LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.01.2017 - 26 Sa 1565/15
Fundstelle
openJur 2019, 39886
  • Rkr:

1. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG setzt eine Ungleichbehandlung, die für den Betroffenen einen eindeutigen Nachteil bewirkt, voraus (vgl. BAG 17. November 2015 - 1 AZR 938/13, Rn. 22; 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08, Rn. 25). Das ist hier der Fall. Wäre die Klägerin nicht schwerbehindert, würde das Vorruhestandsverhältnis nicht am 30. November 2015, sondern erst am 30. November 2017 enden.

2. Die Klägerin befindet sich auch in einer mit einem nicht schwerbehinderten Menschen vergleichbaren Situation. Die Vorruhestandsleistungen haben bei den Personen, denen die Beklagte sie gewährt, die Funktion einer Überbrückung bis zur möglichen Inanspruchnahme einer Altersrente.

Die Bankbediensteten der Beklagten sollen wirtschaftlich so lange abgesichert werden, bis sie das Alter erreichen, ab dem Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden (vgl. BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 750/09, Rn. 34).

3. Der finanzielle Vorteil, der einer schwerbehinderten Arbeitnehmerin aus dem früheren Rentenbeginn erwächst, hat nicht zur Folge, dass ihre Situation eine andere ist, als die eines nicht schwerbehinderten Arbeitnehmers (vgl. EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 62; BAG 12. November 2013 - 9 AZR 484/12, Rn. 23; 17. November 2015 - 1 AZR 938/13, Rn. 24).

4. Mit dem Regelungszweck ist es nicht zu vereinbaren, wenn die Anknüpfung an das gesetzliche Rentenversicherungsrecht dazu führt, dass schwerbehinderte und nicht schwerbehinderte Menschen nicht in gleicher Weise wirtschaftlich abgesichert werden (vgl. BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07, Rn. 58; 15. Februar 2011 - 9 AZR 584/09, Rn. 46).

4. Für den Unterschied bei der Berechnung der Vorruhestandsdauer fehlt es an einem zulässigen Differenzierungsgrund.

5. Rechtsfolge der unzulässigen Ungleichbehandlung ist, dass die Klägerin von der Beklagten verlangen kann, wie eine nicht schwerbehinderte Arbeitnehmerin behandelt zu werden (vgl. BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 548/09, Rn. 53).

6. Zum Entschädigungsanspruch (hier bejaht) und den Voraussetzungen des Laufs der Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 AGG.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. August 2016 - 34 Ca 15510/14 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.

a. Es wird festgestellt, dass das Vorruhestandsverhältnis der Parteien über den 30. November 2015 hinaus bis zum 30. November 2017 fortbesteht.

b. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 4.600 Euro zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 60 vH und die Klägerin 40 vH zu tragen.

3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, wann das Vorruhestandsverhältnis der Klägerin endet sowie ua über Entschädigungs- und Unterlassungsansprüche.

Die im November 1954 geborene Klägerin ist schwerbehindert. Die Beklagte schloss am 24. Juni 2009 mit dem Konzernbetriebsrat einen Interessenausgleich und einen Maßnahmensozialplan. Darin heißt es ua:

"B Vorruhestandsvereinbarungen

Vorruhestandsvereinbarungen können einzelvertraglich zwischen der Bank und Mitarbeitern ab Vollendung des 55. Lebensjahres getroffen werden. Voraussetzung ist, dass für diese Mitarbeiter auch nach entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen kein geeigneter Arbeitsplatz gefunden werden kann. Weitere Voraussetzung ist, dass die Dauer des Vorruhestandes 1/3 der zu Beginn des Vorruhestands erreichten ununterbrochenen Konzernzugehörigkeit grundsätzlich nicht überschreitet...

Die Vorruhestandsbezüge richten sich dabei nach der individuellen Situation, insbesondere der Laufzeit des Vorruhestandes. Als Orientierungswert dient für Mitarbeiter mit einem Bruttomonatsgehalt (ohne VL, ohne Zulagen) von bis zu Euro 3000,- ein Vorruhestandsgeld von mindestens brutto 75 % des letzten Monatsgehalts. Bei Mitarbeitern mit einem höheren Bruttomonatsgehalt beträgt der Orientierungswert mindestens brutto 70 % des letzten Monatsgehalts..."

Mit Schreiben vom 3. August 2009 schrieb die Klägerin an die Beklagte:

"Vorruhestand aus gesundheitlichen Gründen erwünscht, weil durch eine chronische Autoimmunerkrankung sich meine Gesundheit ständig verschlechtert und häufige Erkrankungen die Folge sind. In diesem Jahr bereits an 68 Tagen erkrankt."

Die Anfrage stand im Zusammenhang mit einer Abfrage gewünschter Tätigkeitsbereiche und Einsatzorte, die nicht nur an die von einem Arbeitsplatzverlust bzw. einer Versetzung unmittelbar betroffenen Belegschaftsmitglieder gerichtet war. Die Klägerin war in einem Bereich tätig, der nach Essen verlagert werden sollte.

Die Parteien schlossen am 23. November 2009 eine Vorruhestandsvereinbarung. In der Vereinbarung heißt es ua.:

"1. Das zwischen der Bank und Frau U. bestehende Anstellungsverhältnis wird im beiderseitigen Einvernehmen auf Veranlassung der Bank mit Ablauf des 30.6.2010 beendet...

3. Die Bank gewährt Frau U. mit Wirkung vom 1.7.2010 bis zum 31.7.2015 ein Vorruhestandsgeld. Nach Beendigung dieser Vorruhestandszeit wird Frau U. nach den Bestimmungen der jeweiligen Versorgungsregelung pensioniert...

