LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.07.2016 - 2 Sa 54/14
Fundstelle
openJur 2019, 39411
  • Rkr:
Tenor

1) Auf die Berufung des Beklagten und Berufungsklägers wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 08.01.2014 - 3 Ca 1435/12 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Kläger gegen den Beklagten und Berufungskläger einen Anspruch auf Nachteilsausgleich i.S.v. § 113 BetrVG i.H.v. 8.400,- € als Masseverbindlichkeit hat.

2) Die weitergehende Berufung des Beklagten und Berufungsklägers wird zurückgewiesen.

3) Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 08.01.2014 - 3 Ca 1435/12 - wird zurückgewiesen. Die über die in Ziffer 1 dieses Urteils hinausgehende Klage wird abgewiesen.

4) Von den Kosten des vorliegenden Berufungsrechtsstreits 2 Sa 54/14 haben der Beklagte und Berufungskläger 1/3 und der Kläger 2/3 zu tragen.

Von den erstinstanzlichen Kosten des Ausgangsverfahrens 3 Ca 1435/12 haben der Beklagte und Berufungskläger 1/5 und der Kläger 4/5 zu tragen.

5) Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über einen Nachteilsausgleichsanspruch der klagenden Partei nach § 113 Abs. 3 BetrVG.

Der am... geborene, ledige, einer Person zum Unterhalt verpflichtete Kläger, der von Beruf BMSR-Techniker ist, stand seit dem 28.08.1995 in einem Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten bzw. der Insolvenzschuldnerin, nämlich der Spielbanken Sachsen-Anhalt GmbH. In diesem Arbeitsverhältnis war er zuletzt als Aufsicht/Kassierer beschäftigt und erzielte ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von ca. 2.100,00 €. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Arbeitsvertrag der Parteien vom 14.08.1995, vgl. Bl. 8 ff. d. A., Anwendung.

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Spielbanken Sachsen-Anhalt GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Die Insolvenzschuldnerin betrieb mit insgesamt rund 82 Mitarbeitern an den Standorten M, H und W Spielbanken mit jeweils örtlichen Betriebsräten sowie einem Gesamtbetriebsrat.

Im Dezember 2009 hatte das Land Sachsen-Anhalt die Spielbanken Sachsen-Anhalt GmbH privatisiert. Mit Schreiben vom 12. Mai 2011 informierte der Bevollmächtigte der Insolvenzschuldnerin das Land Sachsen-Anhalt darüber, dass der Spielbetrieb in der Spielbank M... mit Wirkung vom 13.05.2011 eingestellt werde. Mit weiteren Schreiben vom 17. Mai 2011 hat dieser darüber hinaus mitgeteilt, dass auch der Spielbetrieb der Spielbank in H. sowie in der Zweigstelle in W... ab dem 18.05.2011 mit dem Ende des laufenden Spieltages (des 17.05.2011) eingestellt werde.

In den daraufhin ergangenen Ordnungsverfügungen des Ministeriums des Inneren des Landes Sachsen-Anhalt vom 13.05. und 17.05.2011 wurden jeweils die für die Schließung der Spielbankstandorte erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie z. B. die Zählung und Sicherung des Kassenbestandes und der Spielmarken, die Begrenzung des Zutritts von Personen sowie die Aufforderung zur Mitteilung, wie der Spielbankbetrieb ordnungsgemäß und wirtschaftlich zukünftig betrieben werden soll, getroffen. Darüber hinaus wurde angeordnet, dass eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes der vorigen Zustimmung des Ministeriums des Inneren (MI) bedürfe. Die Zustimmung wurde, soweit alle Spielstätten geöffnet werden sollten, u. a. vom Nachweis eines Gesamtkassenbestandes in Höhe von mindestens 533.000,00 € sowie einer Spielbankreserve in Höhe von 50.000,00 € je Spielstätte abhängig gemacht, vgl. zu den Einzelheiten: Bl. 411 ff. in: 2 Sa 446/15.

Infolge der Einstellung des Spielbetriebes wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Spielbankstandorte ab Mai 2011 freigestellt.

Am 08.06.2011 fand im MI ein Gespräch mit Herrn E..., dem neuen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, sowie Vertretern des Innen- und Finanzressorts statt. Dieses diente der Erörterung der Voraussetzungen einer möglichen Fortführung des Spielbankbetriebes in Sachsen-Anhalt und der dazu erforderlichen Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten. Im Ergebnis des Gespräches wurde im Hinblick auf eine Zustimmung der Aufsichtsbehörde zur Weiterführung des Spielbankbetriebes im Wesentlichen die Vereinbarung getroffen, nach der ein Eigenkapital in Höhe von 2 Millionen Euro durch Sacheinlagen sowie neben den bereits erwähnten erforderlichen Kassenbeständen in Höhe von 533.000,00 € und der Spielbankreserve in Höhe von 50.000.00 € je Standort ein weiterer Betrag in Höhe von 1 Million Euro als Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur zukünftigen Gewährleistung eines wirtschaftlichen Spielbetriebes auf einem Notaranderkonto und ein Konzept zur strukturellen Neuausrichtung der Spielbanken in Sachsen-Anhalt binnen angemessener Zeit nachzuweisen war, vgl. Bescheid des MI vom 20.01.2012, Bl. 597 ff. d. A. (Bl. 598 R, 599).

Am 22.06.2011 veranlasste das Finanzamt M... eine Pfändung des Geschäftskontos über 250.000,00 €. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich auf dem Konto der Insolvenzschuldnerin lediglich noch ca. 50.000,00 Euro, vgl. Bescheid des MI vom 20.01.2012, Bl. 599 d. A.

Am 05.07.2011 fand eine Gesamtbetriebsversammlung statt, auf der der neue Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, Herr E..., sich der Belegschaft vorstellte und eine zeitnahe Wiederaufnahme des Spielbetriebes zum 01.08.2011 ankündigte, vgl. Urteil des LAG Sachsen-Anhalt vom 27. 01. 2016 - 7 Sa 457/13 - dort S. 3.

Am 15.07.2011 stellte der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 21.07.2011 (340 In 695/11 (351)) wurde der Beklagte zum Gutachter bestellt. Auf Empfehlung des Beklagten ordnete das Amtsgericht mit weiterem Beschluss vom 27.07.2011 die vorläufige Verwaltung des Schuldnervermögens an, bestimmte den Beklagten zum vorläufigen Verwalter und legte fest, dass Verfügungen nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind, vgl. Gutachten und Bericht des Beklagten vom 31.01.2012, Seite 3, zitiert nach 7 Sa 457/13, dort S. 3.

Mit E-Mail vom 06.10.2011 (vgl. Bl. 74 ff. d. A.) übersandte der Beklagte als vorläufiger (schwacher) Insolvenzverwalter den Entwurf eines Interessenausgleiches gem. §§ 111/112 BetrVG an den Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates mit der Bitte um Prüfung und Mitteilung, ob in entsprechende Verhandlungen eingetreten werden könne. Für diesen Fall bat der Beklagte um Terminsvorschläge. Der Entwurf des Interessenausgleiches sah unter 3. bzgl. des abzuschließenden Sozialplanes ein Volumen von 1,0 Bruttoverdienste der betroffenen Arbeitnehmer vor.

Mit Schreiben vom 11.10.2011 (vgl. Bl. 84 d. A.) teilte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der Insolvenzschuldnerin mit, dass dieser bereit sei, über einen Interessenausgleich zu verhandeln und bat den Beklagten seinerseits um einen Terminsvorschlag. Mit weiterem Schreiben vom 12.10.2011 (vgl. Bl. 85 d. A.) teilte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates dem Beklagten mit, dass der Gesamtbetriebsrat in seiner Sitzung am 11.10.2011 beschlossen habe, sich bzgl. des Interessenausgleiches durch Rechtsanwalt B. vertreten zu lassen. Der Beklagte möge sich in dieser Sache an Rechtsanwalt B. wenden.

Mit Schreiben vom 20.10.2011, vgl. Bl. 87 d. A., wandte sich der Beklagte an Rechtsanwalt B..., nahm auf die bisherige Korrespondenz sowie ein Telefonat vom 17.10.2011 Bezug und bedauerte, dass ein von Rechtsanwalt B... angekündigter Terminsvorschlag bisher nicht unterbreitet worden sei. Mit Schreiben vom 25.10.2011, vgl. Bl. 88 d. A., schrieb der Beklagte erneut an Rechtsanwalt B... und erinnerte an seine Stellungnahme zum Entwurf des übersandten Interessenausgleiches. Außerdem hieß es in diesem Schreiben:

"Um Weiterungen in der Angelegenheit zu vermeiden, darf ich von weiteren Gesprächen in dieser Sache absehen, wenn Ihre erbetene Antwort nicht bis spätestens 27.10.2011, 10.00 Uhr, beim Unterzeichner eingegangen ist."

Mit E-Mail vom 14.11.2011, vgl. Bl. 89 d. A., teilte der Geschäftsführer dem Beklagten mit, dass der Gesamtbetriebsratsvorsitzende einen Interessenausgleich als wesentlichen Bestandteil eines Gesamtpaketes zum Einigungsprozess betrachte.

Im Rahmen einer mündlichen Erörterung vom 04.01.2012 erklärte der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, dass er zwar persönlich kein Interesse mehr an einem Betrieb der Spielbanken in Sachsen-Anhalt habe, sich aber als Mehrheitsgesellschafter der D. (der Übernehmerin der Geschäftsanteile der Insolvenzschuldnerin) weiterhin um eine Veräußerung der Spielbanken Sachsen-Anhalt GmbH an einen geeigneten Bewerber bemühen werde. Aus diesem Grunde bestehe sein Interesse an einem Erhalt der Zulassung für die Spielbanken. Der Geschäftsführer bat in diesem Zusammenhang um Aussetzung der Entscheidung über den Widerruf der Zulassung bis Ende Januar 2012, da er sich in Verhandlungen mit zwei aussichtsreichen, potentiellen Erwerbern befinde. Der Geschäftsführer E... wurde seitens des MI darauf hingewiesen, dass er gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter, solange der Widerruf der Spielgenehmigung nicht bestandskräftig sei, jederzeit beim MI einen Antrag auf Zustimmung zur Übertragung der Gesellschaftsanteile auf einen neuen Erwerber stellen könne, vgl. Bescheid des MI vom 20.01.2012, Seite 599 R d. A.

Bereits im Jahre 2011 waren die Räumlichkeiten für die Spielbank in W. durch den Vermieter gekündigt worden. Im Januar bis März 2012 erfolgte durch die jeweiligen Vermieter die Kündigung der Mietverträge über die Spielbankstandorte im U. in M... und für den Standort in H....

Am 05.01.2012 teilte der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin abermals mit, dass er sich mit zwei Interessenten in fortgeschrittenen Verhandlungen befinde. Am selben Tage nahm der vorläufige Insolvenzverwalter Stellung und sprach sich gegen einen Widerruf der Zulassungen aus, vgl. Bescheid des MI vom 20.01.2012, Seite 600 d. A.

Am 11.01.2012 fand nochmals ein Gespräch zwischen dem Staatssekretär des MI, dem Staatssekretär des Ministeriums der Finanzen und dem Beklagten hinsichtlich der Zukunft der Insolvenzschuldnerin statt. Hierzu stellte das MI in dem Bescheid vom 20.01.2012 fest, dass die von dem Beklagten vorgetragenen Möglichkeiten zur Übertragung der Spielbankenzulassung auf einen potentiellen Erwerber nicht tragfähig seien und ein aussichtsreicher Bewerber von der Insolvenzschuldnerin nicht habe benannt werden können, vgl. Bl. 600 d. A.

Mit Verwaltungsakt vom 20.01.2012 widerrief das MI die Zulassung zum Betrieb öffentlicher Spielbanken, vgl. Bl. 597 ff. d. A. Es wurde angeordnet, dass die Zulassung binnen einer Woche nach Zustellung dieser Verfügung an das MI zu übergeben seien. Der Verwaltungsakt wurde der Insolvenzschuldnerin am 24.01.2012 zugestellt, der Beklagte erhielt am 31.01.2012 eine Kopie des Bescheides (so Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 10.05.2012, 3 A 57/12, Rn. 8 ff.).

Gegen den Widerruf der Zulassung zum Betrieb der Spielbanken durch das MI vom 20.01.2012 erhob der Beklagte am 20.02.2012 (3 A 53/12 MD) und die Insolvenzschuldnerin am 23.02.2012 (3 A 57/12 MD) Klage zum Verwaltungsgericht in Magdeburg. Die Insolvenzschuldnerin vertrat dabei die Rechtsansicht, dass die Genehmigung zum Spielbankenbetrieb nicht zur Insolvenzmasse gehöre und der Beklagte daher nicht befugt sei, den Prozess hinsichtlich des Widerrufs der Zulassung zu führen.

