OLG München, Urteil vom 18.02.2016 - 29 U 3467/15
Fundstelle
openJur 2018, 9288
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 4. September 2015 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eine Verbraucherzentrale, die beim Bundesamt für Justiz in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragen und deshalb gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG berechtigt ist, lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend zu machen.

Die Beklagte ist ein Immobilienunternehmen. Sie bot auf einer Seite ihres Internetauftritts zu ihrer Finanzierung Kapitalanlagen wie folgt an (vgl. Anl. B 3 und S. 4, 6 - 9 d. Berufungsbegründung v. 30. November 2015 = Bl. 66, 68 - 71 d. A.):

UNSERE KAPITALANLA GE

Die [Beklagte] ist ein stark wachsendes Immobilien-Unternehmen. [...] Zur Finanzierung des nachhaltigen Wachstums bietet die [Beklagte] zwei unterschiedliche Immobilien-Kapitalanlagen an: HYPO FESTZINS und FESTZINS PLUS.

HYPO FESTZINS: 100%-BESICHERUNG DES KAPITALS

Die Immobilien-Anleihe HYPO FESTZINS bietet Investoren einen Festzins. Das Besondere bei HYPO FESTZINS ist die 100%-Besicherung des Kapitals der Investoren.

BODENWERT FESTZINS PL US: 5,75% bis 6,25% FESTZINS PRO JAHR Die Immobilien-Kapitalanlage BodenWert FESTZINS PLUS ist als Nachrangdarlehen konzipiert. Investoren können zwischen 3, 4 oder 5 Jahren Laufzeit wählen.

Nach Darstellungen zu der Kapitalanlage findet sich auf derselben Internetseite folgender Text:

Risikohinweis: Bei der Kapitalanlage "BodenWert FESTZINS PLUS der [Beklagten] handelt es sich nicht um eine so genannte mündelsichere Kapitalanlage, sondern um eine Kapitalanlage in Form eines Nachrangdarlehens. Bei dieser Anlage kann ein Verlust des eingesetzten Darlehensbetrags, auch ein Totalverlust, grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gilt für die Verzinsung. Das Angebot ist nur für Darlehensgeber geeignet, die dieses Risiko tragen und einen Totalverlust verkraften können. Das Nach-rangdarlehen soll der [Beklagten] wie Eigenkapital zur Verfügung stehen. Darlehensgeber treten daher im Rang hinter die Forderungen aller anderen bestehenden und künftigen Gläubiger der [Beklagten] zurück. Die Forderungen der Gesellschafter der [Beklagten] sind gleichrangig. Der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens sowie auf Zahlung von Zinsen kann nicht geltend gemacht werden, solange und soweit dieser zu einer Zahlungsunfähigkeit, bilanziellen Überschuldung oder zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der [Beklagten] führen würde. Ein Anspruch auf Tilgung und Verzinsung des Darlehens besteht nur bei ausreichender Liquidität der [Beklagten] unter Berücksichtigung vorrangiger Gläubiger und einem entsprechenden Gewinn zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Zinsen bzw. des Darlehens. Jedem Anleger wird geraten, sich vor Eingehender Kapitalanlage von einem fachkundigen Dritten, zum Beispiel einem Steuerberater oder Rechtsanwalt, beraten zu lassen.

Die Klägerin sieht die Werbung für die Kapitalanlage BodenWert FESTZINS PLUS mit einem Festzins als irreführend und deshalb unlauter an, weil sie von mindestens 15 bis 20% der angesprochenen Verkehrskreise dahin verstanden werde, dass die Rendite sicher sei, obwohl sie tatsächlich von zahlreichen Unwägbarkeiten abhänge.

Nach erfolgloser Abmahnung hat sie mit ihrer Klage, welcher die Beklagte entgegengetreten ist, Ansprüche auf Unterlassung der beanstandeten Werbung und pauschalierten Ersatz ihrer Abmahnauslagen geltend gemacht.

Mit Urteil vom 4. September 2015, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wie folgt zu werben:

Im Rahmen der angebotenen "Immobilienkapitalanlage BODENWERT FESTZINS PLUS 5,75% bis 6,25% Festzins pro Jahr" ohne klarstellenden, deutlich hervorgehobenen Hinweis auf die Ausgestaltung als Nachrangdarlehen, bei dem die Zinszahlung von der wirtschaftlichen Situation des Darlehensnehmers abhängig ist;

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 250,- € Auslagenersatz zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Februar 2014 zu bezahlen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2016 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die Klage ist allerdings in ihrem Unterlassungsantrag bereits unzulässig, weil dieser nicht hinreichend bestimmt ist.

a) Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss eine Klage einen bestimmten Antrag enthalten. Danach darf ein Unterlassungsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Deshalb ist die Verwendung eines auslegungsbedürftigen Begriffs im Klageantrag zur Bezeichnung der zu untersagenden Handlung im Regelfall jedenfalls dann unzulässig, wenn die Parteien über die Bedeutung dieses Begriffs streiten (vgl. BGH GRUR 2015, 1228 - Tagesschau-App Tz. 26 m. w. N.).

