AG Wetter (Ruhr), Beschluss vom 10.03.2015 - 5 F 395/14
Fundstelle
openJur 2018, 7479
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Verfahrenswert wird auf 79.540,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Zahlung eines Ausgleichs aus einem zwischen den Beteiligten geschlossenen notariellen Vertrag vom 21.10.1987 von dem Antragsgegner. Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Die Trauung erfolgte unter dem 23.10.1987.

In dem zwischen den Beteiligten geschlossenen notariell beurkundeten Ehevertrag heißt es unter dem Punkt III.:

"Hausrat

1. Für den Fall der Scheidung unserer Ehe soll der Hausrat, der sich in der künftigen ehelichen Wohnung befindet, in dieser verbleiben, ausgenommen die Aussteuergegenstände und die persönlichen Sachen der Erschienenen zu 1..

2. Beim Auszug der Erschienen zu 2. (= die Antragstellerin) aus der ehelichen Wohnung erhält diese einen Geldbetrag, der wertmäßig die Hälfte des Hausrates ausmacht, der in der Ehe angeschafft ist, als Abfindung."

Die Beteiligten lebten in der Folgezeit in einem gemeinsamen Haushalt. Ferner verfügten die Beteiligten über ein Ferienhaus auf Rügen.

Die Trennung der Beteiligten erfolgte im Januar 2008 durch den Auszug der Antragstellerin aus dem gemeinsamen Haushalt. Durch Beschluss vom des Amtsgerichts Wetter vom 21.09.2011 wurden die Beteiligten rechtskräftig geschieden.

Die Antragstellerin forderte den Antragsgegner seit dem Auszug aus der ehelichen Wohnung mehrfach auf, der Zahlungsverpflichtung aus dem III. 2. des Ehevertrages nachzukommen. Dieser wies eine Zahlungsverpflichtung stets zurück, eine Zahlung erfolgte nicht. Unter dem 08.09.2014 forderte die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigte den Antragsgegner aufgrund der getroffenen Vereinbarung zum Hausrat zur Zahlung von 75.000,00 EUR bis zum 18.09.2014 auf. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung des Schreibens vom 08.09.2014 (Anlage 5 im Anlagenband) Bezug genommen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.09.2014 reagierte der Antragsgegner wie folgt: "... hat mir Ihr Schreiben vom 08.09.2014 vorgelegt, mit der Bitte, mich mit der dort angesprochenen Hausratthematik zur Beantwortung Ihres Schreibens noch einmal zu befassen, was ich selbstverständlich gern tue. Zum Zeitlichen bitte ich allerdings um Verständnis, dass ich mich erst im Laufe der 41. KW werde melden können: Ihr Schreiben erreicht mich per Eingang hier am 15.09.2014 und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem nur noch wenige Arbeitstage bis zum Beginn meines Urlaubs in der 39. Und 40. KW verbleiben. Allein schon wegen der Vielzahl der von Ihnen angesprochenen einzelnen Rechnungs- und Bewertungspositionen ist eine Besprechung mit Herrn ...(=dem Antragsgegner) unabdingbar, die allerdings erst in der 41. KW wird erfolgen können, so dass ich bis dahin um Geduld bitte und mir zu Ihrer relativ knapp gewählten Fristsetzung die Anmerkung erlaube, dass Entschädigungsansprüche aus der von Ihnen angesprochenen Regelung im Notarvertrag vom 21.10.1987 zuletzt von Ihrem "Amtsvorgänger", Herrn X [...] mit Schreiben vom 01.02.2013 (!) geltend gemacht wurden mit der Ankündigung, nach Ablauf der dort gesetzten Frist per 28.02.2013 gerichtliche Schritte in Gang setzen zu wollen ..." Unter dem 10.10.2014 wandte sich der Bevollmächtigte des Antragsgegners erneut an die Antragstellerin bzw. ihre Prozessbevollmächtigte. Dort heißt es u.a.: "... teile ich [...] nach Erörterung der Sache mit Herrn... (= Antragsgegner) mit, dass die erhobene Forderung zurückgewiesen wird und dass insbesondere aus keine Bereitschaft besteht auf den unterbreiteten Vergleichsvorschlag einzugehen: ..." Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung des Schreibens verwiesen (Anlage 6 im Anlagenband).

Der Antragsgegner erhebt die Einrede der Verjährung und beruft sich auf ein etwaiges Leistungsverweigerungsrecht.

