FG Hamburg, Beschluss vom 30.10.2018 - 4 V 27/18
Fundstelle
openJur 2019, 1901
  • Rkr:

Reine Zierleisten, die am Armaturenbrett, an der Mittelkonsole oder an der Türinnenverkleidung von Kraftfahrzeugen befestigt werden, stellen keine anderen Teile oder anderes Zubehör für Kraftfahrzeuge der Positionen 8701 KN bis 8705 KN i. S. d. Unterposition 8708 9997 KN dar, sondern sind nach ihrer stofflichen Beschaffenheit einzureihen.

Tatbestand

I. Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) über die Einreihung von Zierleisten für Pkw-Innenräume.

Mit Schreiben vom 19.05.2016 beantragte die Antragstellerin die Erteilung einer vZTA für von ihr u. a. in Drittländern gefertigte sog. Zierleisten bzw. Dekorblenden zur Montage in Innenräume von Pkw. Vom Antrag umfasst waren sechs verschiedene Leisten zur Befestigung an der Mittelkonsole, dem Armaturenbrett oder der Türinnenverkleidung, nicht an der Karosserie von Kraftfahrzeugen. Die Waren bestehen jeweils aus einem spezifisch geformten Grundkörper aus Kunststoff mit diversen, teilweise aus unedlem Metall bestehenden Rastnasen und Führungsstegen auf der Rückseite. Die Schauseiten sind z.B. mit Dekorfolien, Klarlack, Aluminiumblechen und karbonfaserverstärktem Kunststoff beschichtet. Die Antragstellerin erklärte, dass es sich bei den Waren nicht um Funktionsteile handele. Sie dienten ausschließlich der Verschönerung des Automobils im Innenraum, indem sie bereits vorhandenen Elementen der Innenverkleidung ein "individuelles Dekor" verliehen.

Mit vZTA vom 08.08.2016 (xx-1) reihte der Antragsgegner die Waren in die Unterposition 3926 90 KN als "andere Waren aus Kunststoffen, andere als von den Unterpositionen (HS) 3926 10 bis 3926 40 erfasst" ein.

Am 17.08.2016 legte die Antragstellerin gegen die vZTA Einspruch ein. Bei den Bauteilen handele es sich nicht bloß um Kunststoffteile, sondern auch um Funktionsteile und Designelemente. Sie seien deshalb in die Position 8708 KN als "Teile und Zubehör für Kraftfahrzeuge" einzureihen.

Daraufhin legte der Antragsgegner der Antragstellerin seine Rechtsauffassung dar: Dass die Waren aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheitsmerkmale erkennbar ausschließlich für den Einsatz in Kraftfahrzeugen bestimmt seien, sei unstreitig. Eine Einreihung in die Position 8708 KN scheitere aber daran, dass es sich weder um Teile noch um Zubehör für Kraftfahrzeuge handele. Der Begriff "Teil" setze ein Ganzes voraus, für dessen Funktion dieses Teil unabdingbar sei. Die Antragstellerin habe in ihrem vZTA-Antrag ausgeführt, dass die Zierleisten ausschließlich der Verschönerung des Pkw-Innenraumes dienten. Deshalb seien sie weder für die Funktion der Innenverkleidung noch für die des Fahrzeugs selbst erforderlich und stellten sich nicht als Teile dar. Auch liege kein Zubehör für Kraftfahrzeuge vor. Die Dekorleisten machten weder die Innenverkleidung noch das Kraftfahrzeug für die Ausführung einer bestimmten Arbeit geeignet, erweiterten nicht deren Verwendungsmöglichkeiten und führten auch nicht dazu, dass mit ihrer Hilfe eine im Zusammenhang mit deren Hauptfunktion stehende Sonderarbeit ausgeführt werden könne. Da im Hinblick auf den Umfang und die Formgebung der Kunststoff charakterverleihend sei, seien die Teile entsprechend ihrer stofflichen Beschaffenheit in die Unterposition 3926 90 KN einzureihen.

