LG Hamburg, Urteil vom 01.08.2018 - 416 HKO 75/18
Fundstelle
openJur 2019, 1873
  • Rkr:
Tenor

1. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 22.05.2018 (312 O169/18) wird bestätigt.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Antragstellerin 1/10tel, die Antragsgegnerin zu 1) 6/10tel und der Antragsgegner zu 2) 3/10tel zu tragen.

3. Der Streitwert wird für das Widerspruchsverfahren wird auf 400.000,- festgesetzt.

Tatbestand

Die Antragstellerin verlangt von den Antragsgegnern, es zu unterlassen, ihre Erfrischungsgetränke mit dem Slogan „verleiht keine flügel, wozu auch?“ zu bewerben.

Die Antragstellerin mit Sitz in Ö. vertreibt Erfrischungsgetränke, insbesondere Energy-Drinks. Bei der Vermarktung ihrer Produkte setzt diese seit vielen Jahren den Slogan „verleiht Flügel“ ein. Zugunsten der Antragstellerin ist das Zeichen „verleiht Flügel“ u.a. auch als deutsche Wortmarke (DPMA 39904567 – Anmeldetag 28.01.1999) für die Klasse 32 nach der Nizza-Klassifikation eingetragen.

Die Antragsgegnerin zu 1) ist ein Süßwarenunternehmen. Der Antragsgegner zu 2) ist einer ihrer Geschäftsführer. Unter der Wort-Bildmarke „Ahoj-Brause“ verkauft die Antragsgegnerin zu 1) Erfrischungsgetränkeprodukte. Im Jahr 2017 hat diese mit der in vier Geschmacksrichtungen in Getränkedosen erhältlichen „Ahoj-Brause“-Limonade ein neues Produkt auf den Markt gebracht. Dieses bewarb die Antragsgegnerin zu 1) auf Plakaten und im Internet mit dem Slogan „verleiht keine flügel, wozu auch?“.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, der Werbeslogan der Antragsgegner verletze gemäß § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ihre Rechte aus der Wortmarke „verleiht Flügel“. Die Einbeziehung dieser in den Werbeslogan der Antragsgegner stelle eine markenmäßige Verwendung der Wortmarke dar. Der Verkehr verstehe den Werbeslogan als Herkunftshinweis, der werde auch nicht durch den Aufdruck der eigenen Marke der Antragsgegner auf der ebenfalls abgebildeten Getränkedose oder dem Hashtag „#ahojbrausbrause“ links neben der Dose beseitigt werde, da der in weißem Fettdruck blickfangmäßig herausgestellte Slogan die Anzeige flächenmäßig dominiere. Zudem werde die eigene Marke eben nicht im Slogan verwendet, sondern sei nur auf der graphisch abgesetzten Dose abgedruckt. Es liege ferner keine Ausnahme von der markenmäßigen Benutzung vor, da der Verbraucher das Zeichen im vorliegenden Fall nicht ausschließlich in einem beschreibenden Sinne verstehen könne, weil der Slogan keine beschreibende Aussage enthalte.

Ferner handele es sich bei der Marke „verleiht Flügel“ um eine bekannte Marke i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Dies sei nicht nur eine offenkundige Tatsache gemäß § 291 ZPO sondern ergebe sich auch aus den vorgelegten demoskopischen Gutachten.

Die Marke werde von der Antragstellerin auch markenmäßig und nicht produktbeschreibend genutzt; außerdem schlössen sich Werbefunktion und Herkunftsfunktion nicht gegenseitig aus.

Zudem sei hinreichende Zeichenähnlichkeit nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gegeben. Bei Erfrischungsgetränken handele es sich um Waren des täglichen Bedarfs, bei deren Kauf der Verbraucher eine geringere Aufmerksamkeit an den Tag lege. Die Marke sei im Slogan der Antragsgegner komplett enthalten und der Slogan bewerbe mit Erfrischungsgetränken auch identische Waren. Für die Zeichenähnlichkeit sei zudem eine gedankliche Verknüpfung ausreichend, während die tatsächliche Verwechslung nicht erforderlich sei. Diese gedankliche Verknüpfung sei auch gegeben, da nur aus der Assoziation mit der Originalmarke der Antragstellerin die Wirkungskraft des nachgeahmten Slogans erwachse.

