VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.09.2017 - A 11 S 2067/17
Fundstelle
openJur 2019, 39723
  • Rkr:

1. Wird eine Tatsachenfeststellung auf verschiedene Erkenntnismittel gestützt und ist eines oder sind mehrere davon ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt, so ist mit dem Zulassungsantrag zur ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensmangels der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - durch die verfahrensfehlerhafte Verwendung weiterer Erkenntnismittel - darzutun, weshalb diese verfahrensfehlerfrei eingeführten Erkenntnismittel das gefundene Ergebnis nicht eigenständig stützen.

2. Aus § 108 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO ist im Asylprozess eine Pflicht zur Auseinandersetzung mit von den Beteiligten vorgelegten Tatsachen- und Lageeinschätzungen in den schriftlichen Urteilsgründen abzuleiten, sofern diese Einschätzungen jeweils in sich schlüssig sind. Eine ordnungsgemäße richterliche Überzeugungsbildung setzt eine ausreichende Aufklärung des Sachverhalts voraus, die sich in den Urteilsgründen widerspiegeln muss.

Tenor

Die Anträge der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. Juli 2017 - A 1 K 6337/16 - werden abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des - gerichtskostenfreien - Zulassungsverfahrens zu je einem Drittel.

Den Klägern wird Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt XXX, XXX, beigeordnet, soweit die Ablehnung der Klage auf Verpflichtung zur Zuerkennung subsidiären Schutzes, hilfsweise zur Feststellung des Vorliegens eines nationalen Abschiebungsverbots sowie gegen die Abschiebungsandrohungen gerichtet ist. Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.

Gründe

Die Anträge auf Zulassung der Berufung, der auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) sowie des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) gestützt sind, haben keinen Erfolg.

1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nur dargelegt im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, wenn in Bezug auf die Rechtslage oder die Tatsachenfeststellung eine konkrete Frage aufgeworfen und hierzu erläutert wird, warum sie bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärte Probleme aufwirft, die über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam sind und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlich geklärt werden müssen. Es muss deshalb in der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung deutlich werden, warum prinzipielle Bedenken gegen einen vom Verwaltungsgericht in einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage eingenommenen Standpunkt bestehen, warum es also erforderlich ist, dass sich auch das Berufungsgericht klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetzt und entscheidet, ob die Bedenken durchgreifen. Ausgehend hiervon genügt das Zulassungsvorbringen dem Darlegungsgebot des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht.

a) Die grundsätzliche Bedeutung der von den Klägern aufgeworfenen und formulierten Frage,

"Besteht in Afghanistan insgesamt bzw. im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG"

ist deswegen nicht hinreichend dargelegt, weil bereits die Ausgangsüberlegung im Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe diese Frage verneint, indem es in seiner Entscheidung festgestellt habe, dass die Kläger keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes hätten, unzutreffend ist. Das angegriffene Urteil verhält sich vielmehr zu dem Tatbestandselement des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht. Es beschäftigt sich, was die Begründung des Zulassungsantrags insoweit auch aufnimmt, vielmehr mit Fragen der Gefahrendichte und der Wahrscheinlichkeit eines ernsthaften Schadens für die Kläger. Daher fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit dem angegriffenen Urteil und dem Aufzeigen der Entscheidungserheblichkeit der Frage. Überdies legt das Zulassungsvorbringen nicht dar, dass bei einer ausdrücklichen Bejahung der aufgeworfenen Frage die Klagen bezogen auf den angestrebten subsidiären Schutz Erfolg haben könnten, dass also jeder Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit infolge willkürlicher Gewalt ein ernsthafter Schaden droht. Dies wäre aber darzulegen gewesen.

b) Auch hinsichtlich der weiteren Frage,

"Hat eine afghanische Familie mit einem am 31.10.2011 in Teheran (Iran) geborenen Kind im Hinblick auf die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage in Afghanistan eine realistische Chance, dort eine ausreichende Existenzgrundlage zu finden?"

verfehlt der Zulassungsantrag das Darlegungsgebot. Das Verwaltungsgericht hat insoweit die Berufsausbildungen der Kläger zu 1 und zu 2 in den Blick genommen sowie die Möglichkeit der Hilfe durch Familienangehörige, die nach den Angaben in den Anhörungen beim Bundesamt zu großen Teilen noch in Afghanistan lebten, als erheblich bei der Beurteilung eines nationalen Abschiebungsverbots auf der Grundlage von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gesehen. Weiter hat es auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rückkehr- und Starthilfen abgestellt und ist so zu der Überzeugung gelangt, dass den Klägern keine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohe.