Hierauf erwiderte die Antragstellerin, dass ihre ursprüngliche Darstellung, die Dekorleisten seien keine Funktionsteile, unrichtig gewesen sei. Tatsächlich erfüllten sie diverse Funktionen. Es handele sich bei ihnen um "dekorative Multifunktionselemente". Die Bauteile erfüllten vor allem eine Schutzfunktion für die körperliche Unversehrtheit der Fahrzeuginsassen. Neben dieser Hauptfunktion sei eine Reihe von Nebenfunktionen gegeben. Die Auffassung des Antragsgegners, dass eine Einreihung der Waren als "Teile" nicht in Betracht komme, werde geteilt. Angesichts der gegebenen Funktionen seien sie jedoch als "Zubehör" einzuordnen. Hauptfunktion der Waren sei der Schutz der Fahrzeuginsassen. Die Dekorleisten seien konstruiert, um auch extremen Belastungssituationen wie z.B. einem Unfall standzuhalten. Um z.B. die Airbagfunktion nicht zu beeinträchtigen, dürften sie nicht zersplitten. Solche Eigenschaften seien im Automobilbereich rechtlich vorgeschrieben. Soweit die erforderliche Widerstandskraft der Bauteile nicht sichergestellt werden könne, sei es erforderlich, diese anderweitig zu gewährleisten. Dies erfolge z.B. durch eine zusätzliche Montage von Stabilisierungs- und/oder Versteifungs- bzw. Absorptionselementen, die unter bzw. hinter den dekorativen Verkleidungselementen verbaut würden. Durch die konstruktionsbedingte Beschaffenheit der streitgegenständlichen Waren sei dies nicht erforderlich. Als Nebenfunktion sei zunächst der "Schutz und die Schonung diverser Komponenten" (z.B. Sensoren) zu nennen. Eine weitere Funktion sei die "Verkleidung, Abdeckung und der Verschluss für diverse Hohlräume". Des Weiteren fungierten die Dekorleisten als "Steuerungs- und Bedienungselemente für diverse Funktionseinheiten", die über die Dekorleisten mittelbar bedient würden wie z.B. die Sitzheizung oder der Luftausströmer. Eine weitere Nebenfunktion, die ebenfalls die zolltarifliche Einordnung der Waren als "Zubehör" rechtfertige, sei, dass sie als "Befestigungselement für externe Bauteile" (z.B. Luftausströmer, Lautsprecher oder Aschenbecher) dienten. Des Weiteren seien sie auch "Anschlusselemente für diverse Multimedia- und Kommunikationsgeräte sowie anderweitige elektronische Geräte und Vorrichtungen". Schließlich dienten sie auch als "Ablagefläche für verschiedenste Waren". Vor diesem Hintergrund seien die Leisten als "Zubehör" in die Codenummer 8708 9997 90 0 EZT einzureihen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 28.02.2017 verwiesen, insbesondere auf die Anlage "Produktpräsentation".

Der Antragsgegner erklärte hierauf, an seiner Rechtsauffassung festzuhalten. Die Dekorleisten dienten vorrangig als Zierelemente zur Ausstattung des Fahrzeuginnenraums und seien fest mit z.B. dem Armaturenbrett verbunden. Es handele sich daher um nicht auswechselbare Vorrichtungen, die bereits deshalb die Kriterien der Zubehördefinition nicht erfüllten. Eine Auswechselbarkeit oder funktionelle Eigenständigkeit der Ware sei danach Voraussetzung. Hierdurch unterscheide sich "Zubehör" von "Teilen", die in der jeweiligen Hauptware aufgingen und erst bei deren Zerlegen anfielen. Die aufgezeigten Haupt- und Nebenfunktionen änderten hieran nichts.

