LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.11.2016 - L 6 VJ 4009/15
Fundstelle
openJur 2018, 9855
  • Rkr:

1. Bleiben Beteiligte dem Termin zur mündlichen Verhandlung vorwerfbar fern, versäumen sie es, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, weshalb sie in ihrem verfassungsrechtlich verankerten Anspruch hierauf selbst dann nicht verletzt sind, wenn Anschlussberufung erhoben wird.

2. Der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand, der für die Beurteilung der Kausalität von geltend gemachten Impfschäden, aber auch bei allen anderen medizinischen Fragen maßgebend ist, ändert sich durch eine Fachpublikation, bei er es sich um eine Einzelmeinung handelt, nicht.

Tenor

Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. August 2015 aufgehoben, soweit er verpflichtet worden ist, bei der Klägerin ab 13. April 2010 eine Retrobulbärneuritis rechts anzuerkennen.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Multiplen Sklerose als Folge einer Schädigung durch die Impfung gegen Hepatitis B mit dem Impfstoff "E." am 18. April 2007 und deswegen die Gewährung einer Beschädigtenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 70. Der Beklagte verfolgt mit der Anschlussberufung die Aufhebung seiner erstinstanzlichen Verpflichtung.

Die Klägerin wurde 1963 geboren. Nachdem die Arbeit als Krankenschwester für sie zu belastend war, schulte sie zur Bürokauffrau um. Sie kehrte jedoch, als sie keine Anstellung fand, in ihren ursprünglich erlernten Beruf zurück. Sie bildete sich als klinische Kodiererin weiter und schloss ein Fernstudium mit dem "Bachelor of Nursing" ab. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte ihr erstmals mit Bescheid vom 27. März 2007 eine vom 1. Juli bis 31. Dezember 2006 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung, welche sie seit 2010 unbefristet bezieht. Der Grad der Behinderung wurde bei ihr vom Landratsamt K. mit Bescheid vom 9. Dezember 2010 mit 70 seit 13. April 2010 wegen Funktionsbeeinträchtigungen durch eine seelische Störung, eine Persönlichkeitsstörung, eine depressive Verstimmung, eine Migräne, ein organisches Nervenleiden und eine Endometriose festgestellt.

Auf Anraten des Betriebsarztes des Klinikums K., wo die Klägerin zuletzt beschäftigt war, entschloss sie sich zu Impfungen, welche Dr. D., Arzt für Allgemeinmedizin, K. am 18. April 2007 mit dem Impfstoff "E." (Charge: X.) gegen Hepatitis B sowie mit dem Impfstoff "R." gegen Tetanus, Diphterie und Polio vornahm.

Nach dem Bericht von Dr. H., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, über Untersuchungen der Klägerin am 3. und 9. August 2007 wurde eine Retrobulbärneuritis rechts bei Verdacht auf eine Multiple Sklerose diagnostiziert. Die Klägerin habe sich bereits am 9. Mai 2007 mit Verdacht auf eine Retrobulbärneuritis rechts vorgestellt, welche sich damals aber in den visuell evozierten Potentialen noch nicht habe bestätigen lassen. Der beklagte Schmerz bei den Augenbewegungen sei inzwischen abgeklungen gewesen, es habe aber noch ein Schleiersehen auf dem rechten Auge bestanden. Perimetrisch seien nun augenärztlich erstmals Gesichtsfeldausfälle nachgewiesen worden. Ein kranielles Magnetresonanztomogramm (MRT) von Mai 2007 zeige zwei Herde frontal beidseits und einen unsicheren im Halsmark. Für eine Multiple Sklerose seien diese Befunde allerdings noch nicht als beweisend angesehen worden. Auf Wunsch der Klägerin sei die Borrelien-Serologie kontrolliert worden, welche aber, wie früher, negativ gewesen sei. Einer Lumbalpunktion habe sie sich nicht unterziehen wollen.

Die Klägerin hielt sich vom 18. bis 26. Mai 2009 stationär im Neurologischen Fach- und Rehabilitationskrankenhaus der Kliniken Sch. in A. auf. Nach dem Entlassungsbericht von Prof. Dr. K., Ärztlicher Leiter des Bereiches Akutneurologie, wurden eine psychogen überlagerte Schluckstörung, eine Multiple Sklerose und eine Kachexie diagnostiziert. Die Aufnahme sei zur Abklärung einer Kachexie als Folge einer von der Klägerin geschilderten gestörten oralen Phase beim Essen von flüssigen und festen Speisen erfolgt. Innerhalb der letzten zwölf Monate habe sie 8 kg abgenommen. Sie wiege jetzt noch 40 kg. Zudem habe der Verdacht auf einen entzündlichen Prozess im Bereich des zentralen Nervensystems bestanden. In neurologischer Hinsicht habe sich klinisch eine Kachexie gezeigt, der Befund sei sonst unauffällig gewesen. Es habe weiter eine aktive Multiple Sklerose vorgelegen, welche aber die Störung der oralen Schluckphase bei fehlenden infratentoriellen Herden nicht vollständig erklärt habe.

Nach telefonischer Anforderung am 9. Juni 2009 wurde der Klägerin ein Antragsvordruck für die Gewährung von Versorgung wegen Impfschäden nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) übersandt. Diesen reichte sie ausgefüllt am 13. April 2010 ein, woraufhin das Landratsamt K. Ermittlungen aufnahm.

Von der AOK Baden-Württemberg, wo die Klägerin gegen Krankheit gesetzlich krankenversichert war, wurde das Vorerkrankungsverzeichnis beigezogen.

Dr. D. äußerte im Juni 2010, dass sich die Klägerin in seiner hausärztlichen Behandlung befinde. Direkt nach den Impfungen am 18. April 2007 habe sie sich nicht wieder vorgestellt. Über Impfreaktionen sei ihm nichts berichtet worden. Der nächste hausärztliche Kontakt sei am 29. Februar 2008 erfolgt. Auch zu diesem Zeitpunkt sei ihm gegenüber nichts über irgendwelche impfbedingten Beschwerden erwähnt worden.

Dr. H. teilte Mitte August 2010 mit, die Klägerin habe sich erstmals bei ihm am 9. Mai 2007 vorgestellt. Wegen des Verdachtes auf eine Retrobulbärneuritis rechts sei sie damals von den Augenärzten Dr. I. und E. K. an ihn überwiesen worden. Seit einer Woche habe rechts ein Augenschmerz bestanden. Sie habe außen und innen helle, wellenähnliche Lichterscheinungen gesehen, wie sie sie ähnlich von ihrer Migräne kenne. Da seien es aber eher Zacken gewesen. An Vorerkrankungen habe sie eine Endometriose, eine Fibromyalgie und eine Coxarthrose beidseits angeführt. Neurologisch habe sich eine unkorrigierte Myopie links gefunden. Der Visus auf dem rechten Auge sei ihm normal erschienen. Die übrigen Hirnnerven, die Reflexe sowie die Motorik und Sensibilität seien intakt gewesen. Die visuell evozierten Potentiale hätten beidseits eine normale Latenz, etwa 110 ms rechts und 105 ms links, sowie Amplitude aufgewiesen. Einen Arztbrief habe er damals nicht verfasst, sondern der Klägerin die Originaldokumentation mit dem Vermerk "kein pathologischer Befund" für die sie behandelnden Augenärzte mitgegeben.

Nach der gutachterlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. W., Fachgebiet Psychiatrie, Sozialmedizin und Rehabilitationswesen, von 7. Oktober 2010 sei von einem gesicherten zeitlichen Zusammenhang von vier Monaten zwischen der Impfung und der Multiplen Sklerose auszugehen. Für die Beurteilung entscheidend sei der Artikel von Weißer/Barth/Keller-Stanislawski, Bundesinstitut für Sera und Impfstoffe, P.-E.-Institut, Langen, Bundesgesundheitsblatt 2009, S. 1 ff.: "Sicherheit von Impfstoffen". Zu verweisen sei insbesondere auf den Abschnitt "Impfungen und Multiple Sklerose" auf S. 9. Als Fazit werde, unter Nennung von Studien und Analysen, festgehalten, nach derzeitigem Kenntnisstand gebe es keine Evidenz dafür, dass Impfungen zu einer Multiplen Sklerose führten oder bei bestehender Erkrankung einen akuten Schub auslösten. Daher sei bei der Klägerin kein kausaler Zusammenhang zwischen den durchgeführten Impfungen und der Encephalomyelitis disseminata herzustellen.

Mit Bescheid vom 12. November 2010 lehnte das Landratsamt K. die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem IfSG ab. Bei der versorgungsärztlichen Prüfung sei festgestellt worden, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen den durchgeführten Impfungen und der Multiplen Sklerose nicht bestehe.

Hiergegen erhob die Klägerin unter Bezugnahme auf im Zentrum für Neurologie/Psychiatrie/Neuroradiologie in S. im Mai 2007 und August 2008 erstellte MRT des Schädels Widerspruch. Daraufhin zog das Landratsamt K. von dort die Befundberichte und das bildgebende Material bei.

Auf Nachfrage bei Dr. Z., Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, äußerte dieser Ende April 2011, die Klägerin sei seit Ende Januar 1999 regelmäßig in seiner ambulanten nervenärztlichen Behandlung. Von einem Impfschaden sei ihm nichts bekannt. Der Verdacht auf eine Encephalomyelitis disseminata bestehe mindestens seit 1995. Seit wann eine Hepatitis B vorliege, sei ihm nicht bekannt. Wegen einer depressiven Störung und eines chronischen Schmerzsyndroms sei die Klägerin seit Anfang Juli 2006 ob einer vollen Erwerbsunfähigkeit berentet. Im Jahre 2007 sei die Klägerin etwa vierzehntägig in seiner Praxis gewesen. Eine Symptomatik, welche durch eine Impfung induziert gewesen sein könnte, sei ihm in diesem Zeitraum nicht aufgefallen.

Das Landratsamt K. zog ferner von der Deutschen Rentenversicherung Bund Gutachten von Dr. G. und Dr. G., Fachärztin und Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie, einen Entlassungsbericht von Dr. E., Ärztlicher Direktor der Klinik Sch., sowie Berichte der Fachärztin für Allgemeinmedizin und Anästhesiologie Dr. P. und des Facharztes für Neurologie Dr. K. bei.

Dr. K. hatte Mitte September 1995 einen Bericht verfasst, wonach bei der Klägerin diagnostisch zwar eine klassische Migräne mit Aura, indes nach umfangreicher neuroradiologischer Diagnostik trotz belastender Familienanamnese ein unauffälliger Befund vorgelegen habe. Sie habe sich erstmals am 9. August 1995 auf eigene Veranlassung vorgestellt und berichtet, seit zwei Wochen zum Teil heftige, mit Sehstörungen verbundene retrobulbäre Augenschmerzen links zu haben. Sie sei bei verschiedenen Augenärzten gewesen, welche keine Auffälligkeiten gefunden hätten. Kopfschmerzen träten seit dem fünfzehnten Lebensjahr auf, überwiegend linksseitig. Seit einiger Zeit habe sich der Anfallscharakter gewandelt. Der Migräneanfall habe sich nun auch rechts gezeigt und sei von einem linksseitigen Augenflimmern begleitet gewesen. Die Beschwerden hinter dem linken Auge seien in letzter Zeit lästig geworden. Über die von ihm in Betracht gezogene Differentialdiagnose einer disseminierten Entzündung habe er mit der Klägerin nicht gesprochen. Eine solche habe ihm nach den gegenwärtigen Umständen auch nicht wahrscheinlich erschienen. Die Untersuchung visuell evozierter Potentiale Anfang August 1995 habe beidseits jeweils eine grenzwertige P2-Latenz gezeigt. Eine Befundkontrolle sei nicht erforderlich gewesen. Die kranielle Computertomographie am selben Tag habe Zeichen einer Marklagerdegeneration und leichten externen Atrophie offenbart. Es habe sich weder ein raumfordernder Prozess noch eine Blutung oder ein Territorialinfarkt feststellen lassen.

Dr. G. kam nach der gutachterlichen Untersuchung Ende Juli 2006 zu dem Ergebnis, dass ein Schulter-Arm-Syndrom links bei mediolateralem Bandscheibenvorfall im Bereich C6/7 (ICD-10 M53.1) ohne neurologische Ausfälle, ein Wurzelreizsyndrom im Bereich L5 links (ICD-10 M54.4) mit abgeschwächtem Achillessehnenreflex und eine schwere depressive Episode (ICD-10 F32.2), deren Beginn sich nicht genau festlegen lasse, vorlägen. Die Klägerin habe eine ambulante Psychotherapie begonnen, deren Fortsetzung indes wegen Terminschwierigkeiten gescheitert sei. Obwohl dringend erforderlich, werde derzeit keine antidepressive Medikation eingenommen. Die Klägerin habe angegeben, eine solche Arznei schlecht zu vertragen. Ein ausreichendes Leistungsvermögen in dem Beruf als Krankenschwester sei sowohl in psychiatrischer als auch neurologischer Hinsicht nicht mehr gegeben. Dieses Ergebnis bestätigte Dr. G. nach ihrer gutachterlichen Untersuchung Mitte 2007.

Dr. E. diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt der Klägerin vom 31. Oktober bis 12. Dezember 2006 eine nach Behandlung gebesserte rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10 F33.1) sowie unverändert eine kombinierte Persönlichkeitsstörung ICD-10 F61), ein chronisches Schmerzsyndrom bei einem Zustand nach mediolateralem Bandscheibenvorfall im Bereich C6/7 links (ICD-10 M53) und eine Coxarthrose beidseits (ICD-10 M16).

Dr. P. stellte nach der einmaligen Untersuchung der Klägerin Ende Januar 2007 ein chronisches Schmerzsyndrom (ICD-10 R52.2), ein Fibromyalgiesyndrom (ICD-10 M79.70), eine Depression (ICD-10 F32.9), eine Somatisierungsreaktion (ICD-10 F45.9), den Missbrauch von Personen, nicht näher bezeichnet (ICD-10 T74.9), einen Bandscheibenvorfall (ICD-10 M51.2), eine Kompression von Nervenwurzeln und des Nervenplexus bei Spondylose (ICD-10 G55.2), eine Wurzelreizung im Bereich der Halswirbelsäule (ICD-10 M54.2), eine Sensibilitätsstörung (ICD-10 R20.8), eine Endometriose (ICD-10 N80.9), eine Coxarthrose (ICD-10 M16.9) sowie eine Migräne mit Aura (ICD-10 G43.1) fest. Die Klägerin sei einer medikamentösen Therapie absolut negativ gegenüber eingestellt gewesen. Das Körpergewicht sei so gering gewesen, dass eine schmerzdistanzierende Therapie mit Doxepin, zwei Tropfen abends, besprochen und Ibuprofen, 200 mg, dreimal täglich, eindosiert worden sei.

Das Landratsamt K. beauftragte schließlich Prof. Dr. med. Dr. theol. B., Institut für Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin des Klinikums K., unter Übersendung der MRT des Schädels von August 1995, Mai 2007, August 2008 und Mai 2009, ein Gutachten nach Aktenlage zu erstatten. In seiner Expertise vom 30. Mai 2011 führte er aus, nach der Bildgebung und dem Verlauf bestehe ein klarer Befund. Retrospektiv habe bereits 1995 der Verdacht geäußert werden können, dass sich die retrobulbären Augenschmerzen bereits im Rahmen eines Schubes einer Encephalomyelitis disseminata abgespielt hätten. In der Situationsenge von 1995 sei diese Diagnose aber nicht zu stellen gewesen, zumindest nicht mit der Sicherheit eines bildgebenden Diagnostikers. Retrospektiv habe allenfalls angenommen werden, dass sich dies so verhalten werde. Er hätte diese Diagnose damals nicht mit letzter Sicherheit gestellt und allenfalls eine weitere Diagnostik durch MRT im Jahresverlauf angeregt. Gegen diese Tatsache spreche allerdings, dass von 1995 bis 2007 eine immerhin zwölf Jahre währende Zeit ohne nennenswerte neurologische Beeinträchtigungen abgelaufen sein müsse. Denn weitere Untersuchungen seien nach Aktenlage unterblieben. Retrospektiv sei eine Encephalomyelitis disseminata 1995 nach der Bildgebung möglich gewesen, prospektiv ohne Kenntnis des Verlaufes der Bilder von 1995 jedoch nicht beweisend.

Daraufhin legte das Landratsamt K. den Vorgang dem Regierungspräsidium Stuttgart vor, welches den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2011 zurückwies. Nach der eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme und unter Berücksichtigung weiterer neurologischer Befunde aus der Zeit ab 1995 wiesen sowohl die klinischen als auch radiologischen Berichte darauf hin, dass bereits 1995 Zeichen einer Multiplen Sklerose bestanden hätten, welche lediglich erst 2009 diagnostiziert worden sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 7. November 2011 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) mit dem Begehren erhoben, "unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2011 [...] bei [ihr] Multiple Sklerose [...] auf der Basis eines GdS von 70 % als Folge - zumindest in Form der Exazerbation - der am 18.04.2007 durchgeführten Hepatitis B-Impfung [...] anzuerkennen und zu versorgen".

Das SG hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen bei der Fachärztin für Neurologie Dr. K., Prof. Dr. K., Dr. E., Zentrum für Neurologie/Psychiatrie/Neuroradiologie in S., den Fachärzten für Augenheilkunde Dr. K. K. und Dr. H. sowie dem Facharzt für Innere Medizin und Endokrinologie Dr. D. eingeholt, welche im Oktober 2012 und im Folgemonat vorgelegt worden sind.

Dr. K. hat ausgeführt, die Klägerin habe sie immer wieder sporadisch aufgesucht. Termine zur empfohlenen Diagnostik oder Wiedervorstellung seien häufig abgesagt worden. Seit drei Jahren habe sie sie nicht mehr untersucht. Prof. Dr. K. hat im Wesentlichen den Inhalt des Befundberichtes über den stationären Aufenthalt der Klägerin im Mai 2009 wiedergegeben. Dr. E. hat auf die beigefügten Befundberichte nach den MRT des Schädels von Ende Mai 2007 und Ende August 2008 verwiesen.

Dr. K. K. hat mitgeteilt, die Klägerin habe sich seit Ende Mai 2007 bei ihm in Behandlung befunden. Die letzte Untersuchung habe Ende Februar 2010 stattgefunden. Es habe sich keine behandlungsbedürftige Erkrankung gezeigt, lediglich das klinische Bild einer Asthenopie wegen einer Anisometropie vorgelegen. Darüber hinaus sei eine beginnende Alterssichtigkeit festgestellt worden. Sämtliche Befunde auf seinem Fachgebiet erklärten sich hauptsächlich wegen der von der Klägerin angegebenen Kopfschmerzen. Er habe eine geeignete Sehhilfenanpassung empfohlen. Dr. H. hat kundgetan, die Klägerin sei von ihm in der Zeit ab Anfang Juli 2007 bis Ende Februar 2008 behandelt worden. Bei der ersten Untersuchung habe sie über Schleiersehen des besseren rechten Auges, verbunden mit Schwindel, Kopfschmerzen und vermehrter Lichtempfindlichkeit berichtet. Wegen anhaltender Beschwerden habe er sie im Oktober 2007 an den Neurologen Dr. H. überwiesen. Dieser habe eine rechtsseitige Retrobulbärneuritis bei Verdacht auf eine Multiple Sklerose diagnostiziert. Diese Annahme sei durch eine Latenzerhöhung der visuell evozierten Potentiale am rechten Auge gefestigt worden. Zusätzlich habe das MRT für eine Multiple Sklerose typische Veränderungen gezeigt. Bei der letzten Untersuchung seien die Gesichtsfelder, die Sehschärfe, der Augeninnendruck und der morphologische Befund unverändert gewesen.

Dr. T., die wie auch Dr. H. im Medizinischen Versorgungszentrum K. tätig gewesen ist, hat geäußert, sie habe die Klägerin erstmals Ende August 2007 und letztmalig Anfang Dezember 2009 gesehen. Sie habe sich wegen einer rechtsseitigen Retrobulbärneuritis bei Verdacht auf eine Multiple Sklerose vorgestellt. Damals sei der neurologische Befund ansonsten unauffällig gewesen. Die visuell evozierten Potentiale hätten eine deutliche Latenzverzögerung auf 128 ms rechts gegenüber 109 ms links gezeigt. Bei der letzten Untersuchung sei es zu einer Verschlechterung mit ausgeprägter Schluckstörung gekommen, welche schließlich mit einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie versorgt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei bei der Klägerin in den Kliniken Sch. in A. bereits eine Lumbalpunktion durchgeführt worden, bei der positive oligoklonale Banden festgestellt worden seien. Mit den entsprechenden Marklagerläsionen im MRT des Schädels sei die Diagnose einer Encephalomyelitis disseminata gestellt worden. Die Funktionsbeeinträchtigungen bei der Klägerin bestünden vor allem wegen ihrer Schluckstörung.

Dr. D. hat angemerkt, die Klägerin in den Jahren 1997, 2006 und zuletzt Ende Januar 2010 behandelt zu haben. Sie habe unter einer Schluckstörung gelitten, welche zu einer Mangelernährung und Untergewicht geführt habe. Ein Zusammenhang mit einer Encephalomyelitis disseminata habe nicht sicher hergestellt werden können. Die endokrinologische Diagnostik habe zuletzt keine Hinweise auf eine organische Erkrankung der Hirnanhang- und Schilddrüsen, der Nebennieren, der Eierstöcke und der Blutbildung ergeben. Es habe lediglich ein leichtgradiger Vitamin D-Mangel vorgelegen. Durch die Gewichtsabnahme sei es zu einer globalen Rückbildung der Muskelmasse gekommen, wodurch eine Leistungsminderung eingetreten sei. Diese sei sicherlich durch die Encephalomyelitis disseminata "aggraviert" gewesen.

Das SG hat Dr. B., damals Oberarzt der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums W., heute Privatdozent (Priv.-Doz.) und Chefarzt der Neurologie des C.-Krankenhauses in Bad M., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 28. Mai 2013 hat er in seiner Expertise, einschließlich zweier ergänzender Stellungnahmen vom 29. April 2014 und 13. März 2015, ausgeführt, nach anamnestischen, klinisch-neurologischen, elektrophysiologischen und Kernspintomographischen Kriterien liege bislang eine milde verlaufende Multiple Sklerose vor. Befragt nach dem Zeitraum im Anschluss an die Impfung am 18. April 2007 habe die Klägerin angegeben, etwa eine Woche später, genau könne sie es nicht mehr sagen, habe sich ein Augenbewegungsschmerz rechts entwickelt. In der Schilderung sei wiederholt vereinfacht von einem Augenschmerz gesprochen worden. Es habe sich dann eine Sehstörung im Sinne eines Gefühls entwickelt, als ob etwas vor dem Auge sei. Im Gegensatz zu dieser Beeinträchtigung habe der Schmerz im weiteren Verlauf allmählich nachgelassen. Sie habe sich in keiner Weise mehr daran erinnert, wie 1995 die vorübergehende Sehstörung links ausgeprägt gewesen sei. Sie habe nur noch gewusst, dass sie damals viele Migräneattacken gehabt habe und hierbei wiederholt Auren mit Zackenskotom aufgetreten seien.

Die klinisch-neurologische Beurteilung der entsprechenden Symptomatik sei durch eine mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmende psychogene Überlagerung behindert gewesen. Deren Annahme habe sich aus verschiedenen, hierauf hinweisenden Phänomenen in der neurologischen Untersuchung ergeben. Hierzu gehörten etwa die Art des zunächst wiederholt sicheren Vorbeiführens im Zeigeversuch und die spezielle Art der inkonstanten Entfaltung der Kraft bei deren Prüfung, welche nicht allein durch eine fluktuierende Kraftentfaltung im Rahmen einer Schädigung des zentralen Nervensystems durch die Multiple Sklerose zu erklären sei. Eine hohe Wahrscheinlichkeit der funktionellen Überlagerung habe sich bereits allein mittels der klinisch-neurologischen Untersuchung gezeigt, werde aber zusätzlich gestützt durch die Krankheitsgeschichte mit langjährigen, von verschiedenen Seiten nach teils ausführlicher stationärer Diagnostik als psychosomatisch eingestuften Beschwerden und der fremdärztlich mehrfach vordiagnostizierten Persönlichkeitsstörung. Zugleich hätten sich jedoch bei der neurologischen Untersuchung Hinweise für organisch bedingte, wenn auch relativ geringgradige körperliche Einschränkungen durch die Multiple Sklerose ergeben. Die Klägerin habe während der Begutachtung bei einem korrigierten Visus von 100 % auf dem rechten Auge eine veränderte Farbwahrnehmung angegeben, die ein mögliches Korrelat in einer leichten rechtsseitigen Latenzverzögerung der visuell evozierten Potentiale gefunden habe. Nicht durch eine neurologische Störung erklärbar erscheine in Anbetracht der links unauffälligen visuell evozierten Potentiale der bei der Untersuchung auf 25 % reduzierte korrigierte Visus auf dem linken Auge, welcher auch zu den vorliegenden augenärztlichen Befunden divergiere, wo bei links deutlich kurzsichtigem Auge jeweils ein normaler Visus gemessen worden sei. Es sei weiter eine verminderte muskuläre Belastbarkeit der Beine geschildert worden. Ferner habe sich durch die generalisiert inkonstante Kraftentfaltung bei der neurologischen Untersuchung der Verdacht auf eine leichtgradige Schwäche rumpfnaher Beinmuskeln ergeben. Passend zu der leichtgradigen Krafteinschränkung der Beine in diesem Bereich als plausiblem organischen K. der generalisiert eingeschränkten Kraftentfaltung hätten sich in den motorisch evozierten Potentialen zu den Beinen grenzwertig pathologische Potentialkonfigurationen bei kortikaler, nicht aber lumbaler Magnetstimulation gezeigt. Diese ließen in Zusammenschau mit dem K.spintomographischen Nachweis eines Rückenmarksbefalles durch die Multiple Sklerose eine leichtgradige, hierdurch verursachte bilaterale Pyramidenbahnläsion in dieser Körperregion nachvollziehbar erscheinen. Die somatosensibel evozierten Potentiale mit Stimulation des Nervus tibialis und des Nervus medianus beidseits hätten keinen pathologischen Befund als Erklärung einer von der Klägerin beklagten, nur intermittierend auftretenden und damit eher nicht auf einen permanenten strukturellen Defekt im zentralen Nervensystem zurückzuführenden Gleichgewichtsstörung ergeben, welche bei der aktuellen neurologischen Untersuchung allenfalls grenzwertig manifest gewesen sei. Sie habe außerdem einen Harndrang bei randvoller Blase angeführt. Trotz der Häufigkeit von Blasenentleerungsstörungen im Zusammenhang mit einer Multiplen Sklerose seien solche für die Erkrankung eher untypisch. Die Klärung bedürfte einer genaueren Einordnung der Ursache mittels urologischer Zusatzdiagnostik, welche hinsichtlich der vorliegend zu beantwortenden Fragen indes keine relevanten Zusatzerkenntnisse brächte. Darüber hinaus habe die Klägerin über eine abnorme körperliche und geistige Erschöpfbarkeit geklagt, welche zwar prinzipiell durch eine Multiple Sklerose erklärbar sei. Im konkreten Fall sei diese jedoch wegen der bei der letzten Kernspintomographischen Untersuchung 2009 weiterhin geringgradigen Läsionslast und der Vorgeschichte mit wiederholten psychovegetativen Erschöpfungszuständen bereits Jahre vor der wahrscheinlichen klinischen Erstmanifestation der Erkrankung allenfalls teilweise auf sie zurückzuführen. Nach anamnestischer Schilderung habe seit vielen Jahren eine Migräne vorgelegen. Es seien zudem degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule bekannt. Auch sei ein mediolateraler linksseitiger Bandscheibenvorfall in Höhe C6/7 diagnostiziert worden. Die Klägerin habe über eine Einschlafneigung beider Hände und intermittierende Missempfindungen in den Fingern berichtet, welche sich dem sensiblen Versorgungsgebiet des Nervus medianus zuordnen ließen. Elektrophysiologisch habe sich kein Anhalt für ein zusätzliches Karpaltunnelsyndrom gezeigt, welches in dieser Beschwerdekonstellation differentialdiagnostisch besonders zu erwägen sei. Die Klägerin habe zudem unter einem depressiven Syndrom gelitten. Von verschiedenen Ärzten sei nach teils ausführlicher stationärer Diagnostik darüber hinaus eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert worden.

Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sei die Multiple Sklerose nicht durch die Hepatitis B-Impfung am 18. April 2007 ausgelöst worden. Vielmehr habe sich die Erkrankung sehr wahrscheinlich 1995 durch eine linksseitige Sehnerventzündung manifestiert. Im Befundbericht von Dr. K. von Mitte September 1995 seien über zwei Wochen persistierende retrobulbäre Augenschmerzen links in Verbindung mit einer Sehstörung im Jahre 1995 dokumentiert, bei zugleich unauffälligen Untersuchungsbefunden mehrerer Augenärzte. Dies erwecke bereits den hochgradigen Verdacht auf eine Sehnerventzündung. Eine Migräneattacke sei differentialdiagnostisch kaum in Erwägung zu ziehen gewesen, weil damit zusammenhängende Sehstörungen beide Augen beträfen, zu allermeist nicht länger als sechzig Minuten anhielten, keinesfalls über zwei Wochen andauerten und mit Beginn der Kopfschmerzen abklängen. Migränekopfschmerzen seien zudem nicht allein retroorbital, also im Bereich der Augenhöhle, zu lokalisieren, sondern träten dort allenfalls betont auf und dauerten üblicherweise insgesamt nicht länger als 72 Stunden an. Diese Eigenschaften von Migräneattacken machten eine Verursachung der Beschwerden durch eine solche Erkrankung äußerst unwahrscheinlich. Der von Dr. K. 1995 erhobene Befund der visuell evozierten Potentiale lasse nach dessen Bericht wegen des auf der damals betroffenen linken Seite nicht gut reproduzierbaren Befundes keinen zweifelsfreien Schluss zu. Jedoch habe eine der beiden Messungen auf der linken Seite eine deutliche Latenzverzögerung ergeben, welche zusätzlich für eine Sehnerventzündung spreche. Von höherer Bedeutung für die retrospektive Bewertung erscheine indes als technische Zusatzuntersuchung das kranielle MRT von 1995, in dem sich zwar wenige, aber mit einer Multiplen Sklerose gut zu vereinbarende Läsionen zeigten. Prof. Dr. med. Dr. theol. B. habe sich in seinem radiologischen Gutachten von 2011 für die Diagnose noch auf die 2005 erfolgte Revision der so genannten "McDonald-Kriterien" bezogen, welche von den meisten Neurologinnen und Neurologen bis 2011 zur Diagnostizierung einer Multiplen Sklerose verwendet worden seien und bis dahin den allgemeinen Standard darstellten. Hiernach sei im MRT das Kriterium der räumlichen Dissemination der Erkrankung nicht erfüllt gewesen. Nach der 2011 publizierten letzten Revision der McDonald-Kriterien sei allerdings mit dem Nachweis jeweils einer periventrikulären und subgyralen Läsion, wie von Prof. Dr. med. Dr. theol. B. morphologisch beschrieben, das für die Sicherung einer Multiplen Sklerose wichtige Kriterium der räumlichen Dissemination zweifellos gegeben gewesen. Die McDonald-Kriterien 2011 hätten eine höhere Sensitivität bei nicht relevant reduzierter Spezifität gegenüber der Revision von 2005 besessen. Diese letzte Revision der McDonald-Kriterien habe eine Lockerung der Kernspintomographischen Kriterien gegenüber der vormaligen Revision der Diagnosekriterien von 2005 beinhaltet. Eine räumliche Dissemination im MRT dürfe nach den aktuell gültigen Kriterien angenommen werden, wenn sich an mindestens zwei von vier der für die Multiple Sklerose typischen Lokalisationen jeweils mindestens eine T2-Läsion befinde. Diese seien periventrikulär, juxtakortikal oder subgyral, infratentoriell und spinal ("Rückenmark"). Soweit Prof. Dr. med. Dr. theol. B. ausgeführt habe, es hätten minimale periventrikuläre Beherdungen links sowie rechts subgyral vorgelegen, bedeute dies, dass die Klägerin bereits 1995 einen für die Multiple Sklerose typischen K.spintomographischen Befund aufgewiesen habe, welcher die Kriterien einer räumlichen Dissemination nach den derzeit gültigen diagnostischen Kriterien erfüllt habe. 1995 sei eine zeitliche Dissemination der Erkrankung noch nicht sicher belegt gewesen, welche erst im weiteren Verlauf zweifellos eingetreten sei. In Kenntnis der weiteren Entwicklung und der später gewonnenen Untersuchungsergebnisse, unter anderem der Liquoruntersuchung und der erfolgten ausgeschlossenen Differentialdiagnostik, könne retrospektiv mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass bereits 1995 eine Multiple Sklerose aufgetreten sei.

Das 1995 angefertigte kranielle MRT habe nach dem radiologischen Gutachten von Prof. Dr. med. Dr. theol. B. minimale periventrikuläre Beherdungen links sowie rechts subgyral gezeigt. Beide Lokalisationen seien typisch für eine Multiple Sklerose und nicht etwa durch eine Schädigung von Blutgefäßen zu erklären. In der Untersuchung der visuell evozierten Potentiale durch Dr. K. habe sich zudem links eine fragliche Latenzverzögerung gezeigt. Beide von Prof. Dr. med. Dr. theol. B. beschriebenen Lokalisationen K.spintomographischer Läsionen würden als hochverdächtig für eine entzündliche Ursache gelten. Typischerweise befänden sich mit einer Migräne assoziierte Marklagerläsionen, welche im MRT gelegentlich zu beobachten und differentialdiagnostisch zu erwägen seien, demgegenüber an anderer Stelle im Gehirn. Die Tatsache, dass sich die Kernspintomographischen Läsionen nach Prof. Dr. med. Dr. theol. B. auch in der sogenannten T1-Wichtung hätten identifizieren lassen, spreche dafür, auch wenn dieser zu diesem speziellen Punkt in seinem Gutachten nicht explizit Stellung genommen habe, dass diese Herde im Falle einer sehr wahrscheinlich anzunehmenden entzündlichen Verursachung mehr als einen Monat vor dem Auftreten der sehr wahrscheinlich anzunehmenden linksseitigen Sehnerventzündung entstanden seien. Damit sei die zeitliche Dissemination der Erkrankung als zweites Kernkriterium zur retrospektiven Diagnostizierung einer Multiplen Sklerose bereits 1995 belegt gewesen. Der Kernspintomographische Befund der T1-Wichtung spreche mit einiger Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Erkrankung bereits vor der linksseitigen Sehnerventzündung 1995 aktiv gewesen sei, möglicherweise ohne Symptome zu verursachen. Im Rahmen der Diskussion Kernspintomographischer Kriterien sei zu betonen, dass primär die Frage behandelt worden sei, ob nach den aktuell gültigen diagnostischen Standards retrospektiv eine Multiple Sklerose erwogen werden könne. Nach dem weiteren Erkrankungsverlauf und der später durchgeführten Zusatzdiagnostik mit weiterer Sicherung der Diagnose unter anderem durch eine Lumbalpunktion verbleibe kein Zweifel an der Natur der 1995 nachgewiesenen Kernspintomographischen Marklagerläsionen. Diese seien Ausdruck der bereits damals bestehenden Multiplen Sklerose gewesen.

Sowohl Dr. K. als auch der begutachtende Radiologe hätten 1995 in ihren Berichten zu Recht eine Multiple Sklerose angenommen. Die interpretatorische Zurückhaltung von Dr. K. zum damaligen Zeitpunkt erscheine gut nachvollziehbar, da im Sommer 1995 in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) noch keine zugelassene verlaufsmodifizierende Therapie der Erkrankung zur Verfügung gestanden habe. Es habe damals noch der allgemeinen Gepflogenheit entsprochen, in der Diagnosestellung sehr zurückhaltend zu sein, da sich hieraus in erster Linie mögliche psychische Belastungen, jedoch kaum therapeutische Konsequenzen ergeben hätten. Die erste verlaufsmodifizierende Therapie sei in der BRD erst Ende 1995 zugelassen worden. Dr. K. habe eine Verlaufskontrolle geplant, was dem damals sinnvollen und üblichen Vorgehen entsprochen habe. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der 2009 in den Kliniken Sch. in A. erhobenen Befunde, einschließlich der für eine Multiple Sklerose typischen Liquorveränderungen, bestehe kein ernsthafter Zweifel daran, dass die Multiple Sklerose bereits 1995 vorhanden gewesen sei und deshalb nicht durch die Impfung 2007 habe verursacht werden können.

Durch den Neurologen Dr. H. sowie die Augenärzte Dr. I. und E. K. sei anamnestisch, in der klinischen Untersuchung und durch wiederholte Untersuchungen der visuell evozierten Potentiale zweifelsfrei dokumentiert worden, dass die Klägerin zwei Wochen nach der Hepatitis B-Impfung neu eine leichtgradige rechtsseitige Retrobulbärneuritis entwickelt habe. Wegen der sehr guten Verlaufsdokumentation sei die Auskunft von Dr. Z. im Jahre 2011, bei zahlreichen Konsultationen der Klägerin in dieser Zeit sei ihm keine mögliche Impfreaktion aufgefallen, trotz des dezidierten Duktus seines Berichtes nicht als sachlich weiterführend zu werten, da ihm die in der Vergangenheit zweifelsfrei neu aufgetretene Sehnerventzündung offensichtlich nicht bekannt gewesen sei. Der Zeitpunkt des Auftretens dieser Gesundheitsstörung etwa zwei Wochen nach der Impfung liege innerhalb des Zeitfensters, in dem ein Impfschaden möglich erscheine. Es sei vorliegend kein anderer möglicher Auslöser des Krankheitsschubes wie etwa eine akute Infektion dokumentiert. Festgehaltende manifeste Krankheitsschübe stellten in der konkreten Krankengeschichte der Klägerin, möglicherweise beeinflusst durch die erschwerte Erkennung wegen multipler psychosomatischer Beschwerden, seltene Ereignisse dar. Wegen dieses individuellen Verlaufes mit anzunehmender sehr niedriger Schubfrequenz, welche ihren Niederschlag auch in nur geringen Funktionseinschränkungen nach langjährigem Krankheitsverlauf ohne schützende sekundärprophylaktische Immuntherapie gefunden habe, erscheine das Auftreten einer gut dokumentierten Retrobulbärneuritis zwei Wochen nach der Impfung sehr auffällig. Der Kausalzusammenhang sei in Anbetracht der nicht befriedigenden wissenschaftlichen Datenlage daher besonders in Erwägung ziehen. Einschränkend sei anzumerken, dass Dr. Z., in dessen regelmäßiger Behandlung sich die Klägerin über viele Jahre befunden habe, in seiner Stellungnahme konstatiert habe, sie habe seit 1999 rezidivierend auftretende Kopfschmerzen mit Sehstörungen für einige Tage gehabt. Diese Aussage lasse es möglich erscheinen, dass vor der im Anschluss an die Impfung aufgetretenen Retrobulbärneuritis weitere, als migräneassoziierte Sehstörungen fehlinterpretierte Retrobulbärneuritiden aufgetreten seien, welche die Annahme eines möglichen Kausalzusammenhanges zwischen Impfung und rechtsseitiger Retrobulbärneuritis schwächten. Die Annahme, dass es sich bei dem Ereignis 1995 um eine Retrobulbärneuritis und nicht doch um eine migräneassoziierte Sehstörung gehandelt habe, werde durch die Aussage von Dr. Z. zu wiederholten Sehstörungen seit 1999 nicht relevant geschwächt. Wichtig für die Bewertung erscheine im Kontext der seit damals wiederholt auftretenden Sehstörungen, dass zum Zeitpunkt des Auftretens der rechtsseitigen Retrobulbärneuritis ein Normalbefund der visuell evozierten Potentiale dokumentiert worden sei, so dass bis zu diesem Zeitpunkt zumindest keine Residuen früherer Sehnerventzündungen, einschließlich derjenigen 1995, mittels visuell evozierter Potenziale nachweisbar gewesen seien. Mit der Sehnerventzündung habe sich im Anschluss an die Impfung eine rechtsseitige Latenzverzögerung entwickelt, die bis aktuell partiell persistiert habe, während der Befund auf dem linken Auge weiterhin normalwertig gewesen sei. In der Gesamtschau sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Impfung wesentlich an der Entstehung des Impfschadens im Sinne einer Retrobulbärneuritis rechts mitgewirkt habe. Weitere nach der Impfung neu aufgetretene Symptome, welche der Multiplen Sklerose zuzuordnen seien, seien den Arztberichten aus dem Monat nach der Impfung nicht zu entnehmen.

Diagnostisches Grundprinzip einer Multiplen Sklerose sei seit über fünfzig Jahren der Nachweis einer räumlich innerhalb des zentralen Nervensystems disseminierten Entzündung zu mindestens zwei unterschiedlichen Zeitpunkten, welche nicht anderweitig erklärt werden könne. Bei dem Ereignis 1995 habe es sich nach klinischen Kriterien sehr wahrscheinlich um eine isolierte Retrobulbärneuritis gehandelt. K.spintomographisch hätten sich darüber hinaus mit einer Multiplen Sklerose zu vereinbarende Läsionen gezeigt, so dass nach den 1983 publizierten, 1995 üblicherweise noch angewandten so genannten "Poser-Diagnosekriterien" eine räumliche Dissemination der Entzündung als gesichert anzunehmen sei. Bei der Optikusneuritis links habe es sich nach den vorliegenden Informationen wahrscheinlich um das klinische Erstereignis gehandelt. Die zeitliche Dissemination, welche die Diagnostizierung einer klinisch definitiven Multiplen Sklerose erlaubt habe, sei damals nicht anzunehmen gewesen. Eine laborgestützte definitive Multiple Sklerose habe demgegenüber trotz der fehlenden zeitlichen Dissemination bereits zum damaligen Zeitpunkt angenommen werden können, wenn bereits ein pathologischer Liquorbefund erhoben worden wäre. Diese Untersuchung sei indes mit einem pathologischen Ergebnis erst nach der Impfung durchgeführt worden. Die 1995 nach damals gültigen diagnostischen Kriterien zu stellende Diagnose habe "klinisch wahrscheinliche Multiple Sklerose" lauten müssen. Diese habe sich auf den kombinierten klinischen und K.spintomographischen Nachweis einer räumlichen Dissemination und den fehlendem Beleg einer zeitlichen zu stützen gehabt. 1995 sei keine sichere Multiple Sklerose zu diagnostizieren gewesen. Aktuell werde die Diagnose üblicherweise unter Berücksichtigung der McDonald-Kriterien 2011 gestellt. Von zentraler Bedeutung für das Verständnis sei, dass die diagnostische Unsicherheit 1995 wegen des damals noch nicht erfolgten Nachweises einer zeitlichen Dissemination bestanden habe, welche zu einem späteren Zeitpunkt jedoch zweifellos belegt sei. Retrospektiv lasse sich die für eine Retrobulbärneuritis links typische Symptomatik in Verbindung mit den für eine Multiple Sklerose typischen K.spintomographischen Läsionen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als Ausdruck einer bereits damals bestehenden Multiplen Sklerose betrachten. 1995 sei nur eine Verdachtsdiagnose möglich gewesen. In Anbetracht des weiteren Verlaufes habe sich retrospektiv der Verdacht indes erhärtet, so dass im Ergebnis bereits damals eine Multiple Sklerose vorgelegen habe. Die Annahme, dass die spätere Impfung erst eine latente Prädisposition zur Multiplen Sklerose zum Ausdruck gebracht habe, sei verkehrt, da retrospektiv bereits 1995 die vollen Merkmale der Erkrankung vorgelegen hätten, wenn auch damals noch nicht im Stadium der zeitlichen Dissemination. Die klinische Symptomatik der Retrobulbärneuritis links und der Nachweis K.spintomographischer Läsionen 1995 ließen keinen Zweifel bestehen, dass es sich damals nicht nur um eine Prädisposition zur Entwicklung einer Multiplen Sklerose gehandelt habe, sondern um den ersten fassbaren Ausdruck der manifesten Erkrankung. Die zusätzliche Heranziehung von Forschungsarbeiten zum Risikopotential von Metallen in Impfstoffen würden den mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommenen Zusammenhang eher stützen als entkräften, weshalb auf eine detaillierte Diskussion verzichtet werde, weil sie zu keiner Änderung der gutachterlichen Einschätzung führte. Ein immunologisches Gutachten, wie von der Klägerin angeführt, brächte keinen Aufschluss zu den Umständen der von ihm angenommenen Erstmanifestation der Erkrankung 1995, sondern lediglich auf deren transiente Verschlechterung infolge der Impfung 2007, welche bereits als überwiegend wahrscheinlich angenommen werde.