5. Die Klägerin verpflichtet sich, Rente wegen Erwerbsminderung, gesetzliches Altersruhegeld oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art zum frühestmöglichen Zeitpunkt gegebenenfalls unter Inkaufnahme von Rentenabschlägen zu beantragen. Das Vorruhestandsgeld entfällt mit Beginn des Monats, für den Frau U. Rente wegen voller Erwerbsminderung, gesetzliches Altersruhegeld oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen kann ...

6. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit während der Vorruhestandszeit ist Frau U. nur gestattet, soweit die Vergütung aus dieser Tätigkeit die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV nicht übersteigt. Die Eingehung einer Erwerbstätigkeit im Rahmen der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV während der Zeit des Vorruhestandes durch Frau U. bedarf der vorherigen Zustimmung der Bank...

7. Die Ansprüche aus dieser Vorruhestandsvereinbarung - mit Ausnahme der Regelung für die Pensionierung - erlöschen mit Pensionierung, spätestens jedoch am 31.7.2015. Sollte aufgrund zwischenzeitlicher Gesetzesänderungen eine Inanspruchnahme der gesetzlichen Rente zum 1.8.2015 nicht mehr möglich sein, verlängert sich die Laufzeit des Vorruhestandsvertrages bis zu dem dann geltenden frühestmöglichen Verrentungszeitpunkt gemäß Ziff. 5 Satz 1."

Die Klägerin konnte als schwerbehinderter Mensch Altersrente früher erhalten als ein nicht schwerbehinderter Mensch.

Die Beklagte schloss mit einer anderen Mitarbeiterin, Frau W., die nicht schwerbehindert war und daher keinen Anspruch auf vorzeitiges Altersruhegeld hatte, einen Vertrag mit nahezu wortgleichem Inhalt, allerdings bis 2018. Insoweit wird Bezug genommen auf Anlage K 4 zur Klageschrift. Im Übrigen wandte die Beklagte die Sozialplanregelung nicht nur auf Belegschaftsmitglieder an, die deren Voraussetzungen erfüllen, sondern auch auf sonstige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, soweit die zur Verfügung stehenden Mittel reichten.

Nachdem im Haus der Beklagten Diskriminierungsvorwürfe im Zusammenhang mit dieser Herangehensweise erhoben worden waren, richtete die Beklagte Schreiben an die schwerbehinderten Vorruheständlerinnen und Vorruheständler, so auch an die Klägerin. In dem Schreiben vom 30. November 2012 an die Klägerin heißt es ua:

"... Auf Basis der durch die Rechtsprechung geänderten Rechtslage zur Gleichbehandlung von Versorgungsleistungen bei Vorruhestandsvereinbarungen haben wir uns - unter Einbeziehung des Betriebsrats - entschieden, die Konditionen für Vorruhestände mit schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (im Folgenden "Mitarbeiter") zu verbessern. Mit dem Ziel des Ausgleichs rentenrechtlicher Nachteile wird die Laufzeit von Vorruhestandsverträgen mit schwerbehinderten Mitarbeitern verlängert und in der betrieblichen Altersversorgung werden Sondergutschriften vorgenommen."

Wegen des weiteren Inhalts wird Bezug genommen auf die Anlage K 10 zum Schriftsatz der Beklagten vom 9. März 2015.

Sodann schlossen die Parteien am 8. Dezember 2012 eine ergänzende Vereinbarung, in der der Vorruhestandszeitraum bis zum 30. November 2015 verlängert und nach der die Klägerin eine einmalige Sondergutschrift wegen der Nachteile für schwerbehinderte Vorruheständler im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung ausgezahlt werden sollte. Wegen des Inhalts wird Bezug genommen auf die Anlage B1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 26. Januar 2015. Darin heißt es ua:

"Zur Vermeidung bzw. zum Ausgleich von Nachteilen, die sich bei der gesetzlichen Rente sowie bei der betrieblichen Altersversorgung im Zusammenhang mit der Möglichkeit des vorzeitigen Bezugs von Altersrente wegen Schwerbehinderung ergeben können, wird die zwischen den Parteien geschlossene einzelvertragliche Vorruhestandsvereinbarung wie folgt geändert:

1. Die Laufzeit des Vorruhestandes wird verlängert bis zum 30. November 2015. Ab diesem Datum entsprechen bei anschließender Inanspruchnahme von Altersrente wegen Schwerbehinderung durch Frau U. die individuellen Abschläge in der gesetzlichen Rentenversicherung von Frau U. den Abschlägen von gleichaltrigen, nicht schwerbehinderten Menschen, die zum frühestmöglichen Zeitpunkt Altersrente für langjährig Versicherte (ohne Vertrauensschutz) in Anspruch nehmen (derzeit nach Vollendung des 63. Lebensjahres).

...

Frau U. ist nicht verpflichtet, Altersrente für schwerbehinderte Menschen vor dem 30. November 2015 in Anspruch zu nehmen..."

Im Übrigen wurden in der Vereinbarung Sondergutschriften für die betriebliche Altersversorgung geregelt.

