OLG München, Endurteil vom 30.12.2015 - 7 U 2492/15
Fundstelle
openJur 2018, 9393
  • Rkr:
Gründe

Oberlandesgericht München

Az.: 7 U 2492/15

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am 30.12.2015

13 HK O 7411/14 LG München I

In dem Rechtsstreit

...

- Klägerin und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

Streithelferin: ...

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

gegen

...

- Beklagte und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

wegen Forderung

erlässt das Oberlandesgericht München - 7. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2015 folgendes

Endurteil

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 9.6.2015 (Az.: 13 HK O 7411/14) aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreit mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention zu tragen. Letztere hat die Nebenintervenientin zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe:

A. Die Parteien streiten um die Regulierung eines Transportschadens.

Die Streithelferin, damals noch als K. F. D. B. Production GmbH firmierend, beauftragte die Klägerin mit dem Transport einer Ladung Knabbergepäck der Marke F. von ihrer Produktionsstätte in Donauwörth zur Firma F. in Catania (Italien). Die Klägerin wiederum beauftragte die Beklagte mit der Durchführung des Transports (vgl. Transportauftrag vom 8.4.2013, Anlage K 1). Das Transportgut wurde am 9.4.2013 in Donauwörth auf einen Lkw der Beklagten verladen. Bei der Ankunft in Catania am 12.4.2013 verweigerte F. die Annahme der Sendung, weil der anliegende Lkw nicht verplombt gewesen sei. In der Folgezeit kam die Beklagte der Weisung der Klägerin, die Ware zurückzuliefern, zunächst nicht nach und erklärte sich hierzu erst bereit, nachdem die Klägerin unter dem 18.4.2013 die Haftungsfreistellungserklärung Anlage B 1 abgegeben hatte. Die Sendung wurde sodann am 3.5.2013 in Donauwörth zurückgeliefert und in der Folgezeit vernichtet.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 27.297,24 € sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozent vom 20. Mai 2013 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 21.12.2013 zu zahlen; hilfsweise: die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 13.649,62 € sowie die E. Versicherung AG, ... weitere 13.648,62 € sowie hieraus jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozent vom 20.5.2013 und Zinsen in Höhe von 6 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 21.12.2013 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat der Klage mit ihrem Hauptantrag vollumfänglich stattgegeben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen. Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin und die Streithelferin beantragen die Zurückweisung der Berufung.

B. Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf zwei Schadensursachen, nämlich zum einen, dass die Ware von F. wegen der fehlenden bzw. im Verantwortungsbereich der Beklagten erbrochenen Verplombung abgelehnt worden sei, und zum anderen, dass die Ware als dem Verderb unterliegendes Lebensmittel aufgrund der weisungswidrig verzögerten Rücksendung (erst recht) unbrauchbar und wertlos geworden sei. Die erstgenannte Schadensursache ist indes der Beklagten bei wertender Betrachtungsweise nicht zurechenbar. Zur zweitgenannten Ursache ist der Klagevortrag zur Kausalität unschlüssig.

I. Schäden, die durch die Entfernung der Verplombung (mag diese auch durch Mitarbeiter oder Subunternehmer der Beklagten erfolgt sein) fallen nicht in den Risikobereich der Beklagten.

Dabei geht der Senat davon aus, dass der Lkw der Beklagten nach der Beladung verplombt wurde. Diese Feststellung findet sich im unstreitigen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils. Tatbestandsberichtigung wurde insoweit nicht beantragt. Aufgrund der Beweiskraft des Tatbestandes (§ 314 ZPO) ist daher für die Berufungsinstanz eine Verplombung der Lkw als unstreitig zugrunde zu legen.

Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Verplombung zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits vereinbart wurde. Im Transportauftrag (Anlage K 1) findet sich dazu nichts. Aus dem Frachtbrief (Anlage K 4) ergibt sich zwar die Verplombung ("Seal Nr. 01:08870674"). Dies beweist aber (allenfalls - der Frachtbrief ist nicht unterschrieben), die (nach dem Vortrag der Streithelferin von ihrem Personal vorgenommene) Verplombung als solche, nicht jedoch, dass diese zwischen den Parteien (Klägerin und Beklagte) vereinbart war.

Dem Senat ist nicht bekannt, ob zwischen F. und der Streithelferin bzw. zwischen der Streithelferin und der Klägerin Verplombung vereinbart war. Jedenfalls wurde eine solche Verpflichtung nach den vorstehenden Ausführungen nicht an die Beklagte weitergegeben. Auch aus den einschlägigen lebensmittelrechtlichen Vorschriften, insbesondere den von der Klägerin und der Streithelferin herangezogenen europäischen Verordnungen ergibt sich eine Pflicht zur Verplombung nicht. Explizit ist dort nirgends davon die Rede. Auch ist nicht einsichtig, dass der dortige Schutzzweck der Lebensmittelsicherheit die Verplombung einer Sendung von Knabbergepäck in luftdichten Päckchen, die obendrein auf folienverpackten Paletten transportiert werden, erforderlich machen würde. Die Beklagte war daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, die Ware nur verplombt zu transportieren. Soweit also F. die Sendung wegen fehlender Verplombung abgelehnt hat, fällt dies nicht in den Risikobereich der Beklagten.

II. Der verzögerte Rücktransport hat sich auf den geltend gemachten Schaden nicht mehr ausgewirkt. Insoweit ist die Klage unschlüssig hinsichtlich der Kausalität.

Dabei geht der Senat von einer weisungswidrig (Art. 15 Abs. 1 CMR) verzögerten Rücklieferung der abgelehnten Ware aus. Auch durfte die Rücklieferung nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden. Hinsichtlich der Fracht- und Rückfrachtkosten bestand kein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten, da die Transportvergütung erst bei Beendigung des Transports, hier also erst mit erfolgter Rücklieferung fällig wird (§ 420 HGB, der mangels spezieller Regelungen im CMR anwendbar ist). Hinsichtlich der Kosten früherer Transporte scheitert ein Zurückbehaltungsrecht an der fehlenden Konnexität. Hiernach spricht vieles dafür, dass die Haftungsfreistellungsvereinbarung (Anlage B 4), von der die Beklagte die Rücksendung abhängig gemacht hat, von der Klagepartei wirksam angefochten wurde (§§ 123, 142 BGB). Ein durch die verzögerte Rücksendung entstandener Schaden ist jedoch nach dem Vortrag der Parteien nicht ersichtlich.

Denn nach dem Vortrag der Klägerin bzw. der Streithelferin war das Transportgut bereits durch die fehlende Verplombung wertlos geworden. F. habe deswegen die Annahme der Sendung zu Recht abgelehnt. Eine erneute Andienung der Ware an F. - nunmehr in verplombtem Zustand - sei für die Streithelferin als seriösem Kaufmann nicht in Betracht gekommen und habe wegen der Entwertung der Ware auch strafrechtlich als Betrug qualifiziert werden können. Aufgrund der alleinigen Rechte von F. an der Marke "F. " sei auch eine anderweitige Verwertung legal nicht in Betracht gekommen. Legt man diesen Vortrag zugrunde, war der Totalschaden an der Ware bereits durch die - nicht in den Risikobereich der Beklagten fallende - fehlende Verplombung eingetreten und hat sich die verzögerte Rücksendung nicht mehr ausgewirkt. Soweit die Klägerin ihre Schadensersatzansprüche auf den verzögerten Rücktransport stützt, ist die Klage daher unschlüssig.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren vielmehr die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Vertragsbeziehungen zwischen den Beteiligten (Klägerin Beklagte, Streithelferin, F.).

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