AG Wipperfürth, Urteil vom 31.03.2015 - 9 C 249/13
Fundstelle
openJur 2018, 7647
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist die Arbeitgeberin der Zeugin D. Die Beklagten sind Eigentümer des Objektes C2 in Wipperfürth.

Die Klägerin begehrt mit der Klage Schadensersatzzahlungen aus übergegangenem Recht wegen einer behaupteten Verkehrssicherungspflichtverletzung durch die Beklagten.

Gem. § 2 der Straßenreinigungs- und Gebührensatzung der Stadt Wipperfürth ist die Reinigung aller Gehwege den Eigentümern der an sie angrenzenden und durch sie erschlossenen Grundstücke auferlegt. Dabei legt § 3 Abs. 4 in Bezug auf Glatteisflächen fest, dass in der Zeit ab 7.00 Uhr morgens bis 20.00 Uhr abends Glatteisflächen unverzüglich nach deren Entstehen zu beseitigen sind. Dabei ist gem. § 3 Abs. 4 Satz 2 der Satzung gefallener Schnee bzw. entstandene Glätte in jedem Fall bis 7.00 Uhr an Werktagen zu entfernen.

Unter dem 15.02.2013 füllte die Zeugin D einen Fragebogen der Berufsgenossenschaft wegen eines Glatteisunfalls aus.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.04.2013 forderte die Klägerin von den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 26.04.2013 die Zahlung von 5.463,05 €.

Die Klägerin behauptet, die Zeugin D sei am 22.01.2013 gegen 7.20 Uhr auf einer ca. 1 x 1 m großen Eisfläche auf dem Bürgersteig vor dem Haus der Beklagten ausgerutscht. Die Eisfläche sei nicht gestreut und nicht sichtbar gewesen. Die Zeugin habe sich das linke Handgelenk gebrochen und sei vom 22.01. bis zum 04.03.2013 arbeitsunfähig gewesen. Die Klägerin habe Entgeltfortzahlung für 42 Tage in Höhe von 4.288,02 € geleistet.

Die Beklagten seien zum Ersatz dieses Betrages verpflichtet, da sie ihrer Streupflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen seien.

Ein Mitverschulden der Zeugin D liege nicht vor, da die Eisfläche für sie nicht zu erkennen gewesen sei und sie zudem wetterfeste, rutschfeste Schuhe getragen habe.

Nachdem die Klägerin ursprünglich die Zahlung eines Betrages in Höhe von 4.655,51 € begehrt hat, beantragt sie nunmehr,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin

4.288,02 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem

Basiszinssatz seit dem 26.04.2013 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten den Unfallhergang umfassend mit Nichtwissen.

Zudem liege eine Verkehrssicherungspflichtverletzung seitens der Beklagten nicht vor. Es habe seinerzeit keine allgemeine Glättebildung geherrscht, so dass die Beklagte nicht zum Räumen und Streuen des Bürgersteigs verpflichtet gewesen sei. Die Regenrinne an der Ecke des Hauses sei auch nicht undicht gewesen. Schließlich müsse sich die Klägerin ein überwiegendes Mitverschulden der Zeugin D entgegen halten lassen.

Auch die Entgeltfortzahlung in behaupteter Höhe bestreiten die Beklagten mit Nichtwissen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 30.09.2014 (Bl. 114 ff d.A.) sowie vom 03.02.2015 (Bl. 132 f.d.A.) verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegenüber den Beklagten nicht zu, da nicht von einer schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten ausgegangen werden kann.