Im Streitfall enthielt der beanstandete Werbeauftritt der Beklagten sowohl einen Hinweis auf die Qualität der beworbenen Anlage als Nachrangdarlehen als auch einen auf deren Risiken. Zwischen den Parteien ist streitig, ob diese Hinweise ausreichen, eine mögliche Irreführungsgefahr auszuräumen. Damit steht im Streit, wie ein Hinweis gestaltet sein muss, um "deutlich hervorgehoben" zu sein; das steht der Verwendung dieses Begriffs im Klageantrag entgegen. Unabhängig davon hängt die Frage, ob ein Hinweis "deutlich hervorgehoben" ist, von einer Vielzahl von Umständen des Einzelfalls ab, die der Klageantrag nicht bezeichnet oder eingrenzt (vgl. BGH GRUR 2005, 692 [693] - "statt"-Preis). Durch diese unbestimmte Wendung würde der gesamte Streit, ob spätere angebliche Verletzungsformen unter das Verbot fallen, in das Vollstreckungsverfahren verlagert. Dies ist der Beklagten nicht zumutbar.

b) Der Klägerin ist nicht Gelegenheit zur Stellung eines zulässigen Klageantrags zu geben, denn ihr steht - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - kein entsprechender materiell-rechtlicher Unterlassungsanspruch zu (vgl. BGH GRUR-RR 2012, 475 - Matratzen Tz. 19 m. w. N.).

Die beanstandete Werbung ist nicht gemäß § 5 Abs. 1 UWG in der bis zum 9. Dezember 2015 geltenden Fassung irreführend.

So wird bereits bei der Vorstellung der beiden beworbenen Kapitalanlagen darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Modell BodenWert FESTZINS PLUS um ein Nachrangdarlehen handelt, während bei der Alternative HYPO FESTZINS herausgestellt wird, dass deren Besonderheit die hundertprozentige Besicherung des Kapitals sei. Bereits dieser Unterschied weist den maßgeblichen verständige Durchschnittsverbraucher, welcher der Werbung wegen der wirtschaftlichen Tragweite eines entsprechenden Investitionsentschlusses nicht nur flüchtig, sondern aufmerksam begegnet (vgl. zur Situationsabhängigkeit der Verbraucheraufmerksamkeit BGH GRUR 2015, 698 - Schlafzimmer komplett Tz. 10), darauf hin, dass ein Nachrangdarlehen nicht vollständig sicher ist. Dass die jeweiligen Darstellungen nur in der gewöhnlichen Fließtext-Schriftgröße der Internetseite und nicht im Überschriften-Fettdruck finden, hindert den angesprochenen Verkehr nicht daran, sie wahrzunehmen.

Selbst wenn dem angesprochenen Verbraucher die wirtschaftliche Bedeutung eines Nachrang-darlehens nicht geläufig ist, hat er durch den Hinweis auf diese Ausgestaltung Veranlassung, die weitere Darstellung der Anlagemöglichkeit auf nähere Erläuterungen zu überprüfen. Angesichts der wirtschaftlichen Tragweite wird der verständige Durchschnittsverbraucher dabei das Informationsangebot auf der Webseite der Beklagten ausschöpfen und auch den erst nach weiterem Scrollen sichtbaren, ausdrücklich als Risikohinweis bezeichneten Text zur Kenntnis nehmen. Dort sind die Risiken der beworbenen Anlagemöglichkeit hinreichend klar darstellt. Eine Irreführung liegt damit nicht vor.

Der Senat bedarf zur Ermittlung des Verständnisses des maßgeblichen situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers nicht des von der Klägerin angebotenen Sachverständigenbeweises, weil seine Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören (vgl. BGH GRUR 2016, 83 - Amplidect/ampliteq Tz. 52; GRUR 2004, 244 [245] - Marktführerschaft) und er zudem aufgrund seiner ständigen Befassung mit Wettbewerbssachen in der Lage ist, das Verkehrsverständnis anhand seiner Erfahrungen selbst zu beurteilen (vgl. BGH GRUR 2014, 1211 - Runes of Magic II Tz. 20; GRUR 2004, 244 [245] - Marktführerschaft).

2. Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz ihrer pauschalierten Abmahnkosten nicht zu. Da kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte besteht, war die Abmahnung nicht berechtigt i. S. d. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, so dass die Klägerin nicht den Ersatz ihrer Aufwendungen dafür verlangen kann.

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.