Auch wenn in der Gesamtschau derzeit sicherlich keine wissenschaftliche Evidenz bestehe, welche eine Änderung der Impfpraxis im Zusammenhang mit Hepatitis B wegen eines möglichen hiermit verbundenen Risikos hinsichtlich des Neuauftretens oder der Verschlechterung einer bestehenden Multiplen Sklerose rechtfertigte, sei die wissenschaftliche Datenlage insgesamt unbefriedigend. Die Einschätzungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass kein Kausalzusammenhang zwischen der Hepatitis B-Impfung und dem Auftreten oder der Verschlechterung einer Multiplen Sklerose bestehe, sei ob der vorhandenen Daten, insbesondere wegen der geringen Anzahl der gegen Hepatitis B geimpften Menschen in den wenigen durchgeführten Studien zum anschließenden Schubrisiko, nicht mit hinreichender Sicherheit wissenschaftlich begründbar.

Die von der Klägerin angeführten traumatischen Einwirkungen auf den Schädel, etwa im Rahmen eines Sportunfalles oder von Schlägen auf den Kopf, erklärten keinesfalls die 1995 im MRT gefundenen, für eine Multiple Sklerose typischen Veränderungen. Diese seien sicher nicht traumatischer Genese. Auch das Empfängnisverhütungsmittel M. komme nicht als Erklärung der Kernspintomographischen Veränderungen 1995 in Betracht. Die einzig plausible Erklärung bleibe weiterhin, dass die Multiple Sklerose bereits damals bestanden habe. Die seinerzeit aufgetretenen Sehstörungen seien am ehesten als Optikusneuritis im Rahmen der Multiplen Sklerose zu interpretieren. Zumindest bestehe kein Zweifel, dass die 1995 gefundenen Kernspintomographischen Veränderungen hochverdächtig für eine Multiple Sklerose seien und bereits damals die Kriterien einer räumlichen Dissemination erfüllten.

Soweit die Klägerin angegeben habe, dass sich seit der Impfung verschiedene Symptome schleichend verschlechtert hätten, sei festzuhalten, dass sich etwa sechs Jahre nach der Impfung in einer neurologischen Untersuchung nur minimale Funktionseinschränkungen hätten objektivieren lassen. Beispielhaft sei hierfür der Wert von 2,0 Punkten auf der EDSS anzuführen. Alle vorliegenden MRT wiesen nur geringe entzündungsbedingte Veränderungen auf. Mittels der im Rahmen der Erstellung des Gutachtens durchgeführten elektrophysiologischen Untersuchungen hätten teils keine, teils nur geringe, jedoch bei keiner moderate oder gar deutliche Auffälligkeiten objektiviert werden können. Die Einschränkung durch die Multiple Sklerose sei nach wie vor als sehr gering zu betrachten. Außer den Residuen der milden rechtsseitigen Retrobulbärneuritis seien keine anderen neurologischen Funktionsstörungen oder Beschwerden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Impfung gegen Hepatitis B zurückzuführen. Eine subjektive Schluckstörung sei ebenso wie das intermittierende Untergewicht bereits lange davor dokumentiert worden. Dies wecke in Verbindung mit den nach wie vor geringen neurologischen Ausfallerscheinungen Zweifel an der Schilderung der Klägerin, es hätten sich seit der Impfung zahlreiche Symptome schleichend verschlechtert. Für einen Übergang der Multiplen Sklerose von einem schubförmigen in das sekundär chronisch-progrediente Stadium gebe es derzeit keinen Anhaltspunkt. Die aktuellen Funktionsstörungen seien zu gering, um eine Verschlechterung annehmen zu können. Als überwiegend wahrscheinliche Impffolge sei einzig eine rechtsseitige Retrobulbärneuritis anzusehen, die zu keinem Zeitpunkt des für einen möglichen Impfschaden anzunehmenden Zeitraumes bei einer augenärztlichen Untersuchung zu einer objektivierbaren Reduktion des Visus geführt habe, sondern lediglich zu einem von der Klägerin angegebenen verschwommen Sehen und einer subjektiven Störung der Farbwahrnehmung. Letztere halte bis heute an und sei in Anbetracht des nach wie vor leicht pathologischen Befundes der visuell evozierten Potentiale als überwiegend plausibel anzunehmen. Weitere Folgen der Impfung ließen sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit konstatieren. Der GdS sei ab dem Zeitpunkt des Auftretens bis zum Tag seiner gutachterlichen Untersuchung mit 0 zu beziffern. Es liege nur eine isolierte Störung des Farbensehens auf dem rechten Auge vor. Das die Sehfähigkeit im Alltag nicht beeinträchtigende relative Skotom des rechten Auges sei überdies nur vorübergehend zu objektivieren gewesen.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 12. August 2015 und Aufhebung des Bescheides vom 12. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2011 verpflichtet, "bei der Klägerin ab dem 13.04.2010 eine Retrobulbärneuritis rechts mit einem GdS von 0 im Sinne der Verschlimmerung nach dem IfSG anzuerkennen" und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dem Beklagten sind ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt worden. Das SG hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf das Gutachten von Priv.-Doz. Dr. B. gestützt. Eine Anerkennung der Multiplen Sklerose im Wege der Kann-Versorgung komme ebenfalls nicht in Betracht. Zwar sei die Ursache der Erkrankung nicht geklärt. Tragende Erwägung für die Entscheidung sei hingegen der Umstand gewesen, dass bei der Klägerin bereits 1995 eine Multiple Sklerose vorgelegen habe. Daher könne die Impfung 2007 nicht Ursache dieser bereits Jahre zuvor eingetretenen Erkrankung sein. Ausschließlich die Retrobulbärneuritis links sei im Sinne einer Verschlimmerung als Impfschaden anzuerkennen. Weitere Gutachten seien nicht einzuholen gewesen. Die Klägerin habe keine Beweisfragen formuliert. Zudem sei nicht erkennbar, welche vorliegend entscheidungsrelevanten Fragen durch eine weitere Begutachtung beantwortet werden sollten.

Gegen die ihrer Prozessbevollmächtigten am 4. September 2015 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 23. September 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.

Von Dr. K. ist der Befundbericht über die Untersuchung visuell evozierter Potentiale am 9. August 1995 beigezogen worden, wonach auf beiden Augen grenzwertige P2-Latenzen gemessen worden seien, auf dem linken Auge 118 ms bei der Erst- und 131 ms bei der Zweitmessung, rechts bei beiden Messungen 122 ms. Die Originalkurven haben ihm nach seiner Auskunft von Mai 2016 nicht mehr vorgelegen. Vom H.-B.-Klinikum in S. ist mitgeteilt worden, die MRT vom 24. August 1995 lägen nicht mehr vor, diese seien nur fünf Jahre aufbewahrt worden.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist Prof. Dr. B., Arzt für Neurologie und Nervenheilkunde, Klinikum V. in R., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden. Nach der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 13. Juli 2016 hat er ausgeführt, diese habe 2007 eine Retrobulbärneuritis gehabt, welche zum aktuellen Zeitpunkt vollständig ausgeheilt sei. Damalige augenärztliche Untersuchungen hätten indes keine objektive Sehstörung beschrieben. Die Diagnose einer Multiplen Sklerose könne retrospektiv nicht bestätigt werden. Unabhängig von der Impfung gegen Hepatitis B bestünden eine psychosomatische Erkrankung mit Schluck- und Essstörungen, eine Depression sowie eine Migräne mit wiederholter und sensibler Aura. Nach der Impfung habe die Klägerin eine Retrobulbärneuritis rechts erlitten, welche sich funktional längstens innerhalb eines Jahres zurückgebildet habe. Aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Auftreten der Retrobulbärneuritis sei kein kausaler Zusammenhang abzuleiten. Es lägen seit Ende 2007 bis aktuell keine Gesundheitsstörungen vor, die in einen Ursachenzusammenhang mit den Impfungen vom 18. April 2007 gebracht werden könnten. Die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. beziehe sich auf die Feststellung der Retrobulbärneuritis rechts und Kernspintomographische Untersuchungen mit nachgewiesenen zerebralen Herden. Dieser sei deshalb von einem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und der Diagnose einer Multiplen Sklerose ausgegangen. Zur Beurteilung sei weiter die Stellungnahme des P.-E.-Institutes für Sicherheit von Impfstoffen herangezogen worden, wonach keine Evidenz für einen Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Auslösen oder der Verschlimmerung einer Multiplen Sklerose gegeben sei. Anders als Dr. W. sehe er selbst jedoch keinen sicheren Nachweis für eine Multiple Sklerose, insbesondere keinen solchen einer klinischen Beeinträchtigung in der Folge der Impfung. Die Wertung von Priv.-Doz. Dr. B. könne nach den Originalbefunden nicht nachvollzogen werden. Seine eigene Expertise stütze sich demgegenüber auf die revidierten MRT-Kriterien zur Diagnose einer Multiplen Sklerose nach Filippi et al. (The Lancet Neurology, 2016, S. 292 ff.). Danach werde die Diagnose von 2009 nicht mehr gestützt. Bei unterstellter Annahme einer bestehenden Multiplen Sklerose käme er zu der Schlussfolgerung, dass eine Verschlechterung nach klinischen Kriterien und wiederholten neurologischen Untersuchungen nicht stattgefunden habe. Seit 2007/2008 bis aktuell sei die Klägerin in neurologischer Hinsicht klinisch beschwerdefrei gewesen. Es sei kein neurologisches Symptom aufgetreten, welches in einen Zusammenhang mit einer Multiplen Sklerose gebracht werden könne. Es bestehe daher keine Veranlassung zu einer Stellungnahme zu einem kausalen neuroimmunologischen Zusammenhang zwischen der Impfung und einer Multiplen Sklerose oder Retrobulbärneuritis.

Die Diagnose einer Multiplen Sklerose werde nach den Leitlinien zur Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e. V. entsprechend den international anerkannten Kriterien, zusammengefasst und veröffentlicht in Polman et al. 2011, gestellt. Danach sei zur Diagnose mindestens ein objektives Symptom beziehungsweise in der Zusatzdiagnostik der objektive Nachweis einer Funktionsstörung erforderlich sowie der Kernspintomographische Nachweis charakteristischer Läsionen. 1995 bestehende Kopfschmerzen um das linke Auge, verbunden mit Sehstörungen, welche durch eine Lesebrille korrigierbar gewesen seien, nicht pathologische visuell evozierte Potentiale und normale augenärztliche Untersuchungsbefunde seien keine Symptome einer Retrobulbärneuritis, folglich auch keines einer Multiplen Sklerose. Eine längerfristig bestehende Sehbeeinträchtigung, nachgewiesen durch eine Visusminderung oder eine Farbsehstörung, habe nach Aktenlage sowie augenärztlichen oder neurologischen Untersuchungsbefunden nicht bestanden. Weitere Symptome oder Beschwerden, welche sich objektiv auf das Bestehen einer Multiplen Sklerose bezögen, ließen sich nach der Impfung 2007 wie auch davor nicht objektivieren. Die von der Klägerin angegebene Schluckstörung und die Beeinträchtigung der Sensibilität im Mund könne neurophysiologisch-anatomisch nicht in einen Zusammenhang mit der Multiplen Sklerose gebracht werden. Dies sei nach Aktenlage, insbesondere den Vorbefunden, so nie der Fall gewesen. Bei den Kernspintomographischen Untersuchungen des Kopfes sei lediglich am 22. Mai 2009 eine einzelne, im Balken liegende T2-signalintense Läsion festgestellt worden. Darüber hinaus habe sich keine den Diagnosekriterien für eine Multiple Sklerose entsprechende spezifische Läsion gefunden. Die am 18. Mai 2009 erwähnte T2-hyperintense Veränderung im Bereich des fünften Halswirbelkörpers sei zuerst im Mai 2007 beschrieben worden. Im August 2009 sei diese Veränderung nicht mehr nachweisbar gewesen. Sie wird in der Dokumentation des Befundes der Kliniken Sch. in A. vom 10. Juni 2009 benannt als "unter Kenntnis des Liquorbefundes mit positiv oligoklonalen Banden und 70 %iger intrathekaler IgG-Synthese verdächtig auf einen alten Demyelinisierungsherd". Eine Kernspintomographische Untersuchung nach Kontrastmittelgabe sei nicht durchgeführt worden. Die Klägerin habe kein weiteres MRT ihres Schädels erstellen lassen wollen, weshalb sich die gutachterliche Bewertung auf die Untersuchung im Jahre 2009 stütze.