Nach allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung muss der Verletzte alle Umstände beweisen, aus denen eine Streupflicht erwächst und sich eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht ergibt. Auf einen Anscheinsbeweis kann sich die Klägerin im vorliegenden Fall nicht berufen. Denn der Anscheinsbeweis greift erst dann ein, wenn zuvor festgestellt wurde, dass das Unfallereignis in einem Zeitraum stattgefunden hat, währenddessen die Unfallstelle gestreut gewesen sein musste (BGH NJW 2009, 3302). Die winterliche Räum- und Streupflicht beruht auf der Verantwortlichkeit durch Verkehrseröffnung und setzt eine konkrete Gefahrenlage, d. h. eine Gefährdung durch Glättebildung bzw. Schneebelag voraus. Grundvoraussetzung für die Räum- und Streupflicht auf Straßen oder Wegen ist das Vorliegen einer allgemeinen Glätte und nicht nur das Vorhandensein einzelner Glättestellen (BHH NJW 2012, 2727 f.). Von Letzterem kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zwar fest, dass vor dem Haus der Beklagten eine durch Glatteisbildung hervor gerufene Glättestelle vorhanden war, die sich fast über die gesamte Breite des Bürgersteigs erstreckte. Eben so haben jedoch beide Zeugen glaubhaft bekundet, dass der Bürgersteig vor dem Haus der Beklagten bis auf die von dem Glatteis betroffene Stelle nicht mit Schnee bedeckt war, sondern vielmehr trocken und geräumt. Dies galt nach den glaubhaften Zeugenaussagen auch für die Bürgersteige im Übrigen. Aufgrund der Wetterumstände sowie der Beschaffenheit des Bürgersteigs brauchten die Beklagten dementsprechend nicht von einer Räum- und Streupflicht auszugehen. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass die durch Glatteisbildung hervorgerufene Glättestelle sich fast über die gesamte Breite des Bürgersteigs erstreckte und damit deutlich größer war als die seinerzeit der BGH-Entscheidung zugrunde liegenden vereinzelten Eisflächen von ca. 20 x 30 cm. Dies rechtfertigt jedoch keine Abweichung von dem vorgenannten Grundsatz. Denn aufgrund der Witterungsverhältnisse sowie des Zustandes des Bürgersteigs im Übrigen lagen im Bereich des Grundstücks der Beklagten keine erkennbaren Anhaltspunkte für eine ernsthafte drohende Gefahr vor, die eine Streupflicht der Beklagten hätte begründen können. Denn bis auf die von Glatteis bedeckte Fläche waren im Übrigen weder auf der Straße noch auf dem sonstigen Bürgersteigen weitere vereiste Flächen vorhanden.

Auch aus dem Umstand, dass möglicherweise aus dem Fallrohr am Haus der Beklagten Wasser ausgetreten und auf dem Bürgersteig gefroren sein könnte, folgt keine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten. Das tatsächlich zum fraglichen Zeitpunkt Wasser aus dem Fallrohr ausgetreten und auf den Bürgersteig geflossen war, hat die Beweisaufnahme gerade nicht ergeben. Die Zeugin D hat insoweit eingeräumt, dass sie an dem Unfalltag selbst keine Feuchtigkeit an der Hausecke festgestellt habe, da sie aufgrund ihrer Verletzung zu sehr mit sich selbst beschäftigt war. Der Zeuge F konnte insoweit keine Bekundung machen.

Auch sind keine Umstände vorgetragen, aus denen sich eine besondere Kontrollpflicht der Beklagten hinsichtlich möglicherweise aus dem Fallrohr austretenden Wassers hätte ergeben können. Denn bei ansonsten trockenen Wetterverhältnissen, wie sie zum fraglichen Unfallzeitpunkt vorlagen, ist eine fortlaufende Beseitigung bloßer Tropfeisbildung nicht erforderlich. Auch besteht keine Veranlassung zu vorbeugenden Streumaßnahmen, wenn nicht voraussehbar ist, dass an der Unfallstelle Wasser austreten und am Boden gefrieren wird (vergl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2009, 386 f.). Dass tatsächlich das Fallrohr am Haus der Beklagten zum fraglichen Zeitpunkt undicht war mit der Folge, dass dort austretendes Wasser auf dem Bürgersteig gefrieren konnte und dieser Umstand den Beklagten ausreichend rechtzeitig bekannt war bzw. hätte bekannt sein können, ist weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich.

Dementsprechend war die Klage mangels nachgewiesener Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten insgesamt als unbegründet abzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert:

bis zum 20.09.2013: 4.655,51 €,

ab dem 21.09.2013: 4.288,02 €.