagten berücksichtigt, dass er den Vorfall mittlerweile glaubhaft bedauert. Es ist auch nicht feststellbar, dass der Beklagte bewusst zur Schädigung der Klägerin das Foto veröffentlichte. Es ist nicht auszuschließen, dass er aus anderen Motiven, wie Geltungsbedürfnis oder der Hoffnung, die Klägerin zurückzugewinnen, handelte. Feststellungen hierzu wären rein spekulativ, so dass sie nicht zu berücksichtigen waren. Insoweit lässt sich nur festhalten, dass der Beklagte leichtfertig mit dem ihm anvertrauten intimen Bild umging und es - wie er sagt - grundlos in die Öffentlichkeit trug.

Es ist ferner nicht zu erkennen, dass die Klägerin, wie der Beklagte meint, eine eigene Schuld an den psychischen Erkrankungen trägt. Es ist, darauf hat auch die Sachverständige hingewiesen, nachvollziehbar, dass Opfer einer psychischen Verletzung aus Furcht vor einer weiteren Stigmatisierung nicht sofort zu einem Psychiater gehen, um weitere Schäden zu verhindern. Ein solches Verhalten ist nicht erwartbar und auch nicht zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen. Im Gegenteil ist sogar davon auszugehen, dass die Klägerin durch den Wechsel der Psychotherapeutin selbst noch dafür gesorgt hat, dass sie wirkungsvoll therapiert wird.

II.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind unter dem Gesichtspunkt der adäquaten Rechtsverfolgung vom Beklagten gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 BGB zu ersetzen. Die Klägerin durfte sich eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung ihrer Unterlassungs-, Verpflichtungs- und Schmerzensgeldansprüche bedienen. Dies betraf auch die weiteren von der Klägerin auf der Profilseite des Beklagten vorhandenen Fotos.

III.

Der Feststellungsantrag ist ebenfalls begründet.

Die weitere Entwicklung der festgestellten psychischen Gesundheitsbeeinträchtigung ist derzeit noch nicht abzuschätzen. Es wird auf die Ausführungen oben unter I. Bezug genommen.

Soweit der Feststellungsantrag seiner Formulierung nach nicht wörtlich in den Tenor übernommen wurde, liegt dies daran, dass die Verhältnismäßigkeit des Zusatz "insbesondere hinsichtlich der Kosten einer effizienten Entfernung der Bilddatei aus dem Internet" aus derzeitiger technischer Sicht nicht abzuschätzen ist. Insoweit wird zu gegebener Zeit zu überlegen sein, ob von dem festgestellten Anspruch auf Ersatz der Schäden auch dieser Teil erfasst sein kann. Eine Klageabweisung hatte insoweit nicht zu erfolgen, da es sich ausweislich des Antrages lediglich um eine Klarstellung handelte. Bloß deklaratorische Teile des Antrages haben jedoch im Falle ihrer Nichtberücksichtigung für den Tenor keine in der Sache abweisende Wirkung.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, soweit sie den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil betrifft auf § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO. Insoweit hätte die Klägerin nach bisherigen Sach- und Streitstand ebenfalls obsiegt, da der Beklagte sich mit der Erklärung zu dem Schreiben, in dem er unter Fristsetzung zur Abgabe der beantragten Erklärungen aufgefordert wurde, nicht innerhalb der Frist äußerte. Aus den unter I. genannten Gründen stand der Klägerin jedoch auch insoweit ein Anspruch auf Unterlassung und Löschung aus § 823 Abs.1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu.

Die Entscheidung betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf EUR 25.000,00 EUR bis zum 17.03.2015 festgesetzt und auf EUR 23.000,00 seitdem. Dabei wird der Feststellungsantrag zu 2. mit EUR 3.000 bewertet, die für erledigt erklärten Anträge mit jeweils EUR 1.000.

Unterschrift

als Einzelrichter