Die Antragstellerin behauptet, während der Ehezeit bis zu Trennung/ ihrem Auszug seien Hausratsgegenstände für die eheliche Wohnung mit einem Zeitwert bei ihrem Auszug in Höhe von 159.080,00 EUR angeschafft worden. Wegen der Einzelheiten der Aufstellung wird auf die Antragsschrift vom 18.12.2014 (Bl. 1 ff. d.A.) Bezug genommen. Sie ist insofern der Auffassung, dass sich ein Ausgleichs- bzw. Abfindungsanspruch auch auf Hausratsgegenstände in der Ferienimmobilie auf Rügen erstrecke. Ihr Anspruch sei auch nicht verjährt, da der Antragsgegner über den Anspruch verhandelt habe.

Die Antragsschrift vom 18.12.2014 ist bei Gericht unter dem 19.12.2014 vorab per Fax eingegangen. Der Eingang Originalantragsschriftsatzes unter dem 22.12.2014 erfolgt. Die Vorschussrechnung des Gerichts datiert unter dem 22.12.2014. Die Einzahlung durch die Antragstellerin ist unter dem 08.01.2015 vorgenommen worden. Die Antragsschrift ist der Antragsgegnerseite unter dem 27.01.2015 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 03.02.2015 hat der Antragsgegner widerklagend die Zahlung von 2.085,95 EUR begehrt. In der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2015 ist der Widerantrag mit Zustimmung der Gegenseite zurückgenommen worden.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, an einen Betrag von 79.540,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 75.000,00 EUR seit dem 19.09.2014 sowie einem weiteren Betrag von 4.540,00 EUR ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet. Es kann dahin stehen, ob und in welche Höhe ein Anspruch der Antragstellerin besteht, da ein etwaiger Anspruch aufgrund eines Leistungsverweigerungsrechts des Antragsgegners nach § 214 I BGB nicht durchsetzbar ist. Im Einzelnen:

Dem Antragsgegner steht ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 214 I BGB zu, da ein möglich Anspruch der Antragstellerin mit Ablauf des 21.09.2014 24:00 Uhr verjährt ist und der Antragsgegner die Einrede der Verjährung erhoben hat.

1. Es greift die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren. § 197 I Nr.4 BGB ist nicht einschlägig, da es bei dem notariellen Vertrag vom 21.10.1987 nicht um eine vollstreckbare Urkunde gemäß § 794 I Nr.5 ZPO handelt. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (=Antragstellerin) Kenntnis von den begründenden Umständen erlangt hat, § 199 I BGB. Dies wäre vorliegend der 31.12.2008 um 24:00 Uhr. Der Anspruch entstand mit dem Auszug der Antragstellerin im Januar 2008, da es im Ehevertrag heißt: " Beim Auszug [...] erhält [...]".

Indes war die Verjährung eines möglichen Anspruchs der Antragstellerin zwischen den Beteiligten während ihrer Ehezeit nach § 207 I 1 BGB gehemmt. Nach § 209 BGB wird dieser Zeitraum 31.12.2008 24:00 Uhr bis zum 21.09.2011 24:00 Uhr nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet. Die Verjährungsfrist ist in der konkreten Berechnung um die Hemmungszeit zu verlängern. Die Verjährung läuft nach Ende der Hemmung auch für die unter § 199 I fallenden Ansprüche vom Beginn des nächsten Tages (00:00 Uhr) weiter (Ellenberger in Palandt 74. Aufl. § 209 Rn. 1 m.w.N.), mithin nicht erst mit Schluss des Jahres (vgl. BGH 86, 103; 93, 294; NJW -RR 90, 665). Eine Regelung einer Ablaufhemmung wie etwa bei § 203 S. 2 BGB ist nicht vorgesehen. Mithin beginnt die Verjährungsfrist vorliegend mit dem 22.09.2011 00:00 Uhr zu laufen und ist mit dem 21.09.2014 24:00 Uhr abgelaufen. Die Berechnung der Antragstellerin, ihr Anspruch verjähre aufgrund des § 207 BGB erst mit dem 31.08.2015 kann nicht gefolgt werden. Die Verjährungsfrist ist zwar um den Zeitpunkt der Hemmung zu verlängern, dies kann jedoch nicht zu einer doppelten Berücksichtigung führen. Die Hemmungszeit wurde berücksichtigt, indem die Verjährung erst nach Ablauf der Hemmung begann. Denn ohne die Hemmung hätte die Verjährung bereits unter dem 31.12.2008 begonnen und wäre mit dem 01.01.2012 00:00 Uhr abgelaufen.