Soweit nun mit dem Zulassungsvorbringen behauptet wird, dass das angegriffene Urteil insoweit nicht auf Auskünfte, sondern auf mehr oder weniger aktuelle Rechtsprechung verweise, die nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sei, trifft dies nur teilweise zu. Zwar sind die zum Zwecke der Tatsachenfeststellung herangezogenen Gerichtsentscheidungen nicht ordnungsgemäß in das Verfahren einbezogen worden (vgl. zu den Anforderungen VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.08.2017 - A 11 S 1740/17 -, juris m.w.N.). Jedoch übergeht das Zulassungsvorbringen, dass hinsichtlich der Rückkehrhilfen auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes sowie Erläuterungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge verwertet worden sind. Zur Frage der Bedeutung etwaiger Hilfe durch die weiterhin in Afghanistan ansässigen Familienmitglieder verhält sich der Zulassungsantrag gar nicht, was bereits für sich genommen dazu führt, dass es bezogen auf die aufgeworfene Frage zur Existenzsicherung an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen fehlt.

Keine hinreichende Auseinandersetzung mit den Erwägungen des angegriffenen Urteils leistet der Zulassungsantrag, wenn die Rückkehr-und Starthilfen unter Verweis auf einen Aufsatz von Stahlmann (Asylmagazin 2017, 73) als nicht relevant für die Existenzsicherung angesehen werden, weil diese Hilfen keine nachhaltige Lösung der Probleme darstellten. Denn insoweit hätte das Zulassungsvorbringen konkretisieren müssen, welche zeitliche Dimension es bei der von ihm bestrittenen Nachhaltigkeit der Lösung in den Blick genommen hat. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass bei Gefährdungen im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG die zugleich eine gesamte Bevölkerungsgruppe treffen (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG), ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Abschiebung und Gefährdungslage bestehen muss, wobei dieser Zusammenhang auch erfüllt sein kann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen und sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 60 AufenthG Rn. 54). Hierzu und den angeblichen Auswirkungen der Rückkehrhilfen verhält sich das Zulassungsvorbringen aber nicht.

Der Vortrag, dass bei den Klägern ergänzend auf die schwere psychische Erkrankung der Klägerin zu 2 abzustellen sei, ist ebenfalls nicht geeignet, die Grundsatzbedeutung der aufgeworfenen Frage darzutun. Denn diesbezüglich wäre jedenfalls auch darzutun gewesen, weswegen sich die dadurch aufgeworfenen besonderen Fragen in einer Vielzahl von Fällen stellen könnten.

c) Die Frage schließlich,

"Sind schwere psychische Erkrankungen in Afghanistan als solche behandelbar?"

ist in ihrer Allgemeinheit in einem Berufungsverfahren weder klärungsfähig noch -bedürftig, da allein die Behandelbarkeit der konkreten Erkrankungen der Klägerin zu 2 in einem Berufungsverfahren entscheidungserheblich wäre. Bereits deswegen ist die Berufung nicht bezogen auf die aufgeworfene Frage zuzulassen, auch wenn das angegriffene Urteil die allgemeine Feststellung enthält, wonach psychische Erkrankungen in Afghanistan auf einem landesüblichen Standard behandelbar seien.

Hinsichtlich der im Verfahren vorgebrachten, konkreten Erkrankungen der Klägerin zu 2 hat das Verwaltungsgericht die Verfügbarkeit verschiedener Medikamente unter Bezugnahme auf verschiedene Erkenntnisquellen bejaht und auch unter Bezugnahme auf Auskünfte die Fortführung der psychiatrischen Behandlung in Afghanistan für nicht ausgeschlossen erachtet. Mit dem Inhalt der herangezogenen Erkenntnismittel setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander, sondern stellt seine eigene, auf einer Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe beruhende Auffassung dar, ohne diese in Beziehung zum angegriffenen Urteil zu setzen. Das genügt dem Darlegungserfordernis schon deswegen nicht, weil das Verwaltungsgericht die Verfügbarkeit von im Fall der Klägerin erforderlichen Medikamente bejaht hat und die nunmehr im Zulassungsvorbringen herangezogenen Erkenntnismittel sich - soweit dort zitiert - zu dieser Frage nicht verhalten.

