VG Hamburg, Urteil vom 20.03.2018 - 9 A 7382/16
Fundstelle
openJur 2018, 6492
  • Rkr:

1. Asylanträge von in Deutschland geborenen Kindern von Ausländern, die in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz erhalten haben, können nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG direkt oder i.V.m. dem Rechtsgedanken des Art. 20 Abs. 3 der Dublin III-VO als unzulässig abgelehnt werden.

2. Auch eine Ablehnung als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO unmittelbar oder analog kommt nicht in Betracht.

Tenor

Der Bescheid vom 22. November 2016 wird aufgehoben.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und die Androhung der Abschiebung nach Griechenland.

Der am ... Januar 2016 in der Bundesrepublik Deutschland geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Die Eltern des Klägers, die beim Bundesamt ein Asylverfahren unter dem Aktenzeichen ... geführt haben, wurden bereits in Griechenland als Flüchtlinge anerkannt. Am 17. März 2016 stellten die Eltern des Klägers für diesen einen Asylantrag.

Mit Bescheid vom 22. November 2016, dem Kläger am 28. November 2016 zugestellt, lehnte die Beklagte den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen und ihm wurde die Abschiebung nach Griechenland oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu einer Rückübernahme verpflichtet ist, mit Ausnahme von Syrien, angedroht (Nr. 3). Zur Begründung führte sie unter Bezug auf Art. 20 Abs. 3 der Dublin III-VO und § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) und Nr. 2 AsylG aus, der Asylantrag sei unzulässig, da den Eltern des Klägers bereits in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt worden sei. Die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers sei untrennbar mit der Situation seiner Eltern verbunden. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen in Bezug auf Griechenland weder allgemein noch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers vor. Die Abschiebungsandrohung sei nach §§ 35, 34a Abs. 1 Satz 4, 26a AsylG zu erlassen gewesen, die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.

Der Kläger hat dagegen – vertreten durch seine Eltern – am 5. Dezember 2016 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er u.a. vor, dass das griechische Asylsystem an systemischen Mängeln leide.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 22. November 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 30. August 2017 sein Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Die Beklagte hat sich im Wege ihrer allgemeinen Prozesserklärungen vom 27. Juni 2017 für alle erstinstanzlichen Streitsachen nach dem Asylgesetz, für die nicht ausdrücklich in der Schriftstückliste der Verfahrensakte des Bundesamts vor der Zustellung des Bescheids eine „besondere Prozessbeobachtung“ verfügt wurde – was hier nicht der Fall ist –, mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Dem Gericht haben die von der Beklagten geführte Sachakte und die Ausländerakte hinsichtlich des Klägers vorgelegen. Auf deren Inhalt sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Gründe

I.

Im Einverständnis der Beteiligten durfte die Kammer im schriftlichen Verfahren entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).

II.

Die Klage ist zulässig (1.) und begründet (2.).

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft(vgl.: BVerwG, Urt. v. 14.12.2016, 1 C 4/16, juris Rn. 17). Der Kläger hat auch die Klagefrist von einer Woche gemäß § 74 Abs. 1 2. Halbsatz AsylG i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG eingehalten. Gegen den ihm am 28. November 2016 zugestellten Bescheid hat er am 5. Dezember 2016 Klage erhoben.

2. Die Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. November 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids ist rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Asylantrags als unzulässig weder gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in direkter [aa)] oder analoger [bb)] Anwendung noch nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG [cc)] vorliegen.

aa) Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegen nicht vor, da dem Antragsteller in Griechenland kein internationaler Schutz gewährt wurde und es keine Norm im Asylgesetz gibt, die in Deutschland geborene Kinder von Ausländern, die in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz erhalten haben – wie den Kläger –, in Bezug auf die Unzulässigkeit ihres Asylantrags international Schutzberechtigten gleichstellt.

bb) Eine analoge Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG i.V.m. dem Rechtsgedanken des Art. 20 Abs. 3der Verordnung (EU) Nr.604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 v. 29.6.2013, S. 31 – Dublin III-VO) kommt angesichts des klaren Gesetzeswortlauts des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG [s.o. aa)] nicht in Betracht (VG Regensburg, Beschl. v. 13.9.2017, RN 14 S 17.33783, juris Rn. 16;VG Berlin, Beschl. v. 9.3.2017, 23 L 116.17 A, juris Rn. 7; a.A.: VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 8.5.2017, 16 A 808/15, juris Rn. 18 ff.). Gegen eine analoge Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG spricht außerdem, dass an das Zurückweisen eines Asylantrags als unzulässig angesichts des hohen Schutzes des Grundrechts auf Asyl sehr hohe Anforderungen gestellt werden müssen (vgl. Stellungnahme des Bundesrats vom 17. Juni 2016 zum Entwurf des Integrationsgesetzes, BT-Drs. 18/8829, S. 24). Vor diesem Hintergrund und als Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Asylantrag inhaltlich zu prüfen ist, sind die Unzulässigkeitstatbestände des § 29 Abs. 1 AsylG grundsätzlich restriktiv auszulegen.

cc) Die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-Verordnungfür die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(1) Die Zuständigkeit Griechenlands folgt nicht aus der unmittelbaren Anwendung des Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO. Nach Art. 20 Abs. 3 Satz 1 Dublin III-VO ist für die Zwecke der Dublin III-Verordnung die Situation eines mit dem Antragsteller eingereisten Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Dies gilt gemäß Art. 20 Abs. 3 Satz 2 Dublin III-VO auch bei Kindern, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden.

Bereits nach seinem Wortlaut ist Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO auf die in Deutschland geborenen Kinder von Ausländern, die in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz erhalten haben, nicht unmittelbar anwendbar (VG Düsseldorf, Beschl. v. 2.6.2017, 22 L 1290/17.A, juris Rn. 20; VG Lüneburg, Urt. v. 24.5.2016, 5 A 194/14, juris Rn. 18; a.A.: VG Greifswald, Urt. v. 22.5.2017, 4 A 1526/16 As HGW, juris Rn. 30;VG Cottbus, Beschl. v. 11.7.2014, 5 L 190/14.A, juris Rn. 12 ff.). Die Eltern des Klägers als dessen Familienangehörige im Sinne des Art. 2 g) Dublin III-VO sind keine „Antragsteller" im Sinne des Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO. Nach der Legaldefinition des Art. 2 c) Dublin III-VO ist „Antragsteller" derjenige, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde. „Begünstigter internationalen Schutzes" hingegen ist nach der Legaldefinition des Art. 2 f) Dublin III-VO derjenige, dem internationaler Schutz zuerkannt wurde. Die Eltern des Klägers zählen zum letztgenannten Personenkreis. Ihnen wurde in Griechenland internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Gestalt der Flüchtlingsanerkennung gewährt, so dass über ihren Asylantrag bereits endgültig entschieden wurde.

Soweit die Gegenauffassung davon ausgeht, die Definition des „Antragstellers“ i.S.d. Art. 2 c) Dublin-III-VO stelle auf den jeweils streitgegenständlichen Antrag, also den in Deutschland gestellten Antrag der Eltern des Klägers ab (VG Greifswald, Urt. v. 22.5.2017, 4 A 1526/16 As HGW, juris Rn. 28; VG Cottbus, Beschl. v. 11.7.2014, 5 L 190/14.A, juris Rn. 13 ff.)bzw. für die unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO reiche es aus, dass die Eltern des Klägers vor der Gewährung internationalen Schutzes in Griechenland „Antragsteller“ i.S.d. Dublin III-Verordnung waren (vgl. VG Regensburg, Beschl. v. 13.9.2017, RN 14 S 17.33783, juris Rn. 18; VG Meiningen, Beschl. v. 4.12.2014, 5 E 20238/14 Me, juris, S. 5), ist dem nicht zu folgen. Denn eine solche Auslegung ist mit dem System der Dublin III-Verordnung und des Asylgesetzes seit der Änderung durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) nicht vereinbar.