Die Antragstellerin erwiderte, dass es sich bei den Rastnasen um ein simples Montagesystem aus handelsüblichen Clipverschlüssen handele. Dieses werde bewusst eingesetzt, um einerseits einen "festen" Verbund sicherzustellen, andererseits aber die jederzeitige Auswechselbarkeit der Bauteile zu gewährleisten. Bei ihren Dekorleisten handele es sich um hochwertige Spezialanfertigungen, die sich u. a. durch spezielle Materialbeschichtungen von den standardmäßig verbauten Bauteilen unterschieden und diese ersetzen sollen. Daher sei die "Auswechselbarkeit" einfach gestaltet. Im Übrigen stehe eine "feste" Montage hierzu nicht im Widerspruch. Alle Zubehörteile eines Fahrzeugs müssten aus Sicherheitsgründen fest montiert sein. Für den Fall, dass die Waren aufgrund ihrer Verbindung als nicht auswechselbar anzusehen seien, seien sie als "Teile" einzureihen. Bei den geschilderten Haupt- und Nebenfunktionen der Zierleisten handele es sich um spezifische Verwendungsmöglichkeiten, die als solche entweder die Verwendungsmöglichkeit erweiterten und/oder eine Sonderarbeit ausführten. Dies gelte insbesondere für die Sicherheitsfunktion. Es sei durch gesetzliche technische Richtwerte vorgegeben, inwieweit Bauteile eines Kraftfahrzeugs in der Lage sein müssten, das Einwirken von physikalischer Kraft zu kompensieren. Jedenfalls ermöglichten die Leisten eine bessere Verwendung der Hauptware, was ebenfalls für eine Einreihung als Zubehör spreche.

Mit Einspruchsentscheidung vom 20.10.2017 (...), der Antragstellerin zugestellt am 27.10.2017, wies der Antragsgegner den Einspruch als unbegründet zurück. Dabei wiederholte er seine bekannte Rechtsauffassung und führte ergänzend aus, dass sich eine Ware nach der Verneinung ihrer Zubehöreigenschaft nicht automatisch als Teil darstelle.

Gegen die Entscheidungen des Antragsgegners erhob die Antragstellerin am 23.11.2017 Klage beim Finanzgericht Hamburg (Az. 4 K 276/17) und beantragte am 20.12.2017 beim Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung der vZTA, was dieser mit Bescheid vom 12.02.2018 ablehnte.

Die Antragstellerin hat am 01.03.2018 einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Es bestünden begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom Antragsgegner vorgenommenen Einreihung, da die Dekorleisten als Teile für Pkw in die Unterposition 8708 9997 KN einzureihen seien. Die Leisten seien für die Funktion der Pkw, in die sie eingebaut würden, unabdingbar. Die Funktion eines Pkw lasse sich nicht nur auf die bloße Fortbewegung reduzieren mit dem Ergebnis, dass allein der Motor, das Chassis, die Räder, das Getriebe, die Pedale und das Lenkrad funktionell unabdingbar seien. Bei der Bestimmung der Funktion sei die Gesamtkonzeption, die der Automobilhersteller dem Fahrzeug zugrunde gelegt habe, heranzuziehen. Hierzu gehörten auch der Karosserieaufbau und die Innenausstattung des Fahrzeugs. Die streitgegenständlichen Waren seien maßgenau angefertigt und ein fester Bestandteil der Konzeption der Innenausstattung. Sofern man die Dekorleisten aufgrund ihrer Befestigung mit Rastnasen für auswechselbare Vorrichtungen hielte, seien sie im Hinblick auf die im außergerichtlichen Verfahren dargelegten Funktionen als Zubehör in die Unterposition 8708 9997 KN einzureihen. Soweit der Antragsgegner annehme, dass die streitgegenständlichen Waren "Teile des Teils Innenverkleidung" seien, aber nicht des gesamten Fahrzeugs als Ganzes, und es zolltariflich keine "Teile von Teilen" gebe, weshalb die Ware nach ihrer stofflichen Beschaffenheit einzureihen sei, sei zu beachten, dass bei der Tarifierung der Grundsatz "Zweck vor Stoff" gelte. Die Innenraumseitenverkleidung oder das Armaturenbrett seien tariflich keine eigenständigen Waren, der die Dekorleisten als Teile unmittelbar zugeordnet werden könnten. Die Innenraumverkleidung eines Kraftfahrzeugs werde aus verschiedenen Komponenten zusammengesetzt. Die streitgegenständlichen Waren seien selbst "Innenraumverkleidung" und daher in tariflicher Hinsicht "Teile eines Kraftfahrzeugs". Im Übrigen ergebe sich aus britischen und niederländischen vZTAen, dass Verkleidungselemente aus Kunststoff, die u. a. in das Armaturenbrett eines Fahrzeugs eingebaut würden, als Kraftfahrzeugteile in die Unterposition 8708 9997 KN und nicht als Waren aus Kunststoff einzureihen seien.

Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung der verbindlichen Zolltarifauskunft xx-1 vom 08.08.2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.10.2017 (...) auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,den Antrag abzulehnen.

Er bezieht sich auf die Begründung der angegriffenen Bescheide und führt ergänzend aus: Die grundlegende Funktion von Kraftfahrzeugen dürfte die Fortbewegung sein, die nicht vom Vorhandensein der streitigen Leisten abhänge. Die Antragstellerin benenne im Hinblick auf die Dekorleisten das gesamte Fahrzeug als "Ganzes". Vorliegend seien aber nicht die Innenraumverkleidungen streitgegenständlich, sondern die Dekorleisten, die in die Innenraumverkleidungen verbaut werden sollen. Bei den Leisten möge es sich de facto um einen untrennbaren Bestandteil der Innenverkleidung handeln, es liege aber zolltariflich kein Teil der Innenverkleidung vor, da es zolltariflich weder "Teile von Teilen" noch "Teile von Zubehör" gebe. Angesichts des Grundsatzes der primären Zweckbestimmung könne die Hauptware eines Teils immer nur die zolltariflich nächsthöhere Ware sein. Es spiele für die Einreihung in den Zolltarif keine Rolle, in welche größere Einheit eine solche Maschine oder ein solches Gerät selbst eingebaut oder verbunden werde. Die Dekorleisten seien selbst keine Innenraumverkleidung, deren Hauptware ein Kraftfahrzeug sei. Da vorliegend nur ein Teil einer Innenraumverkleidung gegeben sei, scheide die begehrte Einreihung als Teil für Kfz aus. Hinsichtlich der angeführten britischen und niederländischen vZTAe handele es sich um mit den streitgegenständlichen Leisten vergleichbare Waren, weshalb ein - zwischenzeitlich gescheitertes - Konsultationsverfahren mit den Mitgliedstaaten eingeleitet worden sei. Die Angelegenheit sei nun dem Ausschuss für den Zollkodex vorgelegt worden.

Die Europäische Kommission hat daraufhin am 07.08.2018 eine Mitteilung veröffentlicht, dass der Erlass von vZTAen für entsprechende Waren ("Abdeckungen bzw. Dekorleisten zur Befestigung an der Mittelkonsole, am Armaturenbrett oder an der Türinnenverkleidung von Kraftfahrzeugen. Sie bestehen in der Regel vollständig oder zumindest überwiegend aus Kunststoff") ausgesetzt sei. In Betracht kämen die Positionen 3926 KN und 8708 KN.

Die Antragstellerin hat hierzu vorgetragen, dass die zu erwartende Entscheidung der Kommission für den vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgreiflich sei. Nur der Erlass zukünftiger vZTA-Entscheidungen sei damit ausgesetzt. Ihr Rechtsschutzbedürfnis bestehe fort.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten der Verfahren 4 V 27/18 und 4 K 276/17 und die Sachakten des Antragsgegners bzw. Beklagten (ein Ordner, ein Hefter) verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.