Die Verjährung wurde nicht durch Verhandlungen über den Anspruch nach § 203 S.1 BGB gehemmt. Der Begriff der Verhandlung ist weit auszulegen. Es genügt jeder Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächliche Grundlagen, es sei denn, dass der Schuldner sofort und erkennbar Verhandlungen ablehnt. Nicht erforderlich ist, dass der Schuldner Vergleichsbereitschaft in Aussicht stellt. Es genügen Erklärungen des Schuldners, die den Gläubiger zu der Annahme berechtigen, der Schuldner lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs ein.

Der Antragsgegner hat nicht zu einem Anspruch verhandelt. So hat er in der Korrespondenz mit früheren Bevollmächtigten der Antragstellerin einen Anspruch stets abgelehnt und keine Zahlung vorgenommen. Auch dem Schreiben des Bevollmächtigten des Antragsgegners vom 15.09.2014 ist ein Verhandeln im Sinne des § 203 S.1 BGB nicht zu entnehmen. Das Gericht verkennt an dieser Stelle nicht, dass es maßgeblich auf den Empfängerhorizont bei der Auslegung des Begriffs des Verhandelns ankommt und das Schreiben vom 15.09.2014 insofern keine ausdrückliche kategorische Ablehnung eines etwaigen Anspruchs enthält. Insgesamt ist dem Schreiben vom 15.09.2014 indes zu entnehmen, dass es sich lediglich um die Bitte um Fristverlängerung aufgrund der mit zehn Tagen und Berücksichtigung von Postlaufzeiten doch recht kurz bemessenen gesetzten Reaktionsfrist seitens der Antragstellerin handelt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Anspruch -etwa in Form eines Meinungsaustausches - ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Eine Erklärung, die die Antragstellerin zu der Annahme berechtigt, der Antragsgegner lasse sich zu Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches aus dem Notarvertrag ein, ist weder dem Schreiben noch den sonstigen Umständen zu entnehmen. Grundsätzlich kann auch die Bitte um Verlängerung einer Stellungnahmefrist ein "Verhandeln" i.S.d. § 203 S. BGB darstellen. Insofern bedarf es indes in dem Fristverlängerungsgesuch jedenfalls der Andeutung, dass sich der Schuldner auf eine Erörterung von Sachthemen bzw. der Berechtigung des Gläubigers einlassen wird. Es muss sich mithin um eine Fristverlängerung in der Sache handeln. Der Antragsgegner hat jedoch vorliegend nicht zum Ausdruck gebracht, sich auf Verhandlungen über den Anspruch einlassen zu wollen. Die Fristverlängerung wurde nicht erbeten um Ermittlungen in der Sache - etwa zur Überprüfung der Anspruchshöhe oder -Berechtigung - vorzunehmen. Auch aus subjektiver Sicht scheint eine solche Erklärung auf Antragstellerseite nicht angenommen worden zu sein. Aus dem gerichtlichen Antrag vom 18.12.2014 der Antragstellerin wird deutlich, dass diese selbst nicht von einem "Verhandeln" ausgegangen ist, da sie Zinsen ab dem 19.09.2014, mithin dem Zeitpunkt der ihr eigens im Schreiben vom 08.09.2014 gesetzten Frist, begehrt und folglich nicht den Zeitpunkt der 41. Kalenderwoche für maßgeblich erachtet hat. Sie ist somit nicht davon ausgegangen, dass ein Verhandeln seitens des Antragsgegners erfolgen wird und hat die Bitte um Fristverlängerung nicht berücksichtigt.

Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch aus § 1361 a BGB, ein Zahlungsanspruch ist demnach nur bei Festsetzung einer Vergütung durch das Gericht vorgesehen. Auch ein Anspruch aus § 1568 b III BGB ist nicht gegeben. Ein etwaiger Anspruch aus § 1568 b BGB ist durch die zwischen den Beteiligten getroffene Regelung am 21.10.1987 jedenfalls abbedungen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 I 1 FamFG.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Wetter, Gustav-Vorsteher-Str. 1, 58300 Wetter schriftlich in deutscher Sprache durch einen Rechtsanwalt einzulegen.

Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Wetter eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen.

Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. Die Frist hierfür beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Innerhalb dieser Frist müssen der Sachantrag sowie die Begründung unmittelbar bei dem Beschwerdegericht - Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm - eingegangen sein.

Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind.