BGH, Urteil vom 20.12.2018 - VII ZR 69/18

Vermittelt der Versicherungsvertreter dynamische Lebensversicherungen, bei denen sich die Versicherungssumme nach dem Inhalt des Versicherungsvertrags in regelmäßigen Zeitabständen erhöht, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht, gehen die Erhöhungen auf die Vermittlungstätigkeit bei Abschluss des Versicherungsvertrags zurück und sind gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB im Zweifel provisionspflichtig (im Anschluss an BAG, VersR 1984, 897; VersR 1986, 251).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. März 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - auf Erteilung von Provisionsabrechnungen für näher bezeichnete, von ihm vermittelte Lebensversicherungsverträge in Anspruch.

Der Kläger war auf der Grundlage des am 18. April 2008 geschlossenen Consultantvertrags bis zum 30. November 2013 als Versicherungsvertreter für die durch Verschmelzungsvertrag vom 28. August 2014 auf die Beklagte verschmolzene M. C. R. -M. AG (im Folgenden einheitlich: Beklagte) tätig. Im Rahmen des Consultantvertrags vermittelte der Kläger unter anderem die streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträge, nach deren vertraglichen Bestimmungen während der Vertragslaufzeit planmäßig Erhöhungen der Beiträge und Versicherungsleistungen eintreten, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht (sogenannte dynamische Lebensversicherungen). Nach den mit den Kunden vereinbarten Versicherungsbedingungen wird ein konkludenter Widerspruch unwiderleglich vermutet, wenn der Versicherungsnehmer die erhöhte Prämie nicht zahlt. Mit Ausnahme von fünf Verträgen wurden die streitgegenständlichen Verträge nach Beendigung des Consultantvertrags weiter vom Kläger betreut, wobei streitig ist, ob der Kläger tatsächlich Betreuungsleistungen erbrachte.

Der Kläger erhielt während der Vertragslaufzeit monatlich und auch nach Vertragsende einzelne Abrechnungen, mit denen ihm zustehende Provisionen gutgeschrieben und mit etwaigen Provisionsrückforderungen verrechnet wurden. Mit Schreiben vom 16. Juli 2015 forderte der Kläger die Beklagte auf, Auskunft darüber zu erteilen, für welche von ihm als Untervertreter vermittelten Versicherungsverträge sie nach Beendigung des Consultantvertrags Dynamikprovisionen erhalten habe und in welcher Höhe. Die Beklagte lehnte die Erteilung dieser Auskunft ab.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei zur Erteilung entsprechender Provisionsabrechnungen verpflichtet, weil ihm für nach Vertragsende eintretende Summenerhöhungen eine Abschlussprovision zustehe. Er hat mit der Klage die Erteilung von Abrechnungen über Dynamikprovisionen für im Einzelnen näher bezeichnete, von ihm vermittelte Lebensversicherungsverträge für die Zeit ab dem 1. Dezember 2013 bis zum jeweiligen Ablauf des Versicherungsvertrags geltend gemacht.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage erstrebt hat, ist erfolglos geblieben. Auf die vom Kläger mit Schriftsatz vom 15. November 2017 erhobene Anschlussberufung, mit der er im Wege der Stufenklage ergänzend begehrt hat, die Beklagte nach erfolgter Abrechnung zur Zahlung des sich aus den Abrechnungen ergebenden Betrags nebst Zinsen zu verurteilen, hat das Berufungsgericht über den auf Abrechnung der Provision gerichteten Klageantrag durch Teilurteil entschieden.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Gründe

Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Teilurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kläger könne von der Beklagten nach § 92 Abs. 2, § 87c Abs. 1 HGB die Abrechnung der Dynamikprovisionen verlangen, die auf den nach Beendigung des Consultantvertrags aufgrund der Dynamik eingetretenen oder eintretenden Erhöhungen der von ihm vermittelten Lebensversicherungsverträge beruhten, und zwar für die Zeit ab dem 1. Dezember 2013 bis zum jeweiligen Vertragsende. Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung dieser Dynamikprovisionen aus § 92 Abs. 2, Abs. 3, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB in Verbindung mit dem Consultantvertrag. Nach § 7 Abs. 1 der zum Bestandteil des Consultantvertrags gewordenen Provisionsordnung bestehe für Erhöhungen und Änderungen mit erhöhendem Charakter von Verträgen grundsätzlich ein Anspruch auf Abschlussprovision entsprechend der Regelungen für Neuabschlüsse. Dabei enthalte der Consultantvertrag, auf den vorrangig abzustellen sei, keine Regelung, auf welchen Zeitpunkt es für das Entstehen des Provisionsanspruchs ankomme.

Nach § 92 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB habe der Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision für alle während des Versicherungsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen seien. Unstreitig habe der Kläger während der Laufzeit des Consultantvertrags die im Klageantrag aufgeführten Lebensversicherungsverträge mit Dynamiken vermittelt. Unter die während des Consultantvertrags abgeschlossenen Geschäfte, die auf die Tätigkeit des Klägers zurückzuführen seien, fielen auch die Erhöhungen, die erst nach Beendigung des Handelsvertretervertrags aufgrund der Dynamiken eingetreten seien oder noch eintreten würden. Die Erhöhungen seien in den Verträgen dermaßen eingebettet und in ihnen angelegt, dass mit dem eigentlichen Vertragsschluss alles getan sei, damit die Erhöhung eintreten könne; insoweit bedürfe es weder neuer Verhandlungen noch neuer Vereinbarungen. Letztlich handele es sich bei der Dynamikprovision um eine verzögert ausgezahlte Abschlussprovision für eine Erhöhung der Lebensversicherung, die - wenn auch widerruflich - schon in dem Erstabschluss ihren Grund finde und als vereinbart anzusehen sei.

Die Parteien hätten auch keine wirksame Vereinbarung getroffen, nach der der Kläger auf dem Grunde nach bereits entstandenen Provisionen nach Beendigung des Handelsvertretervertrags verzichtet hätte. Unstreitig enthalte der Consultantvertrag keine ausdrückliche Verzichtsvereinbarung. Die Beklagte könne auch nicht mit der Auffassung durchdringen, durch die Regelung in § 9 des Consultantvertrags (Ausgleichsanspruch / Abfindung bei Aufhebung dieses Vertrags) komme zum Ausdruck, dass der Vertrag einen Provisionsverzicht vorsehe.

Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede greife nicht durch. Die Fälligkeit der im Dezember 2013 möglicherweise entstandenen - und damit ältesten - Dynamikprovisionsansprüche sei frühestens am 31. Januar 2014 eingetreten. Die dreijährige Verjährungsfrist habe mit dem Schluss des Jahres 2014 zu laufen begonnen. Im Wege der Anschlussberufung sei mit Schriftsatz vom 15. November 2017 rechtzeitig innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist Stufenklage erhoben worden.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass dem Kläger gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Consultantvertrags Provisionsansprüche für nach Beendigung des Vertrags eintretende Erhöhungen der Versicherungssumme für von ihm vermittelte Lebensversicherungen zustehen, bei denen sich die Versicherungssumme nach dem Inhalt des Versicherungsvertrags in regelmäßigen Zeitabständen erhöht, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht und die erhöhte Prämie zahlt (sogenannte dynamische Lebensversicherungen). Er kann für diese nach Beendigung des Consultantvertrags bis zum jeweiligen Ablauf des Versicherungsvertrags fällig werdenden Provisionen gemäß § 92 Abs. 2, § 87c Abs. 1 HGB jeweils Abrechnungen von der Beklagten beanspruchen.