II. Die Berufung ist auch nicht aufgrund eines relevanten Verfahrensmangels zuzulassen.

1. Soweit die Kläger eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht rügen, die in § 86 Abs. 1 VwGO geregelt ist, kann dies schon deshalb nicht zur Zulassung der Berufung führen, weil nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG nur das Vorliegen von in § 138 VwGO bezeichneten Verfahrensmängeln zur Berufungszulassung führt, wenn diese Verfahrensmängel geltend gemacht werden. Ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO fällt aber nicht unter die in § 138 VwGO aufgeführten Verfahrensmängel, insbesondere liegt in einem solchen Verstoß nicht automatisch auch eine Versagung des rechtlichen Gehörs (OVG B-B, Beschluss vom 30.07.2012 - 10 N 53.12 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 09.12.2011 - A 9 S 2939/11 -, VBlBW 2012, 196). An dieser Auslegung von § 78 Abs. 3 AsylG ändert auch der Umstand nichts, dass der verfahrensrechtlichen Sachaufklärungspflicht verfassungsrechtliches Gewicht zukommen kann (siehe hierzu: BVerfG, Beschluss vom 08.05.2017 - 2 BvR 157/17 -, NVwZ 2017, 1196 Rn. 16).

2. Soweit die Kläger die Verletzung ihres grundrechtsgleichen Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Verwaltungsgericht darin sehen, dass das Verwaltungsgericht die im Urteil zitierte Rechtsprechung nicht in das Verfahren eingeführt habe, führt dieser Vortrag nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags.

a) Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, dass ein Urteil nur auf solche Tatsachen und Beweismittel (einschließlich Presseberichte und Behördenauskünfte) gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Nur bei einer Offenlegung der Erkenntnisquellen über die der Entscheidungsfindung zugrunde gelegten tatsächlichen Umstände wird den Beteiligten eine effektive Prozessführung ermöglicht und die Gelegenheit eröffnet, durch Vortrag und Anträge auf die Zusammensetzung des Quellenmaterials Einfluss zu nehmen. Hieraus folgt im gerichtlichen Asylverfahren grundsätzlich die Pflicht des Gerichts, die Erkenntnismittel, auf die es seine Entscheidung zu stützen beabsichtigt, in einer Weise zu bezeichnen und in das Verfahren einzuführen, die es den Verfahrensbeteiligten ermöglicht, diese zur Kenntnis zu nehmen und sich zu ihnen zu äußern (OVG Nds, Beschluss vom 08.07.2014 - 13 LA 16/14 - InfAuslR 2014, 458). Lediglich auf offenkundige Tatsachen, die allen Beteiligten gegenwärtig sind und von denen sie wissen, dass sie für die Entscheidung erheblich sein können, darf die Entscheidung auch ohne ausdrücklichen Hinweis gestützt werden. Für eine Einführung in das Verfahren reicht es dabei grundsätzlich aus, dass das Gericht den Beteiligten eine Liste der betreffenden Erkenntnismittel übersendet. Darüber hinaus ist es zulässig, Erkenntnismittel in der Weise in das gerichtliche Verfahren einzuführen, dass die vom Gericht geführte Erkenntnismittelliste auf einer allgemein zugänglichen, den Beteiligten bekannten Internetseite veröffentlicht wird und denjenigen, die nicht über einen Internetzugang verfügen bzw. diesen nicht nutzen wollen, die Liste auf Anforderung gesondert zugeleitet und gleichzeitig angegeben wird, dass und wie die darin aufgeführten Erkenntnismittel beim Gericht eingesehen werden können (VGH Bad.-Württ, Beschlüsse vom 18.08.2017 - A 11 S 1740/17 -, juris und vom 09.03.2017 - A 12 S 235/17 -, NVwZ-RR 2017, 631; OVG Nds, Beschlüsse vom 08.07.2014, a.a.O., und vom 26.10.2004 - 8 LA 146/04 - NVwZ 2005, 605). Zu den ordnungsgemäß in das Verfahren einzuführenden Erkenntnismittel sind auch andere Gerichtsentscheidungen zu rechnen, sofern sie nicht allein wegen ihrer rechtlichen Schlussfolgerungen, sondern (auch) im Hinblick auf ihre tatsächlichen Feststellungen zur Begründung herangezogen werden (VGH Bad.-Württ, Beschlüsse vom 18.08.2017 - A 11 S 1740/17 -, juris und vom 09.03.2017 - A 12 S 235/17 -, NVwZ-RR 2017, 631; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 08.02.1983 - 9 C 847.82 - juris Rn. 8; OVG Nds, Beschluss vom 08.07.2014, a.a.O.). Eine Pflicht zur Bezugnahme auf Primärquellen - wie sie im Zulassungsvorbringen insinuiert wird - ist aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht abzuleiten.

Hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung von Gehörsverstößen durch die Verwendung nicht eingeführter Erkenntnismittel gilt, dass zu berücksichtigen ist, dass der Verfahrensmangel der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör einen absoluten Revisionsgrund (§ 138 Nr. 3 VwGO) darstellt und das Beruhen der Entscheidung auf dem Gehörsverstoß unwiderlegbar vermutet wird (Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Oktober 2015, § 124 Rn. 62 m.w.N.). Auch wenn in der Rechtsprechung zu Recht dennoch gefordert wird, dass substantiiert darzulegen ist, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre (vgl. zu § 133 VwGO Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Mai 2010, § 133 Rn. 41 m.w.N.), folgt aus der Einstufung als absoluter Revisionsgrund, dass ein weiterer Vortrag im Zulassungsverfahren zu der Frage, was der Kläger bei Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte, dann nicht erforderlich ist, wenn der Verstoß nicht einzelne Feststellungen, sondern das Gesamtergebnis des Verfahrens betrifft (Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Oktober 2015, § 124a Rn. 114). Das gleiche gilt, wenn es für den Verfahrensbeteiligten aufgrund der Eigenart des in Rede stehenden Verstoßes gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs objektiv unzumutbar ist, binnen der Rechtsmittelbegründungsfrist Ausführungen darüber zu machen, was er im Falle einer ordnungsgemäßen Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte (VGH Bad.-Württ, Beschluss vom 18.08.2017 - A 11 S 1740/17 -, juris). Wird eine Tatsachenfeststellung auf verschiedene Erkenntnismittel gestützt und ist eines oder sind mehrere davon ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt, so ist mit dem Zulassungsantrag zur ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensmangels der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - durch die verfahrensfehlerhafte Verwendung weiterer Erkenntnismittel - darzutun, weshalb diese verfahrensfehlerfrei eingeführten Erkenntnismittel das gefundene Ergebnis nicht eigenständig stützen.

b) aa) Ausgehend hiervon führt der vom Zulassungsvorbringen angegriffene Verweis auf verschiedene obergerichtliche Entscheidungen zum Beleg der Aussage, dass nicht ersichtlich sei, dass die Kläger zu 1 und zu 2 nicht in der Lage sein könnten, das notwendige Existenzminimum in ihrem Heimatland nicht sicherstellen könnten, auf keinen Verfahrensfehler. Abgesehen davon, dass der Verweis mit "vgl. auch" eingeführt wird und es klar erkennbar ist, dass es dem Verwaltungsgericht nicht darum ging, Tatsachen einzuführen, die sich unmittelbar mit den Klägern zu 1 und zu 2 beschäftigen, wird im gesamten Absatz konkret anhand der beruflichen Argumentation der Kläger argumentiert. Die angeführten Gerichtsentscheidungen sind hier also gar nicht als Erkenntnismittel zur - entscheidungstragenden - Tatsachenfeststellung herangezogen worden.

bb) Das gleiche gilt für die kritisierten Zitate auf Seite 16 des angegriffenen Urteils. Denn auch hier wird die Zitatkette mit einem "vgl." eingeleitet, ohne dass diese Gerichtsentscheidungen auf eine konkrete Tatsachenfeststellung bezogen wären. Die Feststellungen zur Familie sind sodann individuell anhand der Einlassungen der Kläger getroffen. Vielmehr sollen die angeführten Entscheidungen erkennbar deutlich machen, dass aus rechtlicher Hinsicht die mögliche Unterstützung durch Angehörige im Rahmen der Prognose zur Gefährdung des wirtschaftlichen Existenzminimums heranzuziehen ist.