Nach den international anerkannten Kriterien würden T2-signalintense Herde in mindestens zwei der folgenden Regionen gefordert: juxtakortikal, periventrikulär, infratentoriell und spinal. Periventrikulär müssten mindestens drei Läsionen vorliegen. Er stütze sich vorliegend auf die revidierten MRT-Kriterien nach Filippi et al. Die Diagnose einer Multiplen Sklerose 2009 sei auf der Basis der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Kriterien erstellt worden, also denjenigen von McDonald et al. 2001. Die aktuellen Kriterien seien zur Schärfung der differentialdiagnostischen Erkrankungen präzisiert worden. So gebe es in etwa 30 % der von einer Migräne betroffenen Herde, welche mit denjenigen einer Multiplen Sklerose verwechselt werden könnten. Aus diesem Grund würden nun periventrikulär mindestens drei Läsionen statt bisher lediglich eine gefordert. Des Weiteren könnten so genannte "black holes", also kleine schwarze Läsionen in T1-Sequenzen, nicht als Beleg für eine zeitliche Dissemination gelten. Nach dem letzten vorliegenden MRT des Schädels der Klägerin von Mai 2009 sei ein Herd im Balken gesichert, also in der periventrikulären Region. Ein Herd im zervikalen Rückenmark, also der spinalen Region, sei wahrscheinlich. Die Identifikation von Herden im zervikalen Rückenmark sei abhängig von der Dicke und der Position der MRT-Schichten, woraus folge, dass sie übersehen oder nur fälschlich angenommen werden könnten. Damit seien die diagnostischen Kriterien einer Multiplen Sklerose nach den K.spintomographischen Befunden hingegen nicht erfüllt. Der Nachweis von Veränderungen im Liquor mit positiven oligoklonalen Banden und IgG-Synthese sei zur Diagnose einer Multiplen Sklerose nur im Spezialfall einer primär chronisch progredienten Verlaufsvariante gefordert, welche bei der Klägerin sicher nicht vorliege. In allen anderen Fällen diene die Liquoruntersuchung dem Ausschluss einer anderen Erkrankung und nicht als Beleg einer Multiplen Sklerose. Die Klägerin habe nach der Impfung eine Retrobulbärneuritis entwickelt. Zum ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und einer isolierten Retrobulbärneuritis gebe es keine speziellen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Insoweit müssten die Quellen zur Multiplen Sklerose ersatzweise herangezogen werden. Daraus folge, dass es keinen Beleg für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und einer Multiplen Sklerose gebe, wenn auch dieser nicht ausgeschlossen werden könne. Im speziellen Fall einer isolierten, geringen und binnen kurzer Zeit vollständig zurückgebildeten Retrobulbärneuritis sei die Auslösung einer relevanten immunologischen Reaktion auf die Impfung nicht anzunehmen. Es lägen keine ursächlich belegten oder möglichen gesundheitlichen Folgen der Impfung der Klägerin am 18. April 2007 vor, weshalb sich die Frage der Kann-Versorgung bereits nicht stelle.

Priv.-Doz. Dr. B. ist vom LSG ergänzend zum Gutachten von Prof. Dr. B. und zum aktuellen Stand der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung zu den Diagnosekriterien einer Multiplen Sklerose befragt worden, worauf dieser im August 2016 geantwortet hat, die Kriterien nach Filippi et al. 2016 seien noch nicht offizieller Bestandteil der Diagnosekriterien der Multiplen Sklerose, könnten aber Eingang in eine zukünftige Revision finden. Die aktuell weiterhin meist verwendeten und allgemein anerkannten Diagnosekriterien, welche im Gegensatz zu der Arbeit von Filippi et al. die zur Diagnosestellung unverzichtbaren klinischen Kriterien mit einbezögen, seien nach wie vor die von Polman et al. 2011. Durch dieses jüngere Werk ergebe sich keine Änderung der Einschätzung des Sachverhaltes. Es sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich die als gesichert anzunehmende Multiple Sklerose bereits 1995 durch eine Retrobulbärneuritis links erstmals manifestiert habe. Die Klägerin habe damals einen über zwei Wochen persistierenden retrobulbären Schmerz in Verbindung mit einer Sehstörung des rechten Auges gehabt, ohne dass mehrere Augenärzte einen pathologischen Befund erhoben hätten. Diese Konstellation sei unabhängig des nur eingeschränkt verwertbaren Befundes der visuell evozierten Potentiale von 1995 als hochgradig verdächtig für eine Optikusneuritis zu sehen. Diese Annahme werde durch die von Prof. Dr. med. Dr. theol. B. in seinem Gutachten beschriebenen und bereits 1995 radiologisch befundeten, indes von Prof. Dr. B. negierten, geringfügigen Veränderungen im MRT von damals, welche mit einer entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems vereinbar erscheinen, untermauert. An dem Umstand, dass 2007 zwei Wochen nach der Impfung eine Retrobulbärneuritis rechts aufgetreten sei, habe auch Prof. Dr. B. keinen Zweifel geäußert. Diese Optikusneuritis stütze wegen der Gefahr eines Rezidivs der an sich seltenen Erkrankung zusätzlich die Annahme, dass es sich auch bei dem Ereignis 1995 um eine solche Gesundheitsstörung gehandelt habe. Darüber hinaus habe die Klägerin im Verlauf ein chronisch-entzündliches Liquorsyndrom aufgewiesen, welches zwar, wie von Prof. Dr. B. zu Recht angemerkt habe, nach den gültigen Kriterien nicht für die Diagnose einer Multiplen Sklerose vom schubförmigen Verlaufstyp gefordert werde, sehr wohl aber dazu geeignet sei, die autoimmun-entzündliche Natur der Erkrankung des zentralen Nervensystems zu belegen und die Annahme einer Multiplen Sklerose vom schubförmigen Verlaufstyp nachdrücklich zu unterstützen. Die von Prof. Dr. B. angeführten MRT-Kriterien von Filippi et al. führten vorliegend nur sehr begrenzt weiter, da eine Multiple Sklerose nie allein auf der Basis Kernspintomographischer Befunde zu diagnostizieren sei, sondern immer im Kontext mit der in der Arbeit von Filippi et al. nicht behandelten Klinik, unterstützt durch die Ergebnisse von Zusatzuntersuchungen. Würden alle Faktoren gewichtet, bestünde vorliegend kein Zweifel am Vorliegen einer Multiplen Sklerose vom schubförmigen Verlaufstyp, die sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bereits vor der 2007 erfolgten Impfung erstmals manifestiert habe. Unmittelbar nach der Impfung sei noch im selben Jahr eine transiente leichte Verschlechterung der Multiplen Sklerose im Sinne einer rechtsseitigen Retrobulbärneuritis aufgetreten, ohne dass bei der augenärztlichen Untersuchung eine objektivierbare Reduktion des Visus nachzuweisen gewesen sei. Es habe sich daher mit Sicherheit um eine sehr leichte Sehnerventzündung ohne funktionelle Relevanz gehandelt. Der unter der theoretischen Annahme einer Multiplen Sklerose getroffenen Einschätzung von Prof. Dr. B., dass eine funktionell relevante Verschlechterung der Multiplen Sklerose nach der Impfung nicht eingetreten sei und nach den vorliegenden Informationen seit 2007 keine neurologischen Symptome aufgetreten seien, welche mit Wahrscheinlichkeit in einen Zusammenhang mit der Multiplen Sklerose gebracht werden könnten, stimme er zu.

Der Beklagte hat am 15. November 2016 um 15:33 Uhr mittels Telefax Anschlussberufung eingelegt.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Diagnose einer Multiplen Sklerose vor der Impfung am 18. April 2007 gegen Hepatitis B sei nicht gesichert. Die Untersuchung der visuell evozierten Potentiale 1995 sei nicht aussagekräftig, da sie ohne Brille durchgeführt worden sei. Sie verwende erst seit 2007 eine Sehhilfe, von da an hätten sich normale Werte gezeigt. Sie leide seit ihrer Jugend an einer Migräne mit Aura, welche Veränderungen der visuell evozierten Potentiale herbeiführen könne. Es sei ärztlich belegt, dass zwischen zwei Migräneattacken erhöhte Amplituden der visuell evozierten Potentiale gemessen würden. Es träten dadurch zudem häufig Läsionen in den typischen Hirnarealen auf. Die bei ihr durchgeführten Zahnsanierungen könnten ebenfalls hypertensive Herde im MRT bedingt haben. Durch die Einnahme des Empfängnisverhütungsmittels M. hätten sich die Migräneattacken erhöht. Als sie das Medikament abgesetzt habe, seien diese Beschwerden, welche Priv.-Doz. Dr. B. als Nachweis einer Multiplen Sklerose gesehen habe, verschwunden gewesen. Dessen Ausführungen ließen ohnehin keine gesicherte medizinische Diagnose vor der Impfung erkennen. Seine Formulierung "sicher annehmen" beinhalte einen Widerspruch in der Beifügung. Der Befund im linken Hinterhorn erkläre sich als Folge eines Sportunfalls. Sie sei vom Barren direkt auf den Hinterkopf gefallen, sei anschließend bewusstlos gewesen und habe eine schwere Gehirnerschütterung gehabt. Es dürfe nicht zu ihren Lasten gehen, dass der Beklagte die MRT vom H.-B.-Klinikum nicht rechtzeitig beigezogen habe und diese mittlerweile vernichtet worden seien.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. August 2015 teilweise aufzuheben und den Bescheid vom 12. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2011 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, bei ihr eine Multiple Sklerose als Folge einer Schädigung durch die Impfung gegen Hepatitis B mit dem Impfstoff "E. am 18. April 2007 festzustellen, und diesen zu verurteilen, ihr deswegen eine Beschädigtenrente nach dem Infektionsschutzgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 70, hilfsweise als Kann-Versorgung, zu gewähren,

weiter hilfsweise Priv.-Doz. Dr. B. von Amts wegen mündlich zu hören, höchsthilfsweise ihn ergänzend schriftlich zu befragen,

weiter hilfsweise ein Obergutachten zu der Frage einzuholen, ob bei ihr nach dem derzeitigen medizinischen Wissensstand die Diagnose einer Multiplen Sklerose nach der Impfung am 18. April 2007 medizinisch gesichert gestellt werden kann.

Der Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. August 2015 aufzuheben, soweit er verpflichtet worden ist, bei der Klägerin ab 13. April 2010 eine Retrobulbärneuritis rechts anzuerkennen, und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, das im Berufungsverfahren von der Klägerin weiterverfolgte Begehren könne nicht zum Erfolg führen. Selbst wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verurteilung zur Feststellung der Gesundheitsstörung ohne GdS außer Acht gelassen würden, habe die Beweiserhebung im Berufungsverfahren den Nachweis erbracht, dass eine Retrobulbärneuritis zu keinem Zeitpunkt in einem solchen Umfang vorgelegen habe, dass die Anerkennung als Schädigungsfolge gerechtfertigt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte des Beklagten (1 Band, 1 Heft) verwiesen.

Gründe

Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin - und ihrer Bevollmächtigten - aufgrund der mündlichen Verhandlung am 17. November 2016 über ihre Berufung wie auch über die Anschlussberufung des Beklagten entscheiden, da ordnungsgemäß zum Termin geladen worden war (§ 110 Abs. 1 Satz 1 SGG). Mit der Terminsmitteilung wurde sie darüber unterrichtet, dass im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Bevollmächtigte der Klägerin schickte zwar das Empfangsbekenntnis nicht zurück. Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2016 erkundigte sie sich indes, ob bei dem ins Auge gefassten Gerichtstermin "der Gerichtsgutachter" geladen wurde. Aus der verwendete Zeitform des Verbs erschließt sich, dass sie die Terminsmitteilung erhielt und lediglich Unklarheit darüber bestand, ob daneben noch mit gesonderter Ladung, über die sie möglicherweise nicht in Kenntnis gesetzt wurde, einer der Sachverständigen zum Termin bestellt worden war. Überdies wurde ihr mit gerichtlichem Schreiben vom 3. November 2016 auf ihren weiteren Schriftsatz vom 31. Oktober 2016 mitgeteilt, dass die mündliche Verhandlung wie terminiert stattfinden wird. Gemäß § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann zwar aus erheblichen Gründen ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind nach § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO indes nicht das Ausbleiben von Beteiligten oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Beteiligten ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert sind. Die Verhandlung war nach Ausübung richterlichen Ermessens (§ 202 Satz 1 i. V. m. § 227 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO) nicht zu vertagen, da kein erheblicher Grund hierfür vorlag. Dieser ist auch für die Vertagung der Verhandlung von Amts wegen erforderlich (Stackmann, in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 227 Rz. 4) und untermauert das mit der Norm bezweckte Beschleunigungs- und Konzentrationsgebot (vgl. Stadler, in Musielak/Voit, Kommentar zur ZPO, 13. Aufl. 2016, § 227 Rz. 1; Stackmann, a. a. O., Rz. 3). Die Klägerin hat bis zuletzt nichts dazu vorgetragen, weshalb ihr die Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung nicht möglich sein wird beziehungsweise sie ohne Verschulden verhindert gewesen ist. Ihre Bevollmächtigte wurde überdies am Tag der mündlichen Verhandlung nach dem Aufruf der Sache um 11:35 Uhr unter den beiden auf ihren Schriftsätzen angegebenen Telefonnummern nicht erreicht. Das Ermessen nach § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO verdichtete sich nicht wegen der Gewährleistung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz - GG, § 62 SGG) zur Rechtspflicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. August 2010 - 1 BvR 3268/07 -, juris, Rz. 30; BVerwG, Urteil vom 29. September 1994 - 3 C 28/92 -, juris, Rz. 48 und Beschluss vom 14. September 1999 - 5 B 54/99 -, juris, Rz. 6; BFH, Urteil vom 15. Februar 2001 - III R 10/99 -, juris, Rz. 17). Die Vertagung war nicht wegen der vom Beklagten am 15. November 2016 erhobenen und in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen zulässigen Anschlussberufung des Beklagten (§ 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 524 ZPO; vgl. zu den Voraussetzungen Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 143 Rz. 5 ff.) mit der sich auf die zweitinstanzliche Beweiserhebung beschränkenden Begründung notwendig, da in deren Folge insbesondere keine Überraschungsentscheidung ergangen ist. Der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Prozessgericht nicht, die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte vor seiner Entscheidung mit den Beteiligten zu erörtern (vgl. BVerfG, Beschlüsse des Ersten Senats vom 25. Januar 1984 - 1 BvR 272/81 -, BVerfGE 66, 116 ; und der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Februar 2001 - 2 BvR 1384/99 -, juris, Rz. 7 m. w. N.; BSG, Beschluss vom 25. Februar 2016 - B 9 V 69/15 B -, juris, Rz. 11). Selbst wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, müssen Verfahrensbeteiligte grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte und Tatsachenwertungen von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einstellen (vgl. BVerfG, Beschlüsse des Zweiten Senats vom 27. Juli 1971 - 2 BvR 443/70 -, BVerfGE 31, 364 und der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. August 1996 - 2 BvR 2600/95 -, juris, Rz. 22 m. w. N.). Entsprechend verhält es sich mit dem prozessualen Gesuch von Berufungsbeklagten, mit dem sie sich der Berufung lediglich anschließen. Diese - unselbstständige - Anschlussberufung stellt einen bloß angriffsweise wirkenden Antrag im Rahmen eines fremden Rechtsmittels dar (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 1966 - 2 RU 103/65 -, BSGE 24, 247 ; BGH, Beschluss vom 11. März 1981 - GSZ 1/80 -, BGHZ 80, 146 ). Ferner strebt das sozialgerichtliche Verfahren in noch stärkerem Maße als es den Grundsätzen des Zivilprozessrechts entspricht, die Durchsetzung der materiellen Wahrheit an; ein Ziel also, dem die durch den Anschluss an die Berufung der Klägerin eröffnete Möglichkeit gedient hat, den Prozessstoff in vollem Umfang nachzuprüfen. Dem Rechtsinstitut der Anschlussberufung ist dabei eigentümlich, dass sie zur Geltendmachung weitergehender Ansprüche erhoben wird (BSG, Urteil vom 23. Februar 1966 - 2 RU 103/65 -, BSGE 24, 247 ). Folglich musste die anwaltlich vertretene Klägerin nicht nur damit rechnen, dass ihr im Termin zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt wird, dass Anschlussberufung eingelegt worden ist, sondern sich auch darauf einstellen, dass diese erst währenddessen erhoben wird. Dadurch, dass sie diesen, ohne sich im Vorfeld zu rühren, nicht wahrnahm, hat sie es selbst vorwerfbar versäumt, sich Gehör zu verschaffen (vgl. BVerfG, Beschlüsse des Ersten Senats vom 16. Januar 1963 - 1 BvR 316/60 -, BVerfGE 15, 256 und vom 1. Februar 1967 - 1 BvR 630/64 -, BVerfGE 21, 132 sowie des Zweiten Senats vom 10. Februar 1987 - 2 BvR 314/86 -, BVerfGE 74, 220 und der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. August 2010 - 1 BvR 3268/01 -, juris, Rz. 28). Auf dem Postweg konnte der Bevollmächtigten der Klägerin, die ihren Kanzleisitz in N. hat, der Schriftsatz des Beklagten vom 15. November 2016, welcher um 15:33 Uhr mittels Telefax beim LSG einging, nicht mehr so rechtzeitig übermittelt werden (vgl. § 104 Satz 1 i. V. m. § 153 Abs. 1 SGG), dass sie ihn hätte zur Kenntnis nehmen und sich auf den Weg zur mündlichen Verhandlung am 17. November 2016 um 11:20 Uhr am Sitz des Berufungsgerichts in Stuttgart machen können. Mangels einer auf ihren Schriftsätzen angegebenen Telefaxnummer schied diese elektronische Art der Übermittlung ebenfalls aus; selbst unter der im Internet zu recherchierenden Nummer "0911502288" war eine erfolgreiche Zusendung mittels Telefax nicht möglich. Das Gericht konnte mangels Anzeige der Klägerin, dem Termin zur mündlichen Verhandlung fernzubleiben, zudem damit rechnen, dass er zumindest von ihrer Bevollmächtigten wahrgenommen wird und dieser das schriftliche Dokument des Beklagten vom 15. November 2016 überreicht werden kann. Das Gebot der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), welches den Zugang zum Verfahren sichert, verlangte es nach den vorstehenden Ausführungen nicht, die Klägerin über ihrer Bevollmächtigte vorab telefonisch über die eingelegte Anschlussberufung in Kenntnis zu setzen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind nach Auslegung des Rechtsmittelbegehrens der Klägerin (§ 123 SGG) die Aufhebung des die Klage teilweise abweisenden Gerichtsbescheides des SG vom 12. August 2015 und des Bescheides vom 12. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2011 sowie die Verpflichtung des Beklagten, bei ihr eine Multiple Sklerose als Folge einer Schädigung durch die Impfung gegen Hepatitis B mit dem Impfstoff "E." am 18. April 2007 anzuerkennen, und diesen zu verurteilen, ihr deswegen eine Beschädigtenrente nach dem IfSG in Verbindung mit dem BVG nach einem GdS von 70, hilfsweise als Kann-Versorgung, zu gewähren. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren wurde das Klageziel auf Ansprüche wegen der Schutzimpfung gegen Hepatitis B beschränkt und nicht auch auf die am gleichen Tag vorgenommene Impfung gegen Tetanus, Diphterie und Polio gestützt, weshalb hieraus resultierende Ansprüche nicht Streitgegenstand sind (vgl. Urteil des Senats vom 21. April 2015 - L 6 VJ 1460/13 -, juris, Rz. 71). Aufgrund der unselbstständigen Anschlussberufung des Beklagten ist darüber hinaus dessen sinngemäße Verpflichtung zur Feststellung einer Retrobulbärneuritis rechts als Folge der Schädigung durch die genannte Schutzimpfung Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens.