Gründe

II. 1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß Art. 45 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269/1, berichtigt durch ABl. 2016 L 267/2 - Unionszollkodex; im Folgenden: UZK) i. V. m. § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig, insbesondere ist die gewählte Antragsart für Eilrechtsschutz gegen vZTAe statthaft (FG Hamburg, Beschluss v. 10.04.2018, 4 V 194/16, juris Rn. 30). Auch ist das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin nicht durch die von der Europäischen Kommission verfügte Aussetzung des Erlasses von vZTAen für Zierleisten wie den streitgegenständlichen entfallen. Diese Aussetzung gilt gemäß Art. 34 Abs. 10 lit. a) UZK lediglich für die Zukunft und berührt die Vollziehbarkeit der der Antragstellerin rund zwei Jahre zuvor erteilten vZTA nicht. Der Antrag ist aber unbegründet.

Die materiellen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung ergeben sich auch im finanzgerichtlichen Verfahren aus Art. 45 UZK. Nach dessen Abs. 2 ist die Vollziehung einer Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt ist, ganz oder teilweise auszusetzen, wenn begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Da sich die Begriffe der "begründeten Zweifel" im Sinne von 45 Abs. 2 UZK und der "ernstlichen Zweifel" im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO im Wesentlichen decken, liegen begründete Zweifel vor, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechenden Gründe überwiegen. Sie kann auch dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte. Die Umstände, die die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO; vgl. zum Vorstehenden FG Hamburg, Beschluss vom 21.12.2017, 4 V 143/17, juris mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Den Eintritt eines unersetzbaren Schadens hat die Antragstellerin nicht behauptet und es liegen auch keine begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen vZTA vor. Die Einreihung der Zierleisten nach ihrer stofflichen Beschaffenheit ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union sowie des Bundesfinanzhofes (EuGH, Urteil vom 20.06.1996, C-121/95, juris; BFH, Urteil vom 18.12.2001, VII R 78/00, juris) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur - KN). Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System (HS) Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (EuGH, Urteil vom 09.12.1997, C-143/96, juris). Weiter werden "Nationale Entscheidungen und Hinweise" (NEH) zur Kombinierten Nomenklatur und zum Harmonisierten System veröffentlicht, die jedoch lediglich Verwaltungsanweisungen sind, die den deutschen Zollstellen bei Schwierigkeiten mit der Einordnung von Waren eine Tarifierungshilfe geben sollen und nur unverbindlichen Charakter haben (BFH, Urteil vom 09.05.2000, VII R 14/99, juris). Auf den Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (BFH, Urteil vom 14.11.2000, VII R 83/99, juris).

Danach ist die Einreihung der Zierleisten unter Anwendung der AV 1, AV 2 b), AV 3 b) und AV 6 sowie der Anmerkung 1 zu Kapitel 39 KN als "andere Waren aus Kunststoffen, andere als von den Unterpositionen 3926 1000 KN bis 3926 4000 KN erfasst" in die Unterposition 3926 90 KN zutreffend. Die Leisten bestehen weit überwiegend aus Kunststoff und dieser ist auch im Hinblick auf die Formgebung charakterverleihend.

Eine Einreihung in das Kapitel 39 KN ist nicht nach der Anmerkung Nr. 2 t) zu Kapitel 39 KN ausgeschlossen. Nach dieser Anmerkung sind Teile von Beförderungsmitteln des Abschnitts XVII aus dem Kapitel 39 KN ausgewiesen.