Durch die Verwendung des Werbeslogans finde auch eine Ausnutzung der Wertschätzung und Unterscheidungskraft statt. Entgegen der Ansicht der Antragsgegner genieße R. B. einen guten Ruf und sei sehr bekannt. Dieser Ruf und die Aufmerksamkeit aufgrund der Bekanntheit würden durch den Werbeslogan ausgenutzt. Ferner sei auch eine Beeinträchtigung der Wertschätzung gegeben. Die Werbekampagne enthalte die abwertende Botschaft, Flügel und damit R. B. seien überflüssig. Hiermit sprächen die Antragsgegner R. B. die Relevanz und damit die Existenzberechtigung ab. Auch werde die Unterscheidungskraft durch die identische Übernahme der überragend bekannten Marke „verleiht Flügel“ in den Werbeslogan, der für Produkte aus dem identischen Warensektor werbe, beeinträchtigt.

Es bestehe auch ein Unterlassungsanspruch aufgrund von Verwechslungsgefahr gemäß § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Bei der Verfügungsmarke handele es sich um eine stark kennzeichnungskräftige Marke. Diese werde zur Werbung für ein Erfrischungsgetränk und somit für ein identisches Produkt eingesetzt. Weiterhin bestehe Zeichenähnlichkeit, da der Slogan die Marke in identischer Form enthalte.

Zudem sei das Verhalten der Antragsgegner nach § 4 Nr.1 UWG, §§ 3, 4 Nr. 3a), b) i.V.m. § 5 Abs. 2 UWG, § 6 Abs. 2 Nr. 4 und § 4 Nr. 4 UWG wettbewerbsrechtlich unzulässig.

Nach erfolgloser Abmahnung erging auf Antrag der Antragstellerin seitens des Landgerichts Hamburg am 22.05.2018 eine einstweilige Unterlassungsverfügung, durch welche der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland den Slogan

VERLEIHT KEINE FLÜGEL, WOZU AUCH?

wie nachfolgend abgebildet

und/oder

Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

und/oder

zur Kennzeichnung von Erfrischungsgetränken zu verwenden, diesen Slogan in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu benutzen, auf Waren oder ihrer Aufmachung oder Verpackung anzubringen, unter diesem Slogan die vorstehend genannten Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen, oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, unter diesem Slogan die vorgenannten Waren ein- oder auszuführen und/oder die vorstehenden Handlungen durch Dritte durchführen zu lassen. Hiergegen haben die Antragsgegner Widerspruch eingelegt.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Antragsgegner beantragen,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie sind der Ansicht, die Verwendung des Slogans stelle keine markenmäßige Benutzung dar. Es handele sich lediglich um einen Werbeslogan, der vom Verkehr auch als solcher aufgefasst werde. Die Marke „Ahoj-Brause“, die auf der Dose an der Stelle angebracht sei, an der bei Getränkeverpackungen üblicherweise Herkunftshinweise angebracht würden, sei der alleinige Herkunftshinweis.

Auch habe die Antragstellerin die Bekanntheit der Marke „verleiht Flügel“ nicht glaubhaft gemacht, da das Gutachten veraltet sei und methodische Mängel aufweise. Zudem werde der Bekanntheitsgrad nie isoliert von der Marke R. B. untersucht.

Außerdem sei außerdem absolute Zeichenunähnlichkeit gegeben.

Der Slogan sei zudem über die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG und die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG gerechtfertigt und bei einer Interessenabwägung überwiege das Interesse der Antragsgegnerin zu 1) an der Weiterverwendung des Slogans. Der Schutzbereich von Art 5 GG sei eröffnet, da er auch Darstellungen erfasse, bei denen der Künstler fremde Marken oder Produkte humorvoll-satirisch aufgreift. Der Slogan habe auch einen wertenden meinungsbildenden Inhalt, der über die Anpreisung hinaus einen Beitrag zur Meinungsbildung leiste. Er kritisiere die durch die Antragstellerin geförderte Spektakelsucht und den Gesellschaftswandel hin zu stetig steigernder Leistung, Selbstoptimierung und dem Überschreiten von Grenzen. Auch kommerzielle Meinungsäußerungen und Wirtschaftswerbung, die eine wertende, meinungsbildende Aussage enthielten unterfielen dem Schutzbereich des Art. 5 GG. Zudem sei die Antragstellerin als in der Öffentlichkeit auftretendes Unternehmen zur Duldung einer kritischen oder satirischen Auseinandersetzung verpflichtet. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass die Antragsgegner keine Eigentumsrechte am Slogan geltend machen wollten. Auch setze die Werbekampagne den Ruf der Antragstellerin nicht herab oder verunglimpfe diesen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt und die Aufmachung der von den Parteien eingereichten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung vom 22.05.2018 ist zu bestätigen. Der zulässige Antrag ist begründet.

I.

Der Antragstellerin steht gegenüber den Antragsgegnern ein Unterlassungsanspruch gemäß § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 3 MarkenG zu. Nach den genannten Vorschriften kann derjenige, der ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr ein identisches oder ähnliches Zeichen für Waren benutzt, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke Schutz genießt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt, von dem Inhaber der Marke bei Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn es sich um eine im Inland bekannte Marke handelt.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

1. Die Einbeziehung der zugunsten der Antragstellerin eingetragenen Marke in den Werbeslogan der Antragsgegner stellt einen markenmäßigen Gebrauch dieser Marke dar.

a) Eine Verletzungshandlung nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn das angegriffene Produkt markenmäßig verwendet wird. In der Rechtsprechung des EuGH stellt das Beurteilungskriterium der Benutzung als Marke eine ungeschriebene allgemeine Anwendungsvoraussetzung des Markenkollisionsrechts des § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkG dar (vgl. Fezer, Markenrecht, 4. Auflage 2009, § 14 Rn. 75).

b) Von einem markenmäßigen Gebrauch ist grundsätzlich auszugehen, wenn das Zeichen in einer Weise verwendet wird, in der es im Rahmen des Produktabsatzes die gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen von Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRURInt 1999, 438 Rn.38 – BMW/Deenik; EuGH GRUR 2003, 55, 57 Rn. 47 ff. – Arsenal Football Club; BGH GRUR 2005, 162 – SodaStream). Ob der Verkehr im vorliegenden Fall tatsächlich davon ausgeht, dass es sich um ein Produkt der Antragstellerin handelt oder die Antragstellerin die Benutzung der Marke autorisiert hat, kann dahinstehen. Nach der Rechtsprechung des EuGH genügt es nämlich, wenn die beteiligten Verkehrskreise das Kollisionszeichen zwar als Verzierung auffassen, die Ähnlichkeit jedoch so hoch ist, dass sie das Zeichen mit der bekannten Marke gedanklich verknüpfen (EuGH GRUR 2004, 58, 60 Rn. 39 – Adidas/Fitnessworld; BGH NJW 2005, 2856, 2857 – Lila Postkarte). Selbst wenn der Verkehr den Werbeslogan nicht als Herkunftshinweis auffasst, wird er ihn aufgrund der vollständig enthaltenen Wortmarke der Antragstellerin und dem identischen Warensektor von Erfrischungsgetränken mit der Marke der Antragstellerin gedanklich verknüpfen. Die gedankliche Verbindung mit der Marke der Antragstellerin macht gerade den Witz der Werbekampagne aus.

2. Der Werbeslogan der Antragsgegner stellt auch ein im Vergleich zur Verfügungsmarke ähnliches Zeichen dar.

a) Auch hierfür ist es nach der Rechtsprechung des EuGH und des BGH ausreichend, wenn die gegenüberstehenden Zeichen gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden (EuGH C-603/14P, GRUR-RR 2016, 147 Rn. 42 – El Corte Inglés/The English Cut; C-552/09P, MarkenR 2011, 170 Rn. 53 – TiMi Kinderjoghurt; EuGH C-487/07, GRUR 2009, 756 Rn. 36 – L`Oréal/Bellure; BGH GRUR 2009, 772 Rn. 71 – Augsburger Puppenkiste; BGH GRUR 2004, 779, 783– Zwilling/Zweibrüder).

b) Eine solche gedankliche Verknüpfung ist aus den bereits genannten Gründen gegeben. Die Wirkungskraft des Slogans erwächst nur aus der Assoziation mit der Marke der Antragstellerin.

3. Die Marke „verleiht Flügel“ ist auch bekannt i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.

a) Hierfür muss die Marke nach der Rechtsprechung des EuGH einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt sein, welches von den Waren und Dienstleistungen, die von der Marke umfasst sind, „betroffen“ ist (EuGH C-375/97, GRURInt 2000, 73 Rn. 26 – Chevy). Bei der Prüfung der Bekanntheit hat das nationale Gericht alle relevanten Umstände des Falls, also insbesondere den Marktanteil der Marke, ihre geografische Ausdehnung, die Intensität und die Dauer ihrer Benutzung sowie den Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat, zu berücksichtigen (EuGH C-301/07, GRUR 2009, 1158 Rn. 25 – PAGO; C-375/97, EuGH GRUR Int 2000, 73 Rn. 26, 27 – Chevy). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bekanntheit der Marke ist bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen der Zeitpunkt der Entscheidung im Verletzungsverfahren (BGH GRUR 2003, 1040, 1044 – Kinder).

b) Tatsachen, aus denen sich die Bekanntheit der Marke ergibt, können auch allgemein geläufig und deshalb offenkundig i.S.d. § 291 ZPO sein (BGH GRUR 2015, 114, 115 – Springender Pudel) und auch ohne Einholung eines Verkehrsgutachtens die Annahme rechtfertigen, dass die Marke bekannt i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ist (BGH GRUR 2011, 1043, 1046 Rn. 49).Zu diesen Tatsachen gehört auch, dass die Marke während eines längeren Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt erscheint und jedermann gegenübertritt (vgl. BGH GRUR 2011, 1043 Rn. 49 - TÜV II; GRUR 2014, 378 Rn. 27 - OTTO Cap). Die Kammer, deren Richter zu dem angesprochenen Verkehrskreis gehören, kann aus eigener Sachkunde feststellen, dass dies für die Marke „verleiht Flügel“ zutrifft und die Marke der überwiegenden Mehrheit des Verkehrs als ein Hinweis auf die Antragstellerin bekannt ist. Das deckt sich auch mit den von der Antragstellerin vorgelegten demoskopischen Gutachten. Diese sind zwar nicht aktuell, jedoch sprechen auch die von der Antragstellerin vorgetragenen Marketingausgaben dafür, dass die Marke in den letzten vier Jahren eher noch bekannter geworden ist.

4. Die Antragsgegner nutzen mit ihrer Werbekampagne auch zumindest die Unterscheidungskraft der Verfügungsmarke aus.

a) Ob eine Beeinträchtigung der Wertschätzung und/oder der Unterscheidungskraft und/oder eine Ausnutzung der Wertschätzung vorliegen, kann dahinstehen, denn jedenfalls liegt eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft vor. Für die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals der Ausnutzung der Unterscheidungskraft ist nicht zwingend die Ausnutzung der Wertschätzung der bekannten Marke erforderlich, sondern es genügt schon eine Aufmerksamkeitsausbeutung (vgl. BGH NJW 2005, 2856, 2857 – Lila Postkarte; OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 100, 102 – derrick.- de; GRUR-RR 2002, 389, 392 – die tagesschau; GRUR 2001, 838, 841 – 1001 buecher.de; OLG Köln GRUR-RR 2005, 339, 341 – Kleiner Feigling II; vgl. auch OLG Hamburg GRUR-RR 2010, 382, 383 – IPOD/eiPott). Diese Aufmerksamkeitsausbeutung ist immer dann gegeben, wenn aufgrund der Bekanntheit der Marke ein Kommunikationsvorsprung erreicht wird (OLG Koblenz GRUR-RR 2009, 230, 234 – Fadenkreuz „Tatort“). Die Antragsgegner nutzen mit der Anspielung auf die Marke der Antragstellerin die besondere Aufmerksamkeit aus, welche die Assoziation einer Bezeichnung mit einer bekannten Marke wecken kann (vgl. hierzu: BGH GRUR 2000, 875, 877 - Davidoff I; BGH GRUR 2004, 779, 783 - Zwilling/Zweibrüder).