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist auch sonst zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.

Die Berufung der Klägerin ist bereits mangels Zulässigkeit der Klage unbegründet, soweit sie mit dieser unter teilweiser Aufhebung der Entscheidung des SG und der Beseitigung des Bescheides vom 12. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2011 die Verpflichtung des Beklagten begehrt, bei ihr eine Multiple Sklerose als Folge einer Schädigung durch die Impfung gegen Hepatitis B mit dem Impfstoff "E.En" am 18. April 2007 festzustellen. Mit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung hat der Beklagte es demgegenüber nur abgelehnt, Beschädigtenversorgung nach dem IfSG zu gewähren, also einem Leistungsbegehren zu entsprechen. Für diese Auslegung ist Maßstab der Empfängerhorizont verständiger Beteiligter, die die Zusammenhänge berücksichtigen, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 29. Januar 2008 - B 5a/5 R 20/06 R -, BSGE 100, 1, m. w. N.; Urteil des Senats vom 30. Juli 2015 - L 6 U 3058/14 -, juris, Rz. 53). Ausgehend hiervon hat der Beklagte nur in Bezug auf das im gerichtlichen Verfahren verfolgte Leistungsbegehren einer Beschädigtenrente und nicht hinsichtlich einer Multiplen Sklerose als Folge einer Schädigung im Sinne des IfSG in Verbindung mit dem BVG (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) eine negative Feststellung getroffen. Insbesondere strengte die Klägerin das Verwaltungsverfahren im Juni 2009, wie sich spätestens aus dem zehn Monate später von ihr vorgelegten und ausgefüllten Antragsvordruck ergibt, ausschließlich mit dem Ziel der Gewährung von Versorgung wegen Impfschäden nach dem IfSG an. Damit liegen die Sachentscheidungsvoraussetzungen für das Klagebegehren, welches auf die Verpflichtung des Beklagten abzielt, bei ihr eine Multiple Sklerose als Folge einer Schädigung durch die Impfung am 18. April 2007 gegen Hepatitis B mit dem Impfstoff "E." festzustellen, nicht vor. Die Klägerin ist insoweit, bezogen auf die gegen den Bescheid vom 12. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2011 gerichtete Anfechtungsklage, nicht klagebefugt im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Es reicht zwar aus, dass eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist und Rechtsschutzsuchende die Beseitigung einer in ihre Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstreben, von der sie behaupten, sie sei nicht rechtmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SGB 2/06 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 5, Rz. 18). An der Klagebefugnis fehlt es demgegenüber, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 19/01 R -, BSGE 90, 127 ), weil hinsichtlich des Klagebegehrens keine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung vorliegt (BSG, Urteil vom 21. September 2010 - B 2 U 25/09 R -, juris, Rz. 12; vgl. demgegenüber BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 - B 9/9a VS 5/06 R -, SozR 4-3200 § 81 Nr. 5, wonach die ablehnende Verwaltungsentscheidung auf das ausdrückliche Begehren, eine bestimmte Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen, erging; missverständlich indes BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 9 V 1/14 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 22, Rz. 12). Die Unzulässigkeit der Anfechtungsklage zieht insoweit die Unzulässigkeit der mit ihr kombinierten Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) nach sich. Darüber hinaus liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Feststellung der genannten Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung im Sinne des IfSG in Verbindung mit dem BVG nicht vor (s. unten), weshalb die Klage auch unbegründet ist.

Soweit die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG; zur Klageart vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 20, Rz. 23) die Beseitigung des ablehnenden Bescheides vom 12. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2011 und die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer Beschädigtenrente nach dem IfSG in Verbindung mit dem BVG nach einem GdS von 70, hilfsweise als Kann-Versorgung, begehrt, ist die Berufung wegen der Unbegründetheit der insoweit zulässigen Klage nicht begründet. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 54 Rz. 34).

Der Anspruch der Klägerin, der für die Zeit ab Juni 2009, dem Monat des Antrages (§ 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG i. V. m. § 60 Abs. 1 Satz 1 BVG), welcher an keine Form gebunden ist (Meßling, in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 61 IfSG, Rz. 73 und Knörr, in Knickrehm, a. a. O., § 60 BVG, Rz. 5) und vorliegend zu ihren Gunsten bereits aufgrund der telefonischen Anforderung des Antragsvordruckes angenommen wird, zu prüfen ist, richtet sich nach § 60 Abs. 1 IfSG. Darin ist geregelt: Wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde (Nr. 1), aufgrund dieses Gesetzes angeordnet wurde (Nr. 2), gesetzlich vorgeschrieben war (Nr. 3) oder aufgrund der Verordnungen zur Ausführung der internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist (Nr. 4), eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Nach § 2 Nr. 11 Halbsatz 1 IfSG ist im Sinne dieses Gesetzes Impfschaden die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung.Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen, seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen.

Die genannten Vorschriften des IfSG verlangen für die Entstehung eines Anspruches auf Versorgungsleistungen die Erfüllung mehrerer Voraussetzungen. Es müssen eine unter den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfolgte Schutzimpfung, also etwa die öffentliche Empfehlung durch eine zuständige Landesbehörde, der Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also eine Impfkomplikation, sowie eine dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also ein Impfschaden, vorliegen (BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VJ 1/10 R -, SozR 4-3851 § 60 Nr. 4, Rz. 36). Zwischen den jeweiligen Anspruchsmerkmalen muss ein Ursachenzusammenhang bestehen. Maßstab dafür ist die im sozialen Entschädigungsrecht allgemein, aber etwa auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung (BSG, a. a. O., Rz. 37 m. w. N. und Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6, Rz. 16 m. w. N.). Danach ist aus der Fülle aller Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne diejenige Ursache rechtlich erheblich, die bei wertender Betrachtung wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die nach dem Schutzzweck der Norm unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes zu dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist.

Sowohl die als Impfkomplikation in Betracht kommende als auch die dauerhafte Gesundheitsstörung, wie auch die Impfung selbst, müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, also im so genannten "Vollbeweis", feststehen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Merkmalen genügt indes die Wahrscheinlichkeit (§ 61 Satz 1 IfSG), nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 38). Wahrscheinlich sind die Ursachenzusammenhänge, wenn mehr dafür als dagegen spricht, also die für den Zusammenhang sprechenden Umstände mindestens deutlich überwiegen (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 1986 - 9a RVi 2/84 -, BSGE 60, 58 f.; Meßling, a. a. O., § 61 IfSG, Rz. 8). Die Feststellung einer Impfkomplikation im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat danach grundsätzlich in zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst muss ein nach der Impfung aufgetretenes Krankheitsgeschehen als erwiesen erachtet werden. Sodann ist die Beurteilung erforderlich, dass diese Erscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffende Impfung zurückzuführen sind.

Bei der Beurteilung des jeweiligen Kausalzusammenhanges sind im sozialen Entschädigungsrecht die bis Ende 2008 in verschiedenen Fassungen geltenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) anzuwenden und zu berücksichtigen. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt es sich bei den schon seit Jahrzehnten von einem Sachverständigenbeirat beim zuständigen Bundesministerium, aktuell dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), erarbeiteten und ständig weiterentwickelten AHP insbesondere um eine Zusammenfassung medizinischen Erfahrungswissens und damit um so genannte "antizipierte Sachverständigengutachten" (vgl. etwa BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 9, Rz. 25). Die AHP sind in im Bereich des sozialen Entschädigungsrechts generell anzuwenden und wirken dadurch wie eine Rechtsnorm. Für den Fall, dass sie nicht mehr den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft wiedergeben, sind sie allerdings nicht anwendbar, dann haben Verwaltung und Gerichte auf andere Weise den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zu ermitteln (BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VJ 1/10 R -, SozR 4-3851 § 60 Nr. 4, Rz. 39). Die AHP enthalten in allen Fassungen seit 1983 unter den Nrn. 53 bis 142/143 Hinweise zur Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitszuständen, wobei die Nr. 56 Impfschäden im Allgemeinen und die Nr. 57 Schutzimpfungen im Einzelnen zum Inhalt haben. Die detaillierten Angaben zu Impfkomplikationen, damals noch als "Impfschaden" bezeichnet, bei Schutzimpfungen in Nr. 57 AHP 1983 bis 2005 sind Ende 2006 aufgrund eines Beschlusses des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Versorgungsmedizin" beim BMAS gestrichen und durch folgenden Text ersetzt worden (vgl. Rundschreiben des BMAS vom 12. Dezember 2006 - IV.c.6-48064-3 und Nr. 57 AHP 2008): "Die beim R.-K.-Institut eingerichtete STIKO entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß der Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden). Die Arbeitsergebnisse der STIKO werden im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Stand der Wissenschaft dar." Die Versorgungsmedizinische Begutachtung von Impfschäden (§ 2 Nr. 11 IfSG und Nr. 56 Abs. 1 AHP) bezüglich Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Kann-Versorgung ist jedoch ausschließlich nach den Kriterien von §§ 60 f. IfSG durchzuführen. Die seit dem 1. Januar 2009 an die Stelle der AHP getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) ist eine allgemein verbindliche Rechtsverordnung, welche, sofern sie Verstöße gegen höherrangiges Recht aufweist, durch die Gerichte nicht angewendet werden darf (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 SB 3/08 R - juris, Rz. 30). Anders als die AHP 1983 bis 2008 enthält die VersMedV keine Bestimmungen über die Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitsbildern, so dass insoweit entweder auf die AHP 2008 als deren letzte Fassung zurückgegriffen werden muss oder bei Anzeichen dafür, dass diese den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr beinhalten, andere Erkenntnisquellen wie etwa Sachverständigengutachten genutzt werden müssen (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VJ 1/10 R -, SozR 4-3851 § 60 Nr. 4, Rz. 41).

