OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.03.2016 - 2 UF 67/16
Fundstelle
openJur 2018, 7784
  • Rkr:

Für die Einlegung der Beschwerde gegen eine im Verbundverfahren getroffene Entscheidung zum Versorgungsausgleich herrscht Anwaltszwang.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kirchhain vom 21.9.2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21.1.2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert des Beschwerdegegenstandes von 1.500,00 € werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 21.9.2015 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Kirchhain die Ehe der beteiligten Eheleute geschieden und im Verbund den Versorgungsausgleich durchgeführt, indem es die Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung intern geteilt und hinsichtlich des weiteren Anrechts des Antragstellers bei der Beteiligten zu 4.) wegen Geringfügigkeit von einem Ausgleich abgesehen hat.

Gegen den ihr am 9.10.2015 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 18.10.2015 Beschwerde eingelegt, mit welcher sie sich gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich wendet und vorträgt, dass sie und der Antragsteller lediglich die Scheidung ihrer Ehe gewollt hätten.

Die Senatsvorsitzende hat die Antragsgegnerin mit Verfügung vom 27.2.2016 darauf hingewiesen, dass die Beschwerde nach der ständigen Rechtsprechung des Senates wegen des geltenden Anwaltszwangs unzulässig sei, woran die anderslautende Rechtsbehelfsbelehrung im amtsgerichtlichen Beschluss nichts ändere. Da die Antragsgegnerin jedoch insoweit nicht richtig informiert gewesen sei, bestehe die Möglichkeit, binnen einer Nachfrist von zwei Wochen durch einen von ihr zu beauftragenden Rechtsanwalt wirksam Beschwerde einzulegen; andernfalls müsse ihr unzulässiges Rechtsmittel verworfen werden.

Eine Reaktion der Antragsgegnerin auf die ihr am 01.03.2016 zugestellte Verfügung ist nicht erfolgt.

II.

Die Beschwerde ist mangels Postulationsfähigkeit der Antragsgegnerin unzulässig und demzufolge gemäß § 68 Abs. 2 S. 2 FamFG zu verwerfen.

Der Senat tritt in der obergerichtlich streitigen Rechtsfrage, ob für die Beschwerde gegen die Regelung in einer Folgesache der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwaltszwang herrscht, den Auffassungen u. a. der Oberlandesgerichte Bremen (FamRZ 2014, 596 f.) und Saarbrücken (FamRZ 2014, 2018 f.; a. A: OLG Frankfurt a. M., FamRZ 2014, 681) bei.

Der Anwaltszwang ist in § 114 FamFG geregelt. Nach dessen Absatz 1 müssen sich die Ehegatten in Ehesachen und Folgesachen vor dem Familiengericht und dem Oberlandesgericht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Zu den Folgesachen gehören gemäß § 137 Abs. 2 Nr. 1 FamFG insbesondere die Versorgungsausgleichssachen. Gemäß § 137 Abs. 5 S. 1 FamFG bleiben die in § 137 Abs. 2 FamFG genannten Folgesachen auch im Falle ihrer Abtrennung weiterhin Folgesachen. Daher muss der für Ehesachen und Folgesachen geltende Anwaltszwang erst Recht bestehen bleiben, wenn eine Folgesache von einem Ehegatten durch isolierte Anfechtung aus dem Scheidungsverbund gelöst wird. Beschwerden eines Ehegatten gegen die in einem Verbundbeschluss enthaltenen Entscheidungen über Folgesachen, auch soweit diese dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit angehören, müssen somit von einem Rechtsanwalt eingelegt werden.