cc) Soweit schließlich die Feststellungen zur Behandelbarkeit psychischer Erkrankungen auf landesüblichem Standard auch auf Gerichtsentscheidungen gestützt sind (Urteil S. 19 2. Abs.) und diese nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, ist dies zwar erkennbar verfahrensfehlerhaft. Das Zulassungsvorbringen geht jedoch nicht darauf ein, dass diese Feststellung auch auf das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan" vom 27. Juni 2017 und eine Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 22.08.2007 gestützt ist. Nach den oben dargelegten Maßstäben hätte es den Klägern aber oblegen, darzutun, dass das ausweislich der Sitzungsniederschrift ausdrücklich in die mündliche Verhandlung eingeführte "Länderinformationsblatt" alleine die relevante Tatsachenfeststellung nicht hinreichend zu tragen vermag. Auch zur Auskunft der Botschaft vom 22.08.2007 verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht.

3. Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es sich mit den aktuellen Auskünften der relevanten Stellen und der von den Klägern eingeführten Beiträgen von Stahlmann und der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 5. April 2017 nicht auseinandergesetzt, führt nicht zur Zulassung der Berufung.

a) Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht dieser Verpflichtung nachgekommen ist (BVerfG, Beschluss vom 01.02.1978 - 1 BvR 426/77 -, BVerfGE 47, 182; vom 25.03.1992 - 1 BvR 1430/88 -, BVerfGE 85, 386; vom 19.05.1992 - 1 BvR 986/91 -, BVerfGE 86, 133; Kammerbeschluss vom 17.04.2012 - 1 BvR 3071/10 -, juris; vom 15.05.2012 - 1 BvR 1999/09 -, juris). Es ist nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen des Klägers in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Nur die wesentlichen der Rechtsverteidigung und -verfolgung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden. Daher kann aus der fehlenden Erörterung von Teilen des Vorbringens nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, diese seien gar nicht erwogen worden. Eine derartige Annahme ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass Tatsachen oder Tatsachenkomplexe übergangen wurden, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.10.1988 - 1 BvR 818/88 -, BVerfGE 79, 51).

b) Zunächst hat das Verwaltungsgericht die von den Klägern eingeführten Beiträgen von Stahlmann und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe nicht übersehen und deswegen unberücksichtigt gelassen. Die Begründung zur Ablehnung der Beweisanträge in den Entscheidungsgründen nimmt nämlich Bezug auf "die vom Prozessbevollmächtigten vorgelegten Stellungnahmen." Das Verwaltungsgericht hat den Inhalt des Vorbringens zur Kenntnis genommen und offensichtlich als nicht hinreichend beachtlich angesehen, um sich ausdrücklich in der Urteilsbegründung mit ihm auseinanderzusetzen.

Auch legt das Zulassungsvorbringen nicht dar, weshalb der auf diese Stellungnahmen gestützte Sachvortrag so gewichtig und deren Inhalt von so großer Beachtlichkeit gewesen sein könnte, dass sich das Verwaltungsgericht in der Begründung damit hätte auseinandersetzen müssen. Dabei ist überdies in rechtlicher Hinsicht zu beachten, dass der Vortrag im Zulassungsvorbringen allenfalls auf einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO führen kann.

Aus § 108 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO ist im Asylprozess eine Pflicht zur Auseinandersetzung mit von den Beteiligten vorgelegten Tatsachen- und Lageeinschätzungen in den schriftlichen Urteilsgründen abzuleiten, sofern die Einschätzungen jeweils in sich schlüssig sind. Eine ordnungsgemäße richterliche Überzeugungsbildung setzt eine ausreichende Aufklärung des Sachverhalts voraus (BVerwG, Urteil vom 31.07.2002 - 8 C 37.01 -, NVwZ 2003, 224 <225>), die sich in den Urteilsgründen widerspiegeln muss (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, BVerwGE 140, 319 Rn. 28). Denn das Verwaltungsgericht muss das Ergebnis seiner Entscheidungsfindung in nachvollziehbarer Weise darlegen, wozu die Auseinandersetzung mit gegenläufigen tatsächlichen Einschätzungen gehört. Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO ist aber kein in § 138 VwGO aufgeführter Verfahrensmangel und kann daher - sollte er hier vorliegen - nicht zur Berufungszulassung führen.

