OLG Hamburg, Schlussurteil vom 30.11.2018 - 11 U 35/18
Fundstelle
openJur 2018, 6661
  • Rkr:

Auch der auf § 110 Abs. 1 HGB gestützte Anspruch eines Publikumskommanditisten gegen die Fondsgesellschaft auf Erstattung einer Zahlung an eine Gesellschaftsgläubigerin wird in der Liquidation der Gesellschaft zu einem unselbstständigen Posten der Auseinandersetzungsrechnung.

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29.01.2018, Az. 322 O 293/17, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, in die Auseinandersetzungsrechnung zugunsten des Klägers eine Forderung des Klägers gegen die Beklagte in Höhe von 44.418,48 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.01.2017 einzustellen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 20 % und die Beklagte 80 % zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch den Gegner durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

II. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird festgesetzt auf 44.418,48 Euro.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte, deren Kommanditist er ist, auf Erstattung einer Zahlung in Anspruch, die er in Höhe der Klageforderung an die S… AG erbracht hat.

Der Kläger ist an der Beklagten, einem geschlossenen Immobilienfonds, mit einer Einlage von 250.000,00 DM beteiligt. In den Folgejahren erhielt er gewinnunabhängige Ausschüttungen. Im Jahr 2011 nahm ihn die S… AG als Hauptgläubigerin der Beklagten gemäß § 172 Abs. 4 HGB auf Zahlung in Höhe von 44.418,48 Euro in Anspruch. Anfang 2014 zahlte der Kläger diesen Betrag. Mit seiner Klage hat er die Beklagte auf Erstattung dieser Zahlung gemäß § 110 HGB in Anspruch genommen.

Für die weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil stattgegeben. Zur Begründung hat es Bezug genommen auf die ständige Senatsrechtsprechung, wonach denjenigen Kommanditisten, die Ausschüttungen nicht aufgrund einer Freistellungsvereinbarung zurückgezahlt haben, ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 110 HGB zusteht.

Die Beklagte hat gegen das Urteil, das ihr am 31. Januar 2018 zugestellt worden ist, mit einem am 28. Februar 2018 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 30. April 2018 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, dass ein Anspruch des Klägers nicht bestehe bzw. nicht fällig sei. Selbst wenn dies bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht anders gewesen sein sollte, könne der Kläger seinen Anspruch jetzt nicht mehr durchsetzen, da mit Beschluss vom 15. April 2018 die Auflösung und Liquidation der Beklagten beschlossen worden sei. Hierzu legt sie das Versammlungsprotokoll mit dem Abstimmungsergebnis vor (Anlage B 8).

In der Berufungserwiderung hat der Kläger seine Klage dahin erweitert, dass er hilfsweise die Feststellung begehrt, dass in die Auseinandersetzungsrechnung der Beklagten als unselbstständiger Rechnungsposten zugunsten des Klägers eine Zahlungsforderung des Klägers gegen die Beklagte in Höhe von 44.418,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.01.2014 einzustellen sei.

Mit Schriftsatz vom 20. September 2018 hat die Beklagte den Hilfsantrag mit der Maßgabe anerkannt, dass Zinsen erst seit dem 3. Januar 2017 einzustellen seien.

Die Beklagte beantragt zuletzt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29. Januar 2018 abzuändern und die Klage mit ihrem Hauptantrag abzuweisen.

Der Kläger beantragt zuletzt,

die Berufung zurückzuweisen;

hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 29. Januar 2018 durch Anerkenntnisurteil festzustellen, dass in die Auseinandersetzungsrechnung der Beklagten als unselbstständiger Rechnungsposten zugunsten des Klägers eine Zahlungsforderung des Klägers gegen die Beklagte in Höhe von 44.418,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.01.2017 einzustellen ist.

Der Kläger meint, er sei in Bezug auf seinen Aufwendungsersatzanspruch wie ein Drittgläubiger zu behandeln, sodass insoweit die Durchsetzungssperre nicht eingreife. Im Übrigen würden die Aufwendungsersatzansprüche aller Kommanditisten mit der Hälfte des Liquidationserlöses in Höhe von 11 Mio. Euro befriedigt werden können. Jedenfalls komme eine vorläufige Verteilung nach § 155 Abs. 2 HGB in Betracht.

Der Senat hat mit Beschluss vom 18. Oktober 2018 das schriftliche Verfahren angeordnet. Der Termin, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entsprach, war der 16. November 2018.

II.

1. Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

a) Der Kläger hat zwar nach der ständigen und vom Bundesgerichtshof bestätigten Rechtsprechung des Senats, die der Beklagten hinlänglich bekannt ist, einen Anspruch auf Erstattung des an die S… AG gezahlten Betrages von 44.418,48 Euro gemäß § 110 HGB.

aa) Diesen Anspruch kann er jedoch nicht (mehr) isoliert durchsetzen, nachdem die Beklagte mit Gesellschafterbeschlüssen vom 15. April 2018 aufgelöst wurde und sich im Liquidationsstadium befindet. Diese Beschlüsse hat der Kläger nach Vorlage des Protokolls (Anlage B 8) durch die Beklagte auch nicht mehr in Abrede gestellt. Das ergibt sich insbesondere aus dem Schriftsatz vom 23. Oktober 2018, in dem deutlich wird, dass der Kläger seinen Hauptantrag nur noch deshalb weiterverfolgt, weil er meint, auch im Liquidationsverfahren Zahlung verlangen zu können.

Schon deshalb ist der Vortrag zur Liquidation im Berufungsverfahren zuzulassen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2016 - XI ZR 200/15 -, Rn. 11, juris). Unabhängig davon würde die Zulassung aber auch daraus folgen, dass Auflösung und Liquidation erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht beschlossen wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2010 - I ZR 17/09 -, Rn. 7, juris).

In der Abwicklungsphase der Gesellschaft werden die auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Ansprüche der Gesellschafter gegen die Gesellschaft zu unselbstständigen Posten der Auseinandersetzungsrechnung (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 14. Mai 2018 – 11 U 164/17 –, Rn. 14, juris). Dies gilt auch für einen Anspruch aus § 110 HGB, bei dem es sich nicht um eine Drittforderung handelt (vgl. Roth in Baumbach/Hopt, 38. Auflage 2018, § 110 Rn. 5; Kilian in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2016, § 730 BGB Rn. 14; MüKoHGB/Langhein, 4. Auflage 2016, § 110 Rn. 9; EBJS/Bergmann, HGB, 3. Auflage 2014, § 110 Rn. 27). Ihre sachliche Rechtfertigung findet die Durchsetzungssperre darin, dass hierdurch der Gefahr von Hin- und Herzahlungen während der Dauer der Auseinandersetzung der Gesellschaft begegnet wird und die wechselseitigen Ansprüche grundsätzlich der Schlussrechnung vorbehalten bleiben sollen (BGH, Urteil vom 03. April 2006 - II ZR 40/05 -, Rn. 17, juris).

bb) Eine Ausnahme von diesem Prinzip ist vorliegend nicht zu machen. Die Durchsetzungssperre wird nur dann durchbrochen, wenn schon vor der Auseinandersetzung mit Sicherheit feststeht, dass ein Gesellschafter Aufwendungsersatz in bestimmter Höhe verlangen kann (vgl. Kilian, a.a.O., Rn. 15). Hierfür bedarf es in jedem Fall einer vorläufigen Auseinandersetzungsrechnung (Kilian, a.a.O.).

Ob diese Ausnahme bei Publikumsgesellschaften überhaupt greifen kann, muss nicht entschieden werden.

(1) Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beklagte nicht verpflichtet, nach Befriedigung der Drittgläubigerforderungen die Aufwendungsersatzansprüche derjenigen Kommanditisten zu befriedigen, die - wie der Kläger - die Ausschüttungen durch Zahlung an die SEB AG zurückgezahlt haben, ohne dass sie sich hierzu im Rahmen einer Freistellungsvereinbarung der Beklagten gegenüber verpflichtet hatten. Wie gezeigt werden diese Ansprüche lediglich unselbstständige Rechnungsposten der Auseinandersetzungsrechnung. Eine gesonderte Auseinandersetzung der Beklagten mit denjenigen Kommanditisten, die Ansprüche nach § 110 HGB haben, findet nicht statt.