5. Es ist unschädlich, dass das Zeichen vorliegend genau wie die Marke für ein Erfrischungs-getränk genutzt und somit nicht für Waren oder Dienstleistungen verwendet wurde, die nicht ähnlich im Vergleich zu den durch die Marke geschützten Produkte ist. Die analoge Anwendung auf gleichartige Produkte ist anerkannt (vgl. BGH GRUR 2004, 235, 238– Davidoff II).

6. Die Benutzung des Zeichens erfolgte auch in unlauterer Weise. Dem Tatbestandsmerkmal des Ausnutzens der Unterscheidungskraft ist die Unlauterkeit bereits immanent, weshalb eine Markennutzung unter Verwirklichung dieser Eingriffstatbestandsmerkmale stets als unlauter zu qualifizieren ist (BGH NJW 2005, 2856, 2857 – Lila Postkarte).

7. Die Werbekampagne ist auch nicht etwa über die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) oder über die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gerechtfertigt.

a) Allerdings ist der Schutzbereich der Kunstfreiheit gemäß Art 5 Abs. 3 S. 1 GG eröffnet. Dieser erfasst auch Werbegraphiken (Maunz/Dürig/Scholz GG, 82. EL Jan 2018, Art. 5 Abs. 3 Rn. 34). Zudem ist eine bestimmte Gestaltungshöhe nicht erforderlich (BGH NJW 2856, 2857 – Lila Postkarte, BGH GRUR 2015, 1114, 1118 – Springender Pudel). Der Schutzbereich umfasst ferner auch Darstellungen, bei denen der Künstler fremde Marken oder Produkte humorvoll-satirisch aufgreift (BGH NJW 2005, 2856 – Lila Postkarte). Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formsprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden, das Wesentliche der künstlerischen Betätigung (BVerfG NJW 1971, 1645). Diese Voraussetzung ist laut den Antragsgegnern erfüllt, die sich darauf berufen, in ihrem Werbeslogan den Eindruck von der Marke der Antragstellerin verarbeitet zu haben. Vom persönlichen Schutzbereich der Kunstfreiheit sind zudem auch Verleger und Vermittler (BVerfG NJW 1971, 1645) sowie Lizenznehmer (BGH NJW 2005, 2856 – Lila Postkarte) erfasst.

Das Grundrecht der Kunstfreiheit ist zwar vorbehaltlos gewährleistet, es findet seine Grenzen aber in kollidierenden Grundrechten Dritter (BVerfG GRUR 2005, 880). Vorliegend steht die Eigentumsfreiheit der Antragstellerin nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG entgegen. Den kollidierenden Grundrechten der Antragsgegner und der Antragstellerin ist im Wege der praktischen Konkordanz Geltung zu verschaffen, indem die Grundrechtspositionen so zu begrenzen sind, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG NJW 1994, 36; BVerfG GRUR 2005, 880). Vorliegend haben sich die Antragsgegner mit einem an die Marke der Antragstellerin angelehnten Werbeslogan im selben Markt Vorteile verschafft, die ohne die Existenz der bekannten Marke „verleiht Flügel“ nicht denkbar wären. Der kommerzielle Zweck der Nutzung der Marke stand daher eindeutig im Vordergrund, wenn es sich dabei nicht sogar um den einzigen Zweck gehandelt hat. Hierfür spricht vieles, da die von den Antragsgegnern propagierte Kritik am Verhalten der Antragstellerin in der Werbung in keiner Weise zum Ausdruck kommt.

