AG Meschede, Beschluss vom 11.11.2016 - 4 XIV (B) 42/16
Fundstelle
openJur 2018, 7455
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 5 T 165/16
Tenor

Auf Antrag des Ausländeramtes N wird gemäß §§ 415, 427 FamFG, 62 Abs. 2 AufenthG Abschiebungshaft bis zum 11.01.2017 angeordnet.

Die Anordnung ergeht mit sofortiger Wirkung (§ 422 Abs. 2 FamFG).

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Die zuständige Ausländerbehörde des I-Kreises - Az. 00-A-00000 - hat am 11.11.2016 die Verhängung der Sicherungshaft gegen den Betroffenen beantragt und dazu Folgendes vorgetragen:

Der Betroffene sei am 14.11.2015 in das Bundesgebiet eingereist. Am 06.05.2016 habe er einen Asylantrag gestellt. Dieser sei mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 12.07.2016 abgelehnt worden. Die Abschiebung nach Kroatien im Rahmen der Dublin-III-VO sei angeordnet worden. Rechtsmittel habe der Betroffene gegen diese Entscheidung nicht eingelegt, sodass der Bescheid des BAMF am 29.07.2016 bestandskräftig geworden sei.

Am 11.11.2016 sollte der Betroffene durch die Ausländerbehörde nach Kroatien rücküberstellt werden. Er sei dafür von Mitarbeitern der Behörde aufgesucht und gebeten worden, seine Sachen zu packen. Er habe damit begonnen, sich dann aber einen nicht mehr identifizierbaren Gegenstand an den Hals gehalten und habe offensichtlich damit gedroht, sich selbst zu verletzen. Die Mitarbeiter der Behörde hätten sich dann zunächst zurückgezogen und die Polizei hinzugerufen. Als man sodann nochmals versucht habe, die Wohnung zu betreten, habe sich der Betroffene ein großes Küchenmesser an den Hals gehalten. Zuvor habe er sich eine oberflächliche Schnittverletzung am Unterarm zugefügt. Erst nach mehrmaliger Aufforderung durch die Polizei unter Vorhalt der Schusswaffe habe der Betroffene das Messer niedergelegt. Der Betroffene sei sodann durch die Behörde vorläufig in Gewahrsam genommen worden.

Nach der Ingewahrsamnahme habe sich die Freundin des Betroffenen bei der Ausländerbehörde telefonisch gemeldet und erklärt, dass der Betroffene nicht Z T heiße, sondern vielmehr B T1. Sie habe zur Glaubhaftmachung beim Sozialamt der Stadt O Dokumente vorleget, die dies bestätigen würden. Der Betroffene habe demnach die Behörden mit den falschen Personalien täuschen und die Abschiebung verhindern wollen.

II.

Die Sicherungshaft ist aufgrund des Vorliegens des Haftgrundes des § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 i.V.m. § 2 Nr. 14 Nr. 5 und 6 AufenthG anzuordnen.

Der Betroffene hat im heutigen Anhörungstermin nichts vorgebracht, was die Ausführungen der Ausländerbehörde wesentlich entkräften könnte.

1.

Der Betroffene ist demnach aufgrund des bestandskräftigen Bescheids des BAMF vom 12.07.2016 vollziehbar ausreisepflichtig, §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 S. 2 AufenthG.

Eine freiwillige Ausreise des Betroffenen ist nicht gesichert. Eine Überwachung der Ausreise im Sinne des § 58 Abs. 3 Nr. 2, 4, 6 und 7 AufenthG ist erforderlich, da der Betroffene nicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist ausgereist ist, er mittellos ist, gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht hat und zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.

2.

Es liegt der Haftgrund des § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG vor i.V.m. § 2 Abs. 14 Nr. 6 AufenthG vor.

Gemäß § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn im Einzelfall Gründe vorliegen, die auf den in § 2 Absatz 14 AufenthG festgelegten Anhaltspunkten beruhen und deshalb der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung durch Flucht entziehen will (Fluchtgefahr).