(2) Der Kläger hat auch nicht dargetan, dass diese Auseinandersetzungsrechnung für ihn mit Sicherheit zu einem Zahlungsanspruch in Höhe von 44.418,48 Euro führen wird. Eine entsprechende Auseinandersetzungsrechnung hat er nicht aufgemacht. Entgegen seiner Auffassung oblag ihm diese Darlegung. Zwar ergibt sich aus § 18 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages (Anlage B 1), dass der Liquidator eine Auseinandersetzungsrechnung zu erstellen hat. Diese will der Kläger jedoch nicht abwarten, sondern bereits zuvor Zahlungen erhalten. Der Kläger übersieht auch, dass bei einer solchen Auseinandersetzungsrechnung der Stand der einzelnen Kapitalkonten zu berücksichtigen ist. Hierzu trägt er nicht einmal in Bezug auf seine eigenen Konten vor.

(3) Weiterhin übersieht der Kläger, dass die erneute Auszahlung der Ausschüttung über § 110 HGB dazu führen würde, dass sich seine Einlage (erneut) verringert. Dies würde zu einem Ungleichgewicht gegenüber denjenigen Kommanditisten führen, die ihre Einlage zumindest in einem höheren Umfang erbracht haben, indem sie die Ausschüttungen teilweise zurückgezahlt und bei der Beklagten belassen haben. Zwar ist der Liquidator grundsätzlich nur dann berechtigt, offene Einlagen zu fordern, wenn und soweit dies zur Durchführung der Abwicklung, d.h. für die Befriedigung der Gläubiger oder für liquidationszweckgemäße Tätigkeiten erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 2018 - II ZR 137/16 -, Rn. 41, juris). Der Liquidator einer Publikums-KG ist jedoch auch berechtigt, den Innenausgleich zwischen den Gesellschaftern vorzunehmen, selbst wenn er hierzu von den Gesellschaftern nicht ermächtigt wurde (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 60). Er kann folglich in die Schlussrechnung den Innenausgleich einbeziehen (vgl. BGH, a.a.O.). Dass die Liquidatorin der Beklagten auch insoweit tätig werden wird, ergibt sich aus ihrem Bericht auf der Gesellschafterversammlung vom 15. April 2018, wonach innerhalb der Gesellschaft unter Beteiligung des Beirats zunächst eine Willensbildung erfolgen soll, wie der Ausgleich zwischen denjenigen Kommanditisten, die die Ausschüttungen zurückgezahlt und bei der Beklagten belassen haben, und denen, die von der Beklagten erfolgreich Aufwendungsersatz geltend gemacht haben, zu erfolgen hat.

Dies wird jedoch zur Folge haben, dass in die Auseinandersetzungsrechnung des Klägers eine Innenausgleichsforderung einzustellen ist. Dabei handelt es sich auch um einen Anspruch der Beklagten. Ausgleichsansprüche der Gesellschafter sind nicht mehr als reine Ansprüche der Gesellschafter untereinander anzusehen, sondern vielmehr als auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhende (Sozial-)Ansprüche der Gesellschaft bzw. gegen die Gesellschaft, deren Ausgleichung mithin auch den Liquidatoren im Rahmen der Vollbeendigung der Gesellschaft zugewiesen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 2018 – II ZR 95/16 –, Rn. 77, juris).

b) Allerdings verbleibt für den Kläger der hilfsweise geltend gemachte Feststellungsanspruch im tenorierten Umfang, den die Beklagte anerkannt hat (§ 307 ZPO).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO. Dabei hat der Senat die Kostenquote aus einem Gebührenstreitwert von 44.418,48 Euro ermittelt. Der Hilfsantrag war entgegen § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG nicht hinzuzusetzen, da er denselben Gegenstand wie der Hauptantrag betraf (Satz 3) und im Übrigen bereits als Minus im Hauptantrag enthalten war. Das Unterliegen des Klägers war mit 20 % zu bemessen, da in diesem Umfang die positive Feststellung hinter der Zahlung zurückbleibt. Für eine Anwendung von § 93 ZPO zugunsten der Beklagten bestand vorliegend kein Grund, denn die Beklagte hatte zur Erhebung der Klage Anlass gegeben.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die Sache wirft keine entscheidungserhebliche klärungsbedürftige Rechtsfrage von fallübergreifender, allgemeiner Bedeutung auf und es ergibt sich auch keine Veranlassung für die Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze. Es ist weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich, dass es für die fallrelevanten Rechtsfragen an einer richtungweisenden Orientierungshilfe fehlt und in der Rechtspraxis daher ein Bedürfnis für Leitentscheidungen besteht. Schließlich sind auch keine Rechtsprechungsdivergenzen zu besorgen.

Vielen Dank für die Einsendung der Entscheidung gilt RiOLG Dr. Büßer.
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