Erstmals mit Schreiben vom 17. Oktober 2014 machte die Klägerin ihre Ansprüche, welche sie jetzt mit der Klage verfolgt, gegenüber der Beklagten geltend. Mit ihrer am 31. Oktober 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Ansicht vertreten, sie sei im Rahmen des Vorruhestandsvertrages diskriminiert worden, weil bei der Bestimmung des Beendigungszeitpunkts des Vorruhestandsverhältnisses an den Zeitpunkt der möglichen vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersruhegeld angeknüpft worden sei. Dadurch werde sie gegenüber nicht schwerbehinderten Mitarbeitern benachteiligt. Das betreffe sowohl die Dauer des Bezugs des Vorruhestandsgeldes als auch die Höhe der Rentenabschläge. Bei vorzeitiger Inanspruchnahme vermindere sich nach § 77 Abs. 2 a SGB VI der Zugangsfaktor. Hierfür gebe es keine Rechtfertigung. Sie falle unter den Maßnahmesozialplan bei der Beklagten. Dieser enthalte bereits das diskriminierende Merkmal, jedenfalls aber die individuellen Vorruhestandsregelungen. Die Beklagte habe mit mindestens einer nicht schwerbehinderten Mitarbeiterin (Frau W.) eine exakt gleichlautende Vereinbarung getroffen. Außerdem hat sie sich auf eine angeblich vergleichbare Regelung mit dem nicht schwerbehinderten Vorruheständler B. bezogen. Durch die Ergänzungsvereinbarung vom 8. Dezember 2012 habe die Beklagte die Benachteiligung wegen der Behinderung fortgesetzt. Das Bemühen der Beklagten um Schadensbegrenzung ändere daran nichts. Sie habe einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung und auf eine Entschädigung in Höhe des Rentenabschlagschadens, welcher bei 40.000 Euro liege. Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche seien nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen. Sie habe erst Anfang September 2014 aufgrund eines Gesprächs im Bekanntenkreis die Hintergründe erfahren. Die Benachteiligung sei auch erst ab dem 1. Dezember 2015 eingetreten. Angesichts des Anschreibens der Beklagten vom 30. November 2012 sei das Berufen auf § 15 Abs. 4 AGG jedenfalls auch treuwidrig. Die Beklagte habe dadurch den Eindruck erweckt, dass diskriminierende Gesichtspunkte vollumfänglich ausgeglichen würden. Die Beklagte habe sie außerdem überhaupt nur wegen ihrer Schwerbehinderung in den Vorruhestand geschickt.

Wegen der erstinstanzlichen Anträge wird Bezug genommen auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie habe kein Interesse am Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis gehabt. Die Klägerin wäre weiter benötigt worden. Sie sei einem Wunsch der Klägerin gefolgt. Die Vereinbarung vom 8. Dezember 2012 stelle die Klägerin hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung so, als ob eine Laufzeit bis zum 30. November 2017 vereinbart worden wäre. Gleiches gelte hinsichtlich der Ansprüche aus der BVV Unterstützungskasse. Im Ergebnis begehre die Klägerin nun eine Besserstellung gegenüber nicht schwerbehinderten Mitarbeitern. Im Übrigen hätte sie mit der Klägerin keine Vereinbarung über sieben Jahre und fünf Monate geschlossen, gleich ob behindert oder nicht. Außerdem gebe der Maßnahmesozialplan die Anknüpfung an die frühestmögliche Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente für Behinderte nicht vor. Ein exakt gleichlautender Vorruhestandsvertrag sei nicht abgeschlossen worden. Wäre die Klägerin nicht schwerbehindert gewesen, wäre mit ihr kein Vorruhestandsvertrag geschlossen worden. Die Alternative wäre also gewesen, keinen Vertrag abzuschließen. Zweck sei die wirtschaftliche Absicherung der Klägerin bis zum frühestmöglichen Anspruch auf gesetzliche Rente gewesen. Ab diesem Zeitpunkt habe kein Sicherungsbedarf mehr bestanden. Die Wertung des EuGH in der Entscheidung vom 12. Oktober 2010 (C-499/08 - Andersen) könne auf Regelungen wie die Vorliegende nicht übertragen werden. Eine Kompensation von Rentennachteilen, die im Einzelfall aufgrund der Erwerbsbiografie eines Arbeitnehmers eintrete oder die auf Rentenabschlägen beruhten, liege außerhalb des Regelungsplans der Betriebsparteien. Ein Vorruhestandsgeld in Höhe von 70 vH stelle eine Sonderleistung dar, die weit über das im Arbeitsleben Übliche hinausgehe. Einem Fortbestand der Vereinbarung stünde auch § 15 Abs. 6 AGG entgegen. Außerdem habe die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 7.850 Euro brutto erhalten, die ihr bei Verlängerung der Vorruhestandsregelung nicht zustünde. Hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs hat sie sich auf § 15 Abs. 4 AGG bezogen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das damit begründet, dass die Klägerin ihren Anspruch nicht auf den Sozialplan stützen könne. Der Vertrag sei auf ihre Bitte zustande gekommen. Durch die Vereinbarung vom 8. Dezember 2012 sei die Diskriminierungsproblematik einvernehmlich beendet und eine bindende Vereinbarung zur endgültigen Dauer des Vorruhestands getroffen worden. Im Übrigen sei eine Diskriminierung jedenfalls bei der Nachtragsvereinbarung auch nicht erkennbar. Das AGG könne daher hier keine tragende Rolle spielen. Der Klägerin sei es verwehrt, weiterhin eine Diskriminierung zu behaupten, nachdem sie die Vorzüge aus der Vereinbarung vom 8. Dezember 2012 in Anspruch genommen habe.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 1. September 2015 zugestellte Urteil am 7. September 2015 Berufung eingelegt und diese - nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfist - mit einem bei dem Landesarbeitsgericht am 1. Dezember 2015 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Zur Begründung der Berufung wiederholt die Klägerin im Wesentlichen unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung ihren erstinstanzlichen Vortrag. Insbesondere sei nicht sie mit ihrem Schreiben vom 3. August 2009 auf die Beklagte zugegangen. Hintergrund sei vielmehr die Verlegung der Pfändungsabteilung von Berlin nach Essen gewesen, in der die Klägerin unstreitig beschäftigt war. Eine Versetzung nach Essen sei - was die Beklagte nicht bestreitet - vertraglich ausgeschlossen gewesen. Außerdem hätte dieser die Behinderung der Klägerin entgegengestanden. Das habe im Vorruhestandsvertrag in der Formulierung "... auf Veranlassung der Bank ..." seinen Niederschlag gefunden. Sie sei befragt worden. Daraufhin habe sie unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, an einer Weiterbeschäftigung interessiert zu sein. Die Beklagte habe es nicht vermocht, sie zu beschäftigen. Es gebe weitere Vergleichspersonen. An sich sei das aber aufgrund der notwendigen hypothetischen Betrachtungsweise gar nicht erforderlich. Es komme nur darauf an, was eine andere Person in einer vergleichbaren Lage erhielte. Die Beklagte habe zudem gegen den Geleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Es sei ihr am 8. Dezember 2012 auch gerade nicht um einen Vergleichsabschluss gegangen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. August 2015 - 34 Ca 15510/14 - abzuändern und

1.

festzustellen, dass das Vorruhestandsverhältnis zu den vereinbarten Bedingungen der Vorruhestandsvereinbarung vom 23. November 2009 in der Gestalt der Ergänzungsvereinbarung vom 8. Dezember 2012 nicht zum 30. November 2015 endet, sondern bis zum 30. November 2017 fortbesteht,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1),

die Beklagte zu verurteilen zu erklären, dass das Vorruhestandsverhältnis zu den vereinbarten Bedingungen der Vorruhestandsvereinbarung vom 23. November 2009 in der Gestalt der Ergänzungsvereinbarung vom 8. Dezember 2012 nicht zum 30. November 2015 endet, sondern bis zum 30. November 2017 fortbesteht,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3.

der Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei Ordnungshaft zu vollziehen ist an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung zu verbieten, sie auf Grund ihrer Schwerbehinderung zu diskriminieren, insbesondere wenn dies geschehe wie mit der Vorruhestandsvereinbarung vom 23. November 2009 in der Gestalt der Ergänzungsvereinbarung vom 8. Dezember 2012,

4.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der Ungleichbehandlung wegen ihrer Schwer-behinderung gemäß Ziffer 5 der Vorruhestandsvereinbarung vom 23. November 2009 entstanden ist und/oder zukünftig entstehen wird.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Auch sie wiederholt im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Der Forderung stehe schon die freiwillige und in Kenntnis der Diskussion getroffene Vereinbarung vom 8. Dezember 2012 entgegen. Die Beschäftigungsmöglichkeit sei für die Klägerin nicht entfallen gewesen. Ein generalisierendes Prinzip habe es bei ihr nicht gegeben. Bezüglich des Herrn B. liege keine vergleichbare Konstellation vor. Er sei gesundheitlich angeschlagen gewesen und habe um ein vorzeitiges Ausscheiden gebeten. Weder der Maßnahmesozialplan noch die im zeitlichen Zusammenhang getroffenen Regelungen gäben die Anknüpfung an die frühestmögliche Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente für behinderte Arbeitnehmer vor. Da die Klägerin nicht in den Anwendungsbereich des Maßnahmesozialplans gefallen sei, sei der Sachverhalt mit dem durch das BAG am 17. November 2015 entschiedenen Fall nicht vergleichbar. Bei Sozialplänen gehe es um die Überbrückungsfunktion der Abfindung. Die vergleichbare Lage bestehe - anders als hier - infolge der Betriebsänderung und dem damit verbundenen Verlust des Arbeitsplatzes. Die Klägerin habe aber gerade keine Nachteile aufgrund einer Betriebsänderung erfahren. Wegen der individuellen Vereinbarungen spiele ein Systemwechsel keine Rolle. Der Klägerin sei auch bekannt, dass sie problemlos hätte weiterbeschäftigt werden können. Eine einheitliche Übersicht über Vorruhestandsverträge gebe es bei ihr nicht, weshalb dazu auch nicht vollständig vorgetragen werden könne. Jedenfalls habe die Klägerin das Recht zur Geltendmachung einer Diskriminierung verwirkt.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien in der Berufungsinstanz und das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 29. September 2017.

Gründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist auch begründet, soweit die Klägerin mit ihr die Feststellung des Fortbestands des Vorruhestandsverhältnisses bis zum 30. November 2017 und eine Entschädigung in Höhe des zuerkannten Betrages begehrt. Insoweit ist die Klage begründet. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, da die Klage unbegründet ist.

1) Das Vorruhestandsverhältnis der Parteien endete nicht am 30. November 2015, sondern frühestens mit Ablauf des 30. November 2017, also nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem ein Vorruhestandsverhältnis mit einem nicht schwerbehinderten Menschen enden würde. Die arbeitsvertragliche Regelung ist jedenfalls insoweit unwirksam (§ 81 Abs. 2 SGB IX iVm. § 7 Abs. 2 iVm. Abs. 1 AGG), als sie dazu führen würde, dass der Vorruhestandszeitraum der Klägerin als schwerbehindertem Menschen im Vergleich zu dem eines nicht schwerbehinderten Menschen kürzerer wäre.

a) Eine mit der Vorruhestandsvereinbarung vom 23. November 2009 iVm der Zusatzvereinbarung vom 8. Dezember 2012 einhergehende Verkürzung des Vorruhestandsverhältnisses bei schwerbehinderten Arbeitnehmern benachteiligt diese wegen ihrer Schwerbehinderung unmittelbar.

aa) Eine unmittelbare Benachteiligung iSv § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt ua vor, wenn ein schwerbehinderter Arbeitnehmer wegen seiner Behinderung eine weniger günstige Behandlung erfährt, als ein nicht schwerbehinderter Arbeitnehmer in einer vergleichbaren Lage. Eine Benachteiligung ist unmittelbar, wenn die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpft (vgl. BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 226/10, Rn. 30 mwN). Von § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG wird auch eine sog. verdeckte unmittelbare Ungleichbehandlung erfasst. Bei dieser erfolgt die Differenzierung zwar nicht ausdrücklich wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Vielmehr wird an ein in dieser Vorschrift nicht enthaltenes Merkmal angeknüpft, das jedoch in einem untrennbaren Zusammenhang mit einem in dieser Vorschrift genannten Grund steht (vgl. BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10, Rn. 23, unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Auch eine zukünftige Maßnahme unterfällt dem Benachteiligungsverbot, wenn eine konkrete Gefahr für eine Benachteiligung besteht (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler § 3 Rn. 27a).

bb) Die an das Merkmal der Schwerbehinderung anknüpfende Ungleichbehandlung benachteiligt die Klägerin unmittelbar iSd § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Sie wird im Rahmen der Vorruhestandsverhältnisse gegenüber Personen in einer vergleichbaren Situation weniger günstig behandelt.