Im Unterschied zu dem vom BGH entschiedenen Fall Lila Postkarte (BGH NJW 2005, 2856) ist die Marke auch nicht für ein anderes Produkt aus einem gänzlich unterschiedlichen Warensektor verwendet worden, sondern von einem direkten Wettbewerber zur Werbung für ein Produkt aus dem identischen Warensektor. Außerdem enthält der Slogan eine abwertende Aussage. In diesem Fall muss daher die Kunstfreiheit der Antragsgegner der Eigentumsfreiheit der Antragstellerin weichen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung „Springender Pudel“ (BGH GRUR 2015, 1114). Aus dieser lässt sich nicht ableiten, dass die Kunstfreiheit des „Trittbrettfahrers“ generell überwiegt, wenn der Markeninhaber sich lediglich gegen die Benutzung und nicht gegen die Eintragung der Marke wendet. Es kann keinen Unterschied machen, ob sich der Markeninhaber gegen die fiktive zukünftige Benutzung, welche die Eintragung der Marke erwarten lässt und wovor § 9 Abs. 1 Nr.3 MarkenG schützen soll, oder die tatsächliche Benutzung wehren möchte (vgl. Thiesen, GRUR 2015, 1114, 1119).

b) Es ist bereits fragwürdig, ob der Schutzbereich der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG Wirtschaftswerbung überhaupt erfasst. Das BVerfG schließt dies für den Fall, dass sie tatsächlich einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat oder Angaben enthält, die der Meinungsbildung dienen, nicht aus (BVerfG NJW 1994, 3342; NJW 1986, 1533, 1534). Ein solches Element der Stellungnahme erscheint vorliegend zweifelhaft, da sich die von den Antragsgegnern behauptete kritische Auseinandersetzung mit der Marke der Antragstellerin nicht unmittelbar aus dem Werbeslogan ergibt. Die Missbilligung der Spektakelsucht und des Gesellschaftswandels hin zu stetig steigernder Leistung, Selbstoptimierung und des Überschreitens von Grenzen, wird durch das „wozu auch?“ im Werbeslogan nicht deutlich.

Geht man trotzdem davon aus, dass das „wozu auch?“ als Denkanstoß genügt und somit der Schutzbereich eröffnet ist, ist hier ein Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit durch den Bekanntheitsschutz nach § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gegeben. Dieser Eingriff ist nur gerechtfertigt, wenn es sich bei § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 3 MarkenG um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG handelt und die Beschränkung nicht unverhältnismäßig ist. Diese Voraussetzungen sind zu bejahen. Bei § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG handelt es sich um ein allgemeines Gesetz gemäß Art. 5 Abs. 2 GG, weil es sich nicht gegen eine bestimmte Meinung richtet, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dient (vgl. BVerfG NJW 1985, 257; NJW 1982, 1447; NJW 1983, 1181). Es schützt das Markenrecht als besondere Ausprägung der Eigentumsfreiheit des Markeninhabers. Die Beschränkung der Meinungsfreiheit ist im vorliegenden Fall auch verhältnismäßig. Bei einer Prüfung am Maßstab des Art. 5 Abs. 1 GG kann nicht die Regelung als solche, sondern lediglich ihre Anwendung im Einzelfall als unzumutbar zu beanstanden sein, weil der Erfolg, der mit dem Bekanntheitsschutz erreicht werden soll, nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu den Beschränkungen der Meinungsfreiheit steht. Nach der Wechselwirkungslehre setzen die Schranken zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Grenzen, diese müssen ihrerseits aber aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden (st. Rspr., z.B. BVerfG NJW 2012, 1273, 1274). In der Gesamtabwägung überwiegt schließlich die Eigentumsfreiheit der Antragstellerin. Die Antragsgegner haben eine fremde bekannte Marke kommerziell zu dem Zweck genutzt, ein neues und daher unbekanntes und schwer verkäufliches Produkt zu vertreiben indem sie eine abwertende Aussage darüber trafen. Es ging es den Antragsgegnern zumindest überwiegend, wenn nicht gar ausschließlich, um die kommerzielle Nutzung der Marke und nicht um eine Meinungsäußerung. Aus diesen Gründen muss § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 3 MarkenG vorliegend nicht einschränkend ausgelegt werden und kann den Eingriff in die Meinungsfreiheit rechtfertigen.

Der Ordnungsgeldausspruch richtet sich nach § 890 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.