Bei allen medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, ist der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand maßgebend, welcher die Grundlage bildet, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen der konkret geschädigten Personen zu bewerten sind. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung im sozialen Entschädigungsrecht und damit auch im Impfschadensrecht, dem Schwerbehindertenrecht (vgl. BSG, Urteile vom 17. Dezember 1997 - 9 RVi 1/95 -, SozR 3-3850 § 52 Nr. 1 S. 3 und vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 9, Rz. 25) und im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196 und vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6, Rz. 20; Urteil des Senats vom 21. April 2015 - L 6 VJ 1460/13 -, juris, Rz. 66). Dieser Erkenntnistand ergibt sich indes noch nicht durch wissenschaftliche Einzelmeinungen (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6, Rz. 21). Ein bestimmter Vorgang, der unter Umständen vor Jahrzehnten stattgefunden hat, muss, wenn über ihn erst jetzt abschließend zu entscheiden ist, nach dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft beurteilt werden. So kann auch die vor Jahrzehnten bejahte Kausalität aufgrund neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden als fehlend erkannt werden, sogar mit der Folge, dass eingeräumte Rechtspositionen zurückzunehmen oder nur aus Gründen des Vertrauensschutzes (§ 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X) zu belassen sind (vgl. BSG Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 1/10 R -, SozR 4-3100 § 62 Nr. 2). Bei der Anwendung der neuesten medizinischen Erkenntnisse ist ebenso zu prüfen, ob diese sich überhaupt auf den zu beurteilenden, mitunter lange zurückliegenden Vorgang beziehen. Da andere Ursachen jeweils andere Folgen nach sich ziehen können, gilt dies insbesondere für die Beurteilung von Kausalzusammenhängen. Dementsprechend muss im Impfschadensrecht sichergestellt werden, dass die nach dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse in Betracht zu ziehenden Impfkomplikationen gerade auch die Impfstoffe betreffen, die im konkreten Fall Verwendung gefunden haben (BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VJ 1/10 R -, SozR 4-3851 § 60 Nr. 4, Rz. 43).

Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin keinen Anspruch auf Beschädigtenrente wegen der in ihrem 45. Lebensjahr am 18. April 2007 durchgeführten Impfung gegen Hepatitis B mit dem Impfstoff "E.".

Das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesgesundheitsamt als zuständige Landesbehörde hat zwar bereits vor dem 18. April 2007 die Schutzimpfung gegen Hepatitis B auch bei Erwachsenen öffentlich empfohlen (vgl. Landesgesundheitsamt, Impfbericht Baden-Württemberg 2012, S. 28, im Internet unter "www.gesundheitsamt-bw.de"), welche die Klägerin bei dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. D. in K. in deren Bereich vornehmen ließ.

Durch den hierbei verwendeten Impfstoff "E." (Charge: X.) hat die Klägerin indes weder mit der Anfang August 2007 diagnostizierten Retrobulbärneuritis im rechten Auge (ICD-10 H46) eine über die übliche Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigung, also eine Impfkomplikation, noch mit einer Form der Multiplen Sklerose (ICD-10 G35.-) eine dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also einen Impfschaden, erlitten. An der Multiplen Sklerose litt die Klägerin bereits vor der Impfung am 18. April 2007. Die Sehnerventzündung rechts ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Vorsorgemaßnahme zurückzuführen.

Die Klägerin erkrankte nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand bereits 1995 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an einer Multiple Sklerose, wovon der Senat aufgrund der schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. B. überzeugt ist.

Der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand ergibt sich nach der zweiten Revision der McDonald-Kriterien und den Kriterien von Polman et al. 2011, wie sie auch den Leitlinien zur Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e. V., Stand: 12. April 2012 (im Internet unter "www.dgn.org", "Leitlinien"), zugrunde liegen. Priv.-Doz. Dr. B. hat nachvollziehbar dargestellt, dass die MRT-Kriterien nach Filippi et al. 2016, welche der Sachverständige Prof. Dr. B. seiner gutachtlichen Äußerung zugrunde gelegt hat, demgegenüber noch eine wissenschaftliche Einzelmeinung darstellen, welche insbesondere noch nicht offizieller Bestandteil der Diagnosekriterien der Multiplen Sklerose geworden sind, sondern allenfalls bei einer zukünftigen Revision darin Eingang finden können. Da sich die Arbeit von Filippi et al. ausschließlich mit den MRT-Kriterien befasst, eine Multiple Sklerose aber nie allein auf der Basis K.spintomographischer Befunde zu diagnostizieren, sondern immer im Kontext mit der in der Arbeit von Filippi et al. nicht behandelten Klinik, unterstützt durch die Ergebnisse von Zusatzuntersuchungen, zu sehen ist, bleibt, worauf Priv.-Doz. Dr. B. sinngemäß hindeutet, erst noch abzuwarten, ob sich hieraus in der Zukunft ein wissenschaftlicher Erkenntnisstand ergeben wird. Die Diagnose einer Multiplen Sklerose kann danach aktuell gestellt werden (vgl. die genannten Leitlinien, S. 6), wenn nach einem ersten Krankheitsschub klinisch nachweisbare Auffälligkeiten in mindestens einem Funktionssystem beziehungsweise durch Untersuchung der visuell evozierten Potenziale vorliegen und sich zusätzlich zwei oder mehr charakteristische Läsionen in der initialen Magnetresonanztomographie finden. Die Lokation dieser Herde sollte in mindestens zwei der vier folgenden Hirnregionen liegen: periventrikulär, juxtakortikal oder subgyral, infratentoriell und spinal. Das darüber hinaus erforderliche Kriterium der zeitlichen Dissemination ist dann erfüllt, wenn eine nicht symptomatische Kontrastmittel aufnehmende Läsion zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung vorliegt oder eine neue T2- oder asymptomatische Gadolinium aufnehmende Läsion in einem zu einem beliebigen Zeitpunkt durchgeführten Magnetresonanztomographie-Scan im Vergleich zu der nach Auftreten der ersten klinischen Beschwerden angefertigten Referenzbildgebung zur Darstellung kommt.

Diese Voraussetzungen zur Diagnosestellung und damit zum Vollbeweis für eine Multiple Sklerose lagen 1995 aus retrospektiver Sicht vor, wie Priv.-Doz. Dr. B. überzeugend dargelegt hat. Die Erkrankung manifestierte sich damals durch eine Retrobulbärneuritis im linken Auge. Die Klägerin hatte einen über zwei Wochen persistierenden retrobulbären Schmerz in Verbindung mit einer Sehstörung des rechten Auges, ohne dass mehrere Augenärzte einen pathologischen Befund erhoben konnten, was sich dem Befundbericht von Dr. K. von Mitte September 1995 entnehmen lässt. Diese mit einer Sehhilfe nicht zu korrigierende Beeinträchtigung des Sehens als klinisch nachgewiesene Auffälligkeit hat Prof. Dr. B. übersehen. Denn als in Betracht zu ziehendes Symptom einer Retrobulbärneuritis hat er nur auf eine mit einer Brille korrigierbare Sehstörung abgestellt. Diese Konstellation ist unabhängig des in Bezug auf die 1995 betroffene linke Seite nicht gut reproduzierbaren Befundes und damit der nur eingeschränkt verwertbaren Daten der visuell evozierten Potentiale als hochgradig verdächtig für eine Optikusneuritis zu sehen. Immerhin zeigte sich bei zwei Messungen auf der linken Seite eine Latenzverzögerung. Ausweislich des im Berufungsverfahren von Dr. K. vorgelegten Befundberichtes über die Untersuchung am 9. August 1995 wurden auf dem linken Auge 118 ms bei der Erst- und 131 ms bei der Zweimessung ermittelt. Rechts wurden beides Mal 122 ms erreicht. Dass die Klägerin bei der Untersuchung keine Brille trug, was sie beanstandet, ist mangels damals objektivierter hierdurch überhaupt zu korrigierender Sehbeeinträchtigung unerheblich. Eine beginnende Alterssichtigkeit stellte erstmals der sachverständige Zeuge Dr. K. K. fest, den sie erstmals Ende Mai 2007 konsultierte. Weiter untermauert wird die bulbäre Neuritis durch die von Prof. Dr. med. Dr. theol. B. in seinem im Wege des Urkundenbeweises (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. ZPO) verwerteten Gutachten beschriebenen und bereits mittels radiologischer Befunde nach dem MRT von August 1995 gesicherten, indes von Prof. Dr. B. nicht nachvollziehbar verneinten, geringfügigen Veränderungen in diesem Bereich, welche mit einer entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems vereinbar sind. Eine räumliche Dissemination im MRT kann nach den aktuell gültigen Kriterien angenommen werden, wenn sich an mindestens zwei von vier der für die Multiple Sklerose typischen Lokalisationen jeweils mindestens eine T2-Läsion befindet. Soweit Prof. Dr. med. Dr. theol. B. ausgeführt hat, es hätten minimale periventrikuläre Beherdungen links sowie rechts subgyral vorgelegen, bedeutet dies, dass die Klägerin bereits 1995 einen für die Multiple Sklerose typischen Kernspintomographischen Befund aufwies, welcher die Kriterien einer räumlichen Dissemination nach den derzeit gültigen diagnostischen Kriterien erfüllt hat. Dass dieser nicht zum identischen Ergebnis kam, erklärt sich daraus, dass er sich in seinem radiologischen Gutachten von 2011 für die Diagnosestellung noch auf die 2005 erfolgte und mittlerweile überholte erste Revision der McDonald-Kriterien bezog. Für die medizinisch laienhafte Annahme der Klägerin, die hypertensiven Herde im MRT seien möglicherweise auf die bei ihr durchgeführten Zahnsanierungen zurückzuführen, hat sich nach den beiden Sachverständigengutachten und den sonstigen medizinischen Befundunterlagen kein Anhaltspunkt ergeben, so dass sich der Senat nicht gedrängt sah, weitere Ermittlungen von Amts wegen (§ 103 SGG) anzustellen. Das im August 1995 angefertigte kranielle MRT zeigt nach dem radiologischen Gutachten von Prof. Dr. med. Dr. theol. B. minimale periventrikuläre Beherdungen links sowie rechts subgyral. Beide Lokationen K.spintomographischer Läsionen sind typisch für eine Multiple Sklerose und nicht etwa durch eine Schädigung von Blutgefäßen zu erklären. Sie gelten als hochverdächtig für eine entzündliche Ursache. Typischerweise befänden sich mit einer Migräne assoziierte Marklagerläsionen, welche im MRT gelegentlich zu beobachten und differentialdiagnostisch zu erwägen sind, demgegenüber an anderer Stelle im Gehirn. 1995 war zwar die zeitliche Dissemination der Erkrankung noch nicht sicher belegt. Diese konnte erst im weiteren Verlauf retrospektiv zweifellos nachgewiesen werden. Ob der weiteren Entwicklung und der später gewonnenen Untersuchungsergebnisse, unter anderem der Liquoruntersuchung und der erfolgten ausgeschlossenen Differentialdiagnostik, ist retrospektiv mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt, dass bereits 1995 eine Multiple Sklerose auftrat. Priv.-Doz. Dr. B. ging aus seiner medizinischen Sicht und bei retrospektiver Betrachtung letztendlich ebenfalls von diesem Wahrscheinlichkeitsgrad aus. Die Tatsache, dass sich die Kernspintomographischen Läsionen nach Prof. Dr. med. Dr. theol. B. auch in der sogenannten T1-Wichtung haben identifizieren lassen, spricht weiter hierfür, auch wenn dieser zu diesem speziellen Punkt in seinem Gutachten nicht explizit Stellung genommen hat. Priv.-Doz. Dr. B. hat plausibel dargelegt, dass diese Herde im Falle einer sehr wahrscheinlich anzunehmenden entzündlichen Verursachung mehr als einen Monat vor dem Auftreten der sehr wahrscheinlich anzunehmenden linksseitigen Sehnerventzündung entstanden sind. Damit war auch die zeitliche Dissemination der Erkrankung als weiteres Kriterium für die Diagnose einer Multiplen Sklerose aus heutiger Sicht bereits 1995 belegt. Nach dem weiteren Erkrankungsverlauf und der später durchgeführten Zusatzdiagnostik mit weiterer Sicherung der Diagnose unter anderem durch eine Lumbalpunktion in den Kliniken Sch. in A. im Mai 2009, bei der positive oligoklonale Banden festgestellt wurden, ist für den Senat jedenfalls kein Zweifel an bereits 1995 nachgewiesenen Kernspintomographischen Marklagerläsionen verblieben, welche Ausdruck einer eingetretenen Multiplen Sklerose waren. Eine Migräneattacke war nach den auch insoweit schlüssigen Ausführungen von Priv.-Doz. Dr. B. nicht einmal differentialdiagnostisch in Erwägung zu ziehen gewesen, weil damit zusammenhängende Sehstörungen beide Augen betreffen, zu allermeist nicht länger als sechzig Minuten anhalten, keinesfalls über zwei Wochen andauern und mit Beginn der Kopfschmerzen abklingen. Migränekopfschmerzen sind zudem nicht allein retroorbital zu lokalisieren, sondern treten dort allenfalls betont auf und dauern üblicherweise insgesamt nicht länger als 72 Stunden an. Diese Eigenschaften von Migräneattacken, welche auf die Beschwerden der Klägerin nicht zutrafen, schließen deren Verursachung durch eine solche Erkrankung zur Überzeugung des Senats aus. Die von der Klägerin angeführten traumatischen Einwirkungen auf den Schädel, etwa im Rahmen eines Sportunfalles oder von Schlägen auf den Kopf, erklären keinesfalls die 1995 im MRT gefundenen, für eine Multiple Sklerose typischen Veränderungen, wie Priv.-Doz. Dr. B. nachvollziehbar herausgestellt hat, wonach diese sicher nicht traumatischer Genese sind. Das Empfängnisverhütungsmittel M. führte die K.spintomographischen Veränderungen 1995 nach den plausiblen Ausführungen von Priv.-Doz. Dr. B. ebenfalls nicht herbei, so dass andere Ursachen ausgeschlossen sind. Es ist nicht ersichtlich, dass die Original-MRT vom H.-Bodensee-Klinikum von August 1995 weiteren Aufschluss brächten, weshalb es auf sie nicht ankommt. Ohnehin war der Beklagte erst durch die Antragstellung der Klägerin im Juni 2009 mit dem Vorgang befasst, folglich zu einem Zeitpunkt, als das bildgebende Material nach der Auskunft von dort bereits nicht mehr vorlag. Die Nichterweislichkeit von Tatsachen, welche sich hieraus möglicherweise ergeben hätten und woraus die Klägerin Rechte herleiten wollte, geht daher nach den Grundsätzen über die objektive Feststellungslast zu ihren Lasten (vgl. BSG, Urteil vom 8. Oktober 1964 - 1 RA 63/62 -, juris, Rz. 18).

