LG Hamburg, Urteil vom 21.06.2017 - 329 O 264/16
Fundstelle
openJur 2019, 2113
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten aufgrund eines erklärten Widerrufs über die Wirksamkeit eines Darlehensvertrags .

Die Parteien schlossen den Darlehensvertrag vom 02./09.02.2011 über einen Netto-Darlehensbetrag von € 139.200,-. Die Kläger sind Verbraucher. Der Vertrag diente zur Finanzierung ihrer Doppelhaushälfte. Auf S. 7 des Vertrages findet sich eine „Widerrufsinformation“. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage K 1 verwiesen. Die Kläger erhielten mit den Antragsunterlagen auch das Merkblatt gemäß Anlage B 2.

Mit Schreiben vom 07.03.2016 (Anlage K 3) widerriefen die Kläger ihre auf den Abschluss des Vertrages gerichteten Erklärungen. Das Darlehen valutierte zu diesem Zeitpunkt noch mit € 132.192,66. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 18.03.2016 zurück (Anlage K 4). Sie zog weiter die im Vertrag geregelten Zins- und Tilgungsraten ein.

Die Kläger machen geltend, die Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft, da die Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB nicht vollständig genannt seien. Über den Beginn der Widerrufsfrist werde nicht korrekt belehrt, da der Eindruck entstehen könne, für den Fristbeginn genüge es, dass der Verbraucher eine Urkunde erhält, die nur das Angebot der Bank beinhaltet, und weil nicht darüber belehrt werde, dass die Frist erst beginnt, nachdem die Informationspflichten gemäß Art. 246 § 2 EGBGB erfüllt seien. Über die Widerrufsfolgen werde nicht vollständig belehrt. Durch den auf S. 8 des Vertrages enthaltenen Text zur „Verbindlichkeit dieses Antrags/Bindefrist“ werde die Widerrufsinformation entwertet, weil sie den Eindruck erwecke, dass die Erklärung gerade nicht widerrufen werden könne. Schließlich sei der Hinweis zum Widerruf bei mehreren Darlehensnehmern fehlerhaft.

Die Widerrufsbelehrung entspreche auch nicht dem gesetzlichen Muster (vgl. dazu Anlage K 5), da der Hinweis für den Widerruf bei mehreren Darlehensnehmern aufgenommen worden sei. Auch stehe die Klausel über die Bindungsfrist des Antrags im Widerspruch zu der Belehrung und entwerte das Verständnis des Textes.

Die Kläger machen weiter geltend, sie hätten im Wege der Rückabwicklung des Darlehensvertrages nur noch € 127.944,82 zu zahlen. Wegen ihrer Berechnung der wechselseitigen Forderungen wird auf S. 10/11 der Klageschrift und die Anlagen K 7, K 8 verwiesen.

Die Kläger beantragen,

festzustellen, dass der zwischen den Parteien bestehende (Verbraucher-) Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer ... vom 09.02.2011 infolge des Widerrufs der Kläger vom 07.03.2016 in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt worden ist und die Beklagte sich seit dem 19.03.2016 im Annahmeverzug befindet;

festzustellen, dass die Kläger der Beklagten aus dem unter der Darlehensnummer ... geführten Darlehen nicht mehr als € 127.944,82, abzüglich weiterer nach dem 07.03.2016 auf das Darlehen geleisteter Zahlungen, schulden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, die Kläger hätten ein etwaig fortbestehendes Widerrufsrecht jedenfalls verwirkt, die Ausübung wäre rechtsmissbräuchlich, da der Widerruf erst viele Jahre nach Abgabe der Vertragserklärung erfolgt sei und die Kläger den Vertrag regelmäßig erfüllt hätten, obwohl ihnen bekannt war, dass ihnen nur ein befristetes Widerrufsrecht zustand. Die Beklagte habe sich als Pfandbriefbank auf den Bestand des Vertrages eingerichtet. Die Berechnungen der Kläger zur Rückabwicklung seien unzutreffend; wegen der Einzelheiten wird insoweit auf S. 16-41 der Klagerwiderung vom 16.12.2016 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Ob ein Feststellungsinteresse der Kläger besteht, ist unerheblich. Sein etwaiges Fehlen steht bei einer in der Sache abweisungsreifen Klage der Zulässigkeit nicht entgegen (vgl. Zöller-Greger, § 256 ZPO, Rn. 7).

Der streitgegenständliche Darlehensvertrag hat sich nicht gemäß §§ 495 Abs. 1, 2, 355, 357 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB a. F in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt.

Die Kläger haben den Vertrag nicht wirksam widerrufen. Die Widerrufsfrist war am 07.03.2016 bereits abgelaufen.

Die Frist von 14 Tagen gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB (Fassung vom 11.06.2010 bis zum 12.06.2014) war nicht deshalb nicht in Gang gesetzt worden, weil die Kläger über ihr Widerrufsrecht nicht zutreffend belehrt worden wären.

Die von der Beklagten verwendete Widerrufsinformation entspricht dem Muster gemäß Anlage 6 zu Art. 247 § 6 EGBGB (Fassung vom 30.07.2010 bis zum 03.08.2011), und gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB in der genannten Fassung genügt eine Widerrufsinformation, die dem Muster gemäß Anlage 6 entspricht, den Anforderungen.

Die Übereinstimmung der streitgegenständlichen Widerrufsinformation mit dem Mustertext nehmen die Kläger nicht in Abrede. Sie machen geltend, der Schutzwirkung stünden der – außerhalb der Widerrufsinformation abgedruckte – Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit bei mehreren Darlehensnehmern und die Klausel zur Bindefrist entgegen.

Die beiden fraglichen Bestandteile des Vertragstextes sind nicht Bestandteil der Widerrufsinformation. Diese ist durch eine Umrandung deutlich vom übrigen Vertragstext abgegrenzt. Ein Eingriff in den Mustertext im Sinne einer Abänderung oder Einfügung ist nicht gegeben. Es handelt sich auch nicht um auf diesen Text bezogene Angaben.

Der Zusatz betreffend den Widerruf bei mehreren Darlehensnehmern, der allerdings einen inhaltlichen Bezug zur Widerrufsinformation aufweist, ist unschädlich. Es handelt sich um eine zutreffende ergänzende Information außerhalb des Mustertextes (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 11.10.2016, XI ZR 482/15, Tz. 27). Jeder von mehreren Darlehensnehmern kann tatsächlich seine Vertragserklärung unabhängig von der Erklärung des anderen widerrufen (vgl. BGH, a. a. O., Tz. 13 – 15).

Die Regelung zur „Verbindlichkeit dieses Antrages / Bindefrist“ weist auch inhaltlich keinen Bezug zum Widerrufsrecht auf. Hier ist die Frage angesprochen, wie lange das Angebot des Verbrauchers Geltung hat und von der Bank angenommen werden kann (§§ 145 - 148 BGB). Eine Verwechselung oder Verwirrung hinsichtlich der Frist zum Widerruf ist beim durchschnittlichen Verbraucher nicht zu befürchten. Die Regelung betrifft die Geltungsdauer des – noch einseitigen – Angebots. Mit der Annahme des Angebots durch die Bank und damit Abschluss des Vertrages ist diese Frist erledigt. Die Widerrufsfrist beginnt, wie der Widerrufsinformation deutlich zu entnehmen ist, nicht vor Abschluss des Vertrages.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.