(1) § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG setzt eine Ungleichbehandlung, die für den Betroffenen einen eindeutigen Nachteil bewirkt, voraus (vgl. BAG 17. November 2015 - 1 AZR 938/13, Rn. 22; 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08, Rn. 25). Das ist hier der Fall. Wäre die Klägerin nicht schwerbehindert, würde das Vorruhestandsverhältnis nicht am 30. November 2015, sondern am 30. November 2017 enden. Die damit verbundenen Einkommenseinbußen der Klägerin würden durch den abschlagsfreien Rentenbezug und die zusätzlichen Leistungen der Beklagten in der Vereinbarung vom 8. Dezember 2012 nicht ausgeglichen. Das ist unter den Parteien nicht streitig. Die Vorruhestandsbezüge der Klägerin liegen über den Rentenbezügen, die der Klägerin nach den rentenrechtlichen Vorschriften zustehen. Richtig ist, dass ein gewisser Ausgleich durch die Vereinbarung vom 8. Dezember 2012 erfolgte. Die Klägerin ist dadurch aber im Ergebnis den nicht schwerbehinderten Menschen nicht wirtschaftlich gleichgestellt worden.

(2) Die Regelungen in der Vorruhestandsvereinbarung vom 23. November 2009 iVm der Regelung vom 8. Dezember 2012 knüpfen zwar nicht unmittelbar an die Schwerbehinderteneigenschaft, sondern an die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug einer abschlagsfreien Altersrente an. Dies führt durch die Verkürzung der Vorruhestandszeit bei Schwerbehinderten zu einer Schlechterstellung. Der zur Verkürzung des Vorruhestandverhältnisse führende Grund liegt also allein in einer solchen Rente, die die Arbeitnehmerin aufgrund ihrer Schwerbehinderung beanspruchen kann. Bei der Behinderung, worunter die Schwerbehinderung fällt, handelt es sich um ein in § 1 AGG genanntes Merkmal. Die Verkürzung des Vorruhestandsbezugs betrifft damit ausschließlich Träger dieses Diskriminierungsmerkmals. Der Grund für die Ungleichbehandlung bei der Vorruhestandsdauer steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit einer nach § 1 AGG verbotenen Differenzierung wegen einer Behinderung.

Eine 1954 geborene schwerbehinderte Arbeitnehmerin hatte ab dem auf den achten Monat nach Vollendung des 63. Lebensjahres folgenden Monat Anspruch auf vorzeitige Inanspruchnahme von Altersrente mit Abschlägen (§ 236a Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Nicht schwerbehinderte Menschen konnten nach § 236 Abs. 1 Satz 2 SGB VI erst nach Vollendung des 63. Lebensjahres Altersrente mit Abschlägen in Anspruch nehmen.

(3) Die Klägerin befindet sich auch in einer mit einem nicht schwerbehinderten Menschen vergleichbaren Situation. Die Vorruhestandsleistungen haben bei den Personen, denen die Beklagte sie gewährt, die Funktion einer Überbrückung bis zur möglichen Inanspruchnahme einer Altersrente.

(a) Die Feststellung einer unmittelbaren Benachteiligung iSv § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG setzt voraus, dass die gegeneinander abzuwägenden Situationen vergleichbar sind. Dabei müssen die Situationen nicht identisch sein. Die Prüfung dieser Vergleichbarkeit darf nicht allgemein und abstrakt, sondern muss spezifisch und konkret erfolgen (vgl. BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10, Rn. 29; zur Auslegung der übereinstimmenden Maßgabe in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG ua. EuGH 12. Dezember 2013 - C-267/12 - [Hay] Rn. 32 f. mwN; 10. Mai 2011 - C-147/08 - [Römer] Rn. 41 ff.; 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 67 ff.). Der Vergleich der jeweiligen Situationen ist daher fallbezogen anhand des Zwecks und der Voraussetzungen für die Gewährung der fraglichen Leistungen festzustellen (vgl. BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10, Rn. 29; vgl. auch BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13, Rn. 28, mwN). Die Behandlung der betroffenen Person ist nach § 3 Abs. 1 AGG zu vergleichen mit einer gegenwärtigen, vergangenen oder hypothetischen Behandlung einer anderen Person in einer vergleichbaren Situation.