Mit Urteil vom 10.05.2012 wies das Verwaltungsgericht Magdeburg (VG Magdeburg, 10.05.2012, 3 A 57/12) die Klage der Insolvenzschuldnerin als unbegründet ab. Die Insolvenzschuldnerin sei zwar aktiv legitimiert. Allerdings erfülle die Insolvenzschuldnerin die Voraussetzungen für einen Spielbankbetrieb nicht mehr.

Mit weiterem Urteil vom 10.05.2015 (VG Magdeburg, 3 A 53/12) wies das Verwaltungsgericht Magdeburg die Klage des Beklagten als unzulässig ab, da der Beklagte nicht aktiv legitimiert sei, weil die Spielbankenerlaubnis nicht zur Insolvenzmasse gehöre. Ein Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des OVG des Landes Sachsen-Anhalt vom 07.01.2014 zurückgewiesen, 3 L 581/12.

Am 06.02.2012 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Spielbanken Sachsen-Anhalt GmbH und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.

Mit Beschluss vom 03.04.2012 erklärte der Gesamtbetriebsrat die Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleiches für gescheitert und beschloss, die Einigungsstelle anzurufen, Bl. 90 d. A. Mit ergänzendem Schreiben vom 04.04.2012, vgl. Bl. 91 f. d. A., schlug der Gesamtbetriebsrat u. a. für die Besetzung der Einigungsstelle als Vorsitzenden VRiLAG Dr. M... vor. In demselben Schreiben teilte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende höchstvorsorglich für den Fall, dass der Beklagte die Zuständigkeit der Einigungsstelle bestreiten und/oder die Besetzung der Einigungsstelle ablehnen sollte, mit, die Einsetzung der Einigungsstelle vor dem zuständigen Arbeitsgericht zu beantragen.

Der Beklagte reagierte hierauf zunächst nicht. Mit Schreiben vom 27.03.2012 lud der Beklagte den Betriebsrat erneut zu einer Konsultation nach § 17 Abs. 2 KSchG für den 03.04.2012 ein, vgl. Bl. 98 ff. d. A. Gegenstand der Konsultationen nach § 17 KSchG waren die beabsichtigten Entlassungen der Beschäftigten der Insolvenzschuldnerin.

Am 13.04.2012, vgl. Bl. 63 ff. d. A., leitete der Beklagte die schriftliche Anhörung zur beabsichtigten Kündigung aller Arbeitnehmer unter Einhaltung der in § 113 InsO normierten Kündigungsfrist ein. Der Betriebsrat widersprach den geplanten Kündigungen ausweislich des Schreibens vom 18.04.2012, vgl. Bl. 67 f. d. A.

Am 18.04.2012 faxte der Beklagte die Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG an die Agentur für Arbeit in M.... Hierauf reagierte die Agentur für Arbeit in M... mit Schreiben vom 18.04.2012 und teilte dem Beklagten mit, dass die in § 18 Abs. 1 KSchG gesetzte Frist von einem Monat am 19.04.2012 beginne und am 18.05.2012 ende, vgl. Bl. 69 bis 71 d. A. Unter dem 27.04.2012 stimmte die Agentur für Arbeit in M... den beabsichtigten 82 Kündigungen gem. § 17 Abs. 1 KSchG zu, vgl. Bl. 72 f. d. A. Der Beklagte sprach u. a. mit Schreiben vom 23.04.2012 die Kündigungen für alle Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin zum 31.07.2012 aus.

Im Zeitpunkt der Kündigung verfügte der Beklagte bzgl. der Spielbanken weder über Räumlichkeiten noch über sonstige Betriebsmittel.

Am 17.08.2012 zeigte der Beklagte dem Insolvenzgericht an, dass Masseunzulänglichkeit vorliege.

Am 14.08.2012 ging beim Arbeitsgericht Magdeburg ein Antrag "Wegen gerichtlicher Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung gem. § 122 InsO" ein. Gegenstand dieses Beschlussverfahrens war die begehrte Feststellung, dass der Beklagte berechtigt gewesen sei, die Betriebsänderung (Stilllegung) durchzuführen, ohne das Verfahren nach § 112 Abs. 2 BetrVG vornehmen zu müssen. Das Arbeitsgericht wies den Feststellungsantrag mit Beschluss vom 21.11.2012 (5 BV 100/12) zurück. Es nahm an, dass der Antrag unzulässig sei, weil die Betriebsänderung bereits in der Zeit vom 23.04. bis 25.04.2012 und damit bereits rund 4 Monate vor Einreichung des Antrages nach § 122 BetrVG erfolgt sei und damit keine "geplante" Betriebsänderung i. S. v. § 122 InsO mehr vorliege, über die entschieden werden könne. Es mangele vielmehr schlicht an einem Feststellungsinteresse.

Mit der am 14.05.2012 eingegangenen Klage wandte sich die klagende Partei zunächst auch gegen die streitgegenständliche Kündigung vom 23.04.2012; hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Kündigungsschutzantrag begehrte sie die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Nachteilsausgleiches, der in das Ermessen des Gerichtes gestellt werde, jedoch 35.700,00 € nicht überschreiten solle. Darüber hinaus kündigte sie für den Fall des Scheiterns der Güteverhandlung einen Weiterbeschäftigungsantrag an. Später reduzierte die klagende Partei ihren Zahlungsantrag hinsichtlich des Nachteilsausgleiches auf 25.200,00 €.

Im Rahmen des gesondert geführten Berufungsverfahrens 7 Sa 92/13 nahm die klagende Partei die Kündigungsschutzklage nebst Weiterbeschäftigungsanspruch zurück, vgl. Protokoll vom 02.06.2015, Bl. 428 d. A.

Die klägerische Partei behauptet:

Der Tatbestand einer Betriebsänderung i. S. v. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG sei in Form des Personalabbaus erfüllt. Der Beklagte habe einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat über eine Betriebsänderung nicht in ausreichendem Maße versucht. Damit seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 113 Abs. 3 BetrVG erfüllt. Hinsichtlich der Höhe des Nachteilsausgleiches sei der Sanktionscharakter des § 113 BetrVG zu berücksichtigen. Dies habe zur Folge, dass der Abfindungsanspruch nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit oder der individuellen Leistungsbereitschaft des Arbeitgebers abhänge. Die Forderung werde als Masseverbindlichkeit geschuldet.

Die klagende Partei hat erstinstanzlich beantragt (soweit im vorliegenden Berufungsverfahren noch streitig),

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, für die Klägerseite einen Nachteilsausgleich, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, jedoch 25.200,00 € nicht unterschreitet, als Masseverbindlichkeit anzuerkennen.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

den Klageantrag abzuweisen.

Ein Nachteilsausgleich stehe der klagenden Partei nicht zu.

Zunächst sei der erstinstanzliche Feststellungsantrag hinsichtlich des Nachteilsausgleiches nicht zulässig. Sei bereits eine Zahlungsklage wegen des Bestehens der Massearmut unzulässig, so stelle das Gesetz auch keinen Zahlungsantrag in Form der Feststellung einer Zahlungsverpflichtung zur Verfügung. Insoweit mangele es an einem allgemeinen Feststellungsinteresse. Auch bedürfe der Arbeitnehmer keines Schutzes, da er seine Forderung zur Insolvenztabelle anmelden könne.

Der Gesamtbetriebsrat habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, ergebnisoffene Verhandlungen hinsichtlich eines Interessenausgleichs zu führen. So habe z. B. der Prozessbevollmächtigte des Gesamtbetriebsrates - Rechtsanwalt B... - ausgeführt, dass es als vom Betriebsrat für die Interessenausgleichsverhandlungen beauftragter Rechtsanwalt seine Aufgabe sei, dafür zu sorgen, dass der Arbeitgeber in die Nachteilsausgleichsfalle tappe und er dies häufig und gerne mache. Auch im vorliegenden Verfahren habe dies funktioniert. Der Beklagte sei in die Nachteilsausgleichsfalle getappt. Ein derartiges Verhalten des Betriebsrates bzw. seines Vertreters sei in hohem Maße treuwidrig und stelle zudem eine grobe Aufgabenverletzung dar, die sich auf den individuellen Nachteilsausgleichsanspruch auswirke.

Außerdem lägen die Voraussetzungen für einen Nachteilsausgleich nicht vor. Darüber hinaus habe im Hinblick auf die Masseunzulänglichkeit gem. § 208 InsO eine Ausnahme von der Verpflichtung zu Interessenausgleichsverhandlungen bestanden. In diesem Falle könne der Arbeitgeber von Interessensausgleichsverhandlungen absehen, ohne dass dies mit der Entstehung von Nachteilsausgleichsansprüchen einhergehe.

Hinzu trete, dass der Gesamtbetriebsrat bzw. der für diesen handelnde Rechtsanwalt stets kategorisch zu verstehen gegeben hätten, dass ein Interessenausgleich nicht zustande komme, wenn keine Abfindungen versprochen und gezahlt werden könnten. Dies sei angesichts der finanziellen Situation der Insolvenzschuldnerin nicht möglich gewesen. Sei eine Betriebspartei nicht in der Lage, im Rahmen eines Nachteilsausgleiches Abfindungen zur Verfügung zu stellen, sei es rechtsmissbräuchlich, wenn Derartiges durch die Gegenseite gefordert werde.

Im Übrigen sei die Höhe des geltend gemachten Anspruches nicht nachvollziehbar. § 113 BetrVG wolle lediglich Betriebsverfassungsrechte des Betriebsrates sichern. Dabei sei die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers angemessen zu berücksichtigen. Der Sanktionszweck des § 113 BetrVG verbiete zwar eine direkte oder analoge Anwendung des § 112 Abs. 5 BetrVG in der Insolvenz. Allerdings sei das Gericht nicht gehindert, im Rahmen seiner Ermessensentscheidung die Interessen anderer Gläubiger in die Gesamtabwägung einzubeziehen. Zudem sei der Rechtsgedanke des § 123 InsO aufzugreifen und die individuelle Abfindung in derartigen Fällen eines massearmen Insolvenzverfahrens auf 2,5 Bruttomonatsgehälter zu begrenzen. Berücksichtige man dies und dazu noch das aufgezeigte grob gesetzwidrige Verhalten des Betriebsrates sowie die aufgezeigten Verhaltensweisen seines Bevollmächtigten, folge hieraus eine Reduzierung der Nachteilsausgleichsansprüche auf Null.

Schlussendlich sei die von der klagenden Partei geltend gemachte Forderung auf Feststellung eines Nachteilsausgleiches keine Masseverbindlichkeit i. S. v. § 55 Abs. 1 InsO, sondern eine einfache Insolvenzforderung i. S. v. § 38 InsO.

Mit Schlussurteil vom 08.01.2014 - nur dieses ist noch streitgegenständlich - hat das Arbeitsgericht Magdeburg festgestellt, dass die klagende Partei gegen den Beklagten einen Anspruch auf Nachteilsausgleich i. S. v. § 113 BetrVG in Höhe von 17.850,00 € hat, den dieser als Masseverbindlichkeit schuldet.