Der Kläger ist nach § 259 ZPO berechtigt, die Abrechnung der künftig fällig werdenden Provisionen geltend zu machen. Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass sie zu einer Abrechnung dieser künftig fällig werdenden Provisionen nicht verpflichtet sei, so dass die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass sie sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird.

a) Nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB gelten für das Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherungsvertreter und dem Versicherer die Vorschriften für das Vertragsverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer, wobei in Abweichung von § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB ein Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision nur für die Geschäfte hat, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. Vermittelt der Versicherungsvertreter dynamische Lebensversicherungen, bei denen sich die Versicherungssumme in regelmäßigen Zeitabständen erhöht, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht, gehen die Erhöhungen auf die Vermittlungstätigkeit bei Abschluss des Versicherungsvertrags zurück und sind gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB im Zweifel provisionspflichtig (vgl. BAG, VersR 1984, 897; VersR 1986, 251; OLG Köln, Urteil vom 28. November 2014 - 19 U 71/14; BeckRS 2015, 10251; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl., § 87 Rn. 61; Emde in Staub, Großkommentar HGB, 5. Aufl., § 92 Rn. 57; Oetker/Busche, HGB, 5. Aufl., § 87 Rn. 14; EBJS/Löwisch, HGB, 3. Aufl., § 87 Rn. 47; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 38. Aufl., § 87 Rn. 12; a.A. OLG Nürnberg, Urteil vom 10. September 2003 - 12 U 896/03, n.v.). Der Eigenart dieses Vertragstyps entspricht es, die vereinbarungsgemäß eintretenden Erhöhungen bereits mit Abschluss des Versicherungsvertrags als vereinbart anzusehen, dem Versicherungsnehmer aber hinsichtlich der Erhöhungen ein Widerspruchsrecht zuzugestehen. Mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags entsteht für die Beklagte einseitig eine Bindung für die gesamte Vertragslaufzeit einschließlich sämtlicher Erhöhungen, die auflösend dadurch bedingt ist, dass der Versicherungsnehmer von dem ihm eingeräumten Widerspruchsrecht Gebrauch macht (vgl. BAG, VersR 1984, 897, juris Rn. 40).

Entgegen der Auffassung der Revision ist die Erhöhung der Versicherungssumme in diesen Fällen nicht von einer werbenden Tätigkeit eines Dritten abhängig, die nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 HGB, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB einen Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters ausschließt. Denn die Erhöhung wird aufgrund des geschlossenen Lebensversicherungsvertrags bereits dann wirksam, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht und die erhöhte Versicherungsprämie zahlt.

Mit der Annahme einer Provisionspflicht für vom Versicherungsvertreter vermittelte dynamische Lebensversicherungsverträge über den Zeitpunkt der Beendigung des Consultantvertrags hinaus wird entgegen der Auffassung der Revision das systematische Verhältnis von Provisionsansprüchen einerseits und dem Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 5 HGB andererseits nicht unterlaufen. Soweit dem Versicherungsvertreter aufgrund der von ihm während der Vertragszeit vermittelten Versicherungsverträge nach Beendigung des Vertrags noch Ansprüche auf Zahlung von Abschlussprovisionen gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB zustehen, tritt kein Provisionsverlust ein, der etwa für den Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 5 HGB zu berücksichtigen wäre. Die Beschränkungen des § 89b Abs. 5 HGB finden lediglich Anwendung, wenn dem Versicherungsvertreter ein Ausgleichsanspruch zusteht. Es besteht daher kein Grund, die Beschränkungen des § 89b Abs. 5 HGB auf vom Versicherungsvertreter nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 HGB, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB zu beanspruchende Abschlussprovisionen, die nach Beendigung des Vertrags fällig werden, zu erstrecken.

b) Die Voraussetzungen der § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB liegen in Bezug auf die vom Kläger vermittelten dynamischen Lebensversicherungsverträge vor.