Die im August 2007 von Dr. H. diagnostizierte Retrobulbärneuritis im rechten Auge, worauf drei Monate zuvor bereits ein Verdacht bestand, ist nicht mit Wahrscheinlichkeit bedingt durch die Impfung gegen Hepatitis B auf eine Verschlechterung der Multiplen Sklerose zurückzuführen oder sonst eine Komplikation dieser Impfung. In Nr. 57 AHP 2005 (Hepatitis B-Schutzimpfung) war zwar im Gegensatz zum Epidemiologischen Bulletin 25/2007 der STIKO beim R.-K.-Institut noch eine Neuritis als sehr seltene Impfkomplikation aufgenommen. Insoweit folgt der Senat indes der Auffassung von Prof. Dr. B., wonach unabhängig der Kriterien nach Filippi et al. 2016 nach aktuellem wissenschaftlichen Erkenntnisstand allein aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Auftreten der Sehnerventzündung kein kausaler Zusammenhang abzuleiten ist. Hierfür gibt es bis aktuell keine speziellen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Selbst den ersatzweise herangezogenen Quellen zur Multiplen Sklerose ist kein Beleg hierfür zu entnehmen. Er kann lediglich nicht ausgeschlossen werden, weshalb allenfalls die Möglichkeit verbleibt. Im speziellen Fall einer isolierten, geringen und binnen kurzer Zeit vollständig zurückgebildeten Retrobulbärneuritis ist die Auslösung einer relevanten immunologischen Reaktion auf die Impfung nicht anzunehmen, selbst wenn, wie vorliegend, kein anderer möglicher Auslöser wie etwa eine akute Infektion dokumentiert ist. Bei von Prof. Dr. B. unterstellter Annahme einer bestehenden Multiplen Sklerose kam er zu dem Schluss, dass eine Verschlechterung nach klinischen Kriterien und wiederholten neurologischen Untersuchungen nicht stattgefunden hat. Seit 2007/2008 bis aktuell ist die Klägerin in neurologischer Hinsicht klinisch beschwerdefrei gewesen. Es ist kein neurologisches Symptom aufgetreten, welches in einen Zusammenhang mit einer Multiplen Sklerose gebracht werden kann. Die Ausführungen der STIKO beim R.-K.-Institut im Epidemiologischen Bulletin 25/2007, S. 218 haben daher weiterhin Gültigkeit, wonach es keine Evidenz zwischen einem ursächlichen Zusammenhang einer Impfung gegen Hepatitis B, auch mit dem Impfstoff "E.", für den die Herstellerin G. GmbH & Co. KG in die von der Klägerin vorgelegte Fachinformation als Anwendungserfahrung nach der Markteinführung als Erkrankung des Nervensystems die Optikusneuritis und die Multiple Sklerose aufgenommen hat, und insbesondere einer Encephalomyelitis disseminata gibt (vgl. auch Weißer/Barth/Keller-Stanislawski, Bundesgesundheitsblatt 2009, S. 1 ). Priv.-Doz. Dr. B. begründet seine Ansicht dazu wenig überzeugend damit, dass die Aussage der fehlenden Evidenz ob der vorhandenen Daten, insbesondere wegen der geringen Anzahl der gegen Hepatitis B geimpften Menschen in den wenigen durchgeführten Studien zum anschließenden Schubrisiko, nicht mit hinreichender Sicherheit wissenschaftlich haltbar sei. Hieraus ergibt sich dann jedenfalls aber auch kein Argument für einen Zusammenhang.

Sonstige Impfkomplikationen sind bereits nicht nachgewiesen. Priv.-Doz. Dr. B. konnte keine anderen Folgen der Impfung konstatieren. Auch Prof. Dr. B. hat seit Ende 2007 bis aktuell keine Gesundheitsstörung feststellen können, die in einen Ursachenzusammenhang mit der Impfung gegen Hepatitis B am 18. April 2007 gebracht werden kann.

Es besteht des Weiteren kein Recht auf die hilfsweise beanspruchte Kann-Versorgung.

Gemäß § 61 Satz 2 IfSG kann ein Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde anerkannt werden, wenn die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer über das übliche Maß hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung und einem dauerhaften Gesundheitsschaden nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht.

Die Regelung entspricht derjenigen des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG, so dass die dafür entwickelten Grundsätze auch für § 61 Satz 2 IfSG gelten (Meßling, a. a. O., § 61 IfSG Rz. 21). Die wesentlichen rechtlichen Maßstäbe zur richtigen Anwendung der Kann-Bestimmung ergeben sich seit dem 1. Januar 2009 aus Teil C, Nr. 4 b der Anlage zu § 2 VersMedV. Danach ist eine Kann-Versorgung zu prüfen, wenn über die Ätiologie und Pathogenese des als Schädigungsfolge geltend gemachten Leidens keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Auffassung herrscht und entsprechend die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen für die Entstehung oder den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden kann. In diesen Fällen ist die Kann-Versorgung zu gewähren, wenn ein ursächlicher Einfluss des geltend gemachten schädigenden Tatbestandes in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen wird (Teil C Nr. 4 b bb). Dabei reicht die allein theoretische Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs nicht aus (vgl. hierzu und zum Folgenden: Urteile des Senats vom 13. Dezember 2012 - L 6 VJ 1702/12 -, juris, Rz. 36 f. und vom 21. April 2015 - L 6 U 1460/13 -, juris, Rz. 87). Die Versorgungsverwaltung ist nicht ermächtigt, bei allen Krankheiten ungewisser Genese immer die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs, welche so gut wie nie widerlegt werden kann, ausreichen zu lassen (vgl. BSG, Urteil vom 10. November 1993 - 9/9a RV 41/92 -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 9). Es genügt nicht, wenn ein oder mehrere Ärztinnen oder Ärzte einen Ursachenzusammenhang nur dartun. Vielmehr ist es erforderlich, dass diese Behauptung medizinisch nachvollziehbar begründet und durch wissenschaftliche Daten, in der Regel statistische Erhebungen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 - 9 RV 17/94 -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 13), untermauert ist. Die Tatsachen müssen, in Abgrenzung zu den Voraussetzungen der Pflichtversorgung, zwar noch nicht so beschaffen sein, dass sie bereits die überwiegende medizinische Fachwelt überzeugen. Die niedrigere Schwelle zur Kann-Versorgung ist daher bereits dann überschritten, wenn die vorgelegte Begründung einschließlich der diese belegenden Fakten mehr als die einfache Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs belegt (vgl. BSG, Urteile vom 12. Dezember 1995 -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 13 und vom 17. Juli 2008 - B 9/9a VS 5/06 R -, SozR 4-3200 § 81 Nr. 5) und damit zumindest einen eingeschränkten Personenkreis der Fachmedizinerinnen und -mediziner überzeugt (sog. "Mindermeinung"). In seiner ständigen Rechtsprechung hat das BSG diesen Maßstab auf die "gute Möglichkeit" eingeschränkt (BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 - B 9/9a VS 5/06 R -, SozR 4-3200 § 81 Nr. 5). Prof. Dr. B. hat überzeugend dargelegt, dass nach herrschender Lehrmeinung keine ursächlich belegten oder möglichen gesundheitlichen Folgen der Impfung der Klägerin gegen Hepatitis B am 18. April 2007 vorliegen. Daher ist nicht im Sinne einer fachwissenschaftlichen Mindermeinung mehr als die einfache Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs belegt.

Somit besteht bereits mangels einer auf die Impfung gegen Hepatitis B zurückzuführenden gesundheitlichen Schädigung kein Anspruch auf Versorgung in Form einer Beschädigtenrente. Ohnehin hat die Retrobulbärneuritis rechts ab August 2007 bis aktuell nicht zu für den GdS relevanten Funktionsbeeinträchtigungen geführt, worauf beide Sachverständigen hingewiesen haben. Es liegt nach Priv.-Doz. Dr. B. nur eine isolierte Störung des Farbensehens auf dem rechten Auge vor. Das die Sehfähigkeit im Alltag nicht beeinträchtigende relative Skotom des rechten Auges war nur vorübergehend zu objektivieren. Die Retrobulbärneuritis rechts war nach Prof. Dr. B. funktional längstens innerhalb eines Jahres ausgeheilt.

Die zulässige unselbstständige Anschlussberufung des Beklagten ist begründet. Soweit das SG den Beklagten sinngemäß verpflichtet hat, bei der Klägerin eine Retrobulbärneuritis rechts als Folge einer Schädigung durch die Impfung gegen Hepatitis B mit dem Impfstoff "E." am 18. April 2007 anzuerkennen, hat es ihr unter Verstoß gegen § 123 SGG mehr zugesprochen als sie beantragt hat (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 5 RE 23/14 R -, BSGE 118, 294 ; Urteil des Senats vom 23. Juni 2016 - L 6 VH 4633/14 -, juris, Rz. 80). Demgegenüber hat die Klägerin nur verfolgt, eine Multiple Sklerose als Schädigungsfolge festzustellen. Es handelt sich um unterschiedliche Gesundheitsstörungen, welche nach ICD-10-GM-2016 einerseits mit "H46" und andererseits mit "G35.-" verschlüsselt werden. Eine Heilung erfolgte nicht (vgl. BSG, a. a. O.; Urteil des Senats vom 23. Juni 2016 - L 6 VH 4633/14 -, juris, Rz. 82 ff.). Eine Sachprüfung, in welche der Senat bereits nicht einzutreten hatte, wäre angesichts der vorstehenden Ausführungen, wonach die Sehnerventzündung im rechten Auge nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Impfung am 18. April 2007 zurückzuführen ist, allerdings zu Ungunsten der Klägerin ausgefallen.

Dem Hilfsantrag, Priv.-Doz. Dr. B. von Amts wegen mündlich zu hören, war nicht stattzugeben. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, das einfachrechtlich geregelte Fragerecht gegenüber Sachverständigen in jedem Fall mündlich auszuüben (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Mai 2013 - 1 BvR 1522/12 -, juris, Rz. 2).Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG, dass unabhängig von der nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 411 Abs. 3 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, das Erscheinen von Sachverständigen zum Termin von Amts wegen anzuordnen, Beteiligten gemäß § 116 Satz 2, § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 397, § 402, § 411 Abs. 4 ZPO das Recht zusteht, diesen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten (BSG, Beschluss vom 10. Dezember 2013 - B 13 R 198/13 B -, juris, Rz. 8 m. w. N.). Sachdienlichkeit im Sinne von § 116 Satz 2 SGG ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich die Fragen im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind. Abgelehnt werden kann ein solcher Antrag prozessordnungsgemäß auch dann, wenn er rechtsmissbräuchlich gestellt ist, insbesondere wenn die Notwendigkeit einer Erörterung überhaupt nicht begründet wird, wenn die an Sachverständige zu richtenden Fragen nicht genau benannt, also die erläuterungsbedürftigen Punkte nicht zumindest hinreichend konkret bezeichnet (BSG, Urteil vom 12. April 2000 - B 9 VS 2/99 R -, SozR 3-1750 § 411 Nr. 1), oder nur beweisunerhebliche Fragen angekündigt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. August 1995 - 2 BvR 175/95 -, juris, Rz. 29). Die insoweit im sozialgerichtlichen Verfahren gebotenen Einschränkungen des Fragerechts der Beteiligten finden ihren Grund in der gesetzlich vorgeschriebenen Aufklärungspflicht der Tatsachengerichte (§ 103 SGG). Wenn sie nach ihrer Auffassung alles getan haben, um den Sachverhalt umfassend aufzuklären, müssen sie sich, auch durch zusätzliche Fragen der Beteiligten, nicht mehr gedrängt fühlen, dem nachzugehen und den Beteiligten Gelegenheit zu geben, Fragen direkt an die Sachverständigen zu stellen (BSG, Urteil vom 12. April 2000 - B 9 VS 2/99 R -, SozR 3-1750 § 411 Nr. 1). Es ist vorliegend nicht erkennbar, dass eine mündliche Befragung von Priv.-Doz. Dr. B. einen über die Wiederholung seiner bereits getätigten schriftlichen Äußerungen hinausreichenden Mehrwert hätte. Er hat im vorausgegangenen erstinstanzlichen Verfahren dem SG eine niedergeschriebene Expertise nebst ergänzender Stellungnahme vorgelegt und ist im Berufungsverfahren ergänzend schriftlich gehört worden. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass am Vorliegen einer aus seiner Sicht gesichert anzunehmenden Multiplen Sklerose vom schubförmigen Verlaufstyp, die sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vor der 2007 erfolgten Impfung 1995 durch eine Retrobulbärneuritis links erstmals manifestiert habe, kein Zweifel bestehe. Darin hat die Klägerin keine gesicherte Diagnose vor der Impfung erkennen können und in der Formulierung "sicher annehmen" einen Widerspruch in der Beifügung gesehen. Dieser aus Sicht der Klägerin einzig erläuterungsbedürftige Punkt begründet indes keinen objektiven Aufklärungsbedarf. Das Fragerecht führt nicht deshalb zu einem Anspruch auf eine neue Befragung, nur weil die Beteiligten und Sachverständigen in ihrer Beurteilung nicht übereinstimmen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Dezember 2013 - B 13 R 198/13 B -, juris, Rz. 9). Die Bewertung, ob dieser Nachweis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, also im Vollbeweis, geführt ist, ist der gerichtlichen Entscheidung vorbehalten und dem Sachverständigenbeweis, mittels dessen Tatsachen zu klären und nicht Rechtsfragen zu entscheiden sind (BSG, Urteil vom 16. März 2016 - B 9 SB 1/15 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 22, Rz. 23), nicht zugänglich gewesen. Die Klägerin hat damit nur eine beweisunerhebliche Frage angekündigt, welcher durch mündliche Anhörung von Priv.-Doz. Dr. B. nicht nachzugehen war. Aus diesem Grund bestand weiter keine Notwendigkeit, ihn von Amts wegen abermals ergänzend schriftlich zu befragen, weshalb auch dieser Hilfsantrag abzulehnen war.

Der Hilfsantrag auf Einholung eines von der Klägerin so bezeichneten "Obergutachtens" war zurückzuweisen, da die Würdigung vermeintlich oder tatsächlich widerstreitender Gutachtenergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen wie die anderer sich vermeintlich oder tatsächlich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst gehört. Eine Verpflichtung hierzu besteht selbst bei einander widersprechenden Expertisen im Allgemeinen nicht. Vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen (Keller, a. a. O., § 128 Rz. 7d f. m. w. N.). Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne eine weitere Expertise einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (st. Rspr., vgl. BSG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - B 9 V 54/13 B -, juris, Rz. 10 und vom 14. Oktober 2016 - B 1 KR 59/16 B -, juris, Rz. 6, jeweils m. w. N.). Liegen mehrere Gutachten oder fachkundige Angaben vor, ist das Tatsachengericht nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn diese grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde der sie erstellenden beziehungsweise tätigenden Personen geben (vgl. BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2003 - B 13 RJ 179/03 B -, SozR 4-1500 § 160a Nr. 3, Rz. 9). Derartige Umstände hat die Klägerin weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich.

Nach alledem war auf die Anschlussberufung des Beklagten der Gerichtsbescheid des SG teilweise aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.