Das Arbeitsgericht hat u. a. ausgeführt, dass die von dem Beklagten ausgesprochenen ca. 80 Kündigungen eine Betriebsänderung i. S. v. § 111 Abs. 1 Satz 3 Ziffer 1 BetrVG darstellten. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei davon auszugehen, dass ein Interessenausgleich mit dem Betriebsrat nicht ausreichend versucht worden sei. Dies könne nicht mit Rücksicht auf Treu und Glauben anders beurteilt werden, weil es der Gesamtbetriebsrat und sein Prozessvertreter möglicherweise genau hierauf angelegt hätten. Auch stehe der Anspruch auf Nachteilsausgleich gem. § 113 Abs. 3 BetrVG der klagenden Partei als sogenannte Altmasseverbindlichkeit zu. Habe die Betriebsänderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen, sei der Anspruch auf Nachteilsausgleich lediglich eine einfache Insolvenzforderung. Eine Masseverbindlichkeit i. S. v. §§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO liege jedoch vor, wenn die Betriebsänderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen und durchgeführt werde. Die Einstufung als sogenannte Neu- (§ 209 Abs. 1 Ziff. 2 InsO) oder Altmasseverbindlichkeit (§ 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO) hänge davon ab, ob die Betriebsänderung nach (neu) oder vor (alt) der Anzeige der Masseunzulänglichkeit liege. Der Arbeitgeber beginne mit der Durchführung einer Betriebsänderung, wenn er unumkehrbare Maßnahmen ergriffen und damit vollendete Tatsachen geschaffen habe. Vorliegend könne dahingestellt bleiben, ob bereits die Einstellung des Spielbetriebes und die Freistellung der Mitarbeiter im Mai 2011 den Beginn einer Betriebsänderung in Form einer Betriebsstilllegung dargestellt hätten. Denn es sei jedenfalls nicht davon auszugehen, dass für den Zeitraum ab Mai 2011 ein einheitlicher unternehmerischer Plan bestanden habe, der sukzessive bis zu den Kündigungen im April 2012 umgesetzt worden sei. Vielmehr habe jeder der bis zu diesem Zeitraum wechselnden Verantwortlichen seine eigenen planerischen Vorstellungen gehabt. Diese hätten jedoch keinesfalls von Beginn an darin bestanden, einen spätestens seit Mai 2011 bestehenden Plan zur Betriebsstillegung umzusetzen. Dies gelte insbesondere auch für den Beklagten. Erst als dieser im Herbst 2011 erkannt habe, dass eine kurzfristige Wiederaufnahme des Spielbetriebes nicht möglich sein werde, habe er - damals noch als vorläufiger Insolvenzverwalter - erste Konsultationen in Bezug auf einen Interessenausgleich und die Kündigungen begonnen. Jedoch erst als die Konzession entzogen worden sei, habe er seine Kündigungsbegehren energischer vorangetrieben. Folglich müsse davon ausgegangen werden, dass der Beklagte erst mit dem Entzug der Konzession zum 24.02.2012 ernsthaft und endgültig einen (neuen) Stilllegungsplan gefasst und damit begonnen habe, unumkehrbare Maßnahmen einzuleiten. Die erste wirklich unumkehrbare Maßnahme des neuen Stilllegungsbeschlusses sei der Ausspruch der Kündigungen im April 2012 gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei das Insolvenzverfahren bereits eröffnet gewesen, jedoch die Masseunzulänglichkeit noch nicht angezeigt worden. Daher habe der Nachteilsausgleichsanspruch den Status einer Altmasseverbindlichkeit. Hinsichtlich der Höhe habe sich die erstinstanzliche Kammer unter Beachtung der sich aus § 113 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, 10 Abs. 1 bis 3 KSchG ergebenden Höchstgrenzen bei der Berechnung des Nachteilsausgleiches an § 1 a KSchG orientiert, mithin: Bruttogehalt x Beschäftigungsjahre: 2. Eine abweichende Berechnung sei nicht geboten. Bei der Höhe der Abfindung seien die Insolvenzsituation und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers weitgehend ohne Bedeutung. Insbesondere sei der Nachteilsausgleich nicht in entsprechender Anwendung des § 123 Abs. 1 InsO auf 2,5 Monatsverdienste begrenzt. Aufgrund des Normenzwecks und des Sanktionscharakters von § 113 BetrVG müssten die tatsächlichen wirtschaftlichen Nachteile für den konkret betroffenen Arbeitnehmer und die Schwere des Verstoßes des Arbeitgebers gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben in die Festsetzung der Höhe einfließen. Im vorliegenden Einzelfall ergäben sich keine hinreichenden Gründe für eine Erhöhung oder Minderung der zunächst nach Maßgabe von § 1 a KschG ermittelten Summe. Eine überdurchschnittliche Pflichtvergessenheit könne dem Beklagten schon aufgrund der weitreichenden Ansätze zum Abschluss eines Interessenausgleiches nicht unterstellt werden. Besondere wirtschaftliche Härten, die ausgeglichen werden müssten, seien auf Seiten der klagenden Partei nicht ersichtlich.

Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der klagenden Partei am 17.01.2014 und dem Beklagten am 20.01.2014 zugestellt worden.

Hiergegen hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 13.02.2014 am 14.02.2014 (vgl. Bl. 300 d. A.) Berufung einlegen lassen.

Die Berufung der klagenden Partei ging ausweislich des Schriftsatzes vom 14.02.2014 am selben Tage ein, vgl. 303 d. A. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist für die klagende Partei bis zum 17.04.2014 und für den Beklagten bis zum 22.04.2014 gingen die Berufungsbegründungen der klagenden Partei am 17.04.2014 und des Beklagten am 16.04.2014 ein.

Der Beklagte behauptet oder vertritt folgende Auffassung:

Der von der klagenden Partei gestellte Antrag auf Nachteilsausgleich sei sowohl unzulässig als auch unbegründet.

Soweit die klagende Partei die "Feststellung eines Nachteilsausgleichsanspruches als Masseverbindlichkeit" begehre, sei der Feststellungsantrag bereits unzulässig. Dies ergebe sich aus §§ 174 ff. InsO. Danach bedürfe es zunächst einer Anmeldung von angeblichen Forderungen gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle und erst, wenn der Insolvenzverwalter diese Forderung zur Insolvenztabelle nicht bzw. nicht vollständig anerkannt habe, bestehe die Möglichkeit der Klage des Gläubigers auf Feststellung zur Insolvenztabelle. Insoweit sei bereits die Grundsatzentscheidung des BGH vom 27.09.2011 (IX ZR 71/00) zu beachten.

Eine gesonderte Rechtsverbindung zwischen der klagenden Partei und dem Insolvenzverwalter ohne Feststellung der behaupteten Forderung zur Insolvenztabelle stelle die Rechtsordnung nicht zur Verfügung. Würde man diesen Weg ermöglichen, stelle dies die Schaffung einer gänzlich neuen Gläubigermöglichkeit im Insolvenzverfahren und eine Zerstörung des in der Insolvenzverordnung abschließend geregelten Insolvenzgläubigerbefriedigungsverfahrens dar.

Auch habe das Arbeitsgericht § 308 Abs. 1 ZPO nicht beachtet.

Nach den Vorgaben der ZPO sei der Vorrang der Leistungsklage vor der Feststellungsklage zu beachten. Dies bedeute, dass ein Anspruch, der bezifferbar sei, nicht in Form einer Feststellungsklage geltend gemacht werden könne, weil diesem Anspruch jegliches Feststellungs- und damit auch Rechtsschutzbedürfnis fehle. Allein aus der insolvenzrechtlichen Vorgabe, dass sich ein derartiger Zahlungsantrag als unzulässig erweisen könne, dürfe allerdings nicht geschlussfolgert werden, dass dies zur prozessualen Zulässigkeit einer Feststellungsklage führe.

Der Beklagte habe den Abschluss eines Interessenausgleiches hinreichend versucht. In der Sache habe der Beklagte sich nicht ablehnend zur Anrufung der Einigungsstelle durch den Gesamtbetriebsrat geäußert. Entgegenstehende Schlussfolgerungen des Arbeitsgerichts seien nicht nachvollziehbar. Wenn jedoch der Gesamtbetriebsrat die Einigungsstelle anrufen wolle, gehe die durch das Arbeitsgericht dennoch angenommene Verpflichtung des Beklagten, selber initiativ zu werden und die Einigungsstelle anzurufen, am Schutzbereich der Norm vorbei. Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht das geradezu vorsätzliche betriebsverfassungswidrige Verhalten des Gesamtbetriebsrates und seines Bevollmächtigten nicht ausreichend gewürdigt. Ein derart agierender Betriebsrat sei nicht schutzwürdig. Dies habe auf der Rechtsfolgenseite auch Auswirkungen auf den Anspruch des jeweiligen Arbeitnehmers. Ein derartiges Verhalten sei rechtsmissbräuchlich.

Da der Bevollmächtigte des Gesamtbetriebsrates anlässlich des vorliegenden Verfahrens geäußert habe, er habe dafür Sorge zu tragen, dass der Arbeitgeber in die Falle des Nachteilsausgleiches tappe und er dies sehr gerne mache, werde auch der individualrechtliche Anspruch der klagenden Partei treuwidrig, in jedem Fall jedoch hinsichtlich der Höhe rechtsmissbräuchlich ausgeübt.

Außerdem seien die insolvenzrechtlichen Besonderheiten zu berücksichtigen. Dies gelte insbesondere für den Rechtsgedanken aus § 122 InsO, nach dem die Durchführung eines Interessenausgleichsverfahrens nach § 112 Abs. 2 BetrVG nicht zumutbar sei, wenn die wirtschaftliche Lage des Insolvenzunternehmens dies nicht zulasse.

Insbesondere in einem massearmen Insolvenzverfahren sei es unmöglich, dass eine Einigungsstelle zusammentrete, da es dem Insolvenzverwalter an jeglichen finanziellen Mitteln für die Bezahlung der Einigungsstellenmitglieder oder sonstigen Auslagen mangele. In massearmen Verfahren treffe den Insolvenzverwalter die unmittelbare Pflicht, derartige Verpflichtungen zu Lasten der Masse zu vermeiden. Wenn der Insolvenzverwalter in diesen Fällen gezwungen werde, eine Einigungsstelle anzurufen, sei dies eine unangebrachte Förmelei. Der insoweit zu beachtende umfassende insolvenzrechtliche Schutz der Masse finde sich in §§ 123 bis 127 InsO klar wieder. Insbesondere greife auch der Rechtsgedanke, dass dem Arbeitnehmer maximal ein Nachteilsausgleich von bis zu 2 ½ Monatsverdiensten zugestanden werden könne.

Berücksichtigung finden müsse auch, dass vorliegend das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates durch einen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsakt eingeschränkt gewesen sei. Bei rechtssystematischer Betrachtung bedürfe der Nachteilsausgleichsanspruch der Kausalität zwischen dem arbeitgeberseitigen Handeln und der Entlassung der Arbeitnehmer. Sei allerdings eine staatliche Konzession für einen Spielvertrieb unverzichtbar, so werde man die erforderliche Kausalität schlicht nicht annehmen können, wenn die Zulassung durch Dritte und nur dadurch dem Spielbankbetrieb jegliche Grundlage entzogen worden sei. Der Verwaltungsakt vom 20.01.2012, mit dem die Zulassung zum Spielbankenbetrieb entzogen worden sei, sei nicht vom Willen der Insolvenzschuldnerin abhängig gewesen. Eine Betriebsstilllegung i. S. d. § 113 BetrVG stelle auf eine Entscheidungsmöglichkeit des Arbeitgebers ab. Diese sei jedoch nach Entzug der staatlichen Konzession nicht mehr gegeben. Vielmehr sei der Arbeitgeber in einer derartigen Situation fremdbestimmt. Mit dem Entzug der Spielbankenkonzession sei das Schicksal der Insolvenzschuldnerin besiegelt gewesen. Ein weiteres operatives Tätigsein sei von einem Tag auf den anderen rechtlich unmöglich geworden. Dies habe das Arbeitsgericht verkannt. Die Betriebsstilllegung sei daher jedenfalls (wenn nicht bereits vorher) unmittelbar durch den Verwaltungsakt erfolgt. Darüber hinaus sei die Betriebsänderung nicht '"geplant" i. S. v. § 113 BetrVG, da den Spielbanken durch öffentlich-rechtlichen Verwaltungsakt die Grundlage entzogen worden sei. Auch müsse daran erinnert werden, dass der Beklagte als vorläufiger schwacher Insolvenzverwalter Kündigungen nicht habe eigenhändig aussprechen können. Dieses Recht sei ihm erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich gewesen.

Das Arbeitsgericht habe aber auch die Frage, wann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit der Durchführung einer Betriebsänderung begonnen worden sei, nicht treffend beurteilt. Das Arbeitsgericht habe die Begrifflichkeiten verkannt. Denn wenn ein Arbeitgeber die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung gekündigt habe, sei dies die Vollendung einer Betriebsänderung und könne nicht den Beginn der Durchführung darstellen. Die vom Arbeitsgericht angenommene Theorie eines einheitlichen unternehmerischen Planes verkenne die rechtliche Systematik. Unstreitig seien sämtliche Mitarbeiter bereits im Mai 2011 freigestellt worden. Bereits hierin liege eine Stilllegung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin. Diese sei jedoch vor Insolvenzeröffnung vorgenommen worden und könne daher nicht zur Annahme einer Masseverbindlichkeit führen. Außerdem sei von dem Beklagten zu keinem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes beabsichtigt gewesen, sondern allenfalls insolvenzrechtliche Lösungen.