(b) Vorruhestandsregelungen, ob sie aufgrund eines Sozialplans oder unabhängig davon getroffen werden, haben eine zukunftsbezogene Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern entstehen können. Sie stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar (vgl. BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13, Rn. 23; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08, Rn. 23). Die Vorruhestandsleistungen nach dem Sozialplan, den die Beklagte bei der Klägerin und bei anderen Belegschaftsmitgliedern auch entsprechend anwendet, dienen dazu, Versorgungslücken zu überbrücken, die dadurch entstehen, dass die Anspruchsberechtigten ihre Erwerbstätigkeit bei der Beklagten beenden. Nach der Vorruhestandsvereinbarung sind die Berechtigten nicht befugt, eine Tätigkeit aufzunehmen, deren Vergütung die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV übersteigt. Die Übergangsversorgung hat damit den Charakter einer sozialen Absicherung bis zum Erreichen des Alters, ab dem Altersversorgungsleistungen erbracht werden (vgl. zu der Übergangsversorgung für das Bordpersonal eines Luftfahrtunternehmens BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 678/02 - zu A II 5 der Gründe; für Flugdatenbearbeiter BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 584/09, Rn. 46). Die Bankbediensteten der Beklagten sollen wirtschaftlich so lange abgesichert werden, bis sie das Alter erreichen, ab dem Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden (vgl. BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 750/09, Rn. 34). Hier geht es auch nicht etwa darum, Arbeitnehmer in den Arbeitsprozess wieder einzugliedern. Vielmehr steht im Falle der Vorruhestandsleistungen von vornherein fest, dass deren Bezieherinnen und Bezieher bis zum Renteneintrittsalter über den Geringfügigkeitsbereich hinaus nicht mehr tätig werden. Stattdessen sind sie verpflichtet, frühestmöglich einen Antrag auf Altersrente oder vergleichbare Leistungen zu stellen, die zum Erlöschen des Anspruchs auf Vorruhestandsgeld führen (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation: BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 584/09, Rn. 49).

(c) Mit diesem Regelungszweck ist es nicht zu vereinbaren, wenn die Anknüpfung an das gesetzliche Rentenversicherungsrecht dazu führt, dass schwerbehinderte und nicht schwerbehinderte Menschen nicht in gleicher Weise wirtschaftlich abgesichert werden (vgl. BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07, Rn. 58; 15. Februar 2011 - 9 AZR 584/09, Rn. 46). Ausschluss- und Kürzungsregelungen, die auf sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen verweisen, müssen sich an den Regelungszielen messen lassen (vgl. zu einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung bei vergüteter Altersfreistellung BAG 20. August 2002 - 9 AZR 750/00, zu I 4 c aa der Gründe; 15. Februar 2011 - 9 AZR 584/09, Rn. 46). Die Vorruhestandsvereinbarung überlässt der Empfängerin von Vorruhestandsleistungen abweichend von der sozialversicherungsrechtlichen Regelung nicht die Wahl, ob sie eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen in Anspruch nimmt oder nicht. Der Anspruch auf Vorruhestandsleistungen erlischt ohne Zutun der Versorgungsberechtigten, sobald die Voraussetzungen des Bezugs einer gesetzlichen Altersrente erfüllt sind (vgl. zu gleichgelagerten Fällen bei einer Anknüpfung beim Übergangsgeld an den früheren Renteneintritt bei Frauen: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07, Rn. 46 f.; BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 584/09, Rn. 45).

(d) Die Beklagte schloss mit nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern vergleichbare freiwillige Vorruhestandsvereinbarungen, nach denen die Ansprüche ebenfalls zum frühestmöglichen Renteneintrittszeitpunkt erlöschen. Hieraus folgt für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer eine längere Bezugsdauer als für schwerbehinderte Arbeitnehmer. Die Kammer ist aufgrund des Vortrags der Parteien - auch nach dem protokollierten Ergebnis der Berufungsverhandlung - davon ausgegangen, dass die Beklagte entsprechende Formulierungen regelmäßig in ihre Vorruhestandsvereinbarungen aufgenommen hat. Die Beklagtenvertreterin erklärte in der Verhandlung, dass sie zwar nicht alle Vereinbarungen kenne, aber alle, die sie kenne, hätten eine entsprechende Regelung aufgewiesen. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Beklagte nach der Odar-Entscheidung des EuGH den Schwerbehinderten, mit denen sie Vorruhestandsvereinbarungen getroffen hatte, Änderungsvereinbarungen angeboten hat. Das wäre nicht erforderlich gewesen, wenn sie in den Vorruhestandsverträgen nicht an den Zeitpunkt des frühestmöglichen Renteneintritts angeknüpft hätte.

Es kommt hinzu, dass dann, wenn die Schwerbehinderung der Klägerin während des Vorruhestandsverhältnisses - aus welchen Gründen auch immer - entfallen wäre, das Vorruhestandsverhältnis schon nach dem Inhalt der Vereinbarung mindestens bis zum 30. November 2017 gedauert hätte. Insoweit ist es auch nicht glaubhaft, wenn die Beklagte vorträgt, sie hätte mit der Klägerin - wäre sie nicht schwerbehindert gewesen - wegen der Dauer des Vorruhestandsverhältnisses in diesem Fall kein solches abgeschlossen. Eine Verlängerung hat die Beklagte nach dem Inhalt des Vertrages zB für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Regelung bewusst in Kauf genommen. Außerdem stand dem Vortrag der Beklagten, sie hätte Verträge mit einer solchen Dauer niemals abgeschlossen, entgegen, dass sie mit einer anderen Mitarbeiterin (Frau W.) am selben Tag, an dem die Parteien die Vorruhestandsvereinbarung getroffen haben, eine Vereinbarung über einen Zeitraum bis 2018 abgeschlossen hat. Dieser Umstand ist unter den Parteien nicht streitig. Hintergrund für die Dauer der Vereinbarung war erkennbar der Gesichtspunkt, dass die andere Mitarbeiterin - anders als die Klägerin - nicht zu einem früheren Zeitpunkt Rente wegen einer Schwerbehinderung in Anspruch nehmen konnte. Fälle, in denen anders vorgegangen worden wäre, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