aa) Nach den in der Revision zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei den streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträgen, zu denen der Kläger jeweils Provisionsabrechnungen für den Zeitraum nach Beendigung des Consultantvertrags bis zum Ablauf des jeweiligen Versicherungsvertrags verlangt, unstreitig um vom Kläger vermittelte Lebensversicherungsverträge mit Dynamik. Mit Abschluss dieser Lebensversicherungsverträge entsteht damit der Anspruch des Klägers auf Abrechnung der jeweils fälligen Provision gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB. Wie das Berufungsgericht - von den Parteien unangegriffen - weiter festgestellt hat, enthält der Consultantvertrag keine vom dispositiven Recht abweichende Bestimmung über die Provisionspflicht der Beklagten für nach Beendigung des Vertrags aufgrund der vereinbarten Dynamik eintretende Erhöhungen der Versicherungssummen.

bb) Entgegen der Auffassung der Revision trifft den Kläger nicht die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es nach Beendigung des Consultantvertrags tatsächlich zu Erhöhungen der Versicherungssumme in den jeweiligen Verträgen gekommen ist. Da der Eintritt solcher Erhöhungen auflösend dadurch bedingt ist, dass der Versicherungsnehmer von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch macht, trägt die Beklagte für diesen für sie günstigen Umstand nach allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2005 - VI ZR 238/04, NJW-RR 2005, 1183, juris Rn. 13; Urteil vom 14. Januar 1991 - II ZR 190/89, BGHZ 113, 222, juris Rn. 16 m.w.N.; Baumgärtel/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., Kap. 11 Rn. 20 f.). Den Nachweis dafür, dass die Kunden der streitgegenständlichen Versicherungsverträge von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht haben, hat die Beklagte nicht geführt.

2. Der Anspruch des Klägers auf Abrechnung der Provisionen für den Zeitraum nach Beendigung des Consultantvertrags bis zum Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1, § 87c Abs. 1 HGB ist nicht verjährt.

a) Mit der vom Kläger am 22. November 2017 wirksam erhobenen Anschlussberufung, mit der er im Wege der Stufenklage begehrt hat, die Beklagte nach erfolgter Abrechnung zur Zahlung des sich aus den Abrechnungen ergebenden Betrags nebst Zinsen zu verurteilen, ist die Verjährung der dem Anspruch auf Erteilung einer Abrechnung zugrunde liegenden Provisionsansprüche wirksam gehemmt worden, § 204 Nr. 1 BGB.

aa) Nach § 261 Abs. 2 ZPO tritt die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechender Schriftsatz zugestellt wird. Dies gilt auch für den Fall, dass die Klageerweiterung mittels einer Anschlussberufung geltend gemacht wird (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 261 Rn. 6).

bb) Die Anschlussberufungsschrift des Klägers vom 15. November 2017, die die Parteien, das Gericht, den Gegenstand und den Grund des Anspruchs hinreichend bezeichnete sowie einen bestimmten Antrag enthielt und damit den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 ZPO genügte, ist der Beklagten am 22. November 2017 zugestellt worden. Mit der Erhebung einer Stufenklage wird zugleich der von dem auf der ersten Stufe geltend gemachten Auskunftsanspruch abhängige Hauptanspruch rechtshängig (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 13. November 2014 - IX ZR 267/13 Rn. 9 m.w.N., NJW 2015, 1093). Nach den in der Revisionsinstanz nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts begann die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB für die ältesten Provisionsansprüche mit Schluss des Jahres 2014 zu laufen und war selbst bei Zustellung des die Anschlussberufung enthaltenden Schriftsatzes des Klägers am 22. November 2017 noch nicht verstrichen.

b) Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es im vorliegenden Fall nicht an der Voraussetzung, dass mit der Anschlussberufung eine Abänderung des angefochtenen Urteils zugunsten des Anschlussrechtsmittelklägers erstrebt wird.