Im Übrigen müsste man berücksichtigen, dass der Bevollmächtigte der Spielbanken bereits im Mai 2011 mitgeteilt habe, den Spielbetrieb in M. mit Wirkung zum 13.05.2011 einzustellen. Gleiches gelte für den Spielbetrieb in H. und W. ab dem 18.05.2011. Auch seien schon durch die Ordnungsverfügungen vom 13.05. und 17.05.2011 die jeweils für die Schließung der Spielbankenstandorte erforderlichen Sicherungsmaßnahmen getroffen worden. Jedenfalls liege diese in der Reaktion des Arbeitgebers, die Arbeitnehmer freizustellen. Dass die Freistellung der Arbeitnehmer eine Betriebseinstellung darstellen könne, habe das LAG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 22.01.2013 - L 8 AL 12/12 - festgestellt. Insoweit sei eine faktische Betriebseinstellung ausreichend.

Zusammenfassend sei festzustellen, dass mit der Betriebsänderung spätestens mit dem Entzug der für einen Spielbankenbetrieb unverzichtbaren Konzession und damit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen worden sei, so dass in keinem Fall eine Masseverbindlichkeit anzunehmen sei. Außerdem habe bereits das Bundesarbeitsgericht in den Entscheidungen vom 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 - und vom 03.04.1990 - 1 AZR 150/89 - angenommen, dass die Betriebsstilllegung durch Freistellung der Arbeitnehmer vollzogen werden könne oder lediglich eine einfache Insolvenzforderung vorliege, wenn die Arbeitsverhältnisse erst durch den Insolvenzverwalter beendet würden.

Wesentlich sei jedoch, dass es sich bei der geltend gemachten Forderung nicht um eine Masseverbindlichkeit i. S. v. § 55 Abs. 1 InsO handele. So habe das Bundesverfassungsgericht - 2 BvR 485/80 und 486/80 - zu einer Vorgängerregelung aus der Konkursordnung festgestellt, dass für eine richterliche Rechtsfortbildung durch das Bundesarbeitsgericht (s. BAG GS, Urteil vom 13. 12. 1978 - 1/77) und der gesetzlich nicht vorgesehenen Anerkennung von Sozialplanansprüchen (aber auch von Nachteilsforderungen) als bevorrechtigte Konkursforderungen vor der Nr. 1 von § 61 Abs. 1 KO kein Raum sei. Entsprechend habe der Insolvenzgesetzgeber bei Einführung der Insolvenzordnung im Jahre 1999 davon abgesehen, Sozialplanansprüche (oder auch Nachteilsausgleichsansprüche) in den Gesetzestext des § 55 InsO, der die Masseverbindlichkeiten regele, aufzunehmen.

Andere Masseverbindlichkeiten als solche i. S. d. § 55 Abs. 1 InsO stünden der gesetzgeberischen Vorgabe entgegen, nach der der Katalog der Masseverbindlichkeiten in § 55 InsO abschließend geregelt sei.

Dass Nachteilsausgleichsansprüche keine Masseverbindlichkeiten darstellten, ergebe sich auch aus Folgendem: Wenn beispielsweise durch eine vorzeitige vom Insolvenzverwalter erfolgte Kündigung von Dienstverhältnissen entstehende unmittelbare Schadensersatzansprüche des Dienstverpflichteten nur Insolvenzforderungen i. S. v. § 38 i. V. m. § 113 Abs. 1 Satz 3 InsO seien, dann müsse dies für "mittelbare" Sanktionen des Nachteilsausgleiches erst recht gelten.

Zwar stehe nicht im Streit, dass es sich bei den Nachteilsausgleichsforderungen um herkömmliche Insolvenzforderungen i. S. v. § 38 InsO handele, jedoch folge hieraus, dass es sich nicht um Masseverbindlichkeiten i. S. v. § 55 InsO handele.

Auch im Hinblick auf die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Spielbetriebes im Jahre 2011 ergebe sich nichts anderes, da eine Wiederaufnahme erst möglich sei, wenn etwas zuvor eingestellt worden sei. Wenn dann eine zeitnahe Wiederaufnahme, die zum 01.08.2011 durch den Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin angekündigt worden sei, nicht erfolge, sei dies die Bestätigung des (endgültig) eingestellten Spielbetriebes.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Anzeige der Masseunzulänglichkeit erst im August 2012 erfolgt sei, da die finanziellen Rahmenumstände nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Anzeige der Massearmut keine wesentliche Veränderung erfahren hätten.

Auch habe das Arbeitsgericht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.01.1979 - 1 AZR 64/76 - nicht hinreichend berücksichtigt.

Da in dem vorliegenden Insolvenzverfahren von Nachteilsausgleichsansprüchen i. H. v. rd. 2,0 Millionen Euro ausgegangen werden könne, würde die Durchführung des Insolvenzverfahrens geradezu ad absurdum geführt, wenn diese als Masseverbindlichkeiten anerkannt würden. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass das Bundesarbeitsgericht für Sozialpläne einen Überforderungsschutz anerkannt habe. Der Gesetzgeber habe in § 123 InsO Sozialplanabfindungen gedeckelt. Masseverbindlichkeiten könnten daher auch nur dort anerkannt werden, wo die Insolvenzmasse eine Gegenleistung des Gläubigers erhalte.

Im Übrigen sei die Masse bereits durch Masseverbindlichkeiten der Sozialversicherungsträger im Rahmen der sog. Differenzlohnansprüche über einen Zeitraum von 4 Monaten in Höhe von rund 400.000,00 € belastet. Durch die Anerkennung von Nachteilsausgleichsansprüchen als Masseforderung erhöhe sich die Inanspruchnahme der Masse weiter. Dies sei nicht hinnehmbar. Insoweit sei auch § 123 Abs. 2 Satz 2 InsO heranzuziehen, wonach die Masse nicht höher als mit einem Drittel für die Berichtigung von Sozialplanforderungen belastet werden dürfe. Die Begrenzungen des § 123 InsO seien auf Nachteilsausgleichsansprüche zu übertragen. Wenn bereits ausgehandelte Sozialplanabfindungen in der Insolvenz gewisse Grenzen nicht überschreiten dürften, die im Übrigen sehr viel detaillierter verhandelt werden könnten, sei dies erst recht bei Unterlassungen im Hinblick auf die Entstehung von Nachteilausgleichsansprüchen der Fall. Dass der Insolvenzgesetzgeber in § 123 InsO eine absolute Grenze für Abfindungen gesehen habe, ergebe sich auch aus § 124 Abs. 3 Satz 2 InsO. Auch § 122 Abs. 1 Satz 2 InsO gehe davon aus, dass Nachteilsausgleichsforderungen generell in den dort geregelten Fällen bereits nicht entstehen könnten.

Da das betriebsverfassungswidrige Verhalten des Beklagten gering gewesen sei - es müsse berücksichtigt werden, dass Verhandlungen über einen Interessenausgleich bis zu dem Monat stattgefunden haben, in dem der Betriebsrat seine Vorstellungen über eine Einigungsstelle kundgetan hatte - könne ein Nachteilsausgleich allenfalls eine Abfindung von 1 - 2 Monatsgehältern rechtfertigen.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 08.01.2014 - 3 Ca 1455/12 - abzuändern und die Klage abzuweisen

sowie die Berufung der Gegenseite zurückzuweisen.

Der Prozessbevollmächtigte der klagenden Partei beantragt,

das Schlussurteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 08.01.2014 abzuändern und festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger einen Anspruch auf Nachteilsausgleich i. S. v. §§ 113 BetrVG als Masseverbindlichkeit schuldet, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, jedoch 25.200,00 € nicht unterschreitet

sowie die Berufung der Gegenseite zurückzuweisen.

Die klagende Partei meint, das Arbeitsgericht habe den Nachteilsausgleich nicht in der richtigen Höhe bestimmt. Hierbei habe das Arbeitsgericht fehlerhaft darauf abgestellt, dass dem Beklagten eine überdurchschnittliche Pflichtvergessenheit nicht unterstellt werden könne und zudem besondere wirtschaftliche Härten bei der klagenden Partei nicht ersichtlich seien.

Von einer überdurchschnittlichen Pflichtvergessenheit des Beklagten könne schon deshalb ausgegangen werden, weil es sich bei diesem um einen äußerst erfahrenen und versierten Insolvenzverwalter handele. Vielmehr habe der Beklagte vorsätzlich gehandelt, als er einen Interessenausgleich nicht hinreichend versucht habe.

Hinsichtlich der Höhe des Nachteilsausgleichsanspruches habe das Arbeitsgericht übersehen, dass bei der Insolvenzschuldnerin überdurchschnittlich gute Arbeitsbedingungen bestanden hätten. Der Verlust des Arbeitsplatzes habe für die klagende Partei umso schwerer gewogen, als sie aufgrund ihrer spezifischen Tätigkeit für die Insolvenzschuldnerin langjährig erworbene Kenntnisse und Erfahrungen nur schwerlich bei einem anderen Arbeitgeber einbringen könne. Dies stelle eine besondere wirtschaftliche Härte dar, die einen höheren Abfindungsbetrag nach sich ziehe.

Entgegen der Annahme des Beklagten habe der Klägervertreter zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass er als Bevollmächtigter des Betriebsrates dafür zu sorgen habe, dass der Arbeitgeber in die Nachteilsausgleichsfalle tappe. Vielmehr habe er ausgeführt,

"... dass es nicht seine Aufgabe als vom Betriebsrat beauftragter Rechtsanwalt sei, dafür Sorge zu tragen, dass ein Arbeitgeber nicht in die Nachteilsausgleichsfalle tappt."

"... und dass der Beklagte das erforderliche Interessenausgleichsverfahren nach § 112 BetrVG nicht ausgeschöpft habe, er habe einen Interessenausgleich nicht ausreichend versucht."

Außerdem habe der Beklagte noch vor der Insolvenzeröffnung entschieden, die Insolvenzschuldnerin im Rahmen eines Mutter-Tochter-Modells fortzuführen; er habe somit gerade nicht die Absicht gehabt, eine angebliche Stilllegungsabsicht des vormaligen Geschäftsführers nur noch umzusetzen. Vielmehr sei die Stilllegung der Insolvenzschuldnerin erst nach der Insolvenzeröffnung erfolgt, mithin die geltend gemachte Forderung eine Masseverbindlichkeit und nicht nur eine einfache Insolvenzforderung. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Beklagte noch am 22.02.2012 Sondierungsgespräche geführt habe, welche Möglichkeiten trotz Lizenzentzuges bestünden, um zu einem Übernahmeszenario und eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes zu gelangen.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Durch Beschluss vom 23.07.2015 wurde der ursprünglich für den 29.09.2015 vorgesehene Verkündungstermin der 7. Kammer aufgehoben. Durch Präsidiumsbeschluss 5/16 vom 19. 05. 2016 ging das vorliegende Verfahren mit Wirkung vom 01. 06. 2016 auf die 2. Kammer über.

Gründe

I.

Die gem. § 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1 ArbGG statthafte und zulässige (§ 64 Abs. 2 lit. b ArbGG) Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ebenso begründet worden, §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 519, § 520 ZPO.

Dies gilt auch für die Berufung der klagenden Partei.

II.

Die Berufung des Beklagten ist teilweise begründet; die Berufung der klagenden Partei ist nicht begründet.

1.

Die klagende Partei hat gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Spielbanken Sachsen-Anhalt GmbH einen Anspruch auf Feststellung eines Nachteilsausgleiches i. S. v. § 113 Abs. 3 BetrVG i. V. m. § 10 Abs. 1 und 2 Satz 1 KSchG in Höhe von 8.400,00 € als Masseverbindlichkeit. Die weitergehenden Berufungen des Beklagten und der klagenden Partei waren daher zurückzuweisen.

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Feststellungsantrag der klagenden Partei zulässig. Auch § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO steht ebenfalls nicht entgegen.

aa) Soweit der Beklagte geltend macht, der vorliegend als Nachteilsausgleichanspruch geltend gemachte Feststellungsantrag sei unzulässig, weil der Anspruch zuvor entgegen § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zur Insolvenztabelle angemeldet worden sei, ist diese Auffassung nicht richtig. Denn diese Voraussetzung gilt nur für Insolvenzforderungen, jedoch nicht für Masseverbindlichkeiten. Masseforderungen können nicht zur Tabelle angemeldet werden. Am Feststellungsverfahren nehmen Masseforderungen (§§ 53 - 55 InsO) daher nicht teil, vgl. LAG Hamm, ZIP 2000, 246; Jungmann in: Schmidt, Insolvenzordnung, 19. Aufl., 2016, § 174, Rz. 7 und Rz. 63 sowie Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke, § 174 Rn. 26; BGH, Urteil vom 29.05.2008, IX ZR 45/07, Rn. 29.