Gemäß § 2 Abs. 14 Nr. 6 AufenthG liegen solche konkreten Anhaltspunkte vor, wenn der Ausländer, um sich der bevorstehenden Abschiebung zu entziehen, sonstige konkrete Vorbereitungshandlungen von vergleichbarem Gewicht vorgenommen hat, die nicht durch Anwendung unmittelbaren Zwangs überwunden werden können.

Dies ist vorliegend der Fall. Der Betroffene hat durch seine selbstverletzenden und selbstgefährdenden Handlungen, welche nur durch das Eingreifen der hinzugerufenen, bewaffneten Polizeibeamten unterbunden werden konnten, konkrete Vorbereitungshandlung getroffen, um die anstehende Abschiebungsmaßnahme zu verhindern und deren Abbruch zu erzwingen. Der Tatbestand des § 2 Abs. 14 Nr. 5 AufenthG erfasst solche Vorbereitungshandlungen aus dem Verantwortungsbereich des Ausländers, die konkret auf die Verzögerung bzw. Verhinderung der ihm bevorstehenden Rückführung ausgerichtet sind, in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Rückführung stehen und die nicht durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs überwunden werden können. Die Handlungen des Betroffenen sind als Ausdruck einer möglichen Entziehungsabsicht zu deuten. (vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, Rn. 93). Das Verhalten des Betroffenen angesichts der konkret drohenden Abschiebung begründet den Verdacht, dass sich der Betroffene geplanten Abschiebung durch Flucht entziehen wird.

Es liegt zudem der Haftgrund des § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG vor i.V.m. § 2 Abs. 14 Nr. 2 AufenthG vor.

Gemäß § 2 Abs. 14 Nr. 2 AufenthG liegen konkrete Anhaltspunkte für eine Fluchtgefahr vor, wenn der Ausländer über seine Identität täuscht, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität.

Der Betroffene hat gegenüber der Ausländerbehörde eine falsche Identität angegeben. Den durch die Lebensgefährtin des Betroffenen vorgelegten Passdokumenten lässt sich die Identität B T1, geboren am 00.00.1993 entnehmen.

3.

Abschiebungshindernisse bestehen nicht, §§ 60, 60a, 72 Abs. 4 AufenthG.

4.

Die angeordnete Dauer der Haft ist zur Vorbereitung der Abschiebung erforderlich.

Die Ausländerbehörde hat für das Gericht überzeugend dargelegt, dass eine Abschiebung bis zum 11.01.2017 möglich sein wird, § 62 Abs. 3 S. 4 AufenthG. Der Betroffene ist gemäß § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylG in den für sein Asylbegehren zuständigen Staat Kroatien abzuschieben. Die erforderlichen Dokumente liegen der Behörde vor. Mit dem vorliegenden Lassiez-Passer ist die Rücküberstellung möglich. Die Buchung eines erneuten Abschiebungsfluges dauert nach Auskunft der zuständigen zentralen Flugabschiebung Bielefeld wegen der nunmehr erforderlichen Sicherheitsbegleitung und der weiteren Organisation acht Wochen.

Die Unterbringungseinrichtung in C ist für die Aufnahme von Abschiebehäftlingen geeignet. Es ist gerichtsbekannt, dass dort auch eine gesonderte Unterbringung von Dublin-III-Häftlingen erfolgt.

5.

Mildere Mittel sind zur Sicherung einer geordneten Abschiebung nicht ersichtlich, sodass die Anordnung der Sicherungshaft auch im Übrigen die Verhältnismäßigkeit wahrt. Im Hinblick auf die Identitätstäuschung des Betroffenen erscheint eine Meldeauflage nicht etwa als geeignetes milderes Mittel. Eine Sicherheitsleistung kann der Betroffene wegen Mittellosigkeit nicht erbringen.

6.

Nach § 422 Abs. 2 S.1 FamFG war die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anzuordnen. Ohne die sofortige Vollziehung der Anordnung besteht die begründete Gefahr, dass ich der Betroffene der Durchführung entziehen wird.

7.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 415, 427, 80, 81 FamFG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zulässig. Diese ist innerhalb von einem Monat ab Bekanntgabe der Entscheidung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Amtsgericht Meschede - Postfach 1152 - 59851 Meschede, Abteilung 4, einzulegen. Für die Wahrung der Frist ist der Eingang bei Gericht entscheidend.

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