Die Dublin III-VO findet nach ihrer Systematik auf international Schutzberechtigte keine Anwendung mehr. Dies zeigt sich exemplarisch an den Verpflichtungen des zuständigen Mitgliedstaats gemäß Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO. Dieser zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet, Antragsteller, über deren Asylanträge noch nicht entschieden wurde [Art. 18 Abs. 1 a)-c) Dublin III-VO] oder deren Asylantrag abgelehnt wurde [Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO], aufzunehmen bzw. wiederaufzunehmen. In Bezug auf international Schutzberechtigte besteht eine solche Aufnahmeverpflichtung gerade nicht. Dementsprechend ergibt sich aus der Dublin III-VO auch keine Pflicht Griechenlands, die Eltern des Klägers wieder aufzunehmen (hierzu und zum Folgenden: VG Düsseldorf, Beschl. v. 2.6.2017, 22 L 1290/17.A, juris Rn. 21). Denn das Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Bearbeitung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, nach Art. 20 Abs. 1 Dublin III-VO wird (nur) eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird. Dieses Verfahren ist indes nicht mehr einschlägig, wenn der Ausländer – wie hier die Eltern des Klägers – bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach dortigem Antrag auf internationalen Schutz den Flüchtlingsstatus erhalten hat. Diese Systematik der Dublin III-VO zeigt sich auch daran, dass die Dublin III-VO kein Verfahren zur Rücküberstellung von international Schutzberechtigten enthält, sondern insoweit die zwischen den Mitgliedstaaten abgeschlossenen völkerrechtlichen Rückübernahmeabkommen herangezogen werden (vgl. Bergmann in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl., 2018, AsylG, § 29 Rn. 9).

Diese Systematik ist durch die Änderungen des Integrationsgesetzes in das Asylgesetz aufgenommen worden. Das Asylgesetz unterscheidet zwischen der Unzulässigkeit eines Asylantrags wegen der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen der Dublin III-Verordnung [§ 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG] einerseits und der Unzulässigkeit wegen der Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) andererseits. Beides sind Entscheidungskategorien mit unterschiedlichen Voraussetzungen und unterschiedlichen Rechtsfolgen (z.B. Abschiebungsanordnung bzw. Abschiebungsandrohung). Die Unzulässigkeitsentscheidung im Rahmen der Dublin III-Verordnung ist keine Auffangkategorie, die eingreift, wenn die Voraussetzungen der Unzulässigkeitsentscheidung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht vorliegen. Vor dem Hintergrund dieser Änderung des Integrationsgesetzes überzeugt es nicht, die Rechtsprechung des VG Cottbus(Beschl. v. 11.7.2014, a.a.O. Rn. 12 ff.), des VG Meiningen (Beschl. v. 4.12.2014, a.a.O.) und des VG Ansbach (Urt. v. 29.7.2016, AN 14 K 15.50534, juris Rn. 21), auf die die aktuelleren Entscheidungen verweisen, die die Gegenauffassung vertreten (vgl. VG Regensburg, Beschl. v. 13.9.2017, RN 14 S 17.33783, juris Rn. 18; VG Greifswald, Urt. v. 22.5.2017, 4 A 1526/16 As HGW, juris Rn. 28), zur Auslegung von § 29 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG heranzuziehen. Denn diese Rechtsprechung ist vor Inkrafttreten des neuen § 29 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG am 6. August 2016 ergangen. Erst durch die Neureglung der Unzulässigkeitstatbestände in § 29 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG wurde die klare Trennung zwischen der Unzulässigkeit wegen der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats nach der Dublin III-VO (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) und wegen der Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) in das Asylgesetz eingefügt. Gründe dafür, die Rechtsprechung, die zu der Rechtslage vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes ergangen ist, trotz der grundlegend geänderten Systematik der Unzulässigkeitstatbestände im Asylgesetz weiterhin heranzuziehen, geben die aktuelleren Entscheidungen nicht an.