Da es sich bei der vorliegend begehrten Feststellung um eine Masseverbindlichkeit i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO handelt - wie noch aufzuzeigen ist -, war ein vorheriger Versuch der Anmeldung zur Insolvenztabelle gem. § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO vor der Klageerhebung nicht notwendig.

bb) Für die vorliegende Klage ist das nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendige Feststellungsinteresse gegeben. Die von der klagenden Partei gewählte Feststellungsklage ist zulässig. Gem. § 210 InsO ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit i. S. d. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig, sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit

angezeigt hat. Die entsprechende Anzeige der Massearmut gegenüber dem Amtsgericht - Insolvenzgericht - ist am 17.08.2012 durch den Beklagten erfolgt.

Entgegen der Auffassung des Beklagten war vorliegend eine Leistungsklage nicht zulässig. Eine Leistungsklage scheidet aus, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit i. S. v. § 208 InsO ein Vollstreckungsverbot i. S. d. § 210 InsO eintritt. Der Klage auf Leistung fehlt dann das Rechtsschutzbedürfnis, vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2001 - 9 AZR 459/00 - AP InsO § 209 Nr. 1 sowie BAG, Urteil vom 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 -, Rz. 26 sowie Urteil vom 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 - sowie vom 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 - Rz. 10 und 11. Der Vorrang der Leistungsklage steht daher in einem solchen Fall der Zulässigkeit einer Feststellungsklage nicht entgegen, vgl. BAG, Urteil vom 29.10.2002 - 1 AZR 80/02 -, ZIP 2003, Seite 1414. Sobald der Insolvenzverwalter allerdings die Unzulänglichkeit der Masse nach § 208 InsO angezeigt hat, wird nach § 210 InsO die Vollstreckung einer zuvor gegründeten Masseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig. Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum lässt das Vollstreckungsverbot das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage entfallen, vgl. BAG vom 11.12.2001 - 9 AZR 495/00 -, NZA 2002, Seite 975 und vom 04.06.2003, a.a.O. sowie BGH vom 03.04.2003, NJW 2003, Seite 2454, Fitting in: BetrVG, Handkommentar, 28. Aufl., 2016, § 113 Rz. 41. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch gegen den Insolvenzverwalter im Wege der Feststellungsklage nach § 256 ZPO geltend machen, vgl. BAG vom 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 -, NZA 2004, Seite 93.

Nur wenn der Anspruch auf Nachteilsausgleich erst nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet wird, handelt es sich um keine Altmasseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO, sondern um eine Neumasseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO, auf die das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO keine Anwendung findet. Sogenannte Neumasseverbindlichkeiten sind daher grundsätzlich weiter im Wege der Leistungsklage zu verfolgen, vgl. Fitting in: a.a.O., Rz. 41 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Auch weitere insolvenzrechtliche Grundsätze führen entgegen der Annahme des Beklagten nicht zu einer Unzulässigkeit der vorliegenden Feststellungsklage. Insbesondere steht die Entscheidung des BGH vom 27. 09. 2001 - IX ZR 71/00 - nicht entgegen, denn dort handelte es sich offensichtlich um keine Masseverbindlichkeit und andererseits um eine Forderung, deren Begründung zwischen Anmeldung zur Tabelle und Feststellungsklage ausgewechselt wurde; mithin ist kein vergleichbarer Sachverhalt gegeben.

cc) § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO steht ebenfalls nicht entgegen, da das Arbeitsgericht durch die Feststellung, dass die klagende Partei gegen den Beklagten einen Nachteilsausgleich i. S. v. § 113 BetrVG hat, den dieser als Masseverbindlichkeit schuldet, nichts anderes festgestellt, als die klagende Partei beantragt hatte. Der Antrag, der sich auf eine festzustellende Verpflichtung des Beklagten bezieht, einen bestimmten Nachteilsausgleich als Masseverbindlichkeit anzuerkennen, weicht inhaltlich hiervon nicht ab.

dd) Schließlich ist der Antrag der klagenden Partei trotz des dem Gericht bzgl. der Höhe eingeräumten Ermessens bestimmt genug i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Antrag der klagenden Partei bezeichnet den erhobenen Anspruch dann konkret, wenn der Rahmen der gerichtlichen Entscheidung erkennbar abgegrenzt (§ 308 ZPO) und der Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft des begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkannt werden kann. Bei Zahlungsklagen hat die klagende Partei zwar grds. eine genaue Bezifferung vorzunehmen, vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., 2016, § 253 ZPO Rz. 14 m. w. N. Ausnahmen bestehen nur, wenn das Gericht zur Schätzung nach § 287 ZPO berufen ist oder die Höhe des Anspruchs vom bisherigen Ermessen des Gerichtes abhängt.

Letzteres ist hier der Fall.

§ 113 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 BetrVG verweisen auf § 10 KSchG. § 10 KSchG billigt dem Arbeitsgericht ein pflichtgemäßes Ermessen bei der Bestimmung der Anspruchshöhe zu, vgl. Kiel in: ErfK, 15. Aufl., 2015, § 10 KSchG Rz. 5. Daher braucht die klagende Partei keinen bezifferten Antrag zu stellen, vgl. Kiel, a.a.O., Rz. 17 i. V. m. § 9 KSchG, Rz. 27. Vorliegend hat die klagende Partei eine Untergrenze für den begehrten Nachteilsausgleich und die aus ihrer Sicht einschlägigen Berechnungskomponenten benannt (vgl. insoweit: Greger in: Zöller, a.a.O., Rz. 14), so dass von einem zulässigen Klageantrag auszugehen ist. Aus diesem Grunde steht auch die Entscheidung des BGH vom 23. 10. 2003 - IX ZR 165/02 nicht entgegen, die i. Ü. nur für Insolvenzforderungen gilt.

b) Der klagenden Partei steht der erstinstanzlich festgestellte Anspruch auf Nachteilsausgleich als Feststellungsanspruch gem. § 113 Abs. 3 BetrVG i. V. m. § 10 Absätze 1 und 2 Satz 1 KSchG als (Alt)Masseverbindlichkeit teilweise i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 in Höhe von 8.400,00 € zu.

Nach § 113 Abs. 3 BetrVG hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, wenn der Arbeitgeber eine geplante Betriebsänderung nach § 111 Abs. 1 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben und der Arbeitnehmer infolge der Maßnahme entlassen wird oder andere Nachteile erleidet.

Diese Voraussetzungen sind gegeben.

aa) Die geplante Betriebsänderung i. S. d. § 111 Satz 1 BetrVG ist gegeben. Bei der Beklagten werden regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer - vorliegend rund 80 - beschäftigt. Die Betriebsänderung liegt im vorliegenden Fall in der Entlassung von rund 80 Arbeitnehmern zum selben Zeitpunkt; nämlich in der endgültigen Betriebsstilllegung zum 31.07.2012 aufgrund der Kündigungen vom April 2012. In entsprechender Anwendung des § 112 a Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann eine geplante Betriebsänderung i. S. d. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG sowohl in der Einschränkung als auch in der Stilllegung eines ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen liegen. Vorliegend ist der Betrieb der Beklagten mit ihren Spielbanken in M., H. und W. komplett nach der Insolvenzeröffnung eingestellt worden. Sämtliche Mitarbeiter sind aufgrund der Kündigungen vom April 2012 zum 31.07.2012 entlassen worden. Die von dem Beklagten ausgesprochenen ca. 80 Kündigungen stellen damit eine Betriebsstilllegung dar und gehen außerdem mit einem Personalabbau oberhalb der Größenordnung nach § 17 Abs. 1 KSchG bzw. der Größenordnung nach § 112 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG einher. Sie sind daher in ihrer Gesamtheit als Betriebsänderung i. S. d. § 111 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BetrVG anzusehen.

bb) Ein Interessenausgleich ist zwischen dem Beklagten bzw. der Insolvenzschuldnerin und dem Gesamtbetriebsrat nicht zustande gekommen.

Der Versuch, zu einem Interessenausgleich zu gelangen, ist auch nicht hinreichend versucht worden.

aaa) Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über einen Interessenausgleich bzw. einen Nachteilsausgleich bei Betriebsänderungen (§§ 111 bis 113 BetrVG) gelten auch in der Insolvenz eines Unternehmens. Die §§ 121 ff. InsO setzen die Anwendbarkeit der §§ 111 ff. BetrVG voraus. Ebenso wie jeder andere Arbeitgeber hat auch der Insolvenzverwalter in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Versuch eines Interessenausgleichs zu unternehmen. Die Massearmut der Insolvenzschuldnerin steht dieser Verpflichtung nicht entgegen. Sie war vielmehr nach § 17 Abs. 1 InsO Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der auch dem Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei Stilllegung des Betriebes dienende § 113 Abs. 3 BetrVG ist im Insolvenzverfahren ebenfalls anwendbar. Dies zeigt bereits der Umkehrschluss aus § 122 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 InsO, wonach nur unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendbarkeit ausgeschlossen wird; BAG, Urteil vom 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 -; Urteil vom 04.06.2004 - 10 AZR 586/02 -, Rz. 38; Urteil vom 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 -, Rz. 17.

Dabei richten sich die Pflichten aus §§ 111 ff. BetrVG an den Unternehmer und setzen eine von ihm geplante Betriebsänderung voraus, denn der Unternehmer ist der Rechtsträger des Betriebs, vgl. BAG, Urteil vom 14.04.2015 - 1 AZR 794/13 -, Rz. 16. Dies ist nach der Insolvenzeröffnung der Beklagte.

bbb) Vorliegend hat zwar die Insolvenzschuldnerin bzw. der vorläufige Insolvenzverwalter den Versuch des Abschlusses eines Interessenausgleiches unternommen, als im Oktober 2011 der Entwurf eines solchen Interessenausgleiches an den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden weitergeleitet wurde und sowohl mit diesem als auch mit dem beauftragten Bevollmächtigten des Gesamtbetriebsrates, Rechtsanwalt B., verhandelt werden sollte. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um einen hinreichenden Versuch i. S. d. § 113 Abs. 3 BetrVG.

Einerseits ist - wie bereits festgestellt - ein schriftlicher Interessenausgleich i. S. d. § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht zustande gekommen. Wenn jedoch zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat kein wirksamer Interessenausgleich zustande kommt, muss der Arbeitgeber vor der tatsächlichen Durchführung der Betriebsänderung alle Möglichkeiten einer Einigung über den Interessenausgleich ausschöpfen, um den Rechtsfolgen des § 113 Abs. 3 BetrVG zu entgehen, vgl. BAG, Urteil vom 18.12.1984 - 1 AZR 176/82 -, BAGE 47, 329, 333 sowie vom 09.07.1985 - 1 AZR 323/83-, BAGE 49, 160, 170 sowie vom 20.11.2001 - 1 AZR 97/01 -, BAGE 99, 377, 380 und vom 26.10.2004 - 1 AZR 493/03 -, Rz. 22. Den Arbeitgeber trifft dabei die Obliegenheit, erforderlichenfalls auch die Einigungsstelle anzurufen, vgl. BAG, Urteil vom 18.12.1984, a.a.O. sowie vom 20.04.1994 - 10 AZR 186/93 -, BAGE 76, 255, 260 ff. und vom 26.10.2004, a.a.O., Rz. 22. Nur das weitere Verfahren vor der Einigungsstelle kann zu der notwendigen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit führen. Insoweit wird vom Arbeitgeber - und damit auch vom Beklagten - nichts Unzumutbares verlangt.

Im vorliegenden Fall hat weder der Beklagte noch die Insolvenzschuldnerin die Einigungsstelle angerufen. Dass auch im Insolvenzverfahren die Einigungsstelle anzurufen ist, ergibt sich auch aus § 121 InsO, als dort deren Beteiligung gerade nicht ausgenommen ist.

Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass der Gesamtbetriebsrat die Einigungsstelle nach der Feststellung des Scheiterns des Verfahrens über den Abschluss eines Interessenausgleichs vom 04.03.2012 selber anrufen wollte. Denn letztendlich war zu diesem Zeitpunkt weiterhin festzustellen, dass weder ein Interessenausgleich schriftlich abgeschlossen wurden, noch eine Entscheidung der Einigungsstelle hierüber ergangen war. Die Voraussetzung eines Anspruches aus § 113 Abs. 3 BetrVG - das Fehlen eines umfassenden Einigungsversuches über einen Interessenausgleich - bestand weiterhin. Letztendlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte durch den Gesamtbetriebsrat von einem umfassenden Versuch des Abschlusses eines Interessenausgleiches nicht abgehalten worden ist, denn der Beklagte hätte jederzeit vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigungen - und der darin liegenden Betriebsänderung - die Einigungsstelle anrufen können, wozu er als Rechtsträger des Unternehmens als Partei kraft Amts verpflichtet gewesen wäre. Sein Schreiben vom 25.10.2011, mit dem er von weiteren Gesprächen absehen wollte, sofern der Gesamtbetriebsrat nicht bis zum 27.10.2011 antworte, entlastet ihn hiervon dem Grunde nach nicht.