Die Zierleisten stellen keine solchen Teile dar. Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt der Begriff "Teile" voraus, dass es ein Ganzes gibt, für dessen Funktionieren diese Teile unabdingbar sind. Für die Einstufung einer Ware als Teil reicht es nicht aus, nachzuweisen, dass die Maschine oder das Gerät ohne diese Ware nicht ihrer Bestimmung gemäß verwendet werden kann. Es muss auch festgestellt werden, dass das mechanische oder elektrische Funktionieren der fraglichen Maschine oder des fraglichen Geräts von dieser Ware abhängt (EuGH, Urteil vom 12.12.2013, C-450/12, juris - HARK). Teile sind im Regelfall dazu bestimmt, zu einem späteren Zeitpunkt in eine Hauptware einzugehen. Dabei verlieren sie ihren tariflichen und auch tatsächlichen eigenständigen Charakter, sie werden Bestandteil der Hauptsache. Der Normalfall ist dabei das Eingehen einer festen Verbindung (vgl. Bleihauer/Schulte in Witte/Wolffgang, Lehrbuch des Zollrechts der Europäischen Union, 8. Auflage 2016, Rn. 1347). Für die Einreihung von Teilen kommt es allgemein darauf an, für welche Maschine oder für welches Gerät das zu tarifierende Teil unmittelbar bestimmt ist und Verwendung findet (Prinzip der primären Zweckbestimmung). Es spielt für die Einreihung in den Zolltarif keine Rolle, in welche größere Einheit eine solche Maschine oder ein solches Gerät (wiederum) eingebaut oder mit welcher größeren Einheit es verbunden wird. Hauptware eines Teils ist grundsätzlich immer die tariflich nächsthöhere Ware (BFH, Urteil vom 03.12.1985, VII R 14/81, juris Rn. 13; FG München, Urteil vom 08.12.2005, 14 K 1649/05, juris Rn. 28).

Daran gemessen stellen die Zierleisten keine - was vorliegend einzig in Betracht kommt - anderen Teile für Kraftfahrzeuge der Position 8701 bis 8705, andere als von den Unterpositionen 8708 9910 KN bis 8708 9993 KN erfasst, der Unterposition 8708 9997 KN dar. Unter Beachtung ihrer primären Zweckbestimmung sind sie keine (Bestand-)Teile der Hauptware "Kraftfahrzeug", sondern lediglich Teile der Komponenten, an denen sie (unmittelbar) befestigt werden. Die Leisten werden am Armaturenbrett, an der Mittelkonsole bzw. an der Türinnenverkleidung durch Rastnasen befestigt, um die dort vorhandenen Aussparungen anstelle der serienmäßig vorgesehenen, an der Schauseite weniger hochwertig verzierten Blenden, auszufüllen. Das Armaturenbrett, die Mittelkonsole bzw. die Türinnenverkleidung, die dadurch optisch aufgewertet werden, stellen die nächsthöheren tariflichen Waren und damit die "Hauptwaren" der Zierleisten dar. Das Armaturenbrett ist, da es an der Karosserie befestigt wird, als anderes Karosserieteil in die Unterposition 8708 29 KN einzureihen (vgl. die Erläuterungen zur Position 8708 HS, EZT-Nr. 06.1). Die Zierleiste ist über die Rastnasen hinreichend fest mit dem Armaturenbrett verbunden, so dass sie grundsätzlich als "Teil des Armaturenbretts" einzureihen wäre. Die Unterposition 8708 29 KN umfasst nach ihrem maßgeblichen Wortlaut aber keine "Teile von anderen Karosserieteilen". Erst recht ermöglicht die (Auffang-)Unterposition 8708 9997 KN nicht eine Einreihung solcher Komponenten, sondern nur die Einreihung anderer Teile, deren "Ganzes" unmittelbar das Kraftfahrzeug selbst und nicht nur ein Teil von ihm ist. Mithin sind die Zierleisten nach ihrer stofflichen Beschaffenheit einzureihen.

Hinsichtlich der Mittelkonsole gelten diese Ausführungen entsprechend. Auch sie wird an der Fahrzeugkarosserie befestigt (vgl. zur Mittelkonsole auch die Einreihung durch die Eidgenössische Zollverwaltung in die Tarifnummer 8708.2990, Entscheid - Nr. 586.10.1991.1, www.ezv.admin.ch).