Auch aus der Regelung des § 114 Abs. 4 FamFG, der Ausnahmen von dem im ersten Absatz der Norm geregelten Anwaltszwang nennt, ergibt sich nach Auffassung des Senats nicht, dass die Beschwerdeeinlegung gegen Versorgungsausgleichsregelungen vom Rechtsanwaltszwang ausgenommen ist. Zwar bestimmt § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG, dass der Anwaltszwang nicht in den Fällen des § 78 Abs. 3 ZPO und somit nicht für Prozesshandlungen gilt, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, was gemäß § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG grundsätzlich für die Einlegung der Beschwerde in Familiensachen zutrifft. Allerdings macht § 64 Abs. 2 S. 2 FamFG für Ehesachen und Familienstreitsachen hiervon eine Ausnahme. In beiden Fällen ist die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ausgeschlossen. Aus dem Wortlaut der Regelung in § 64 Abs. 2 S. 2 FamFG geht zwar nicht eindeutig hervor, ob vom Anwaltszwang somit auch die Folgesache "Versorgungsausgleich" erfasst ist, wenn gegen ihre Regelung in einem Scheidungsbeschluss isoliert Beschwerde eingelegt wird. Der Senat teilt allerdings die u.a. vom OLG Rostock (FamRZ 2011, 57) vertretene Auffassung, dass § 64 Abs. 2 S. 2 FamFG über seinen unmittelbaren Wortlaut hinaus nicht nur in Ehe- und Familienstreitsachen, sondern auch in Folgesachen im Sinne des § 137 Abs. 2 FamFG gilt. Auch in der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Nichtnennung von Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit in § 64 Abs. 2 S. 2 FamFG ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers ist, welches durch entsprechende Anwendung der Vorschrift gelöst werden sollte (Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 114 Rn. 15 sowie § 137 Rn. 69 ff.; Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 5. Aufl., § 64 FamFG Rn. 4). Für diese Auffassung spricht die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/12717, S. 59), die der Gesetzgeber für den nachträglich in die Regelung des § 64 Abs. 2 FamFG eingefügten Zusatz abgegeben hat, und in der es u. a. heißt, der eingefügte S. 2 bestimme, dass die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ausgeschlossen sei, wenn sich die Beschwerde gegen eine Endentscheidung in einer Ehesache oder einer Familienstreitsache richte. Auf diese Weise werde sichergestellt, "dass die in § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG in Verbindung mit § 78 Abs. 3 ZPO statuierte Ausnahme vom Anwaltszwang in Familiensachen nicht dazu führt, dass die Beteiligten in Verfahren, die dem Anwaltszwang unterliegen, ohne Rechtsanwalt Beschwerde einlegen können". Hieraus lässt sich schließen, dass die in § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG vorgesehene Möglichkeit, die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle zu erhebenden gemäß § 114 Abs. 1 FamFG vorgesehenen Anwaltszwang grundsätzlich nicht aushebeln sollte. Nach der Gesetzesbegründung für den in § 64 Abs. 2 FamFG im Nachhinein eingefügten S. 2 zu urteilen, war Absicht des Gesetzgebers, im Beschwerdeverfahren den bereits im erstinstanzlichen Verfahren geltenden Anwaltszwang fortbestehen zu lassen. Die Umsetzung dieses Ziels ist dem Gesetzgeber zwar nach dem Wortlaut von § 64 Abs. 2 S. 2 FamFG nicht uneingeschränkt gelungen. Dieses Redaktionsversehen kann aber durch eine weite Auslegung des § 64 Abs. 2 S. 2 FamFG behoben werden, die die bestehende Widersprüchlichkeit zu § 114 FamFG beseitigt.

Dabei hat der Senat die nach Erlass der Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen veröffentlichte Entscheidung BGH, FamRZ 2014, 109 bedacht, aus der sich nichts Gegenteiliges herleiten lässt. Der Bundesgerichtshof hat in jener Entscheidung zwar ausgeführt, die sich aus § 117 FamFG ergebenden Modifikationen und Ergänzungen des Rechtsmittelverfahrens nach den §§ 58 ff. FamFG gälten nur für Ehe- und Familienstreitsachen, nicht aber für den Versorgungsausgleich als Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit, woran sich nichts änderewenn über den Versorgungsausgleich im Scheidungsverbund entschieden worden sei, weil die Scheidungs- und die einzelnen Folgesachen auch im Fall der gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung im Verbund in verfahrensrechtlicher Hinsicht eigenständig blieben (und weshalb vorliegend auch keine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde möglich wäre). § 114 FamFG erfasst indes, anders als § 117 FamFG, nicht nur Ehe- und Familienstreitsachen, sondern alle Familiensachen; außerdem betrifft § 114 Abs. 1 FamFG ausdrücklich auch die Folgesachen. Die isolierte Anfechtung einer Verbundentscheidung nur in einer Folgesache nimmt dieser allgemeiner Ansicht nach nicht die Eigenschaft als Folgesache (§§ 137 Abs. 2 FamFG), zumal sogar abgetrennte Folgesachen dieses Merkmal beibehalten (§ 137 Abs. 5 FamFG).

Weil die dem angefochtenen Beschluss beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich der Folgesache Versorgungsausgleich dahingehend lautet, dass insoweit kein Anwaltszwang herrsche, wäre zwar noch daran zu denken gewesen, der Antragsgegnerin wegen unverschuldeter Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 17 ff. FamFG zu gewähren. Dies kann aber dahingestellt bleiben, da die Antragsgegnerin auch die Wiedereinsetzungsfrist, die gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 FamFG zwei Wochen beträgt, verstreichen ließ, nachdem sie mit der ihr am 1.3.2016 zugestellten Verfügung der Senatsvorsitzenden auf den Anwaltszwang hingewiesen worden war.

Nach alldem ist die von der Antragsgegnerin persönlich eingelegte Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes richtet sich nach §§ 40 Abs. 1, 50 Abs. 1 S. 1, 1. Fall FamGKG und berücksichtigt den Umstand, dass im Beschwerdeverfahren nur noch zwei Anrechte verfahrensgegenständlich gewesen sind.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG. Die Frage, ob im Beschwerdeverfahren bezüglich Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwaltszwang gilt, ist obergerichtlich umstritten und noch nicht höchstrichterlich geklärt, weshalb die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsordnung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.