(e) Gemessen hieran ist die Klägerin als eine Arbeitnehmerin, die aufgrund ihrer Behinderung als schwerbehinderter Mensch iSd § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt ist, in Bezug auf ihre wirtschaftlichen Nachteile in der Überbrückungsphase in einer vergleichbaren Situation iSd § 3 Abs. 1 AGG mit nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern, hier zudem, wenn uU auch nicht unmittelbar wegen, so doch im Zusammenhang mit der Verlagerung einer Abteilung, in der die Klägerin tätig war, nach Essen. Ebenso wie die übrigen Belegschaftsmitglieder, die Vorruhestandsvereinbarungen abgeschlossen haben, hat die Klägerin ihren Anspruch auf das bisher gewährte Arbeitsentgelt verloren. Soweit die Beklagte geltend macht, infolge der unterschiedlichen Rentenberechtigung sei die Situation der Klägerin mit der Situation nicht schwerbehinderter Arbeitnehmer nicht vergleichbar, verhilft ihr dies nicht zum Erfolg. Der finanzielle Vorteil, der einem schwerbehinderten Arbeitnehmer aus dem früheren Rentenbeginn erwächst, hat nicht zur Folge, dass seine Situation eine andere ist, als die eines nicht schwerbehinderten Arbeitnehmers (vgl. EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 62; BAG 12. November 2013 - 9 AZR 484/12, Rn. 23; 17. November 2015 - 1 AZR 938/13, Rn. 24).

cc) Für den Unterschied bei der Berechnung der Vorruhestandsdauer fehlt es an einem zulässigen Differenzierungsgrund. Ein Rückgriff auf die in § 3 Abs. 2 AGG genannten Rechtfertigungsgründe ist ausgeschlossen. Auch kann weder von einer positiven Maßnahme iSv § 5 AGG noch von einer zulässigen unterschiedlichen Behandlung unter den in §§ 8 bis 10 AGG genannten Voraussetzungen ausgegangen werden (so auch BAG 17. November 2015 - 1 AZR 938/13, Rn. 24, zur unterschiedlichen Höhe von Sozialplanleistungen wegen der Möglichkeit des vorzeitigen Bezugs von Altersrente).

b) Selbst wenn man davon ausginge, dass die Vorruhestandsregelungen nicht zu einer unmittelbaren Benachteiligung der Klägerin führen, sondern lediglich eine mittelbare Ungleichbehandlung bewirken, hätte dies nicht die Beendigung des Vorruhestandsverhältnisses am 30. November 2015 zur Folge gehabt. Auch bei Anwendung des in § 3 Abs. 2 AGG normierten Prüfungsmaßstabs stellen die Vorruhestandsvereinbarungen der Parteien eine schwerbehinderte Arbeitnehmerin wegen ihrer Behinderung in unzulässiger Weise schlechter als nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer.

aa) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich (§ 3 Abs. 2 AGG). Rechtmäßige Ziele im Sinne der Vorschrift können alle nicht ihrerseits diskriminierenden und auch sonst legalen Ziele sein. Die differenzierende Maßnahme muss allerdings zur Erreichung des rechtmäßigen Ziels geeignet und erforderlich sein und einen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte der Beteiligten darstellen (vgl. BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 584/09, Rn. 42, mwN).

bb) Daran gemessen ist die Regelung in den Vorruhestandsvereinbarungen der Beklagten, der zufolge das Vorruhestandsverhältnis eines schwerbehinderten Arbeitnehmers bereits mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Kalendermonat endet, für den eine abschlagsfreie Altersrente bezogen werden kann, weder durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, noch ist eine Verkürzung der Vorruhestandszeit zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele erforderlich.

(1) Der Umstand, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer eine abschlagsfreie Rente früher in Anspruch nehmen können als nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer, ist - wie oben ausgeführt - nicht geeignet, eine Ungleichbehandlung von schwerbehinderten und nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern zu rechtfertigen (vgl. EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 67 ff.). Die Leistung der Beklagten läge trotz gleicher Ausgangssituation deutlich unter der eines nicht schwerbehinderten Arbeitnehmers gleichen Alters mit einer deutlich längeren Vorruhestandsphase.

(2) Sinn und Zweck der Vorruhestandsregelung erfordern die Verkürzung des Vorruhestandszeitraums nicht. Mit der Vereinbarung verfolgen die Parteien zwei Ziele. Zum einen soll älteren Beschäftigten ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglicht werden. Zum anderen bezweckt sie jedenfalls wohl auch, auf sozialverträgliche Weise eine geplante Umstrukturierung zu erleichtern. Keines der beiden Ziele wird durch eine Verkürzung der Freistellungsphase befördert. Der gleitende Übergang eines schwerbehinderten Arbeitnehmers vom Erwerbsleben in den Ruhestand ist auch dann sichergestellt, wenn die Vorruhestandsphase nicht verkürzt wird. Ebenso wenig steht eine längere Vorruhestandsdauer der Umstrukturierung und ihrer Sozialverträglichkeit entgegen.

c) Rechtsfolge der unzulässigen Ungleichbehandlung ist, dass die Klägerin von der Beklagten verlangen kann, wie eine nicht schwerbehinderte Arbeitnehmerin behandelt zu werden (vgl. BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 548/09, Rn. 53). Dies hat zur Folge, dass das Vorruhestandsverhältnis der Klägerin nicht vor Ablauf des 30. November 2017 endet. Dem steht insbesondere auch § 15 Abs. 6 AGG nicht entgegen. Danach begründet ein Verstoß gegen § 7 AGG keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergäbe sich aus einem anderen Rechtsgrund. Die Klägerin macht derartige Ansprüche nicht geltend.