Auch der Beschluss des VGH München vom 17. August 2015 (11 B 15.50110, juris Rn. 14) gibt nichts für die Beantwortung der Frage, ob Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO auf die in Deutschland geborenen Kinder von Ausländern, die in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz erhalten haben, her (a.A.: VG München, Beschl. v. 17.10.2017, M 21 S 17.44597, juris Rn. 17). Denn diese Entscheidung bezog sich auf einen Fall der direkten Anwendung des Art. 20 Abs. 3 Satz 2 Dublin III-VO, weil die Eltern des Kindes in diesem Fall keinen internationalen Schutz erhalten haben, sondern noch in den Anwendungsbereich der Dublin III-Verordnung [gemäß Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO] fielen.

Das weitere Argument der Gegenauffassung (vgl. VG Cottbus, Beschl. v. 11.7.2014, 5 L 190/14.A, juris Rn. 13 ff.), dass auch die Folge- und Zweitanträge von der Dublin III-Verordnung erfasst würden und dies nur möglich sei, wenn der Begriff des „Antragstellers“i.S.d. Art. 2 c) Dublin-III-VO auf den jeweils streitgegenständlichen Antrag bezogen würde, überzeugt ebenfalls nicht. Denn der Vergleich mit den Folge- und Zweitanträgen ist unzutreffend. Insoweit handelt es sich um Fälle, in denen der erste Asylantrag abgelehnt wurde, so dass die Betroffenen nach Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO in den Anwendungsbereich der Dublin III-VO fallen. Dies ist bei international Schutzberechtigten, deren Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat stattgegeben wurde, nicht der Fall (s.o.).

Schließlich folgt nichts anderes aus dem Verweis der Gegenauffassung (vgl. VG Cottbus, Beschl. v. 11.7.2014, 5 L 190/14.A, juris Rn. 18) auf die Richtlinie zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie). Die Asylverfahrensrichtlinie, insbesondere Art. 33 Abs. 2, regelt die zusätzlichen Fälle, in denen der Asylantrag bei der Prüfung im nationalen Verfahren als unzulässig angesehen werden kann, ohne dass die Dublin III-VO zur Anwendung kommt. Gemäß Art. 33 Abs. 1 Asylverfahrensrichtlinie können Asylanträge entweder nach Maßgabe der Dublin III-Verordnung oder gemäß Art. 33 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie als unzulässig abgelehnt werden. Nach Art. 33 Abs. 2 a) Asylverfahrensrichtlinie ist dies der Fall, wenn bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat (die Fälle des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Anders als von der Gegenauffassung angenommen zeigt sich in der Systematik des Art. 33 Asylverfahrensrichtlinie exemplarisch die Differenzierung des europäischen Rechts (Dublin III-VO für noch nicht entschiedene Asylanträge und Art. 33 Abs. 2 a) Asylverfahrensrichtlinie für international Schutzberechtigte), so dass „Antragsteller“ i.S.d. Dublin III-VO kein international Schutzberechtigter sein kann.

(2) Griechenland ist auch nicht nach Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO analog zuständig geworden (a.A.: VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 8.5.2017, 16 A 808/15, juris Rn. 19 ff.; im Rahmen eines obiter dictums: VGH Mannheim, Beschl. v. 14.3.2018, A 4 S 544/18, juris Rn. 9). Zwar spricht der 15. Erwägungsgrund der Dublin III-Verordnung für eine einheitliche Zuständigkeit eines Mitgliedstaats für die Prüfung der Asylanträge aller Mitglieder einer Familie, inklusive der in Deutschland geborenen Kinder von Ausländern, die in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz erhalten haben. Jedoch haben die Mitgliedstaaten diese Fallgruppe bei Erlass der Dublin III-Verordnung nicht geregelt und die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO liegen aus zwei unabhängig voneinander entscheidungstragenden Gründen nicht vor.

Zum einen fehlt es an einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke. Die Regelung der Zuständigkeit in der Dublin III-VO ist abschließend. Dies zeigt sich an Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO. Danach ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig, wenn sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen lässt. Diese Auffangregel greift immer dann ein, wenn die sonstigen Zuständigkeitskriterien einen Sachverhalt nicht erfassen.

