Hamburgisches OVG, Urteil vom 21.09.2018 - 4 Bf 186/18.A
Fundstelle
openJur 2018, 6502
  • Rkr:

Die Einberufung zum Nationaldienst in Eritrea knüpft nicht an einen Verfolgungsgrund im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG an.

Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass Frauen mit Kindern in den militärischen Teil des Nationaldienstes einberufen werden.

Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der eritreische Staat jedem eritreischen Staatsbürger allein deshalb eine Regimegegnerschaft bzw. oppositionelle politische Überzeugung unterstellt, weil er illegal ausgereist ist, dadurch den Nationaldienst nicht ableistet und im Ausland einen Asylantrag gestellt hat.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 8. Mai 2018 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt - über den von der Beklagten bereits zuerkannten subsidiären Schutz hinaus - die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Die 1995 geborene Klägerin ist eritreische Staatsangehörige tigrinischer Volks- und christlich-orthodoxer Religionszugehörigkeit. Nach eigenen Angaben verließ sie Eritrea im Alter von 13 Jahren zusammen mit ihrer Schwester, die nach Abbruch der Schule zum Nationaldienst einberufen worden sei, und lebte bis April 2015 in Äthiopien. Von dort reiste sie über den Sudan, Libyen und Italien im Februar 2016 in das Bundesgebiet ein und stellte am 7. Juni 2016 einen Asylantrag. Am 8. Juni 2016 wurde die Klägerin von der Beklagten zu ihren Asylgründen angehört.

Mit Bescheid vom 21. Juli 2016 erkannte die Beklagte der Klägerin subsidiären Schutz zu und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab. Zur Begründung führte sie aus, dass aufgrund des ermittelten Sachverhalts davon auszugehen sei, dass der Klägerin in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG drohe. Die Klägerin sei aber kein Flüchtling im Sinne von § 3 AsylG. Sie habe nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass - entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in ihrem Heimatland - in ihrem Falle die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung erfüllt seien.

Am 5. August 2016 hat die Klägerin gegen den Bescheid Klage erhoben, soweit die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt wurde. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass sie in Eritrea aufgrund ihres Lebensalters - auch als Frau - der Nationaldienstpflicht unterliege. Ihrer illegalen Ausreise sowie der Entziehung vom Nationaldienst komme maßgebliche Bedeutung dafür zu, dass die eritreischen Staatsorgane sie bei einer Rückkehr als Regimegegnerin ansehen würden. Die ihr insoweit drohende strafrechtliche Sanktionierung diene nicht nur der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern auch der Bekämpfung von politischen Gegnern.

Mit Schreiben vom 7. Juli 2017 hat die Klägerin mitgeteilt, dass ihrem Verlobten, einem eritreischen Staatsangehörigen, mit Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2016 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei. Mit diesem habe sie ein gemeinsames, am 24. Januar 2017 in Deutschland geborenes Kind.

Das Verwaltungsgericht hat der Klageschrift vom 5. August 2016 den sinngemäßen Antrag entnommen,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 21. Juli 2016 zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich auf den angefochtenen Bescheid bezogen und ergänzend ausgeführt, dass nach den ihr vorliegenden Informationen keine Anhaltspunkte dafür existierten, dass allein die illegale Ausreise der Klägerin im Alter von 13 Jahren eine Verfolgungsgefahr begründe. Zwar sanktioniere der eritreische Staat die Entziehung und Desertion vom Nationaldienst. Allerdings fehle es an eindeutigen Erkenntnisquellen für die Annahme, dass die Sanktionierung von Nationaldienstverpflichteten, die sich durch Ausreise dem Dienst entzogen hätten, aus politischen Gründen erfolge. Die durch die Rechtsprechung und von ihr, der Beklagten, eingeholten Informationen zur Bestrafung von Rückkehrern bei vorangegangener Entziehung oder Desertion vom Wehr- und Nationaldienst belegten eine generelle Zuschreibung einer Regimegegnerschaft von Rückkehrern nicht. Daher könne der erforderliche Verknüpfungszusammenhang zwischen Verfolgungshandlung und einer (vermuteten) missliebigen politischen Überzeugung im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG nicht festgestellt werden.

Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat das Verwaltungsgericht die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 8. Mai 2018 verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, und hat den insoweit entgegenstehenden Bescheid vom 21. Juli 2016 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die derzeit nationaldienstpflichtige Klägerin habe im Falle einer Rückkehr nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die dortigen Behörden gegen sie aufgrund der Umgehung der nationalen Dienstpflicht außergerichtlich und willkürlich eine Haftstrafe vollstrecken würden, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit unmenschlicher und erniedrigender Behandlung einhergehe. Aus den Berichten des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea ergebe sich, dass der eritreische Staat neben einer illegalen Ausreise auch jede Form der Umgehung des Nationaldienstes bestrafe. Insofern sei es beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin als Deserteurin bzw. Nationaldienstverweigerin behandelt werden würde. Die Verfolgung als Deserteur bzw. Nationaldienstverweigerer drohe allen Personen, die Eritrea im oder kurz vor dem - nach dem Aussehen der Person bestimmten - dienstpflichtigen Alter verlassen hätten, nach Eintritt der Dienstpflicht unfreiwillig wieder einreisten oder sich ihrer Dienstpflicht durch einen Aufenthalt im Ausland dauerhaft entzögen. Die Möglichkeit, in bestimmten Fällen durch Zahlung einer zweiprozentigen Aufbausteuer sowie Unterzeichnung eines Reueformulars einen „Diaspora-Status“ zu erlangen, schütze nicht mit hinreichender Sicherheit vor der drohenden Bestrafung mit Haft unter unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen. Die drohende Bestrafung wegen Umgehung des Nationaldienstes sei auch flüchtlingsschutzrechtlich relevant. Soweit § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG vorsehe, dass eine Bestrafung für die Verweigerung des Militärdienstes dann eine Verfolgungshandlung darstelle, wenn diese in einem Konflikt erfolge und der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fielen, sei die Regelung nicht abschließend. Vielmehr handele es sich um ein Regelbeispiel, dessen Zweck nicht ein Ausschluss von Militärdienst-Fällen sei, die - wie im Fall der Bestrafung von eritreischen Dienstverweigerern - nicht die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG erfüllten. Die der Klägerin drohende Verfolgungshandlung erfolge schließlich auch aus Gründen der politischen Überzeugung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Dies ergebe sich aus dem ideologischen Stellenwert, den der Nationaldienst als „Schule der Nation“ im eritreischen Staat einnehme und wie er in der Nationaldienst-Proklamation von 1995 zum Ausdruck komme. Wer sich dem Nationaldienst entziehe, werde ausweislich verschiedener Erkenntnisquellen als politischer Gegner des Regimes und Verräter angesehen. Gründe, die gemäß § 3 Abs. 2 bis 4 AsylG zum Ausschluss der Flüchtlingseigenschaft führten, seien ebenso wenig ersichtlich wie Akteure, die der Klägerin Schutz bieten könnten (§ 3d AsylG), oder eine inländische Fluchtalternative (§ 3e AsylG).

Gegen diesen ihr am 11. Mai 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 16. Mai 2018 die Zulassung der Berufung beantragt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht entscheidungstragend die allgemeine Tatsachenannahme zugrunde gelegt habe, eritreischen Staatsangehörigen, die illegal das Land verlassen oder nicht in Eritrea gelebt und zuvor den Nationaldienst nicht abgeleistet hätten, drohe bei Rückkehr Verfolgung in Anknüpfung an einen der in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe, weil die eritreischen Behörden eine Verweigerung der Ableistung des Nationaldienstes zum Anlass nähmen, auf eine Regimegegnerschaft der betroffenen Person zu schließen, so dass strafrechtliche Sanktionen nicht nur der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern auch der Bekämpfung von politischen Gegnern dienten. Der darin liegenden Tatsachenfrage komme grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu. Die Quellenlage sei keineswegs eindeutig im Sinn der Interpretation des Verwaltungsgerichts zu werten. Vielmehr sei diese Einschätzung in der Rechtsprechung umstritten und dürften dabei die überzeugenderen Gründe für die gegenteilige Sicht sprechen. Anders als das Verwaltungsgericht Hamburg kämen unter Bewertung derselben bzw. in ihrem Aussagegehalt identischen Quellen etwa das Verwaltungsgericht Ansbach, das Verwaltungsgericht Augsburg und das Verwaltungsgericht Regenburg zu dem Ergebnis, dass wegen des hier allein zugrunde gelegten Risikoprofils drohende Verfolgungshandlungen nicht in Anknüpfung an eine unterstellte politische Gegnerschaft (oder einen anderen Verfolgungsgrund) zu befürchten seien. Dass die Praxis der Bestrafung von illegaler Ausreise und Wehrdienstentzug mit willkürlichen Inhaftierungen unter menschenunwürdigen Bedingungen, körperlichen Misshandlungen und Folter massiv elementare Rechtsgrundsätze und Menschenrechte verletze, stehe außer Zweifel. Dieser Umstand führe jedoch nicht zu einem Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling, sondern zur Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG.