Anders sind auch nicht die Zierleisten zu beurteilen, die an der Türinnenverkleidung befestigt werden. Nach den Erläuterungen zur Position 8708 HS, EZT-Nr. 06.1 stellen auch die ebenfalls fest mit der Karosserie verbundenen Türen andere Karosserieteile der Unterposition 8708 29 KN dar. Ob den Erläuterungen ebenfalls dahingehend zu folgen ist, dass auch "Teile von Türen" Karosserieteile darstellen, kann offen bleiben. Unabhängig davon, ob die Türinnenverkleidung demnach als Karosserieteil oder nach ihrer stofflichen Beschaffenheit in das Kapitel 39 KN einzureihen ist, ist die Zierleiste, die mit der Innenverkleidung verbunden wird, unter Verweis auf die vorstehenden Ausführungen erst recht nach ihrer stofflichen Beschaffenheit einzureihen.

Die von der Antragstellerin angeführten Haupt- und Nebenfunktionen der Zierleisten rechtfertigen im Hinblick auf das Prinzip der primären Zweckbestimmung nicht ihre Einreihung als Teile für Kraftfahrzeuge. Ob diese Ausführungen auch dann gelten, wenn in die Leisten ein Türöffner, die Zentralverriegelung, ein Lichtleiter oder sonstige Technik bzw. Funktionen integriert sind, lässt der Senat offen. Streitgegenständlich sind ausschließlich reine Zier- bzw. Dekorleisten ohne solche weitergehenden Funktionen.

Schließlich sind die Zierleisten auch nicht als Zubehör für Kraftfahrzeuge der Positionen 8701 KN bis 8705 KN, anderes als von den Unterpositionen 8708 9910 KN bis 8708 9993 KN erfasst, in die Unterposition 8708 9997 KN einzureihen. Nach der Rechtsprechung des EuGH bedeutet der Begriff "Zubehör", dass es sich um eine auswechselbare Vorrichtung handelt, die ein Gerät für die Ausführung einer bestimmten Arbeit geeignet macht, seine Verwendungsmöglichkeiten erweitert oder es in die Lage versetzt, eine im Zusammenhang mit seiner Hauptfunktion stehende Sonderarbeit auszuführen (EuGH, Urteil vom 16.06.2011, C-152/10, Unomedical). Abweichend von Teilen wird Zubehör dadurch charakterisiert, dass es seine Eigenständigkeit behält. Die ebenfalls vorhandene Beziehung zu einer Hauptware drückt sich darin aus, dass vermittels des Zubehörs die Verwendung der Hauptware erleichtert, erweitert oder gar erst ermöglicht wird. Zubehör wird allerdings grundsätzlich kein Bestandteil der Hauptware. Auch bei der Einreihung von Zubehör gilt das Prinzip der primären Zweckbestimmung (vgl. Bleihauer/Schulte in Witte/Wolffgang, Lehrbuch des Zollrechts der Europäischen Union, 8. Auflage 2016, Rn. 1350 f.).

Daran gemessen stellen die streitgegenständlichen Leisten bereits deshalb kein Zubehör für Kraftfahrzeuge dar, weil es sich bei ihnen nicht um auswechselbare Vorrichtungen handelt. Sie werden über Rastnasen mit der Türinnenverkleidung, der Mittelkonsole bzw. dem Armaturenbrett verbunden und verlieren dadurch ihre Eigenständigkeit. Dass sie tatsächlich auswechselbar sind, ändert hieran nichts. Die Verbindung ist hinreichend fest, so dass sie sich auch im Fall eines Unfalls nicht löst, und auf unbestimmte Zeit angelegt.

2. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 135 Abs. 1 und 128 Abs. 3 i. V. m. 115 Abs. 2 FGO