Die Anschlussberufung setzt, da sie kein selbständiges Rechtsmittel darstellt, nicht voraus, dass der Anschlussberufungskläger durch das angefochtene Urteil beschwert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2011 - VIII ZB 25/10 Rn. 12, NJW 2011, 1455; Urteil vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06 Rn. 24 m.w.N., NJW 2008, 1953). Sie ist jedoch nur zulässig, wenn damit mehr erreicht werden soll als die Zurückweisung der Berufung (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 1987 - V ZR 42/86, NJW-RR 1988, 185, juris Rn. 10; Urteil vom 24. Februar 1958 - III ZR 184/56, NJW 1958, 868; vgl. zur Anschlussrevision auch BGH, Urteil vom 31. Mai 1995 - VIII ZR 267/94, MDR 1996, 522, juris Rn. 18; Beschluss vom 11. März 1981 - GSZ 1/80, BGHZ 80, 146, juris Rn. 8).

Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Der Kläger hat mit der Anschlussberufung die Klage in der Weise erweitert, dass er nunmehr im Wege der Stufenklage eine Abrechnung der Provisionsansprüche auf der ersten Stufe und auf der zweiten Stufe die Zahlung der sich aus den Abrechnungen ergebenden Provisionen verlangt. Diese Klageerweiterung kann der Kläger zulässigerweise im Wege der Anschlussberufung verfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - VII ZR 145/12 Rn. 27 f., NJW 2015, 2812).

3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Vertragsbestimmungen des Consultantvertrags enthielten keine Vereinbarung über einen Verzicht des Klägers auf nach Beendigung des Vertrags fällig werdende Provisionen. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob es sich bei den Vertragsbestimmungen des Consultantvertrags um von der Beklagten gestellte Allgemeinen Geschäftsbedingungen handelt, ist zu ihren Gunsten in der Revisionsinstanz davon auszugehen, dass es sich bei dem Vertrag um eine Individualvereinbarung handelt.

Die Auslegung des Berufungsgerichts, der Consultantvertrag enthalte keine Vereinbarung eines Provisionsverzichts für nach Beendigung des Vertrags fällig werdende Provisionen, lässt keine revisionsrechtlich beachtlichen Auslegungsfehler erkennen.

a) Die Auslegung von Willenserklärungen ist grundsätzlich Angelegenheit des Tatrichters. Eine revisionsrechtliche Überprüfung findet allerdings dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (BGH, Urteil vom 31. August 2017 - VII ZR 5/17 Rn. 24, NJW 2017, 3590; Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 67/11 Rn. 12 m.w.N., BGHZ 192, 172). Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zählt der Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 2017 - VII ZR 5/17 Rn. 24, NJW 2017, 3590; Urteil vom 5. März 2015 - IX ZR 133/14 Rn. 21, BGHZ 204, 231; Versäumnisurteil vom 22. Januar 2015 - VII ZR 87/14 Rn. 14, NJW 2015, 1107). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Consultantvertrags der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

b) Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB liegt nicht vor. Die Vereinbarung eines Verzichts auf nach Beendigung des Vertrags fällig werdende Provisionsansprüche des Klägers setzt voraus, dass der rechtsgeschäftliche Wille, einen solchen Verzicht zu vereinbaren, unmissverständlich zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2016 - V ZR 168/15 Rn. 34, BGHZ 211, 216; Urteil vom 4. Dezember 2015 - V ZR 142/14 Rn. 25, MDR 2016, 315). Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass es an einem solchen unmissverständlich erklärten rechtsgeschäftlichen Willen der Parteien fehlt.