Die Analogiefeindlichkeit der Regelungen zur Zuständigkeitsbestimmung im Rahmen der Dublin III-Verordnung folgt auch aus dem Sinn und Zweck dieser Verordnung. Gemäß dem 4. Erwägungsgrund der Dublin III-Verordnung soll das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) auf kurze Sicht eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats umfassen. Nach dem 5. Erwägungsgrund sollte eine solche Formel auf objektiven und für die Mitgliedstaaten und die Betroffenen gerechten Kriterien basieren. Sie sollte insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährung des internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden. Eine klare und praktikable Formel zur raschen Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ist grundsätzlich analogiefeindlich, da eine analoge Anwendung der Zuständigkeitskriterien der Dublin III-Verordnung eine umfangreiche, von grundlegenden Wertungsfragen abhängige, häufig wenig praktikable und zeitaufwendige Auslegung durch die Behörden und die Gerichte der Mitgliedstaaten voraussetzt. Dass die Analogiebildung im Rahmen der Zuständigkeitskriterien häufig wenig praktikabel und zeitaufwendig ist, beruht auch darauf, dass eine für alle betroffenen Mitgliedstaaten verbindliche Regelung insoweit nicht durch die Entscheidung der Gerichte eines Mitgliedstaats möglich ist, denn diese sind nur für die Behörden des jeweiligen Mitgliedstaats bindend. Eine analoge Anwendung kann für alle betroffenen Mitgliedstaaten verbindlich nur vom EuGH ausgesprochen werden. Das Herbeiführen einer Grundsatzentscheidung durch den EuGH ist jedoch in der Regel mit erheblichem Zeitaufwand verbunden.

Zum anderen kommt eine analoge Anwendung von Art. 20 Abs. 3 Satz 2 Dublin III-VO nicht in Betracht, weil es insoweit an einer für eine Analogie erforderlichen vergleichbaren Interessenlage fehlt. Nach Art. 20 Abs. 3 Satz 2 Dublin III-VO findet bei Kindern, die nach der Ankunft eines Antragstellers – der noch in den Anwendungsbereich der Dublin III-VO fällt, der also noch keinen internationalen Schutz erhalten hat [s.o. (1)] – im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, kein neues Zuständigkeitsverfahren statt. Dies beruht darauf, dass für die Eltern dieses Kindes zwingend schon ein Zuständigkeits- und Aufnahmeverfahren nach der Dublin III-VO stattgefunden hat. Das neugeborene Kind kann in dieses Verfahren der Eltern einbezogen werden. Dies ist im Fall von in Deutschland geborenen Kindern von Ausländern, die in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz erhalten haben, nicht der Fall. Denn diese international Schutzberechtigten unterfallen nicht mehr der Dublin III-VO. Damit fehlt es an einem laufenden Zuständigkeits- und Aufnahmeverfahren hinsichtlich der Eltern, in das das neugeborene Kind einbezogen werden könnte und das ein eigenständiges Zuständigkeits- und Aufnahmeverfahren für das neugeborene Kind entbehrlich machen könnte.

Dies hat auch praktische Relevanz, denn nur wenn ein Zuständigkeits- und Aufnahmeverfahren nach der Dublin III-VO durchgeführt wird, ist sichergestellt, dass der andere Mitgliedstaat auch das neugeborene Kind aufnimmt und dieses als noch nicht international schutzberechtigt identifiziert, so dass das Asylverfahren für dieses Kind im anderen Mitgliedstaat durchgeführt werden kann.

b) Die in Ziffer 2 des Bescheids vom 22. November 2016 getroffene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, ist aufzuheben, weil diese Entscheidungen jedenfalls verfrüht ergangen ist (vgl.: BVerwG, Urt. v. 14.12.2016, 1 C 4/16, juris Rn. 21).

c) Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids ist aufzuheben, weil die Voraussetzungen des § 35 AsylG nicht vorliegen. Es ist kein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gegeben.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 83b AsylG, § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.