Dem steht nicht entgegen, dass über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin Massearmut i. S. v. § 208 InsO angezeigt worden ist. Denn der hinreichende Versuch des Abschlusses eines Interessenausgleichs ist nicht davon abhängig, ob eine ausreichende Masse zur Auffüllung eines späteren Sozialplanes gegeben ist. Der hinreichende Versuch eines Interessenausgleichs ist auch unter Berücksichtigung der Notwendigkeit des Anrufes der Einigungsstelle entgegen der Auffassung des Beklagten keine bloße Förmelei.

Wie bereits aufgezeigt, finden die Vorschriften des § 111 - 113 BetrVG auch im Insolvenzverfahren Anwendung. Auch der Insolvenzverwalter muss, um die für die Masse nachteiligen Folgen aus § 113 Abs. 3 BetrVG zu vermeiden, einen Interessenausgleich versuchen, bevor er die Betriebsänderung, im vorliegenden Fall die Betriebsstilllegung in Form der Entlassung aller Mitarbeiter, beginnt. Seine Pflichten aus den §§ 111 ff. BetrVG auf Unterrichtung des Betriebsrates und Verhandlungen über einen Interessenausgleich muss er vorher erfüllen. Diese Verpflichtung entfiel nicht deshalb, weil die Stilllegung des Betriebes die unausweichliche Folge einer wirtschaftlichen Zwangslage war und es zu ihr keine sinnvolle Alternative gab. Zum einen will § 111 BetrVG nach seinem sozialen Schutzzweck alle darin aufgezählten, für die Arbeitnehmer nachteiligen Maßnahmen erfassen, die dem Verantwortungsbereich des Unternehmers zuzurechnen sind. Dies gilt auch für Maßnahmen, die mehr oder weniger durch die wirtschaftliche Situation "diktiert" werden, vgl. BAG, Urteil vom 09.07.1985 - 1 AZR 323/83 -, BAGE 49, 160, 164 ff. sowie vom 22.07.2003, a.a.O., Rz. 17. Andererseits geht es bei dem Interessenausgleich, den der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat zu versuchen hat, nicht nur um die Entscheidung, ob die Betriebsänderung überhaupt erfolgt, sondern auch regelmäßig darum, wie sie durchgeführt werden soll. Der Betriebsrat soll die Möglichkeit haben, im Interesse der Arbeitnehmer auf Modalitäten wie etwa den Zeitpunkt der Entlassungen und Freistellungen oder die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit Abwicklungsarbeiten Einfluss zu nehmen. Welche Vorstellungen der Betriebsrat hierzu entwickeln will und welche Modalitäten er dem Arbeitgeber vorschlägt, ist seine Angelegenheit, vgl. BAG, Urteil vom 18.12.1984 - 1 AZR 176/82 -, BAGE 47, 329, 339 ff. sowie vom 22.07.2003, a.a.O., Rz. 17.

ccc) Zwar hat das BAG in seinem Urteil vom 23.01.1979 ausnahmsweise Verhandlungen über einen Interessenausgleich mit der Erwägung für entbehrlich gehalten, sie seien unter den gegebenen Umständen "nichts anderes als eine leere Formalität gewesen und hätten den betroffenen Arbeitnehmern nur Nachteile bringen können" (vgl. BAG, Urteil vom 23.01.1979 - 1 AZR 64/76 -, EZA BetrVG 1972 § 113 Nr. 9). Diese Entscheidung betraf aber einen Fall, in dem das Konkursverfahren nicht einmal eröffnet, sondern der darauf gerichtete Antrag des Unternehmens mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen wurde. Vorliegend bedarf es keiner Entscheidung, ob außerhalb eines Insolvenzverfahrens weiterhin Fallgestaltungen möglich sind, in denen ausnahmsweise der Versuch eines Interessenausgleichs entbehrlich ist. Im Rahmen eines - wie vorliegend - eröffneten Insolvenzverfahrens ist dies jedenfalls nicht der Fall, vgl. BAG, Urteil vom 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 -, Rz. 18.

Dieser neuen Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts schließt sich die erkennende Kammer an.

Damit ist auch dem Einwand des Beklagten begegnet, der vorliegende Fall - Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei später angezeigter Masseunzulänglichkeit - sei ein sogenanntes "Zwischenverfahren" nach neuer Rechtslage, das die Konkursordnung nicht gekannt habe, weil in solchen Fällen bei Anwendung der Konkursordnung ein solches Verfahren gar nicht eröffnet worden sei. Die Änderung der Rechtslage und die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hierzu führen zu einer anderen Sichtweise.

ddd) Nach neuer hier anzuwendender Rechtslage spricht auch § 122 InsO gegen diese Ansicht des Beklagten und gegen eine Ausnahme von dem notwendigen Versuch, einen Interessenausgleich im Falle der Massearmut abzuschließen.

§ 122 InsO, zu dem es in der außer Kraft getretenen Konkursordnung und Gesamtvollstreckungsordnung keine Entsprechung gab, dient einer zügigen Abwicklung des Insolvenzverfahrens. Nach dem Eintritt der Insolvenz sind häufig umgehend Betriebsänderungen bis hin zur Einstellung der Unternehmenstätigkeit erforderlich. Das Verfahren zum Versuch eines Interessenausgleichs nach § 112 BetrVG kann selbst in der nach § 121 InsO abgekürzten Form hierfür zu zeitaufwendig sein. Daher eröffnet § 122 InsO dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, nach 3-wöchigem ergebnislosen Verhandlungen über einen Interessenausgleich Betriebsänderungen durchzuführen, ohne zuvor das in § 112 Abs. 2 BetrVG vorgesehene Verfahren ausgeschöpft zu haben. Nur bei Durchführung des gerichtlichen Verfahrens nach § 122 InsO ist daher der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet, bei erfolglosen Verhandlungen über einen Interessenausgleich die Einigungsstelle anzurufen. Um Missverständnissen vorzubeugen, muss er allerdings zuvor die Zustimmung des Arbeitsgerichts einholen. Dieses hat nach § 122 Abs. 2 InsO den Antrag vorrangig zu erledigen und die Zustimmung zu erteilen, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens unter Berücksichtigung der sozialen Belange der Arbeitnehmer die Durchführung der Betriebsänderung ohne vorheriges Verfahren nach § 112 Abs. 2 BetrVG erfordert. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts kann gem. § 122 Abs. 3 Satz 1 und 2 InsO nur ausnahmsweise angefochten werden. Diese Vorschriften regeln die Abweichung vom sonst einzuhaltenden Beteiligungsverfahren zum Versuch eines Interessenausgleiches, die wegen der Besonderheiten der Insolvenz geboten sind, erkennbar abschließend. Weitere Einschränkungen oder Ausnahmen von der Verpflichtung des Insolvenzverwalters zum Versuch eines Interessenausgleichs sieht die Insolvenzordnung nicht vor (BT - Drucksache 12/2443, Seite 154). Dies gilt auch, wenn "eine unverzügliche Einstellung der Unternehmenstätigkeit erforderlich [ist], um weitere Verluste zu vermeiden" (BT - Drucksache 12/2444, Seite 153). Selbst in dieser Situation ist nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers der - wenn auch zeitlich befristete - Versuch eines Interessenausgleichs unentbehrlich. Die Beschleunigung des Verfahrens nach § 112 Abs. 2 BetrVG mit dem Ziel der unverzüglichen Betriebsänderung soll durch die gerichtliche Zustimmung nach § 122 Abs. 2 InsO und nicht durch eine Entscheidung des Insolvenzverwalters, die in der Beseitigung des Mitwirkungsrechts des Betriebsrates mündet, erreicht werden, vgl. BAG, Urteil vom 22.07.2003, a.a.O., Rz. 19.

Die Zulassung gesetzlich nicht vorgesehener weiterer Ausnahmen von der Verpflichtung des Insolvenzverwalters, im Falle einer geplanten Betriebsänderung einen Interessenausgleich zu versuchen, liegt auch nicht im wohlverstandenen Interesse der Arbeitnehmer, der übrigen Insolvenzgläubiger und des Insolvenzverwalters. Vielmehr würde sie - auch wegen der Haftung des Insolvenzverwalters nach §§ 60 ff. InsO - zu einer das Insolvenzverfahren erheblich belastenden Rechtsunsicherheit führen. Der Insolvenzverwalter müsste dann ohne entsprechende gesetzliche Vorgaben jeweils prüfen, ob er etwa ausnahmsweise von der Beteiligung des Betriebsrates absehen kann und möglicherweise im Interesse der übrigen Insolvenzgläubiger sogar muss.

Für den Insolvenzverwalter bestehen auch regelmäßig Gestaltungsspielräume, an deren Ausfüllung der Betriebsrat beteiligt werden kann. Diese mögen bisweilen eng begrenzt sein. Gleichwohl ist eine Insolvenzverwaltung kein blinder Automatismus. Anderenfalls wäre die Bestellung eines Insolvenzverwalters sinnlos. Dies gilt auch bei der Abwicklung eines finanziell notleitenden Unternehmens. Auch hier verbleiben und obliegen dem Insolvenzverwalter gestaltende Entscheidungen. So ist zu entscheiden, ob und zu welchem Zeitpunkt der gesamte Betrieb eingestellt wird, ob für Teile desselben nach einem Übernehmer gesucht wird, ob es deshalb möglich und sinnvoll ist, mit einem Teil der Belegschaft die Produktion oder Dienstleistung für eine gewisse Zeit aufrecht zu erhalten und ob zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Realisierung des etwa noch vorhandenen Betriebsvermögens Abwicklungsarbeiten geboten sind. Hierüber kann und muss mit dem Betriebsrat beraten werden. Auf die von dem Beklagten für ausschlaggebend gehaltene Frage, ob noch finanzielle Mittel für einen Sozialplan vorhanden sind, kommt es dabei nicht an. Verhandlungen über einen Interessenausgleich haben nach § 112 BetrVG nicht zwingend den Abschluss eines Sozialplanes zum Ziel.

Auch der Einwand des Beklagten, ein Interessenausgleich habe gar nicht versucht werden können, da kein Geld für Fahrtkosten oder die Mitglieder der Einigungsstelle vorhanden gewesen sei, ist vorliegend irrelevant, da eine solche Ausnahme von dem Versuch eines Interessenausgleichs gesetzlich nicht vorgesehen ist. Die einzige Ausnahme, die insoweit besteht, wäre der Weg nach § 122 InsO gewesen, den der Beklagte jedoch erst verspätet mit dem Verfahren 5 BV 100/12 im Sommer 2012 nach der Betriebsänderung gewählt hat. Zu diesem Zeitpunkt konnte eine solche Ausnahme nach § 122 InsO nicht mehr festgestellt werden. Wenn der Beklagte darüber hinaus behauptet, Rechtsanwalt B. habe als Bevollmächtigter des Gesamtbetriebsrates ständig und wiederholt neben einem Interessenausgleich auch den Abschluss eines Sozialplanes mit Abfindungsregelungen gefordert, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Wenn der Beklagte der Auffassung war, die im Insolvenzverfahren zur Verfügung stehende Masse sei für Sozialplanabfindungen nicht ausreichend, hätte er den Weg über § 122 InsO wählen müssen und einen Dispenz von der Notwendigkeit des Abschlusses eines Interessenausgleiches bzw. der gemeinschaftlichen Verhandlung eines Interessenausgleiches mit Sozialplan erreichen können.

Nach alledem überzeugt die Entscheidung des BAG vom 23. 01. 1979 - 1 AZR 64/79 - nach der Ansprüche aus § 113 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 BetrVG dann nicht entstehen, wenn Ereignisse eingetreten sind, die eine sofortige Schließung des Betriebes unausweichlich machen, ohne zuvor einen Interessenausgleich zu versuchen, nicht mehr.

cc) Der Anspruch aus § 113 Abs. 3 BetrVG entsteht, sobald der Unternehmer mit der Durchführung der Betriebsänderung begonnen hat, ohne bis dahin einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, vgl. BAG, Urteil vom 23.09.2003 - 1 AZR 576/02 -, BAGE 107, Seite 347 und vom 22.11.2005 - 1 AZR 407/04 - sowie vom 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 -, Rz. 17.