Mit Beschluss vom 30. Mai 2018, der Beklagten zugestellt am 5. Juni 2018, hat der Senat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Am 6. Juni 2018 hat die Beklagte ihre Berufung begründet und sich hierzu insbesondere auf ihren Antrag auf Zulassung der Berufung bezogen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 8. Mai 2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und vertieft ihre Auffassung, dass ihr bei einer Rückkehr nach Eritrea Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG drohe. Die Beklagte stütze ihre Auffassung, dass eine Verfolgung durch das eritreische Regime nicht an flüchtlingsrelevante Merkmale anknüpfe, unzutreffenderweise auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Minden und begründe sie im Übrigen mit Verweisen auf Erkenntnisquellen, die teilweise auf rechtliche Bedenken stießen bzw. deren Aussagekraft näher beleuchtet werden müsse. Dies gelte insbesondere für Berichte über sogenannte „Fact Finding Missions“ in Eritrea, in deren Rahmen größtenteils nur Interviews mit eritreischen Regierungsvertretern, ausländischen Diplomaten in Asmara sowie mit anderen, direkt oder indirekt von der eritreischen Regierung abhängigen Akteuren, hätten geführt werden können. Eine Überprüfung durch unabhängige Quellen sei in Eritrea nicht möglich. Die meisten Menschenrechtsorganisationen erhielten keine Einreisebewilligung und internationalen Beobachtern werde kein Zugang zu Gefängnissen und Haftanstalten gewährt. Es widerspreche asylrechtlichen Verfahrensgrundsätzen, sich insoweit auf Angaben und Äußerungen des Verfolgerstaates zu stützen. Der Verweis auf die Möglichkeit, einer Verfolgung wegen illegaler Ausreise und Wehrdienstentziehung durch Zahlung der „2 %-Steuer“ und Unterzeichnung eines Reuebekenntnisses zu entgehen, überzeuge nicht. Von einem Asylsuchenden könne nicht verlangt werden, Gelder an einen mit UN-Sanktionen belegten Staat zu leisten, der damit auch Repressionsmittel finanziere. Zudem betreffe die Möglichkeit, den Diaspora-Status zu erlangen, nur Personen, die sich bereits seit drei Jahren im Ausland befänden und sich nur temporär in Eritrea aufhalten wollten. Eine Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlungen und asylerheblichen Merkmalen im Sinne des § 3 AsylG bestehe deshalb, weil die Flucht vor dem Militärdienst sowie die illegale Ausreise als Hochverrat angesehen würden. Dies ergebe sich aus der zentralen gesellschaftlichen Rolle des Nationaldienstes, weshalb jedwedes Verhalten gegen die Ausübung der Nationaldienstverpflichtung als kritische Abweichung und oppositionelles Verhalten gewertet werde. Dies legten auch Ausführungen in einer Masterarbeit zu dem Thema „Tigrinya-Dolmetscher in Anhörungen vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – Sprich nicht so über Dein Land“ nahe. Danach müssten, wie sich auch aus einer Stellungnahme von Amnesty International an das Verwaltungsgericht Magdeburg vom 2. August 2018 ergebe, Eritreer im Ausland, bevor sie die Dienste eritreischer Botschaften in Anspruch nehmen könnten, ein schriftliches Bekenntnis abgeben, dass sie mit ihrer Flucht vor dem Nationaldienst Hochverrat begangen hätten. Im Übrigen deute auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 25.6.1991, 9 C 131.90, juris) die Härte der Strafe wegen illegaler Ausreise und Nationaldienstverweigerung darauf hin, dass es dem eritreischen Staat nicht nur um eine Disziplinierung, sondern um die Bekämpfung politischer Gegner gehe. Mehrere Erkenntnisquellen legten den Schluss nahe, dass Rückkehrern grundsätzlich misstraut und eine Regimegegnerschaft unterstellt werde. Einzelne Verlautbarungen der eritreischen Regierung seien nicht so zu verstehen, dass sie inzwischen generell von einer Verfolgung von Rückkehrern absehe. Im Übrigen stelle sich nach den vom Bundesverwaltungsgericht in Fällen so genannter Republikflucht angelegten Maßstäben (Urt. v. 3.11.1992, 9 C 23.92, juris) schon allein die drohende Bestrafung wegen illegaler Ausreise als politische Verfolgung dar. Bedrohungen des eritreischen Staates endeten zudem nicht an der eritreischen Grenze, sondern erfolgten auch in Deutschland durch einzelne Dolmetscher oder durch Bedrohungen von noch im Heimatland befindlichen Familienmitgliedern. Wie verschiedene Quellen belegten, führe dies dazu, dass sich eritreische Flüchtlinge auch in der Diaspora nicht trauten, offen zu reden. Das United Kingdom Home Office habe in einer „Operational Guidance Note“ zu Eritrea aus Februar 2014 die Auffassung vertreten, dass eine illegale Ausreise und Wehrdienstentziehung - auch vor der Einziehung zum Wehrdienst - den Flüchtlingsschutz auslöse. Die Unterscheidung, Flüchtlingsschutz erst zu gewähren, wenn die betroffene Person aus dem aktiven Militärdienst fliehe, sei nicht mit den Rechtsgrundlagen der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Asylgesetz vereinbar, da unabwendbar die Einberufung erfolge. Nach den UNHCR-Richtlinien stellten Kriegsdienstverweigerer eine bestimmte soziale Gruppe dar, da sie eine Überzeugung teilten, die für ihre Identität grundlegend sei, und sie auch von der Gesellschaft als eine bestimmte Gruppe angesehen werden könnten.

Schließlich habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass ihr, der Klägerin, sowohl im Falle der Inhaftierung als auch innerhalb des Nationaldienstes, insbesondere im militärischen Teil, geschlechtsspezifische Verfolgung drohe. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention und den UNHCR-Richtlinien werde geschlechtsspezifische Verfolgung als Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe anerkannt. Da geschlechtsspezifische Gewalt in Haft und beim Militär in Eritrea weit verbreitet sei, sei nichts dafür ersichtlich, dass es sich um sogenannte Amtswalterexzesse, die ausnahmsweise nicht dem Staat zuzuordnen wären, handele.

Der Versuch eines Friedens zwischen Eritrea und Äthiopien könne an der Lage der eritreischen Flüchtlinge derzeit nichts Entscheidendes ändern, da noch nicht absehbar sei, wie sich der Friedensprozess weiter entwickeln werde. Unter Berücksichtigung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Maßstäbe zur Ermittlung des Wahrheitsgehalts einer vorgetragenen Verfolgung (Urt. v. 16.4.1985, 9 C 109.84, juris) sei festzustellen, dass der Vorwurf, eritreische Flüchtlinge würden übertreiben, um eine bessere Asylsituation in Europa zu erhalten, dadurch erschüttert werde, dass zahlreiche Erkenntnismittel die gleichen Verfolgungsschicksale darstellten und dass die berechtigten Ängste vor dem eritreischen Staat keine „Erfindung“ eritreischer Asylsuchender in Deutschland seien, sondern sich über die europäischen Staaten zögen und auch in Israel anzutreffen seien.

Der Senat hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört. Die Klägerin hat unter anderem angegeben, inzwischen nicht mehr mit ihrem (früheren) Verlobten zusammen zu leben. Wegen der weiteren Ergebnisse der Anhörung sowie hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21. September 2018 Bezug genommen. Die das Asylverfahren der Klägerin betreffende Akte sowie die Ausländerakte der Klägerin sind vom Senat beigezogen worden. Sie sind ebenso wie die mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung mitgeteilten Erkenntnisquellen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

I.

Die vom Senat mit Beschluss vom 30. Mai 2018 zugelassene Berufung der Beklagten ist zulässig.

Die am 6. Juni 2018 eingegangene Berufungsbegründung genügt den inhaltlichen Mindestanforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO. Danach muss die Berufungsbegründung einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten. Vorliegend enthält der Begründungsschriftsatz der Beklagten den wörtlichen Antrag, „die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts (Az.: 19 A 3719/16) zu ändern und die Klage abzuweisen.“ Damit bringt die Beklagte hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass sie die Änderung des Gerichtsbescheids vom 8. Mai 2018 begehrt und in der Sache ihr erstinstanzliches Begehren vollumfänglich weiterverfolgt. Der Schriftsatz vom 6. Juni 2018 erfüllt auch die Anforderung, die Berufungsgründe anzuführen. Zwar enthält er selbst keine inhaltlichen Ausführungen dazu, weshalb der angegriffene Gerichtsbescheid zu ändern sei, sondern verweist auf die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung vom 16. Mai 2016, in dem die Beklagte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht hat, allerdings kann auch eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen oder ein erschöpfender Verweis auf die Begründung im Zulassungsverfahren nach den Umständen des Einzelfalls für eine ordnungsgemäße Begründung im Sinne des § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO genügen (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 354 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dabei ist der Verweis auf Ausführungen zu einer Grundsatzrüge dann ausreichend, wenn deutlich wird, dass und warum die verwaltungsgerichtliche Entscheidung aus Sicht des Berufungsführers keinen Bestand haben kann (vgl. Seibert, a.a.O., § 124a Rn. 358). Dies ist hier der Fall. Die Beklagte hat in der Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung nicht nur dargelegt, dass die von ihr aufgeworfene Tatsachenfrage, ob die eritreischen Behörden einer Person, die illegal aus Eritrea ausgereist ist und sich dadurch der Ableistung des Nationaldienstes entzieht, allein aufgrund dieser Umstände eine Regimegegnerschaft unterstellen, klärungsbedürftig ist. Vielmehr hat sie dort auch ausgeführt, dass diese Frage aus ihrer Sicht anders als in dem angegriffenen Urteil, nämlich negativ, zu beantworten sei, da die überzeugenderen Gründe für die von ihr vertretene Sicht sprächen (vgl. S. 3 des Zulassungsantrags v. 16.5.2018).

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klage, mit welcher die Klägerin unter teilweiser Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 21. Juli 2016 die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG begehrt, ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 2, 2. Var. VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt der Klägerin nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Bei der auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gerichteten Verpflichtungsklage ist dieses ungeachtet eines bereits zuerkannten subsidiären Schutzstatus im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgestaltung des nachfolgenden Aufenthaltsstatus (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 1, 1. und 2. Alt. AufenthG; § 26 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG) sowie dessen Verfestigungsmöglichkeiten (vgl. § 26 Abs. 3 und 4 AufenthG) unzweifelhaft gegeben (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 11.1.2018, 1 Bf 81/17.A., juris Rn. 20; OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 24).

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die vor dem Hintergrund der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus durch die Beklagte allein streitgegenständliche Versagung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mit Bescheid vom 21. Juli 2016 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht zu, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

a) Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft besteht für die Klägerin zunächst nicht unabhängig von einer eigenen Verfolgung unter Gesichtspunkten des internationalen Schutzes für Familienangehörige. Insoweit kann die Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht gemäß § 26 Abs. 1, 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 AsylG von ihrem in Deutschland geborenen Kind ableiten, selbst wenn man davon ausgeht, dass Vater des Kindes der frühere Verlobte der Klägerin ist, dem die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juni 2016 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat. Denn auch unter der weiteren Annahme, dass dem Kind bereits unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, setzt § 26 Abs. 3 Nr. 2 AsylG für die Ableitung der Flüchtlingseigenschaft von einem minderjährigen Kind weiter voraus, dass die Familie im Sinne des Art. 2 lit. j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der anerkannte Flüchtling - hier das Kind - politisch verfolgt wird. Dies ist hier indes nicht der Fall. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass zwischen der Klägerin und ihrem (früheren) Verlobten eine familiäre Lebensgemeinschaft bereits im gemeinsamen Heimatland Eritrea, aus dem die heute 23-jährige Klägerin schon vor rund 10 Jahren ausgereist ist, bestanden hat (vgl. zu dieser Fallkonstellation auch VGH München, Urt. v. 26.4.2018, 20 B 18.30332, juris Rn. 26, m.w.N.).

b) Der Klägerin ist die Flüchtlingseigenschaft auch nicht aufgrund einer ihr bei Rückkehr in ihr Herkunftsland drohenden flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgung zuzuerkennen. Dabei ist von Eritrea als Herkunftsland auszugehen, da an der eritreischen Staatsangehörigkeit der Klägerin nach dem Inhalt der Niederschrift über deren Anhörung bei der Beklagten keine Zweifel bestehen; auch die Beklagte geht von der eritreischen Staatsangehörigkeit der Klägerin aus. Aufgrund des der Klägerin gewährten subsidiären Schutzstatus ist eine Rückkehr nach Eritrea zum hier gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nur gedanklich bzw. hypothetisch zu unterstellen.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Vorbehaltlich der Ausschlussregelungen des § 3 Abs. 2 und 3 AsylG ist ein Ausländer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die (1.) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Diese Legaldefinition der Verfolgungshandlung, welche Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung, ABl. L 337 S. 9; im Folgenden: RL 2011/95/EU) umsetzt, erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine nähere Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Dabei setzt die Annahme einer Verfolgungshandlung einen gezielten Eingriff in ein nach § 3a Abs. 1 AsylG bzw. Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 11).

§ 3b Abs. 1 AsylG konkretisiert die in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe, wobei es gemäß § 3b Abs. 2 AsylG bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich ist, ob dieser tatsächlich die flüchtlingsschutzrelevanten Merkmale aufweist, sofern ihm diese von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Die Maßnahme muss darauf gerichtet sein, den von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an einen oder mehrere dieser Verfolgungsgründe zu treffen. Ob eine Verfolgungshandlung „wegen“ eines der in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen, nicht hingegen nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86, BVerfGE 80, 315, juris Rn. 44). Die Zielgerichtetheit muss nicht nur hinsichtlich der durch die Verfolgungshandlung bewirkten Rechtsgutverletzung, sondern auch in Bezug auf die Verfolgungsgründe im Sinne des § 3b AsylG, an die die Handlung anknüpft, anzunehmen sein (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 13; Urt. v. 19.1.2009, 10 C 52.07, BVerwGE 133, 55, juris Rn. 22; Beschl. v. 21.11.2017, 1 B 148.17, juris Rn. 17). Für die „Verknüpfung“ reicht ein Zusammenhang im Sinne einer Mitverursachung aus. Gerade mit Blick auf nicht selten komplexe und multikausale Sachverhalte ist nicht zu verlangen, dass ein bestimmter Verfolgungsgrund die zentrale Motivation oder die alleinige Ursache einer Verfolgungsmaßnahme ist. Indes genügt eine lediglich entfernte, hypothetische Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund den Anforderungen des § 3a Abs. 3 AsylG nicht (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 13 m.w.N.).

Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) drohen (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 14; Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23.12, BVerwGE 146, 67, juris Rn. 19; Beschl. v. 15.8.2017, 1 B 120.17, juris Rn. 8). Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Diese Würdigung ist auf der Grundlage einer „qualifizierenden“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Hierbei sind gemäß Art. 4 Abs. 3 RL 2011/95/EU neben sämtlichen mit dem Herkunftsland verbundenen relevanten Tatsachen unter anderem das maßgebliche Vorbringen des Antragstellers und dessen individuelle Lage zu berücksichtigen. Entscheidend ist, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, NVwZ 2018, 140, juris Rn. 14; Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23.12, BVerwGE 146, 67, juris Rn. 32 m.w.N.). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 14 m.w.N.).

Die Tatsache, dass ein Asylsuchender bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist gemäß Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29/17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 15; vgl. Dörig, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Art. 4 Asylum Qualification Directive 2011/95/EU Rn. 30). Die den früheren Handlungen oder Bedrohungen zukommende Beweiskraft ist von den zuständigen Behörden unter der sich aus Art. 9 Abs. 3 RL 2011/95/EU ergebenden Voraussetzung zu berücksichtigen, dass diese Handlungen oder Bedrohungen eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen, den der Betreffende für seinen Antrag auf Schutz geltend macht (EuGH, Urt. v. 2.3.2010, C-175/08 u.a., NVwZ 2010, 505, juris Rn. 94). Fehlt es an einer entsprechenden Verknüpfung, so greift die Beweiserleichterung nicht ein (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 15). Die widerlegliche Vermutung entlastet den Vorverfolgten von der Notwendigkeit, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Sie ist widerlegt, wenn stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften. Diese Beurteilung unterliegt der freien Beweiswürdigung des Tatrichters (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29/17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 15; Urt. v. 27.4.2010, 10 C 5.09, BVerwGE 136, 377, juris Rn. 23).

Grundsätzlich obliegt es dem Asylsuchenden bzw. dem um Flüchtlingsschutz Nachsuchenden, die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass er bei verständiger Würdigung einer Verfolgung im oben genannten Sinne ausgesetzt war bzw. eine solche im Rückkehrfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen unter anderem Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden (vgl. OVG Münster, Urt. v. 14.2.2014, 1 A 1139/13.A, juris Rn. 35, m.w.N.).

Von den in die eigene Sphäre des Asylsuchenden fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, zu unterscheiden sind die in den allgemeinen Verhältnissen des Herkunftslandes liegenden Umstände, die eine begründete Furcht vor Verfolgung rechtfertigen sollen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.1983, 9 C 68.81, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 44, juris Rn. 5). Hinsichtlich dieser Verhältnisse reicht es wegen seiner zumeist auf einen engeren Lebenskreis beschränkten Erfahrungen und Kenntnisse aus, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen sich - ihre Wahrheit unterstellt - hinreichende Anhaltspunkte für eine nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung für den Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland ergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.1983, 9 C 68.81, a.a.O., juris Rn. 5). Hier ist es Aufgabe der Beklagten und der Gerichte, unter vollständiger Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen, die Gegebenheiten im Herkunftsstaat aufzuklären und darauf aufbauend eine von Rationalität und Plausibilität getragene Prognose zu treffen (OVG Hamburg, Urt. v. 18.1.2018, 1 Bf 81/17.A, juris Rn. 41, m.w.N.).

In Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsland sind die Gerichte dabei regelmäßig darauf angewiesen, sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Erkenntnismittel gleichsam mosaikartig ein Bild zu machen und die Prognose, ob bei Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht, aufgrund einer wertenden Gesamtschau aller Umstände zu treffen. Führt diese Betrachtung zu keinem für den Schutzsuchenden günstigen Ergebnis, verbleibt es bei allgemeinen Beweislastregeln. Die humanitäre Schutzrichtung des Asyl- und Flüchtlingsrechts gebietet weder eine Umkehr der objektiven Beweislast noch eine Folgenabwägung im Sinne eines „better safe than sorry“ (so auch OVG Hamburg, Urt. v. 18.1.2018, 1 Bf 81/17.A, juris Rn. 45, m.w.N.). Eine solche Folgenabwägung scheidet schon deshalb aus, weil es vorliegend allein um die genaue Ausprägung des Schutzstatus, nicht aber um das Ob der Schutzgewährung geht. Eine denkbare gerichtliche Fehlbeurteilung bei der Frage der Gewährung des Flüchtlingsstatus birgt kein persönliches Risiko für den Schutzsuchenden, weil er infolge des zuerkannten subsidiären Schutzes bereits nachhaltigen Schutz genießt (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 18.1.2018, 1 Bf 81/17.A, juris Rn. 45).

Nach diesen Maßstäben lässt sich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisquellen über den Staat Eritrea sowie den eigenen Angaben der Klägerin nicht zur Überzeugung des Senats feststellen, dass der Klägerin, die nicht vorverfolgt aus Eritrea ausgereist ist (dazu unter aa)), im Falle ihrer hypothetischen Rückkehr nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht. Dies gilt zunächst im Hinblick auf eine Heranziehung der Klägerin zum Nationaldienst als solchem (dazu unter bb)). Auch soweit die Klägerin geltend macht, dass ihr im Rahmen des Nationaldienstes geschlechtsspezifische Gewalt in Anknüpfung an ihre Zugehörigkeit zur Gruppe der Frauen als bestimmte soziale Gruppe drohe, ist eine entsprechende Verfolgung aufgrund der persönlichen Umstände der Klägerin nicht beachtlich wahrscheinlich (dazu unter cc)). Schließlich erfüllt auch die von der Klägerin befürchtete Bestrafung wegen illegaler Ausreise und Nichtableistung des Nationaldienstes nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, da sie jedenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich „wegen“ eines der in § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe erfolgen würde (dazu unter dd)).

aa) Die Klägerin ist nicht vorverfolgt im Sinne des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU aus Eritrea ausgereist. Umstände, aus denen sich eine bereits erlittene oder im Zeitpunkt der Ausreise unmittelbar drohende Verfolgung durch den eritreischen Staat oder sonstige Akteure im Sinne des § 3c Nr. 2 und 3 AsylG ergeben könnte, hat die Klägerin weder gegenüber der Beklagten noch im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht. Sie sind insbesondere im Hinblick darauf, dass die Klägerin bereits im Alter von 13 Jahren und insofern noch weit vor Beginn ihrer Nationaldienstpflicht ausgereist ist, auch sonst nicht ersichtlich.

bb) Eine der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Eritrea drohende Einberufung zum Nationaldienst stellt für sich genommen keine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG dar.

Nach der Proklamation Nr. 82/1995 über den Nationaldienst (vgl. Gesetzesblatt Eritrea Nr. 11 v. 23.10.1995 [englische Übersetzung einsehbar in der Bibliothek des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, Bibliothekssignatur: G 1/95]) ist in Eritrea der Nationaldienst für Männer und Frauen vom 18. bis zum 50. Lebensjahr verpflichtend. Er unterteilt sich gemäß Art. 2 Abs. 3 und 4 der Proklamation Nr. 82/1995 in einen aktiven Nationaldienst („active national service“) und einen Reservistendienst („reserve military service“). Den aktiven Nationaldienst von offiziell 18 Monaten müssen gemäß Art. 8 der Proklamation Nr. 82/1995 alle eritreischen Staatsangehörigen im Alter von 18 bis 40 Jahren absolvieren. In der Praxis werden Eritreer bereits ab dem Alter von etwa 16 Jahren als dienstpflichtig behandelt, wobei teilweise auch noch jüngere Eritreer rekrutiert werden. Die Rekrutierung findet häufig durch Razzien („giffas“) statt. Maßgeblich ist insoweit nicht das tatsächliche Alter, sondern häufig eine Alterseinschätzung aufgrund des Aussehens der Person (vgl. European Asylum Support Office (EASO), Bericht über Herkunftsländer-Informationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 37 [G 1/15]; Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Eritrea: Rekrutierung von Minderjährigen, 21.1.2015, S. 2 ff. [G 3/15]). Der aktive Nationaldienst besteht aus einer sechs Monate dauernden militärischen Ausbildung („training“) und einem sich daran anschließenden zwölfmonatigen Dienst im Militär oder in Entwicklungsarbeiten („active military service and developmental works“). Ausgenommen vom Nationaldienst sind lediglich Personen, die ihre Dienstpflicht bereits vor Inkrafttreten der Proklamation Nr. 82/1995 erfüllt haben, sowie ehemalige Unabhängigkeitskämpfer (Art. 12 der Proklamation Nr. 82/1995). Gesundheitliche Beeinträchtigungen führen in der Regel nur dazu, dass die militärische Ausbildung oder der aktive Nationaldienst erlassen sind (Art. 13 ff. der Proklamation Nr. 82/1995), nicht jedoch die Dienstverpflichtung als solche (vgl. zur Nationaldienstverpflichtung insgesamt: EASO, Bericht über Herkunftsländerinformationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 32 ff. [G 1/15]; Staatssekretariat für Migration (SEM), Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 11 f. [G 8/16]; SFH, Eritrea: Nationaldienst, 30.6.2017, S. 4 f. [G 3/17]; Amnesty International (AI), Just deserters: Why indefinite national service in Eritrea has created a generation of refugees, Dezember 2015, S. 18 [G 2/15]).

Ungeachtet der in der Proklamation Nr. 82/1995 festgelegten Dauer und Altersobergrenzen ist der Nationaldienst in Eritrea in der Praxis grundsätzlich unbefristet, wobei die Dienstverpflichteten entweder für eine zivile oder eine militärische Verwendung eingeteilt werden (vgl. Kibreab, The Open-Ended Eritrean National Service: The Driver of Forced Migration, 2014, S. 4, 10 [G 3/14]). Im Jahr 2002 verlängerte die eritreische Regierung die Nationaldienstpflicht faktisch auf unbestimmte Zeit. Diese Maßnahme wurde bislang mit der proklamierten „no war no peace“-Situation im Verhältnis zu Äthiopien begründet und trotz mehrfacher Bekundungen, die Dauer des Nationaldienstes wieder auf 18 Monate zu beschränken, weiter aufrechterhalten (vgl. EASO, Bericht über Herkunftsländerinformationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 40 f. [G 1/15]; Human Rights Council (HRC), Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 50 f. (Nr. 200, 205) [G 6/16]; AI, Just deserters: Why indefinite national service in Eritrea has created a generation of refugees, Dezember 2015, S. 18 [G 2/15]; SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 45 ff. [G 8/16]). Inwieweit die jüngste Entspannung zwischen Eritrea und Äthiopien zu Veränderungen beim Nationaldienst, insbesondere bei der unbefristeten Dienstpflicht, führen wird, lässt sich nach gegenwärtiger Erkenntnisquellenlage nicht verlässlich beurteilen (vgl. auch United Kingdom Home Office (UKHO), Country Policy and Information Note - Eritrea: National service and illegal exit, Version 5.0, Juli 2018, S. 16 (Nr. 4.3.4) [G 13/18]).

Ob in der Heranziehung der inzwischen 23-jährigen und damit grundsätzlich dienstverpflichteten Klägerin zum unbefristeten Nationaldienst für sich genommen eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu sehen ist, kann offen bleiben. Denn die Nationaldienstpflicht knüpft jedenfalls nicht - wie es § 3a Abs. 3 AsylG fordert - an einen der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe an. Wie bereits ausgeführt, trifft die Verpflichtung zur Ableistung des Nationaldienstes im Wesentlichen alle eritreischen Staatsangehörigen (vgl. Art. 6 und 8 der Proklamation Nr. 82/1995: „any Eritrean citizen“, „all Eritrean citizens“). Eine Unterscheidung nach Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe findet insoweit nicht statt (vgl. Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand November 2016, 21.11.2016, S. 11 f. [2016/2]; EASO, Bericht über Herkunftsländerinformationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 33 f. [G 1/15]; so im Ergebnis auch: VG Arnsberg, Urt. v. 4.5.2018, 12 K 5098/16.A, juris Rn. 53; VG Potsdam, Urt. v. 10.10.2017, 3 K 2609/16.A, juris Rn. 23; Urt. v. 17.2.2016, 6 K 1995/15.A, juris Rn. 17; VG Berlin, Urt. v. 1.9.2017, 28 K 166.17 A, juris Rn. 25; VG Münster, Urt. v. 23.8.2017, 9 K 325/15.A, juris Rn. 25; Urt. v. 22.7.2015, 9 K 3488/13.A, juris Rn. 101; VG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.2017, 6 K 7338.16.A, juris, Rn. 61; VG Regensburg, Urt. v. 27.10.2016, RN 2 K 16.31289, juris Rn. 24; VG München, Urt. v. 13.7.2016, M 12 K 16.31184, juris Rn. 23).

cc) Soweit die Klägerin geltend macht, dass ihr im Rahmen des Nationaldienstes geschlechtsspezifische Verfolgungshandlungen, insbesondere sexualisierte Gewalt, in Anknüpfung an das Merkmal „Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe“ (§§ 3 Abs. 1, 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG) drohen, ist eine entsprechende Verfolgung aufgrund der persönlichen Umstände der Klägerin nicht beachtlich wahrscheinlich. Zwar dürfte davon auszugehen sein, dass es im Nationaldienst Eritreas verbreitet zu sexueller Gewalt gegen Frauen in unterschiedlicher Form kommt (siehe etwa EASO, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 34, 39 [G 1/15]; AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand November 2016, 21.11.2016, S. 12 [2016/2]; AI, Report Eritrea 2017/18, 22.2.2018 [G 8/18]; SFH, Eritrea: Sexualisierte Gewalt gegen Frauen, 13.2.2018 [G 3/18]; Kibreab, Sexual Violence in the Eritrean National Service, 2017 [G 21/17]; UN Human Rights Council (HRC), Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015 [G 6/15]; United States Department of State (USDOS), Eritrea 2017, Human Rights Report, 20.04.2018 [G 4/18]; Human Rights Watch: World Report 2018 - Eritrea, 18.1.2018 [G 7/18]). Nach übereinstimmender Darstellung in den Erkenntnisquellen erfolgen entsprechende Gewalthandlungen im Rahmen des Nationaldienstes allerdings durch Militärangehörige gegenüber Rekrutinnen im Ausbildungslager Sawa und in der militärischen Grundausbildung sowie gegenüber Dienstverpflichteten im militärischen Teils des Nationaldienstes (siehe hierzu eingehend Kibreab, Sexual Violence in the Eritrean National Service, 2017, S. 7 ff. [G 21/17]; ders., The Eritrean National Service, 2017, S. 132 ff.; HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, Nr. 709, 714, 1202, 1312 ff. [G 6/15]; USDOS, Eritrea 2017, Human Rights Report, 20.4.2018, S. 3 [G 4/18]. Dass die Klägerin als Mutter eines im Jahr 2017 geborenen Kleinkindes im Falle einer Rückkehr nach Eritrea in den militärischen Teil (einschließlich der militärischen Grundausbildung) des Nationaldienstes einberufen werden würde, ist indes bei zusammenfassender Würdigung im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller anhand der vorliegenden Erkenntnisquellen feststellbaren Umstände zur Überzeugung des Senats nicht beachtlich wahrscheinlich. Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen müssen verheiratete Frauen sowie Frauen mit Kindern ihre Nationaldienstverpflichtung in aller Regel nicht im militärischen Teil, sondern (allenfalls) im zivilen Teil des Nationaldienstes erfüllen. Im Einzelnen:

Das Auswärtige Amt führt in seinem Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 25. Februar 2018 aus (S. 13, [2018/1]), dass Frauen in der Regel bei Heirat oder Schwangerschaft aus dem Militär bzw. dem „national service“ entlassen würden. Viele Mädchen und junge Frauen versuchten daher bewusst früh zu heiraten, um aus dem Militär/national service entlassen zu werden und hätten aufgrund dessen geringe Ausbildungs- und Erwerbstätigkeitschancen. Im vorangegangenen Lagebericht vom 21. November 2016 wird darüber hinaus ausgeführt (S. 12 [2016/2]), dass eine Schwangerschaft während des Militärdienstes, auch wenn sie das Resultat einer Vergewaltigung oder sexueller Übergriffe durch Vorgesetzte sei, zum Ausschluss aus dem Militär führe. Nach Amnesty International (Just deserters: Why indefinite national service in Eritrea has created a generation of refugees, Dezember 2015, S. 28 [G 2/15]) werden Frauen und Mädchen, die verheiratet oder schwanger sind bzw. die Kinder haben, üblicherweise vom Nationaldienst befreit, wobei dies eine ungeschriebene Regel sei, welche willkürlich angewendet werde. Das European Asylum Support Office (EASO) beschreibt im Länderfokus Eritrea (Mai 2015, S. 33 f. [G 1/15]), dass verheiratete oder verlobte Frauen, Frauen mit Kindern, Schwangere sowie muslimische Frauen aus konservativen, ländlichen Gegenden normalerweise faktisch vom militärischen Teil des Nationaldiensts ausgenommen würden. Es könne aber vorkommen, dass sie im Rahmen einer „giffa“ trotzdem zum Dienst eingezogen würden oder Aufgaben im zivilen Nationaldienst übernehmen müssten. Frauen, die während des Nationaldienstes ein Kind bekämen, würden in der Regel demobilisiert. Ebenso heißt es im EASO-Bericht über Herkunftsländer-Informationen - Eritrea: Nationaldienst und illegale Ausreise (November 2016, S. 21 [4/16]), dass muslimische Frauen sowie Schwangere, verheiratete Frauen und Frauen mit Kindern in der Praxis meist vom Nationaldienst ausgenommen seien. Da dies aber gesetzlich nicht vorgesehen sei, erhielten sie im Gegensatz zu Entlassenen keine Papiere, die ihren Status außerhalb des Nationaldiensts legalisierten.

Weitere Quellen stützen ebenfalls die Annahme, dass Frauen mit Kindern jedenfalls faktisch nicht zum militärischen Teil des Nationaldienstes herangezogen werden. So weist etwa der international anerkannte Experte für Eritrea Professor Kibreab (in: The Open-Ended Eritrean National Service: The Driver of Forced Migration, 2014, S. 10 f. [G 3/14]) darauf hin, dass bei Einwanderungsbehörden und Gerichten eine Tendenz bestehe, unzutreffend den Nationaldienst mit Militärdienst gleichzusetzen. Obwohl es keine Richtlinie gebe, wonach verheiratete Frauen vom Militärdienst im Rahmen des Nationaldienstes befreit wären, könnten verheiratete Frauen, insbesondere Frauen mit Kindern, unter bestimmten Umständen im zivilen Teil des Nationaldienstes eingesetzt werden. Dies bedeute allerdings nicht, dass sie vom Nationaldienst befreit seien. Nach einer Heirat seien sie möglicherweise - abhängig vom willkürlich ausgeübten Ermessen ihrer Vorgesetzten - nicht verpflichtet, in der Armee zu dienen. Sie seien jedoch höchstwahrscheinlich verpflichtet, den Nationaldienst im zivilen Teil abzuleisten. In vergleichbarer Weise hat sich Professor Kibreab als sachverständiger Zeuge in einem Verfahren vor dem Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) des Vereinigten Königreiches geäußert (MST and Others (national service – risk categories) Eritrea CG [2016] UKUT 00443 (IAC), Appendix III d. Urt. v. 7.10.2016, S. 211 (Nr. 54) [G 7/16]). Die UN-Untersuchungskommission zu Menschenrechten in Eritrea weist darauf hin (HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, Nrn. 395 ff., 1201 [G 6/15]), dass die Proklamation Nr.11/1991, welche Regelungen zum Nationaldienst vor der Verkündung der Nationaldienstproklamation Nr. 82/1995 enthielt, eine Befreiung vom Nationaldienst für verheiratete Frauen und alleinerziehende Mütter vorsah. Obwohl diese Befreiungsmöglichkeiten durch die Nationaldienstproklamation von 1995 de jure entfallen seien, würden verheiratete Frauen und alleinerziehende Mütter weiter de facto nach Ermessen der für die Einziehung zuständigen Beamten vom Nationaldienst befreit. Auch vor diesem Hintergrund würden viele eritreische Frauen und Mädchen versuchen, durch Heirat oder Mutterschaft den Nationaldienst sowie das insbesondere im militärischen Training bestehende Risiko von sexuellem Missbrauch zu vermeiden. Dies entspricht auch der von Dr. David Bozzini (in: National Service and State Structures in Eritrea (agreed minutes of presentation at the Federal Office for Migration, Bern), 16.2.2012, S. 9 [G 3/12]) geäußerten Einschätzung, wonach Ehe oder Schwangerschaft ein weiterer Weg zur Vermeidung einer Einberufung sei. Zu diesem Zweck würden viele Ehen arrangiert. Insbesondere in Sawa würden Frauen häufig schwanger, um „demobilisiert“ bzw. entlassen zu werden. Solche „Demobilisierungen“ seien fragil, da diese Frauen nicht sofort Entlassungspapiere erhielten, was sie bei Polizeikontrollen angreifbar mache. Mütter würden zwar üblicherweise nicht remobilisiert, aber vor dem Hintergrund der allgemeinen Willkür in Eritrea könnten solche Fälle nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Es gebe aber sicherlich keine systematische Praxis dahingehend, Mütter zu remobilisieren. Die Praxis der (faktischen) Befreiung von verheirateten Frauen sowie Müttern wird schließlich auch von diplomatischen Quellen in Eritrea geschildert. Nach Darstellung des Innenministeriums des Vereinigten Königreichs (in: Country Policy and Information Note Eritrea: National service and illegal exit, October 2016, S. 16 (Nr. 7.3.7) m.w.N. [G 18/16]) habe die britische Botschaft in Asmara bestätigt, dass schwangere Frauen vom militärischen Nationaldienst befreit werden könnten und befreit worden seien. Auch verheiratete Frauen und Frauen mit Kindern seien vom militärischen Nationaldienst befreit.

dd) Eine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, ihr drohe im Falle der Rückkehr nach Eritrea eine menschenrechtswidrige Bestrafung wegen illegaler Ausreise und Nichtableistung des Nationaldienstes. Dies gilt sowohl für eine (etwaige) Bestrafung als solche (dazu unter (1)), als auch für die von der Klägerin als weitere bzw. eigenständige Verfolgungshandlung geltend gemachte sexualisierte Gewalt im Rahmen einer Inhaftierung wegen illegaler Ausreise und Nichtableistung des Nationaldienstes (dazu unter (2)).

(1) Nach den gesetzlichen Bestimmungen Eritreas werden Verstöße gegen die Nationaldienst-Proklamation Nr. 82/1995 mit Haftstrafen von zwei Jahren und/oder einer Geldstrafe geahndet (Art. 37 Abs. 1), sofern sich aus dem eritreischen Strafgesetzbuch von 1991 nicht härtere Strafen ergeben. Hiernach kann Desertion mit anschließender Flucht ins Ausland mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. In Kriegszeiten liegt das Strafmaß zwischen fünf Jahren und lebenslänglicher Haftstrafe, wobei in schweren Fällen auch die Todesstrafe verhängt werden kann. Ein zwischenzeitlich neu erlassenes Strafgesetzbuch wird in der Praxis noch nicht angewandt (vgl. zum Ganzen EASO, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 41 f. [G 1/15]; Staatssekretariat für Migration (SEM), Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 17, 22, 32 [G 8/16]).

Gemäß Art. 29 Abs. 2 der Proklamation Nr. 24/1992 wird die - auch nur versuchte - illegale Ausreise aus Eritrea, welche insbesondere dann vorliegt, wenn der Ausreisewillige kein gültiges Ausreisevisum besitzt, mit einem Strafmaß von bis zu fünf Jahren Haft und/oder Geldstrafe bestraft (vgl. EASO, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 55 [G 1/15]; englische Übersetzung der Proklamation Nr. 24/1992 abrufbar unter http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain/opendocpdf.pdf?reldoc=y&docid=54c0d9d44).

Allerdings ist auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisquellen davon auszugehen, dass in der Praxis Strafen nicht den zuvor aufgeführten gesetzlichen Regelungen entsprechend, sondern außergerichtlich und willkürlich verhängt werden (vgl. EASO, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 42 [G 1/15]; SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 21, 24 u. 31 [G 8/16]; AI, Just deserters: Why indefinite national service in Eritrea has created a generation of refugees, Dezember 2015, S. 40 [G 2/15]; AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand November 2016, 21.11.2016, S. 19 [2016/2]). Mehrere Quellen deuten darauf hin, dass die Strafen für Verstöße sowohl gegen die Nationaldienst- als auch gegen die Ausreisebestimmungen in jüngerer Vergangenheit geringer ausfallen, insbesondere Haftdauern sich verkürzt haben. Laut Amnesty International (Just deserters: Why indefinite national service in Eritrea has created a generation of refugees, Dezember 2015, S. 44 [G 2/15]) ist dies zum einen auf den Umstand zurückzuführen, dass immer mehr Eritreer versuchten, das Land zu verlassen, und dabei aufgegriffen würden, was in einer beträchtlichen Zahl von Inhaftierten resultiere. Zum anderen liege der Grund für kürzere Haftdauern möglicherweise auch darin, die betroffenen Personen schnell wieder dem Nationaldienst zuzuführen, da die große Anzahl von Deserteuren dort Lücken hinterlasse. Ebenso berichtet die UN-Untersuchungskommission davon, dass sich die Haftstrafen für eine (versuchte) illegale Ausreise von Personen im Nationaldienst bzw. im dienstpflichtigen Alter in der Praxis von zwei bis sieben Jahren auf sechs Monate bis zwei Jahre reduziert hätten, was mit einem generellen Mangel an Nationaldienstleistenden erklärt werden könne (vgl. HRC, Report of the Detailed Findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 113 (Nr. 422) [G 6/15]).

Die Haftbedingungen sind prekär; Zellen sind häufig überbelegt. Die hygienischen Bedingungen sind schlecht; teilweise sind keine Sanitäreinrichtungen vorhanden. Die Versorgung mit Trinkwasser ist ebenso wie eine medizinische Versorgung nicht gewährleistet. Essensrationen sind knapp und wenig nahrhaft. Folter und Misshandlungen werden sowohl zur Beschaffung von Informationen und Geständnissen als auch als Teil der Bestrafung eingesetzt. Teilweise werden die Gefangenen in unterirdischen Zellen oder auch in Schiffscontainern eingesperrt (vgl. EASO, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 45 ff. [G 1/15]; AI, Just deserters: Why indefinite national service in Eritrea has created a generation of refugees, Dezember 2015, S. 48 [G 2/15]; HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 65 f. (Nr. 260 ff.) [G 6/16]).

Ob Personen, die - wie die im Alter von 13 Jahren ausgereiste Klägerin - bereits längere Zeit vor Beginn ihrer Nationaldienstpflicht aus Eritrea ausgereist sind und sich im nationaldienstpflichtigen Alter noch nie in Eritrea aufgehalten haben, bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit überhaupt eine Bestrafung wegen illegaler Ausreise und Nichtableistung des Nationaldienstes droht, kann offen bleiben (verneinend VG Münster, Urt. v. 22.7.2015, 9 K 3488/13.A, juris Rn. 93). Denn sowohl eine Bestrafung der illegalen Ausreise als auch eine Sanktionierung der Umgehung des Nationaldienstes durch illegale Ausreise würden jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an einen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 3b Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgrund - insbesondere nicht an die politische Überzeugung - anknüpfen (dazu unter (a)). Der Strafbarkeit einer Ausreise entgegen den Bestimmungen der Proklamation Nr. 24/1992, insbesondere ohne gültiges Ausreisevisum, kommt auch nicht für sich genommen unter dem von der Klägerin geltend gemachten Gesichtspunkt der „Republikflucht“ politischer Charakter zu (dazu unter (b)).

(a) Eine Bestrafung von eritreischen Staatsangehörigen allein wegen illegaler Ausreise und damit einhergehender Umgehung des Nationaldienstes knüpft nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an die politische Überzeugung der Betroffenen an.

Ein Ausländer wird wegen einer politischen Überzeugung verfolgt, wenn dies geschieht, weil er eine bestimmte Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, und zwar in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft (§ 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG), wobei gemäß § 3b Abs. 2 AsylG genügt, dass dem Ausländer diese Überzeugung von seinem Verfolger zugeschrieben wird (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, juris Rn. 21). Die politische Überzeugung wird in erheblicher Weise unterdrückt, wenn ein Staat mit Mitteln des Strafrechts oder in anderer Weise auf Leib, Leben oder die persönliche Freiheit des Einzelnen schon deshalb zugreift, weil dieser seine mit der Staatsraison nicht übereinstimmende politische Meinung nach außen bekundet und damit notwendigerweise eine geistige Wirkung auf die Umwelt ausübt und meinungsbildend auf andere einwirkt (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, juris Rn. 21; Urt. v. 19.5.1987, 9 C 184.86, BVerwGE 77, 258, juris Rn. 19, m.w.N.). Hiervon kann insbesondere auszugehen sein, wenn er eine Behandlung erleidet, die härter ist als sie sonst zur Verfolgung ähnlicher - nichtpolitischer - Straftaten von vergleichbarer Gefährlichkeit im Verfolgerstaat üblich ist (sogenannter „Politmalus“, vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, juris Rn. 22, mit Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, 2 BvR 502/86 u.a., BVerfGE 80, 315, juris Rn. 53; Kammerbeschl. v. 4.12.2012, 2 BvR 2954/09, NVwZ 2013, 500, juris Rn. 24). Demgegenüber liegt grundsätzlich keine Sanktionierung einer politischen Überzeugung vor, wenn die staatliche Maßnahme allein der Durchsetzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht dient. So liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Sanktionen, die an eine Wehrdienstentziehung anknüpfen, nicht schon für sich allein politische Verfolgung, selbst wenn diese von totalitären Staaten verhängt werden (siehe BVerwG, Urt. v. 19.8.1986, 9 C 322.85, DVBl 1987, 47, juris Rn. 11; Urt. v. 6.12.1988, 9 C 22.88, BVerwGE 81, 41, juris Rn. 8). Solche Maßnahmen begründen nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Furcht vor Verfolgung, wenn sie den Betroffenen über die Ahndung des allgemeinen Pflichtverstoßes hinaus wegen asylerheblicher Merkmale, insbesondere wegen einer wirklichen oder vermuteten, von der herrschenden Staatsdoktrin abweichenden politischen Überzeugung treffen sollen, wofür Indizien ein unverhältnismäßiges Ausmaß der Sanktionen oder deren diskriminierender Charakter sein können (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29/17, juris Rn. 22, m.w.N.). Dabei kommt es stets darauf an, ob der Staat seine Bürger in den genannten Merkmalen zu disziplinieren, sie ihretwegen niederzuhalten oder im schlimmsten Fall zu vernichten sucht oder ob er lediglich seine Herrschaftsstruktur aufrechtzuerhalten trachtet und dabei die Überzeugung seiner Staatsbürger unbehelligt lässt. Die Lasten und Beschränkungen, die ein autoritäres System eines fremden Staates seiner Bevölkerung allgemein auferlegt, vermögen für sich allein einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen. Das bloße Aufrechterhalten oder Wiederherstellen „staatsbürgerlicher Disziplin“, also des Gehorsams der „Gewaltunterworfenen“ gegenüber Gesetzen, die nicht ihrerseits flüchtlingsschutzrelevanten Inhalt haben, ist daher für sich allein - auch wenn hierbei mit großer Härte vorgegangen wird - keine politische Verfolgung (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.5.1986, 9 C 35.86 u. 9 C 36.86, BVerwGE 74, 226, juris Rn. 15; Urt. v. 17.5.1983, 9 C 36.83, BVerwGE 67, 184, juris Rn. 34). Unter diesen Gesichtspunkten ist daher auch der Zweck konkret angedrohter oder befürchteter Sanktionen festzustellen. Von gleicher Bedeutung können auch die konkreten Umstände staatlichen Vorgehens und die praktische Handhabung der Sanktionsnorm sein. Insoweit sind sowohl etwaige Manipulationen des Strafvorwurfs wie auch die formellen Kriterien zu würdigen, nach denen ein staatlicher Eingriff stattfindet. Es macht einen Unterschied, ob die Entscheidung durch unabhängige, nur einem bereits vorliegenden Gesetz unterworfene allgemeine Gerichte erfolgt oder staatlichen Organen wie Polizei, Militär, Sondergerichten überantwortet wird bzw. gar ohne rechtliche Grundlage und ohne Durchführung eines geordneten Verfahrens erfolgt. Eine insoweit bestehende Bindungslosigkeit der staatlichen Strafgewalt spricht in erheblichem Maße für eine politische Verfolgung (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.5.1983, 9 C 36.83, BVerwGE 67, 184, juris Rn. 35 f.).

Ein Staat kann eine politisch motivierte Verfolgung schließlich auch ohne Rücksicht auf das Vorhandensein einer (zugeschriebenen) Überzeugung betreiben. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn der Staat an sich belanglose äußere Verhaltensweisen seiner Bürger, wie z.B. das illegale Verlassen des Heimatstaates oder einen im Ausland gestellten Asylantrag, pauschal zum Anlass für eine Gesinnungsverfolgung nimmt. Eine solche Verfolgungssituation kommt aber nur in Ausnahmefällen in Betracht und setzt ein in besonderem Maße unduldsames Regime voraus, das aufgrund einer alle Lebensbereiche umfassenden ideologisch einseitig ausgerichteten totalitären Struktur zu Überreaktionen neigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.10.1986, 9 C 28.85, juris Rn. 26).

Nach diesen Maßstäben ist nicht festzustellen, dass in Eritrea die strafrechtliche Sanktionierung von illegaler Ausreise und Umgehung des Nationaldienstes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zielgerichtet eingesetzt wird, um betroffene Personen wegen ihrer - auch nur zugeschriebenen - politischen Überzeugung zu treffen. Bei zusammenfassender, qualitativer Würdigung der vorliegenden Erkenntnisquellen überwiegen zur Überzeugung des Senats die Tatsachen, die dagegen sprechen, dass der eritreische Staat jedem eritreischen Staatsbürger, der illegal ausgereist ist und dadurch den Nationaldienst umgeht, generell eine Regimegegnerschaft bzw. oppositionelle politische Überzeugung unterstellt, die dafür sprechenden Umstände. Im Einzelnen:

Zunächst deutet die willkürliche und außergerichtliche Sanktionierungspraxis für die hier in Rede stehenden Delikte auf eine hinter der Bestrafung stehende politische Motivation des eritreischen Staates hin. Für eine entsprechende Zielrichtung der regelhaft unverhältnismäßig harten Bestrafung unter menschenrechtswidrigen Bedingungen spricht auch, dass der Nationaldienst in Eritrea als politisches Projekt neben der Verteidigung auch dem Wiederaufbau des Landes und als „Schule der Nation“ der Vermittlung einer nationalen Ideologie dienen soll (vgl. EASO, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 32 [G 1/15]; SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 11 [G 8/16]; SFH, Eritrea: Nationaldienst, 30.6.2017, S. 6 [G 3/17]). Allerdings spricht das relativ breite Spektrum von möglichen Sanktionen gegen die Annahme, dass ihnen generell ein politischer Charakter zukommt (so auch VG Regensburg, Urt. v. 27.10.2016, RN 2 K 16.31289, juris Rn. 31; VG Arnsberg, Urt. v. 4.6.2018, 12 K 3519/16.A, juris Rn. 85). Neben den Haftstrafen, die für sich genommen eine Spanne von wenigen Wochen bis zu mehreren Jahren umfassen können, kann die Bestrafung auch nur in einer Belehrung liegen (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 25.2.2018, S. 19 [2018/1]). Darüber hinaus wird über Fälle berichtet, in denen Betroffene einer Sanktionierung entgangen sind (vgl. United States Department of State (USDOS), Eritrea 2017, Human Rights Report, 20.4.2018, S. 14 [G 4/18]; Immigration and Refugee Board of Canada (IRB Canada), Eritrea: Situation of people returning to the country after they either spent time abroad, claimed refugee status, or were seeking asylum (July 2015 – May 2017), 14.6.2017 [G 22/17]). Würde der eritreische Staat allen Personen, die illegal ausgereist sind und dadurch die Ableistung des Nationaldienstes umgangen haben, generell eine Regimegegnerschaft unterstellen, wäre zu erwarten, dass er diesem Umstand in der Bestrafungspraxis auch Rechnung trägt und alle Betroffenen (im Wesentlichen gleichermaßen hart) bestraft. Gegen eine politische Zielrichtung spricht ferner der Zweck der Sanktionierungsmaßnahmen, die nach der UN-Untersuchungs-kommission der Erzwingung von Geständnissen, Informationsgewinnung, Bestrafung für angebliches Fehlverhalten sowie der Schaffung eines allgemeinen Klimas der Angst zur Aufrechterhaltung der Disziplin und völkerrechtswidrigen Kontrolle über die eigene Bevölkerung dienen, wobei die Anwendung von Folter einen integralen Bestandteil bildet (vgl. HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 25 (Nr. 97), S. 65 (Nr. 258, 260), S. 68 (Nr. 270) [G 6/16]). Damit zielen sie jedoch nicht individuell auf eine (unterstellte) politische Überzeugung der Betroffenen ab, sondern sind vielmehr Ausdruck des totalitären Herrschaftsanspruchs des eritreischen Regimes, dessen Durchsetzung gegenüber der Bevölkerung für sich genommen noch keine politische Verfolgung darstellt. Soweit für die Grenztruppen Eritreas ein Schießbefehl („shoot-to-kill order“) bezüglich Personen bestehen soll, die versuchen, illegal das Land zu verlassen, kommt diesem Indiz für eine generelle Unterstellung einer Regimegegnerschaft insofern keine durchgreifende Bedeutung zu, als der Befehl zumindest in den letzten Jahren wohl nicht mehr systematisch und weniger rigoros angewandt wird (vgl. SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 30 m.w.N. [G 8/16]). Hierzu wird von der UN-Untersuchungskommission unter anderem ausgeführt, dass Ausreisende nicht mehr getötet, sondern zwecks Festnahme verletzt werden sollen (vgl. HRC, Report of the Detailed Findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 319 (Nr. 1116) [G 6/15]; ders., Report of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 9.5.2016, S. 32 f. (Nr. 133) u. S. 78 f. (Nr. 315) [G 1/16]). Auch die unmenschlichen Haftbedingungen einschließlich Folter im Falle einer Inhaftierung wegen Verstößen gegen die Nationaldienstpflicht bzw. wegen (versuchter) illegaler Ausreise lassen nicht per se auf eine - im Verhältnis zu anderen Straftätern in Eritrea - außergewöhnlich harte Bestrafung wegen einer politischen Überzeugung („Politmalus“) schließen, da die Bedingungen und Behandlungen in den Gefängnissen Eritreas generell als extrem hart beschrieben werden und potentiell alle eritreischen Staatsangehörigen gleichermaßen treffen (vgl. HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 32 (Nr. 131) sowie, bezüglich der Anwendung von Folter, S. 65 f. (Nr. 260 ff.) [G 6/16]).

Soweit auch aktuellere Erkenntnisquellen wie etwa die Berichte der UN-Untersuchungskommission noch darauf hinweisen, dass Personen, die illegal ausreisen und/oder sich dem Nationaldienst entziehen, als „Verräter“ angesehen werden (vgl. etwa HRC, Report of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 9.5.2016, S. 13 [G 1/16]; ders., Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 59 (Nr. 240) [G 6/16]; ders., Report of the Detailed Findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 114 (Nr. 431) [G 6/15]), und damit auf die generelle Unterstellung einer Regimegegnerschaft hindeuten, bleibt zum einen teilweise unklar, ob sich diese Zuschreibung auf alle Formen der Nichtableistung des Nationaldienstes bezieht oder nur auf solche Personen, die desertiert sind oder sich sonst aus dem aktiven Dienst entfernt haben bzw. sich einer im Zeitpunkt der Ausreise bereits bestehenden Dienstpflicht entziehen. Zum anderen beziehen sich die Quellen insoweit nur auf zwangsweise zurückgeführte Eritreer (vgl. die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Stellungnahme von Amnesty International an das Verwaltungsgericht Magdeburg vom 2. August 2018, Anlage 1 zum Sitzungsprotokoll vom 21.9.2018, S. 3; siehe auch AI, Eritrea: 20 Years of Independence, But Still No Freedom, 2013, S. 30 ff., S. 37 [G 2/13]; IRB Canada, Eritrea: Situation of people returning to the country after they either spent time abroad, claimed refugee status, or were seeking asylum (September 2014 – June 2015), 18.11.2015 [G 5/15]; HRC Report of the Detailed Findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 114 (Nr. 431) [G 6/15]). Wie auch das UK Upper Tribunal (Urt. v. 7.10.2016, Eritrea CG [2016] UKUT 00443, S. 126, Rn. 337 [G 7/16]) zutreffend ausführt, ist jedoch hinsichtlich der Sicht des eritreischen Staates auf Rückkehrer zwischen denjenigen, die freiwillig zurückkehren (dazu näher unten, S. 29) und solchen, die zwangsweise - und damit öffentlichkeitswirksamer - zurückgeführt werden, zu unterscheiden.

Die Stellungnahme von Amnesty International an das Verwaltungsgericht Magdeburg vom 2. August 2018 geht zudem unzutreffend davon aus, dass das so genannte „Reueformular“, welches Eritreer im Ausland, die sich der Nationaldienstpflicht entzogen haben, unterzeichnen müssen, bevor sie Zugang zu - insbesondere konsularischen - Dienstleistungen von eritreischen Behörden erhalten, ein Geständnis dahingehend enthält, dass die Betroffenen „Verrat“ begangen hätten. Vielmehr heißt es in dem Formular lediglich, dass der Unterzeichnende bedauere, dadurch ein Vergehen begangen zu haben, den Nationaldienst nicht zu erfüllen, und dass er bzw. sie bereit sei, zu gegebener Zeit eine angemessene Bestrafung zu akzeptieren (vgl. die englische Übersetzung des „Immigration and Citizenship Services Request Form“ in: HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 477 [G 6/15]: „[...] I regret having committed an offence by not completing the national service and am ready to accept appropriate punishment in due course“).

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Berichte der UN-Untersuchungs-kommission überwiegend auf Aussagen von im Ausland vernommenen Zeugen beruhen, ohne diese Aussagen einer bestimmten Zeit innerhalb des 25 Jahre umfassenden Berichtszeitraums zuzuordnen und damit politische und gesellschaftliche Entwicklungen aufzuzeigen (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 21.11.2016, S. 6 [2016/2]). Überdies bezieht sich die UN-Untersuchungskommission hauptsächlich auf Fälle von Eritreern, die in den Jahren 2002 bis 2008 zwangsweise zurückgeführt wurden (vgl. HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 114 ff. (Nr. 427 ff.), S. 300 (Nr. 1070) [G 6/15]), berichtet aber auch darüber, dass im Jahr 2014 sieben ältere Männer freigelassen worden seien und eine weitere Gruppe rückgeführter Eritreer, die die Zahlung einer zweiprozentigen Steuer belegen konnten, nicht verhaftet und eingezogen worden sei (vgl. HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 115 f. (Nr. 436) [G 6/15]; vgl. auch UKHO, Country Policy and Information Note - Eritrea: National service and illegal exit, October 2016, S. 85 [G 18/16]).

Gerade die Möglichkeit, dass illegal ausgereiste Eritreer, nachdem sie sich drei Jahre im Ausland aufgehalten haben, gegen Zahlung einer sogenannten Aufbau- bzw. Diasporasteuer („2 %-Steuer“) und - bei Nichterfüllung der Nationaldienstpflicht - Unterzeichnung eines sogenannten Reueformulars in der Regel unbehelligt nach Eritrea ein- und wieder ausreisen und sich dort jedenfalls vorübergehend, etwa zu Besuchszwecken, aufhalten können (vgl. SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 32 ff., 41, 43 [G 8/16]; AI, Stellungnahme zum Umgang mit Rückkehrern und Kriegsdienstverweigerern in Eritrea, 28.7.2017, S. 2 [G 8/17]) zeigt, dass der eritreische Staat von einer Bestrafung solcher Personen ohne Rücksicht auf deren (vermeintlich) abweichende politische Überzeugung zugunsten ökonomischer Interessen absieht (so auch VG Berlin, Urt. v. 1.9.2017, 28 K 166.17.A, juris Rn. 44; VG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.2017, 6 K 7338/16.A, juris Rn. 202). Zwar ist dabei, worauf die Klägerin hinweist, zu berücksichtigen, dass die Berichte hierüber zum Teil auf Interviews mit Rückkehrern nach Eritrea beruhen, die von Mitarbeitern eritreischer Behörden begleitet und übersetzt wurden (vgl. SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 34 [G 8/16]; UKHO, Report of a Home Office Fact-Finding Mission, Eritrea: illegal exit and national service, Conducted 7-20 February 2016, Oktober 2016, S. 8, 107-114, 117, 214-220, 228 [G 13/16]). Allerdings bestätigen die in Eritrea geführten Gespräche jedenfalls, dass tatsächlich zahlreiche Eritreer von der Rückkehrmöglichkeit Gebrauch machen (vgl. SEM, a.a.O., S. 35 f.; UKHO, a.a.O., S. 101; vgl. auch AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 21.11.2016, S.17 [2016/2]). Wenngleich die mit dem Diaspora-Status verbundene freiwillige Rückkehrmöglichkeit - insbesondere vor dem Hintergrund des willkürlichen Agierens der eritreischen Behörden - keine hinreichende Sicherheit vor einer Bestrafung bieten und die Zahlung der zweiprozentigen Steuer den Betroffenen auch aus den von der Klägerin angestellten Erwägungen nicht zuzumuten sein dürfte, spricht gleichwohl die bloße Eröffnung der Rückkehrmöglichkeit durch den eritreischen Staat erheblich dagegen, dass rückkehrenden Personen, die illegal ausgereist sind und den Nationaldienst nicht abgeleistet haben, generell eine politische Gegnerschaft zugeschrieben wird (so auch VG Berlin, Urt. v. 1.9.2017, 28 K 166.17.A, juris Rn. 46, VG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.2017, 6 K 7338/16.A, juris Rn. 190 ff.). Vielmehr scheint der eritreische Staat die Flucht seiner Angehörigen ins Ausland unter anderem bewusst dafür zu nutzen, sich finanzielle Einnahmequellen zu erschließen (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea Stand November 2016, 21.11.2016, S. 17 [2016/2]), und misst einer möglicherweise dahinter stehenden politischen Überzeugung jedenfalls keinen bedeutsamen Stellenwert mehr zu. Vor diesem Hintergrund kann ungeachtet der ideologisch ausgerichteten und totalitären Struktur des eritreischen Staats insbesondere nicht angenommen werden, dass er gegenüber allen illegal ausgereisten Nationaldienstpflichtigen zu Überreaktionen neigt und pauschal eine Gesinnungsverfolgung betreibt (so auch bereits VG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.2017, 6 K 7338/16.A, juris Rn. 202).

Gegen die generelle Unterstellung einer Regimegegnerschaft durch den eritreischen Staat spricht schließlich auch, dass der Nationaldienst heute neben Verteidigungszwecken vor allem der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes, der Steigerung der Gewinne der staatlich unterstützten Unternehmen und der Aufrechterhaltung der Kontrolle über die eritreische Bevölkerung dient (vgl. HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 58 (Nr. 234) [G 6/16]). Angehörige des militärischen Teils des Nationaldienstes leisten ihren Dienst nicht allein im eritreischen Militär, sondern auch beim Aufbau von Infrastruktur, wie dem Bau von Wohnungen, Dämmen, Straßen, Kliniken oder Schulen, und in der Landwirtschaft. Angehörige des zivilen Teils des Nationaldienstes arbeiten zudem in Schulen, Gerichten oder in der medizinischen Versorgung (vgl. SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 11 f. [G 8/16]; HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 22 f. (Nr. 88 ff.) [G 6/16]; SFH, Eritrea: Nationaldienst, 30.6.2017, S. 7 [G 3/17]). In einem Interview im Jahr 2008 erklärte der eritreische Präsident Isaias Afewerki, dass es aufgrund des jahrelangen Kriegszustandes erforderlich gewesen sei, die Mehrheit der Jugendlichen zu mobilisieren; diese Ressource werde nunmehr genutzt, um eine solide Grundlage für die Wirtschaft des Landes zu schaffen (vgl. Ausschnitt des Interviews wiedergegeben in: HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 52 (Nr. 208) [G 6/16]). Vor diesem Hintergrund wird angenommen, dass der ursprünglich mit „legitimen Zielsetzungen“ verbundene Nationaldienst wegen seines unbedingten und unbefristeten Charakters mittlerweile zu bloßer Zwangsarbeit „degeneriert“ sei (vgl. Kibreab, The Open-Ended Eritrean National Service: The Driver of Forced Migration, S. 16 [G 3/14]; vgl. auch AI, Just deserters: Why indefinite national service in Eritrea has created a generation of refugees, Dezember 2015, S. 6, 12 [G 2/15]; HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 22, 52 f., 83 (Nr. 88, 208 ff., 345) [G 6/16]), welche letztlich die eritreische Wirtschaft stützt.

Letztlich kann aufgrund der zuletzt massenhaften Flucht von tausenden eritreischen Staatsangehörigen (vgl. HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 42 (Nr. 151) [G 6/15]; UKHO, Report of a Home Office Fact-Finding Mission, Eritrea: illegal exit and national service, Conducted 7-20 February 2016, Oktober 2016, S. 96 f. (Nr. 11.5.1, 11.5.2) [G 13/16]) nicht vernünftigerweise unterstellt werden, dass der eritreische Staat - jedenfalls weiterhin - jedem einzelnen Flüchtenden generell eine oppositionelle politische Haltung unterstellt. Denn auch dem eritreischen Staat muss bewusst sein, dass die übergroße Zahl der Emigranten Eritrea in erster Linie aufgrund der prekären Lebensbedingungen im Nationaldienst und aufgrund wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit und nicht aufgrund einer regimefeindlichen Haltung verlässt (vgl. auch UK Upper Tribunal (IAC), Urt. v. 7.10.2016, Eritrea CG [2016] UKUT 00443, Rn. 337 [G 7/16]). Migrationsauslöser sind primär die Dauer des Nationaldienstes, die Bedingungen, unter denen dieser geleistet werden muss, die fehlende Gewährung politischer, wirtschaftlicher und sozialer Rechte sowie fehlende weitergehende Bildungs- und privatwirtschaftliche Erwerbsmöglichkeiten und der damit einhergehende Verlust an Lebensperspektiven. Vor diesem Hintergrund hat sich das Phänomen der Emigration insbesondere junger Personen aus Eritrea - wie auch dem eritreischen Regime bekannt ist - in letzter Zeit deutlich verstärkt (vgl. Schweizerisches Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 30.1.2017, D-7898/2015 [G 6/17]; AI, Just Deserters: Why indefinite national Service in Eritrea has created a generation of refugees, S. 39 [G 2/15]; FAZ v. 21.3.2017, S. 3, „Auf gepackten Koffern“ [Presseordner]).

Anhaltspunkte dafür, dass im Fall der Klägerin aufgrund individueller Umstände eine abweichende Betrachtung angezeigt wäre, liegen nicht vor. Vielmehr spricht der Umstand, dass sie Eritrea als 13-Jährige mehrere Jahre vor Beginn ihrer Nationaldienstpflicht verlassen hat und dieser insofern lediglich durch „Nichtanwesenheit“ nicht nachgekommen ist, ebenfalls dagegen, dass der eritreische Staat ihr bei einer (hypothetischen) Rückkehr eine oppositionelle politische Überzeugung zuschreiben und sie gerade wegen dieser zu inhaftieren suchen würde. Dass sich die Klägerin oppositionell oder sonst politisch betätigt hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Schließlich begründet auch der Umstand, dass die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass ihr im Falle einer Rückkehr nach Eritrea von den dortigen Behörden eine Regimegegnerschaft zugeschrieben werden würde und damit Verfolgungshandlungen in Anknüpfung an eine (unterstellte) politische Überzeugung drohten. Eine dahingehende Überzeugung vermag der Senat aus den vorliegenden Erkenntnisquellen nicht zu gewinnen. Soweit in der Stellungnahme von Amnesty International an das Verwaltungsgericht Magdeburg vom 2. August 2018 (Anlage 1 zum Sitzungsprotokoll vom 21.9.2018, S. 3) zum Ausdruck kommt, dass Berichte zurückgeführter Asylbewerber nahe legten, die Beantragung von Asyl im Ausland werde von der eritreischen Regierung als Kritik angesehen, wird dies zum einen ausdrücklich aus Erkenntnissen über die Behandlung von „Rückgeführten“ und „nur aus früheren Jahren“ abgeleitet (S. 2 der Stellungnahme; unter Bezugnahme u.a. auf AI, Eritrea: 20 Years of Independence, But Still No Freedom, 2013 [G 2/13]), zum anderen betreffen die in Bezug genommenen Erkenntnisse ersichtlich nicht Fälle, in denen allein eine Asylantragstellung Anknüpfungspunkt für Maßnahmen des eritreischen Staates gewesen sein konnte. Dementsprechend wird in einer früheren Stellungnahme von Amnesty International auch zutreffend darauf hingewiesen, dass es praktisch nicht vorkomme, dass ein Eritreer ein Asylgesuch gestellt habe, ohne zuvor unrechtmäßig aus Eritrea ausgereist zu sein oder sich dem Nationaldienst unrechtmäßig entzogen zu haben, so dass sich keine Aussage darüber treffen lasse, ob allein das Stellen eines Asylgesuchs - unter der Prämisse der rechtmäßigen Ausreise und der Freistellung vom nationalen Dienst - zu Reaktionen durch die eritreischen Behörden führen würde (vgl. AI, Stellungnahme zum Umgang mit Rückkehrern und Kriegsdienstverweigerern in Eritrea, 28.7.2017, S. 4 [G 8/17]; siehe auch UKHO, Country Policy and Information Note - Eritrea: National service and illegal exit (Version 5.0), Juli 2018, S. 53 f. [G 13/18], wo unter Wiedergabe einer Auskunft von Landinfo vom 27.4.2016 ausgeführt wird, dass keine empirische Grundlage für eine Aussage dazu bestehe, dass ein Asylantrag für sich genommen zu Reaktionen von eritreischen Behörden führt; vgl. dazu auch UK Upper Tribunal, Urt. v. 7.10.2016, Eritrea CG [2016] UKUT 00443, S. 126, Rn. 336 [G 7/16]). Dass einer Asylantragstellung neben bzw. nach der illegalen Ausreise und der Nichtableistung des Nationaldienstes - wie im Fall der Klägerin - keine entscheidende Bedeutung zukommt, zeigt insbesondere der oben beschriebene Umgang des eritreischen Staates mit freiwilligen Rückkehrern, zu denen auch anerkannte Asylbewerber zählen (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand November 2016, 21.11.2016, S. 17 [2016/2]; Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand: November 2017, 25.2.2018, S. 18 [2018/1]).

(b) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt der Strafdrohung wegen illegaler Ausreise auch nicht für sich genommen unter dem Gesichtspunkt der Republikflucht politischer Charakter zu.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich die Frage, ob eine Bestrafung wegen unerlaubten Verlassens des Heimatstaates kriminellen oder politischen Charakter hat, nicht allgemein beantworten, sondern entscheidet sich nach dem Strafzweck, dem Maß der Strafe sowie den Umständen der „Tatbegehung“ (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.1971, 1 C 30.68, BVerwGE 39, 27, juris Rn. 9), das heißt danach, ob die Bestrafung in Anknüpfung an die - jedenfalls vermutete - politisch-oppositionelle Überzeugung des Täters erfolgt (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.3.1994, 9 C 510.93, juris Rn. 14). Politische Verfolgung liegt dann vor, wenn die Strafdrohung der Abwehr und Ahndung des auf abweichender politischer Überzeugung beruhenden Wunsches dient, in einem anderen Lande leben zu können (BVerwG, Urt. v. 15.3.1994, 9 C 510.93, juris Rn. 14; Urt. v. 7.10.1975, 1 C 34.71, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 10). Asylberechtigt ist derjenige, der (auch) in einer von der herrschenden Staatsdoktrin abweichenden politischen Überzeugung getroffen werden soll, die sein Heimatstaat allein schon wegen des unerlaubten Aufenthalts im Ausland annimmt (BVerwG, Urt. v. 6.12.1988, 9 C 22.88, BVerwGE 81, 41, juris Rn. 11). Hingegen kommt Strafvorschriften, die der Durchsetzung ordnungsrechtlicher Aus- und Einreisebestimmungen dienen, kein politischer Charakter zu. Diese Unterscheidung kann grundsätzlich nicht getroffen werden, ohne die Eigenart des Staates in Betracht zu ziehen, von dem die Bestrafung ausgeht. Gestattet er seinen Staatsangehörigen die Ausreise und den Aufenthalt im Ausland, die grundsätzlich verhindert werden sollen, nur ausnahmsweise und unter politischen Gesichtspunkten, so erfüllt die Bestrafung der unerlaubten Ausreise in aller Regel dieselbe Funktion wie eine nach innen befestigte und bewachte Grenze: Sie soll eine „Abstimmung mit den Füßen“ verhindern (BVerwG, Urt. v. 26.10.1971, 1 C 30.68, BVerwGE 39, 27, juris Rn. 10; Urt. v. 24.4.1979, 1 C 49.77, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 13). Allein aus dem Inhalt der jeweiligen Strafvorschriften lässt sich daher noch nicht beantworten, ob drohender Bestrafung wegen unerlaubter Ausreise bzw. unerlaubten Verbleibens im Ausland asylerhebliche Bedeutung zukommt. Es müssen vielmehr die Gesamtverhältnisse im Herkunftsland berücksichtigt werden (BVerwG, Urt. v. 31.3.1981, 9 C 1.80, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 25; siehe zum Vorstehenden insgesamt BVerwG, Urt. v. 15.3.1994, 9 C 510.93, juris Rn. 14).

In Anwendung dieser Grundsätze lässt sich hinsichtlich der Bestrafung wegen illegaler Ausreise in Eritrea kein politischer Charakter im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts feststellen. Wie bereits oben ausgeführt, ist es ungeachtet des totalitären, willkürlich und menschenrechtswidrig agierenden Regimes in Eritrea nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die Bestrafung (weiterhin) in Anknüpfung an eine - jedenfalls vermutete - politisch-oppositionelle Überzeugung der illegal Ausreisenden erfolgt, um sie in einer von der herrschenden Staatsdoktrin abweichenden politischen Überzeugung zu treffen. Bei Würdigung aller erkennbaren Umstände dient die Strafdrohung für illegale Ausreise auch nicht der Abwehr und Ahndung des auf abweichender politischer Überzeugung beruhenden Wunsches, in einem anderen Lande leben zu können, sondern vorrangig der Aufrechterhaltung des Nationaldienstregimes bzw. der hiervon abhängigen Wirtschaft. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass die - in der Praxis durchaus vorkommende (siehe HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 108 f. (Nr. 403 ff.) [G 6/15], wonach unter anderem auch (älteren) Familienmitgliedern von Oppositionellen Ausreisevisa ausgestellt wurden) - Erteilung von Ausreisevisa nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, sondern vor allem vom Alter der betroffenen Person bzw. vom Nachweis der Erfüllung der Nationaldienstpflicht (oder einer Befreiung hiervon) abhängig ist (vgl. UKHO, Country Policy and Information Note Eritrea: National service and illegal exit, version 5.0, Juli 2018, S. 45 [G 13/18]). Dies deckt sich mit der von Professor Kibreab geäußerten Auffassung, dass das eritreische Regime nicht diejenigen bestrafe, die illegal das Land verließen, sondern solche, die aus dem Nationaldienst desertierten oder sich der Einberufung entzögen; illegal ausgereiste Personen seien keinem (Bestrafungs)Risiko ausgesetzt, sofern sie nicht als der zweiten Gruppe zugehörig angesehen würden (vgl. UK Upper Tribunal, MST and Others (national service – risk categories) Eritrea CG [2016] UKUT 00443 (IAC), Appendix III d. Urt. v. 7.10.2016, S. 207 (Nr. 61) [G 7/16]).

(2) Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie im Rahmen einer Inhaftierung in Eritrea sexualisierter Gewalt ausgesetzt sein würde, begründet dies ebenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Zwar formuliert die Schweizerische Flüchtlingshilfe (vgl. Schnellrecherche - Eritrea: Sexualisierte Gewalt gegen Frauen, 13.2.2018, S. 3 [G 3/18]), auf die sich die Klägerin stützt, unter Verweis auf einen Bericht des UN-Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (Committee on the Elimination of Discrimination against Women, CEDAW) aus dem Jahr 2015 sowie auf den Bericht der Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats zur Menschenrechtslage in Eritrea aus 2015 sehr allgemein, dass sexualisierte Gewalt auch in der Haft häufig vorkomme. Konkretere Angaben hierzu enthält die Quelle jedoch ebenso wenig wie Anhaltspunkte dafür, dass entsprechende Formen von Gewalt zielgerichtet gegen Frauen eingesetzt werden. Vielmehr wird ausdrücklich auch auf sexualisierte Gewalt gegen Männer hingewiesen (vgl. insoweit auch HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 32 (Nr. 127) [G 6/16]). Auch die UN-Untersuchungskommission hält zu den Haftbedingungen für Frauen fest, dass diese nicht per se diskriminierend seien, wenngleich die Nichtberücksichtigung spezieller Bedürfnisse von - insbesondere schwangeren und stillenden - Frauen in einem System, welches vorrangig auf Männer ausgelegt sei, einen diskriminierenden Effekt habe (HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 268 (Nr. 953) [G 6/15]; vgl auch HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 31 (Nr. 125) [G 6/16]). Frauen würden in Übereinstimmung mit internationalen Standards grundsätzlich getrennt von Männern inhaftiert, seien aber nicht durchgehend unter der Verantwortung oder Aufsicht von weiblichen Beamten, was sie einem erhöhten Risiko von sexueller und geschlechtsbezogener Gewalt aussetze (HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 273 (Nr. 967) [G 6/15]; vgl. auch EASO, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 47 [G 1/15]). Während der Bericht der UN-Sonderberichterstatterin zur Menschenrechtslage in Eritrea vom 24. Juli 2017 (S. 13 [G 7/17], wiedergegeben auch in UKHO, Country Policy and Information Note - Eritrea: National service and illegal exit, Version 5.0, Juli 2018, S. 27 (Nr. 7.6.12 f.) [G 13/18] ) noch ausdrücklich Vorkommnisse von sexualisierter Gewalt in der Armee und in „detention centres“ aufführt, finden sich entsprechende Ausführungen im Bericht vom 25. Juni 2018 (S. 9 (Nr. 49) [G 12/18]) nicht mehr. Vielmehr heißt es dort lediglich, dass die Erfahrungen, die Frauen im Strafjustizsystem einschließlich des Strafvollzugs machten, sich substantiell von den Erfahrungen von Männern unterschieden. Daher sollten die Rahmenbedingungen, unter denen Frauen festgehalten würden, so ausgestaltet sein, dass sie die speziellen Bedürfnisse von Frauen erfüllten und sicherstellten, dass Voreingenommenheit auf jeder Ebene eliminiert werde. Im aktuellen Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea wird über sexuelle Gewalt gegen Frauen ebenfalls primär im Rahmen des Militärdienstes berichtet (vgl. Bericht v. 25.2.2018, S. 13 [2018/1]), nicht jedoch über entsprechende Gewalthandlungen im allgemeinen Strafvollzug. Auch im speziellen Abschnitt „Geschlechtsspezifische Verfolgung“ (S. 14 [2018/1]) wird sexuelle Gewalt gegenüber Frauen im allgemeinen Strafvollzug nicht aufgeführt, was aber zu erwarten wäre, wenn auch dort entsprechende Gewalthandlungen zielgerichtet, d.h. um Frauen gerade wegen ihres Geschlechts zu treffen, erfolgten. Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus den von der Klägerin im Schriftsatz vom 17. September 2018 zitierten Ausführungen von Dr. Asia Abdulkadir (Redebeitrag im Rahmen der Konferenz „Eritrea and the Ongoing Refugee Crisis“ am 19.10.2017 in Brüssel, veröffentlicht in der Broschüre „Eritrea: Ein Land im Griff einer Diktatur – Desertion, Flucht & Asyl“, 3.5.2018 [G 6/18]). Denn diese beziehen sich hinsichtlich sexueller Übergriffe auf inhaftierte Frauen ersichtlich ebenfalls allein auf den militärischen Kontext. So heißt es in dem übersetzten Redebeitrag wörtlich: „Nach Angaben der UN-Untersuchungskommission werden in den militärischen Ausbildungszentren, in der Armee und in Militärhaft weiterhin Vergewaltigungen von Militärangehörigen, Ausbildern wie auch von Gefängnisangestellten und Wächtern ungestraft begangen.“

Vor diesem Hintergrund vermag der Senat auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisquellen nicht zu der Überzeugung zu gelangen, dass der Klägerin bei einer (hypothetischen) Rückkehr nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit sexuelle Gewalt im Rahmen einer Haft außerhalb des (militärischen) Nationaldienstes - bzw. das Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen - droht bzw. solche Handlungen, soweit sie gleichwohl vorkommen sollten, zielgerichtet an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten soziale Gruppe bzw. an das Geschlecht im Sinne des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 4 letzter Halbsatz AsylG anknüpfen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Die im Berufungsverfahren zu entscheidende Frage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), ob eritreische Behörden einer Person, die illegal aus Eritrea ausgereist ist und sich dadurch der Ableistung des Nationaldienstes entzieht, allein aufgrund dieser Umstände eine Regimegegnerschaft unterstellen, ist eine Tatsachenfrage. Tatsachenfragen unterfallen jedoch nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.4.2017, 1 B 22.17, NVwZ 2017, 1204, juris).