2) Die Beklagte ist auch verpflichtet, der Klägerin eine angemessene Entschädigung in der zuerkannten Höhe zu zahlen. Dies folgt aus § 15 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SGB IX.

a) Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Die Klägerin hat auch Tatsachen benannt, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung, die sie mit 40.000 Euro bestimmt hat, angegeben (zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags vgl. BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14, Rn. 11).

b) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus (§ 15 Abs. 2 iVm. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG). Er ist verschuldensunabhängig.

aa) Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX die Regelungen des AGG.

bb) Die Klägerin hat nach den Ausführungen unter 1) der Gründe eine ungünstigere Behandlung wegen ihrer Schwerbehinderung erfahren, sodass diese Voraussetzungen erfüllt sind.

c) Der Anspruch ist nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen.

aa) Die Frist zur außergerichtlichen schriftlichen Geltendmachung des Entschädi-gungsanspruchs beginnt gem. § 15 Abs. 4 Satz 2 letzter Halbsatz AGG mit dem Zeit-punkt, in dem die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Bei diskriminierenden Vertragsinhalten kann der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich sein. Anderes gilt bei Dauertatbeständen. Ein Dauertatbestand ist dann gegeben, wenn fortlaufend neue Tatsachen eintreten, die für eine Benachteiligung von Bedeutung sind (vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 705/08, Rn. 59). Nur dann, wenn ein noch nicht abgeschlossener, länger währender Zustand vorliegt, beginnt die Ausschlussfrist nicht vor dessen Beendigung zu laufen. Dagegen liegt ein Dauerzustand dann nicht vor, wenn die für die maßgeblichen Vorgänge bereits abgeschlossen sind und lediglich nachwirken (vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 705/08, Rn. 60, mwN.).

bb) Danach hat die Klägerin ihre Ansprüche im Jahr 2014 fristwahrend geltend gemacht. Denn die Folgen der in den Verträgen angelegten Benachteiligungen sollten sich erst ab dem 1. Dezember 2015 realisieren und dann monatlich fortlaufend bis zum 30. November 2017. Es ging also nicht nur um ein Nachwirken des diskriminierenden Vertragsinhalts, sondern um seine spätere Realisierung, also nicht um die Nach-, sondern um die Auswirkungen.

d) Nach § 15 Abs. 2 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

aa) Bei der Höhe einer festzusetzenden Entschädigung ist zu berücksichtigen, dass sie nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 [Asociatia ACCEPT] - Rn. 63; 22. April 1997 - C-180/95 [Draehmpaehl] - Rn. 24, 39 f.). Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen - indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet -, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 [Asociatia ACCEPT] - Rn. 63 mwN). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (vgl. ua. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11, Rn. 38; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08, Rn. 38; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07, Rn. 82 mwN; 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13, Rn. 44).

bb) Hieran gemessen war ein Betrag in Höhe von 4.600 Euro angemessen, der die geltend gemachten Verzugszinsen bis zum Tag der Verkündung der Entscheidung am 27. Januar 2017 beinhaltet. Der Betrag entspricht etwa zwei Vorruhestandsmonatsbeträgen. Zu berücksichtigen war, dass die Klägerin durch die vorliegende Entscheidung einem nicht schwerbehinderten Menschen uneingeschränkt gleichgestellt worden ist, sodass kein Nachteil verbleibt. Zudem fand Berücksichtigung, dass die Beklagte im Jahr 2012 von sich aus einen gewissen Ausgleich vorgenommen hat. Die seitens der Klägerin geforderte Summe in Höhe von 40.000 Euro hätte diesen Gesichtspunkten nicht Rechnung getragen.

3) Der Geltendmachung der Ansprüche durch die Klägerin steht auch nicht der Abschluss der Vereinbarung vom 8. Dezember 2012 entgegen. Dem Wortlaut lässt sich nicht entnehmen, dass weitergehende Ansprüche der Klägerin ausgeschossen sein sollten. Insbesondere gibt es auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es sich dabei um eine vergleichsweise Regelung handeln sollte. Ein entsprechender Wille der Klägerin ist nicht erkennbar.

III. Die Berufung ist unbegründet, soweit die Klägerin mit ihr die Abänderung der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Unterlassungsklage und einer Schadensersatzforderung dem Grunde nach geltend macht. Insoweit ist die Klage unbegründet.

1) Der Unterlassungsantrag ist unzulässig. Insoweit fehlt es bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis. Durch die Gleichstellung mit den nicht schwerbehinderten Betroffenen wird die Benachteiligung beseitigt. Angesichts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und des bevorstehenden Endes des Vorruhestandsverhältnisses gibt es keine Anhaltspunkte für weitere in Betracht kommende Diskriminierungen seitens der Beklagten. Im Übrigen wäre auch über § 15 Abs. 5 AGG nur ein Anspruch aus § 1004 BGB analog im Betracht gekommen. § 21 AGG betrifft nicht den Schutz von Beschäftigten und Bewerbern vor Benachteiligungen, sondern ausschließlich den Schutz vor Benachteiligungen im Zivilrechtsverkehr im Sinne des § 19 AGG (vgl. BAG 14. November 2013 - 8 AZR 997/12, Rn. 42).

2) Für den auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz von Schäden gerichteten Klageantrag zu 4) fehlt es bereits an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse.

a) Wird Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz entstandener oder künftiger Schäden erhoben, liegt ein Feststellungsinteresse vor, wenn der Schadenseintritt möglich ist, auch wenn Art und Umfang sowie Zeitpunkt des Eintritts noch ungewiss sind. Es muss lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestehen (vgl. BAG 11. August 2016 - 8 AZR 406/14, Rn. 40; offenlassend, ob "die bloße Möglichkeit" genügt: BGH 2. April 2014 - VIII ZR 19/13, Rn. 18).

b) Hier fehlt es bereits an einer gewissen Wahrscheinlichkeit des künftigen Eintritts von Schäden. Durch eine Gleichstellung der Klägerin mit nicht schwerbehinderten Menschen sind die seitens der Klägerin geltend gemachten Nachteile ausgeglichen. Es sind keine Anhaltspunkte für weitere materielle oder immaterielle Schäden vorgetragen worden, die entstanden sind oder sich künftig realisieren könnten. Solche sind auch nicht erkennbar.

IV. Die Kammer hat die Revision für die Beklagte wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Im Übrigen lagen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht vor.