Der Unternehmer beginnt mit der Durchführung einer Betriebsänderung, wenn er unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft, vgl. BAG, Urteil vom 04.12.2002 - 10 AZR 16/02 -, BAGE 104, 94 sowie vom 22.11.2005 - 407/04 sowie vom 30.05.2006 a.a.O., Rz. 17.

Eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung besteht in der Aufgabe des Betriebszwecks und gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit, BAG, Urteil vom 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 -. Ihre Durchführung beginnt daher, sobald der Unternehmer unumkehrbare Maßnahmen zur Auflösung der Betriebsorganisation ergreift. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt, vgl. BAG vom 04.12.2002, a.a.O. sowie vom 23.09.2003, a.a.O. und vom 30.05.2006, a.a.O. Ein Insolvenzverwalter muss daher, um Ansprüche aus § 113 Abs. 3 BetrVG zu vermeiden, einen Interessenausgleich versuchen, bevor er die Betriebsänderung, im vorliegenden Fall die Betriebsstilllegung, beginnt. Seine Pflichten aus den §§ 111 ff. BetrVG auf Unterrichtung des Betriebsrates und Verhandlungen über einen Interessenausgleich muss er vorher erfüllen. Die Unterrichtung ist immer dann verspätet, wenn der Arbeitgeber schon mit der Durchführung der Maßnahme begonnen hat, vgl. BAG, Urteil vom 14.09.1976 - 1 AZR 784/75 -.

Vorliegend hat der Beklagte mit der Betriebsänderung nach Maßgabe des Vorstehenden erst nach Insolvenzeröffnung am 06. 02. 2012 begonnen.

aaa) In der tatsächlichen Einstellung des Spielbetriebes im Mai 2011 liegt keine unumkehrbare Maßnahme, da die Wiederaufnahme des Spielbetriebes möglich war. Dies ergibt sich auch aus den Ordnungsverfügungen des MI vom 13. und 17. Mai 2011, die eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen vorgesehen haben. Wenn der Beklagte meint, eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes setze eine vorherige Betriebsstilllegung voraus, so irrt er. Die Stilllegung des Spielbetriebes und die Stilllegung des Betriebes sind zu unterscheiden.

bbb) Im Übrigen gilt es zu berücksichtigen, dass der neue Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, Herr E., noch im Juli 2011 die Wiederaufnahme des Spielbetriebes zum 01.08.2011 auf einer Betriebsversammlung in Aussicht gestellt hatte, wie der Beklagte im Schriftsatz vom 20.06.2016 unter Hinweis auf den Schriftsatz vom 17.05.2014 in dem Revisionsverfahren 1 AZR 186/16 selber vortrug. Auch wenn die Wiederaufnahme des Spielbetriebes am 01.08.2011 dann tatsächlich nicht vollzogen wurde, ist damit noch keine Auflösung der Betriebsgemeinschaft vorgenommen worden, da die Wiederaufnahme des Spielbetriebes jederzeit möglich war. Die Erfüllung der durch die Ordnungsverfügungen festgelegten Voraussetzungen war nicht unmöglich.

ccc) In der Freistellung der Arbeitnehmer im Mai 2011 ist ebenfalls noch keine Stilllegung des Betriebes zu sehen. Denn in der bloßen Nichtbeschäftigung von Arbeitnehmern liegt keine Auflösung der Betriebsorganisation. Auch eine Freistellung der Arbeitnehmer von der Arbeit stellt regelmäßig noch keine Durchführung der Betriebsstilllegung dar, die unumkehrbar ist, zumal eine unwiderrufliche Freistellung von keiner Seite behauptet wurde, vgl. hierzu BAG, Urteil vom 14.04.2015 - 1 AZR 794/13 -, Rz. 27.

ddd) Die Beteiligung des Gesamtbetriebsrates zum Abschluss eines Interessenausgleiches stellt ebenfalls keine Auflösung der Betriebsgemeinschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber dar, da insoweit noch keine endgültigen Schritte eingeleitet worden sind. Die entsprechenden Unternehmungen der Insolvenzschuldnerin bzw. des Beklagten als vorläufiger Insolvenzverwalter im Herbst 2011 streiten daher nicht für eine Betriebsstilllegung.

eee) Dass der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin nicht erreichbar gewesen sein soll, spricht ebenfalls nicht für eine Stilllegungsabsicht vor dem 06. 02. 2012. Denn letztlich haben sowohl der Beklagte und der Geschäftsführer noch im Januar 2012 bei mehreren Besprechungen mit dem MI bzw. MF des Landes Sachsen-Anhalt versucht, den Geschäftsbetrieb wieder aufzunehmen, indem sie sich gegen den drohenden Entzug der Zulassung zum Betrieb von Spielbanken gewährt haben. Sowohl in Besprechungen am 04.01.2012 als auch im darauf folgenden Schriftwechsel mit dem MI haben sowohl der Geschäftsführer als auch der spätere Insolvenzverwalter deutlich gemacht, dass ein Entzug der Zulassung für das Weiterbestehen der Beklagten kontraproduktiv sei. Darüber hinaus hat der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin noch im Januar 2012 mitgeteilt, dass er in konkreten Verhandlungen mit zwei möglichen Investoren stünde. Auch dies zeigt, dass noch im Januar 2012 ein Fortgang des Spielbetriebes der Insolvenzschuldnerin beabsichtigt war.

fff) Entgegen der Auffassung des Beklagten führt auch der Entzug der Zulassung zum Betrieb einer Spielbank vom 20.01.2012 durch das MI nicht unmittelbar zur Betriebseinstellung. Der öffentlich-rechtliche Verwaltungsakt mag der Anlass gewesen sein, den Mitarbeitern zu kündigen. Der Verwaltungsakt über den Entzug der Zulassung war jedoch nicht die Betriebsstilllegung. Denn sowohl der Beklagte als auch die Insolvenzschuldnerin haben diese Maßnahme vor dem VG Magdeburg klagewiese angefochten, vgl. Verfahren VG Magdeburg 3 A 53/12 und 57/12. Selbst wenn diese Maßnahme des MI einem Sofortvollzug unterliegen würde, vgl. § 20 Abs. 2 Satz 5 SpielbG, haben die handelnden Personen - der Beklagte und der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin - durch ihre verwaltungsgerichtlichen Verfahren zum Ausdruck gebracht, dass der Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin noch nicht völlig aufgegeben werden sollte.

ggg) Soweit der Beklagte der Auffassung ist, das Bundesarbeitsgericht habe in einigen Entscheidungen (z. B. vom 22. 07. 2003 - 1 AZR 541/02 - dort Rz. 12) ebenso wie das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2013 - L 8 AL 12/12) eine Betriebseinstellung darin gesehen, dass die Mitarbeiter freigestellt worden sind, ist dies einerseits in neueren Entscheidungen (z. B. BAG vom 14. 04. 2015 - 1 AZR 794/13 - dort Rz. 27), auf die sich die erkennende Kammer stützt, nicht mehr der Fall, zum anderen ist ersichtlich, dass durch die beabsichtigten Maßnahmen des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin bzw. des vorläufigen Insolvenzverwalters im vorliegenden Fall eine andere Sichtweise angebracht ist. Wenn der Beklagte in der Berufungskammerverhandlung vom 29.07.2016 darüber hinaus die Auffassung vertreten hat, bereits im Dezember 2011 sei klar gewesen, dass ein Entzug der Genehmigung für den Betrieb der Spielbanken unmittelbar bevorstehe und damit eine Betriebsstilllegung nicht mehr zu verhindern sei, mag dies seiner damaligen Auffassung und Rechtseinschätzung entsprechen, jedoch streiten einerseits die Verhandlungen vom 04.01./05.01.2012 mit den Behörden des Landes Sachsen-Anhalt aber auch die weiteren Maßnahmen zur Erhaltung der Zulassung in Form der beiden Klagen vor dem Verwaltungsgericht bzw. in einem Fall vor dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt für eine andere Sichtweise - nämlich für diejenige, dass die Betriebsstilllegung vor dem Tag der Insolvenzeröffnung - dem 06.02.2012 - noch nicht endgültig getroffen worden war.

Auf den Vortrag der klagenden Partei im Schriftsatz vom 27. 07. 2016 kam es daher nicht mehr entscheidend an; danach sollen die Rechtsanwälte S. pp. mit Schreiben vom 24.02.2012 einen möglichen Kauf der Geschäftsanteile der Insolvenzschuldnerin, die von der D. gehalten wurden, an zwei Interessenten gegenüber dem MI angezeigt und erst am 19.04.2012 gegenüber dem Beklagten mitgeteilt haben, dass diese Absicht nicht mehr bestehe, vgl. Anlage B 6 zum (2.) Bericht gem. § 156 InsO, Bl. 605/563 R d. A., in dem außerdem mitgeteilt wurde, dass noch für den 22.02.2012 - und damit nach dem 06. 02. 2012 - konzeptionelle Sondierungsgespräche zu einem Übertragungsszenario und einer Wiederaufnahme des Spielbankbetriebes vorgesehen waren, vgl. a.a.O., Bl. 563 R.

hhh) Die Kündigungen der Räumlichkeiten, in denen die Spielbank in M., H. und W. untergebracht war, durch die jeweiligen Vermieter ist ebenfalls kein Indiz für eine abschließende Betriebsänderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Selbst wenn die Räumlichkeiten in M. und W. bereits vor dem 06.02.2012 fristlos gekündigt worden sein sollten - für den Standort M. ist dies bzgl. der Angabe "Januar" im Hinblick auf den Presseartikel vom 06.03.2013 in der M. Volksstimme und den (2.) Bericht gem. § 156 InsO - dort S. 7 = Bl. 563 d. A.) zumindest fraglich -, stellt dies keine endgültige, unumkehrbare Auflösung der Betriebsgemeinschaft dar. Auch unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 6 Spielbankengesetz LSA, wonach der jeweilige Spielort in der Zulassung bestimmt sein muss, sind die fristlosen Kündigungen der Mietverträge unerheblich, da jederzeit ein neuer Spielort in Form einer veränderten Genehmigung bestimmt werden kann.

iii) Wenn der Beklagte darüber hinaus meint, die Insolvenzschuldnerin sei zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, die Auflagen aus der Ordnungsverfügung vom Mai 2011 zu erfüllen, so dass bereits im Sommer 2011 festgestanden habe, dass eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes nicht möglich war, führt dies nicht zu einer Betriebsstilllegung bereits zu diesem Zeitpunkt, wie die weiteren Absichten - die bereits dargestellt sind - zeigen. Die Verhandlungen mit potentiellen Investoren noch bis in den Januar 2012 und darüber hinaus bis in den März/April 2012 hinein und die Klagen vor dem Verwaltungsgericht beweisen gerade das Gegenteil. Es war daher auch auf der Grundlage der Ordnungsverfügungen nicht ausgeschlossen, dass der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden könnte.

jjj) Soweit der Beklagte meint, dass der Abzug des staatlichen Überwachungspersonals in 2011, das im Spielbereich eingesetzt war, ebenfalls für eine Betriebsstillegung vor Insolvenzeröffnung streite, übersieht er, dass dieses - wenn auch mit einem Vorlauf von 4 - 6 Wochen - wieder zur Verfügung gestellt werden konnte. Im Übrigen spricht gegen eine Betriebsstilllegung vor Insolvenzeröffnung, dass sich auch aus der Kündigungserklärung des Beklagten vom April 2012 ergibt, dass "der Unterzeichner bis zuletzt um eine Wiederaufnahme des seit Mai 2011 ruhenden, faktisch bereits eingestellten und sich zunehmend liquidierenden Geschäftsbetriebes und damit (um) den Erhalt der Arbeitsplätze gerungen" habe. Ein Ringen bis zuletzt beinhaltet auch ein Ringen durch den Beklagten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

kkk) Auch die weiteren Argumente des Beklagten führen nicht dazu, dass eine Betriebsänderung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden hat.

2.

a) Demnach ist der vorliegende Anspruch auf einen Nachteilsausgleich i. S. d. § 113 Abs. 3 BetrVG eine Masseforderung i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da die Betriebsänderung nicht vor der Insolvenzeröffnung erfolgte.

Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten Ansprüche, welche aus Handlungen des Insolvenzverwalters oder in sonstiger Weise durch die Verwaltung der Insolvenzmasse entstehen. Darunter sind auch Unterlassungen zu verstehen, sofern der Insolvenzverwalter zu einer Handlung verpflichtet gewesen wäre, Thole in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., 2016, § 55 Rz. 5. Dies ist vorliegend anzunehmen, da er zum Versuch eines Interessenausgleiches nach § 112 Abs. 2 BetrVG verpflichtet war. Die vorliegende Unterlassung des hinreichenden Versuches steht somit einer Handlung i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO gleich. Die Betriebsänderung, auf die hier in Form der Entlassungen vom April 2012 abzustellen ist, wurde nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (06.02.2012) vorgenommen. Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte weder die Insolvenzschuldnerin noch der vorläufige Insolvenzverwalter mit der Stilllegung des Betriebes begonnen. Alle vorherigen Maßnahmen waren nicht unumkehrbar. Zu der Einordnung von Nachteilsausgleichsansprüchen nach § 113 Abs. 3 BetrVG als Masseverbindlichkeiten i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist auch auf die Auffassung in der Literatur zu verweisen, vgl. z. B. Uhlenbruck, InsO, 2015, 14. Aufl., § 55 Rz. 80; Münchener Kommentar zur InsO, 2013, 3. Aufl., § 55, Rz. 191 sowie Kölner Kommentar zur InsO, 2016, 1. Aufl., Rz. 86.

Auch aus § 113 S. 3 InsO ergibt sich nichts anderes. Zwar erwirbt dort der Dienstberechtigte bei einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche, die er als Insolvenzgläubiger geltend machen kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 Abs. 3 BetrVG ebenfalls lediglich Insolvenzforderungen sind. § 113 S. 3 InsO ist nicht analogiefähig. Der eindeutige Wortlaut steht dem bereits entgegen. Im Übrigen stellt der Nachteilsausgleichsanspruch aus § 113 Abs. 3 BetrVG keinen Schadensersatzanspruch dar, sondern einen Anspruch, der betriebsverfassungswidriges Verhalten des Arbeitgebers sanktionieren will. Der Anspruch ist somit nicht in einem Schaden des Arbeitnehmers begründet, wie im Fall der Anwendung der gesetzlichen kürzeren Kündigungsfrist des § 113 InsO im Vergleich zur individuellen Kündigungsfrist, sondern in einem betriebsverfassungsrechtlichen Fehlverhalten, somit gerade in einem Verhalten, das nicht auf einer individuell-rechtlichen Grundlage beruht. Ein "Erst-Recht-Schluss", wie ihn der Beklagte annimmt, ist daher nicht möglich.

b) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 19.10.1983 - 2 BvR 485/80 und 486/80 - stehen vorliegend der Einordnung von Ansprüchen aus § 113 Abs. 3 BetrVG als Masseverbindlichkeit i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich lediglich mit der Einordnung von Sozialplanabfindungsansprüchen als Konkursforderungen nach § 61 KO befasst und die Schaffung einer noch bevorrechtigteren Forderung als dessen Nr. 1 verworfen. In der Randziffer 38 der Entscheidungen (zitiert nach juris) hat das BVerfG lediglich die Einordnung von Sozialplanansprüchen (nicht jedoch von Nachteilsausgleichsansprüchen) als bevorrechtigste Konkursforderung verneint. Der Hinweis in Randziffer 3 stellt dagegen nur die Problemstellung - auch bzgl. Nachteilsausgleichsansprüchen - dar, beinhaltet jedoch keine Lösung, die in Rechtskraft erwuchs. Zu der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, diese seien keine Masseschulden nach § 59 Konkursordnung, - die den Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO entsprechen - hat es sich lediglich dahingehend geäußert, dass diese Auffassung verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Ob insoweit eine andere Auffassung des Bundesarbeitsgerichts verfassungsrechtlich bedenklich sei - wie z. B. die neuere Auffassung der Einordnung von Nachteilsausgleichsansprüchen nach § 113 Abs. 3 BetrVG als Masseverbindlichkeiten nach der InsO -, hat es keine Aussage getroffen. Eine andere einfachrechtliche Auslegung hat es damit nicht in Abrede gestellt. Im Übrigen hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Konkursordnung befasst. Mit der hier anzuwendenden Insolvenzordnung hat es sich nicht befasst. Vorliegend geht es auch nicht um die Einordnung von Ansprüchen vor allen anderen Rangordnungen quasi als Nr. "0", sondern um die Subsumtion der Nachteilsausgleichansprüche unter Nr. 1 des § 55 InsO. Dies ist ein völlig anderer Ansatz. Vorliegend wird keine neue Rechtsgrundlage geschaffen, sondern eine Subsumtion vorgenommen. Daher kann diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu einer alten Rechtslage nicht herangezogen werden.

Außerdem unterscheidet sich § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO erheblich von § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, als in der jetzt geltenden Rechtsordnung neben Handlungen des Insolvenzverwalters auch Maßnahmen, die durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet werden, als Masseverbindlichkeiten eingestuft werden. So weitreichend war § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO nicht gefasst. Die Entscheidung des BVerfG kann daher auf die heutige Rechtslage nicht übertragen werden. Dies gilt auch für die anderen vom Beklagten zitierten Entscheidungen des BVerfG vom 05.11.1987 - 1 BvR 796/81, die sich mit der Auslegung zu § 61 Abs. 1 Nr. 1 lit. e KO befasst und vom 22.03.2015 - 1 BvR 3169/11 -, die sich mit der verfassungsrechtlichen Einordnung von § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO und damit nicht mit einer Subsumtion zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO befasst.

3.

Vorliegend stand der klagenden Partei ein Anspruch auf Feststellung eines Nachteilsausgleichsanspruchs als Masseverbindlichkeit lediglich in Höhe von 8.400,00 € zu.

a) Das erkennende Berufungsgericht hat den Abfindungsanspruch der klagenden Partei in Form des Nachteilsausgleiches unter Berücksichtigung der Maßgaben des § 10 KSchG berechnet. Die klagende Partei war bei Ausspruch der Kündigung 43 Jahre alt und 16 Jahre im Betrieb tätig. Ihr Einkommen betrug 2.100,00 € brutto monatlich. Damit ergab sich unter Berücksichtigung auch der Berufschancen der klagenden Partei - diese verfügte über eine abgeschlossene Ausbildung zum BMSR-Techniker- folgende Berechnung:

16 Jahre Betriebszugehörigkeit x 2.100,00 €: 4 = 8.400,00 €.

Angesichts der abgeschlossenen Berufsausbildung der klagenden Partei und unter Berücksichtigung ihres mittleren Alters sowie unter Bezugnahme auf die weiteren persönlichen Umstände wie etwaige Unterhaltsverpflichtungen ist das Gericht davon ausgegangen, dass die Berufschancen der klagenden Partei nicht derart gering sind, dass von einer Regelabfindung in Höhe von einem halben Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr entsprechend § 1 a KSchG auszugehen ist. Zur berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass der Gesamtbetriebsrat das Verfahren über den Abschluss eines Interessenausgleichs offensichtlich in die Länge gezogen hat und das betriebsverfassungsrechtliche Fehlverhalten des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin bzw. des Beklagten nicht als erheblich, sondern im Hinblick auf die Übersendung eines Interessenausgleiches und das mehrmalige Nachhaken hinsichtlich eines Verhandlungstermins auch im Hinblick auf sein Schreiben vom 25. 10. 2011 als sehr gering zu bewerten ist.

b) Entgegen der Auffassung des Beklagten war eine Begrenzung des Nachteilsausgleichs in entsprechender Anwendung des § 123 Abs. 1 InsO nicht zu erwägen. Der Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG ist in der Insolvenz nicht auf 2 ½ Monatsverdienste begrenzt, wie es z. B. das LAG Niedersachsen in der Entscheidung vom 12.08.2002 - 5 Sa 534/02 - und der Beklagte für möglich erachten.

Für eine analoge Anwendung des § 123 Abs. 1 InsO fehlt es bereits an einer Regelungslücke. Der Fall des unterlassenen Versuchs eines Interessenausgleichs ist hinsichtlich der Höhe des Nachteilsausgleichs durch § 113 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 zweiter Halbs. BetrVG i. V. m. § 10 KSchG ausdrücklich geregelt. Hätte der Gesetzgeber für die Insolvenz eine andere als die in § 10 Abs. 1 und 2 KSchG nominierten Höchstgrenzen vorsehen wollen, hätte es sich aufgedrängt, eine entsprechende Regelung in §§ 121 ff. InsO zu treffen. Dies ist indes nicht geschehen.

Im Übrigen eignet sich § 123 Abs. 1 InsO nicht zu einer analogen Anwendung auf die Nachteilsausgleichsansprüche der einzelnen Arbeitnehmer. § 123 Abs. 1 InsO begrenzt in der Insolvenz das Gesamtvolumen des Sozialplanes auf 2 ½ Bruttomonatsverdienste aller von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer. Ein derartiges Gesamtvolumen wird im Rahmen des § 113 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 BetrVG nicht ermittelt. Die individuellen Ansprüche der Arbeitnehmer auf Nachtragsausgleich stehen nicht in einer Relation zum Gesamtvolumen der Monatsverdienste. Da somit bereits die Auslegung des deutschen Rechts der entsprechenden Anwendung des § 123 Abs. 1 InsO entgegensteht, bedarf es keiner Prüfung, ob eine derartige Beschränkung mit dem Gebot der tatsächlichen Wirksamkeit der Massenentlassungsrichtlinie vereinbar wäre. Auch aus § 124 InsO ergibt sich keine summenmäßige Begrenzung des Nachteilsausgleiches.

c) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hängt der Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG entgegen der Auffassung des Beklagten nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit und der individuellen Leistungsbereitschaft des Arbeitgebers ab.

Bei der Höhe des Nachteilsausgleiches hat das Gericht deshalb die wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers außer Acht zu lassen, vgl. BAG, Urteil vom 20.11.2001 - 1 AZR 97/01 -, BAGE 99, 377, 383 und vom 10.12.1996 - 1 AZR 290/96 - sowie vom 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 -, Rz. 27 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung. Dies folgt aus der Funktion des Nachteilsausgleichs, der auch eine Sanktion für das betriebsverfassungsrechtliche Verhalten des Arbeitgebers darstellt und gilt auch in der Insolvenz. Der Nachteilsausgleich hat hier ebenfalls die Funktion, den Insolvenzverwalter zur Beachtung der Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach § 111 Abs. 1 Satz 1 BetrVG anzuhalten und ein betriebsverfassungswidriges Verhalten zu sanktionieren. Auch sind die wirtschaftlichen Nachteile, die der Arbeitnehmer infolge seiner Entlassung erleidet, nicht geringer als bei einer Entlassung außerhalb des Insolvenzverfahrens. Die Interessen der anderen Insolvenzgläubiger gebieten ebenfalls keine Begrenzung oder Minderung des Entschädigungsanspruches. Die Nachteile, die den übrigen Insolvenzgläubigern durch das gesetzwidrige Verhalten eines Insolvenzverwalters und die daraus resultierenden Ansprüche der Arbeitnehmer nach §§ 113 Abs. 3 BetrVG entstehen können, rechtfertigen nicht die Kürzung des Nachteilsausgleichs, sondern sind ggfs. zwischen den Insolvenzgläubigern und dem Insolvenzverwalter über dessen Haftung nach § 60 Abs. 1 InsO abzuwickeln. Gegenteiliges ergibt sich - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch nicht aus der Entscheidung des BAG vom 09.07.1985 - 1 AZR 323/83 -. Daher kommt es auch nicht darauf an, dass der Beklagte von einem Volumen aller Nachteilsansprüche von rd. 2.000.000,00 € ausgeht.

d) Dass die Masse bereits i. H. v. rd. 400.000,00 € durch Differenzlohnansprüche belastet sein mag, führt ebenfalls nicht zu einer Begrenzung des Nachteilsausgleiches. Beides ist grundverschieden von einander.

4.

Alle weiteren Argumente der Parteien, die geprüft wurden, führen nicht zu einem anderen Ergebnis.

III.

Die weitergehende Berufung des Beklagten war daher kostenpflichtig zurückzuweisen. Das Gleiche gilt für die weitergehende Berufung des Klägers.

IV.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO und entsprechen dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen. Da in erster Instanz noch alle Streitgegenstände (Kündigung und Nachteilsausgleich) in einem Verfahren verhandelt wurden, während dies in zweiter Instanz in zwei Berufungsverfahren geschah, war vorliegend eine Abweichung von der einheitlichen Kostenentscheidung zulässig.

V.

Die Revision war zuzulassen. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Auch die Vielzahl der betroffenen Arbeitsverhältnisse spricht hierfür.