Soweit die Revision geltend macht, die Vereinbarung in § 9 Abs. 4 des Consultantvertrags, wonach die von den Spitzenverbänden der Versicherungswirtschaft und des Versicherungsaußendienstes vereinbarten Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs Anwendung finden sollen, ergebe nur einen Sinn, wenn die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass für nach Vertragsbeendigung aufgrund der vereinbarten Dynamik eintretende Erhöhungen der Versicherungssummen keine Provisionen an den Kläger zu zahlen seien, wird ein Verstoß gegen §§ 133, 157 BGB nicht dargelegt. Ein stillschweigender Verzicht des Klägers auf nach Beendigung des Vertrags fällig werdende Provisionen ist im Zweifel nicht zu vermuten. Der Verweis auf die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach den vorgenannten Grundsätzen bietet keinen zwingenden Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien einen solchen Verzicht vereinbaren wollten. Dass ein Ausgleichsanspruch zugunsten des Versicherungsvertreters nach den ihm entgehenden Provisionen zu berechnen ist, besagt nichts darüber, ob ein entsprechender Provisionsverzicht vorliegt. Die Vereinbarung der Modalitäten eines dem Versicherungsvertreter nach Vertragsbeendigung etwa zustehenden Ausgleichsanspruchs lässt daher nicht den Schluss auf einen zuvor vereinbarten Provisionsverzicht zu.

4. Gehörswidrig ist das Berufungsgericht jedoch dem unter Zeugenbeweis gestellten Sachvortrag der Beklagten nicht nachgegangen, dass nach dem gemeinsamen Verständnis der Vertragsparteien von dem Inhalt der vertraglichen Regelung dem Kläger nach Beendigung des Consultantvertrags keine Dynamikprovisionen mehr zustehen sollten. Die Beklagte übertrage die Bestände ausgeschiedener Vertreter auf die unter Vertrag stehenden Consultants und zahle diesen dann Dynamikprovisionen. Der Kläger habe diese Praxis gekannt und mitgetragen.

a) Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Berufungsgericht in den Gründen des Berufungsurteils auf den wesentlichen Kern des Verteidigungsvorbringens des Beklagten zu einer Frage nicht ein, das für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2016 - VII ZR 158/15 Rn. 7; Beschluss vom 23. Februar 2016 - VII ZR 28/15 Rn. 7, IHR 2016, 124; Beschluss vom 20. Mai 2014 - VII ZR 187/13 Rn. 6).

b) Nach diesen Maßgaben liegt hier ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor. Das Berufungsgericht hat den Inhalt des Vorbringens der Beklagten nicht vollständig ausgeschöpft, wenn es darauf verweist, dass die Beklagte diese Vertragspraxis beim Kläger nicht angewandt habe, der Kläger nach Ausscheiden bei der Beklagten vielmehr - von wenigen Ausnahmen abgesehen - Betreuer der von ihm vermittelten Lebensversicherungsverträge geblieben sei. Die Beklagte hat mit ihrem Vorbringen der Sache nach geltend gemacht, die Parteien seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass als Vertragsinhalt vereinbart war, dass dem ausscheidenden Versicherungsvertreter kein Anspruch auf Zahlung der Dynamikprovision für nach Beendigung des Vertrags eintretende Erhöhungen im Rahmen der von ihm vermittelten dynamischen Lebensversicherungsverträge zustehen sollte.

Dieses Vorbringen ist erheblich. Trifft die Behauptung der Beklagten zu, wovon zugunsten der Beklagten für die Revision auszugehen ist, steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Abrechnung und Zahlung von Provisionen für von ihm vermittelte dynamische Lebensversicherungen für den Zeitraum nach Beendigung des Consultantvertrags nicht zu. Denn eine solche zeitliche Begrenzung der Provisionspflicht kann von den Vertragsparteien zulässigerweise vereinbart werden (vgl. BAG, VersR 1984, 897, juris Rn. 46 ff.; VersR 1986, 251, juris Rn. 18). Ein solcher übereinstimmender Wille der Vertragsparteien bei Vertragsschluss ginge der Auslegung der Vertragsbestimmungen vor.

II.

Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um diesem die Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

Pamp Halfmeier Kartzke Graßnack Sacher Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 07.07.2017 - 2-18 O 276/16 -

OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 16.03.2018 - 16 U 109/17 -