Soweit die Kläger aus dem Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Juni 2017 (2 BvR 1226/17 -, juris) ableiten wollen, dass eine fehlende Auseinandersetzung mit von einem Beteiligten vorgelegten Stellungnahmen auf einen Gehörsverstoß führen, übersehen sie, dass sich dort die Beschwerdeführer auf eine Quelle berufen haben, die "sich detailliert und auf nachvollziehbarer Tatsachengrundlage - in dieser Weise soweit ersichtlich erstmalig - mit derjenigen sozialen Gruppe befasst, die der Beschwerdeführer zuzurechnen ist."(BVerfG (K), Beschluss vom 01.06.2017 - 2 BvR 1226/17 -, Rn. 8). Dass die von den Klägern in das Verfahren eingeführten Stellungnahmen über ein vergleichbares Alleinstellungsmerkmal verfügten und deren Übergehen daher als ein Übergehen eines Tatsachenkomplexes im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anzusehen sein könnte, wird mit dem Zulassungsvorbringen nicht dargelegt.

4. Auch soweit die Kläger die Ablehnung der Beweisanträge als verfahrensfehlerhaft rügen, führt dies nicht zur Zulassung der Berufung.

Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der jeweils maßgeblichen gerichtlichen Verfahrensordnung erfordert die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (BVerfG, Beschlüsse vom 20.04.1982 - 1 BvR 1242/81 -, BVerfGE 60, 247; vom 20.04.1982 - 1 BvR 1429/82 -, BVerfGE 60, 250; vom 29.11.1983 - 1 BvR 1313/82 -, BVerfGE 65, 305; vom 30.01.1985 - 1 BvR 393/84 -, BVerfGE 69, 141). Zwar gewährt Art. 103 Abs. 1 GG - wie ausgeführt - keinen Schutz dagegen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Die Nichtberücksichtigung eines als erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt aber dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, Beschluss vom 08.11.1978 - 1 BvR 158/78 -, BVerfGE 50, 32; vom 20.04.1982 - 1 BvR 1429/82 -, BVerfGE 60, 250; vom 29.11.1983 - 1 BvR 1313/82 -, BVerfGE 65, 305), mit anderen Worten, wenn die Ablehnung aus Gründen erfolgt ist, aus denen ein Beweisantrag schlechthin nicht hätte abgelehnt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 08.11.2006 - 2 BvR 194/05 -, LKV 2007, 222 und vom 19.12.2016 - 2 BvR 1997/15 -, juris Rn. 15).

Das Verwaltungsgericht hat die Beweisanträge mit der Erwägung abgelehnt, dass die bei Gericht vorhandenen Erkenntnismittel und Entscheidungen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden seien, ausreichend für die Beantwortung der zum Beweis gestellten Fragen seien. Dieser Ablehnungsgrund findet in § 98 VwGO, § 412 ZPO eine Stütze im Prozessrecht. Mit dem Zulassungsvorbringen wird nicht inhaltlich dargetan, weshalb die Auffassung des Verwaltungsgerichts über ausreichende Erkenntnismittel zur Beantwortung der unter Beweis gestellten Fragen zu verfügen, inhaltlich offensichtlich verfehlt sein könnte. Die Erwägung, es sei schlicht unverständlich, dass die relevanten Auskünfte nicht aufgegriffen worden seien, ersetzt eine Darlegung im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylG).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 166 Abs. 1 VwGO, §§ 114, 115, 119, 121 ZPO. Die hinreichende Erfolgsaussicht bezieht sich auf die Rüge der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch eine unzureichende Beschäftigung des Verwaltungsgerichts mit den von den Klägern vorgelegten Stellungnahmen. Die Abgrenzung der Anforderungen aus Art. 103 Abs. 1 GG im Verhältnis zu denjenigen aus § 108 Abs. 1 VwGO. Diese erweist sich - auch mit Blick auf die zitierte Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Juni 2017 - als komplex, so dass insoweit hinreichende Erfolgsaussichten zu bejahen sind. Da sich das Zulassungsvorbringen weder zur Ablehnung der auf die Verpflichtung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten Klage verhält noch zur Ablehnung der Anfechtung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, fehlen dem Zulassungsvorbringen insoweit jede Erfolgsaussichten.

Der Beschluss ist unanfechtbar.