LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.11.2015 - 7 O 902/15
Fundstelle
openJur 2018, 9207
  • Rkr:
Gründe

Landgericht Nürnberg-Fürth

Az.: 7 O 902/15

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am 17.11.2015

In dem Rechtsstreit

Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V.,

- Klägerin -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B.

gegen

Stadt- und Kreissparkasse ...

- Beklagter -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D.

wegen Unterlassung

erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 7. Zivilkammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ... als Vorsitzende, die Richterin am Landgericht ... und die Richterin am Landgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2015 folgendes

Endurteil

1. Die Beklagte hat es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € (in Worten: Zweihundertfünfzigtausend Euro) ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an einem der Vorstandsmitglieder, gegenüber Verbrauchern bei Bankgeschäften zu unterlassen, im Kapitel "Kontokorrentkunden und andere Geschäfte" der allgemeinen Geschäftsbedingungen unter Nummer 11 "Aufrechnung und Verrechnung" zu (1) "Aufrechnung durch den Kunden": Der Kunde darf Forderungen gegen die Sparkasse nur insoweit aufrechnen, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind,

und/oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden und/oder Entgelt mit Bezug auf diese Klausel und/oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern zu verlangen.

2. Dem Kläger wird gestattet, die Urteilsformel mit der Bezeichnung der Beklagten auf deren Kosten im Bundesanzeiger, im Übrigen auf eigene Kosten bekannt zu machen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt als eine in die Liste qualifizierte Einrichtung nach § 4 Unterlassungsklagengesetz aufgenommene Einrichtung die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Die Beklagte, eine Sparkasse mit Sitz in ..., verwendet unstreitig trotz Abmahnung der Klagepartei die folgende angegriffene Klausel in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen:

"Der Kunde darf Forderungen gegen die Sparkasse nur insoweit aufrechnen, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind."

Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 08.05.2013 durch die Klagepartei abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewerten Unterlassungserklärung aufgefordert. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 13.05.2013 die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung ab, da der Anspruch unbegründet sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen K5 und K6 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 16.05.2013 begründete die Klagepartei ihren Anspruch und setzte der Beklagten eine weitere Frist zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung (Anlage K7). Die Beklagte lehnte die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 16.05.2013 erneut ab (Anlage K9).

Die Klagepartei beruft sich auf § 1 UKlaG, §§ 305, 307 ff. BGB.

Die Klagepartei trägt vor, die gerügte Klausel benachteilige den Vertragspartner des Verwenders unangemessen. Sei der Auslegung der beanstandenden Klausel sei im Verbandsprozess § 305 c Abs. 2 BGB umgekehrt anzuwenden. Soweit mehrere Auslegungsalternativen verblieben, sei von der Auslegung auszugehen, die zur Unwirksamkeit der Klausel führe, da maßgeblich in diesem Zusammenhang die kundenfeindlichste Auslegung sei.

Der Kläger meint, die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshof aus den Urteilen vom 18.06.2002, Az.: XI ZR 160/01 und vom 17.02.1986, Az.: II ZR 285/84 führe dazu, dass unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben die genannte Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken und Sparkasse derart eingeschränkt werden müsse, dass jedenfalls die Forderungen, denen ein Einwand nicht entgegenstehe, von dem Aufrechungsverbot ausgeschlossen seien. Da folglich unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben es geboten sein könne, die Aufrechnungsbeschränkung unbeachtet zu lassen, wenn eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung in dem Sinne entscheidungsreif sei, dass sie sich als begründet erweiste, führe dazu, dass die Klausel unwirksam sei, da sie jedenfalls den Kunden unangemessen benachteilige und auch gegen das Transparenzgebot verstoße.

Darüber hinaus meint der Kläger, dass die Klausel die nach § 215 BGB zulässige Aufrechnung mit einer verjährten Forderung schlicht leerlaufen lasse. Es sei üblich, dass der Verwender Gegenforderungen bestreite. Dann habe aber der Kunde nur die Möglichkeit, seine Forderung vor Gericht bis zur Rechtskraft durchzusetzen. In diesem Prozess würde der Verwender zunächst die Verjährung einwenden, mit der zwingenden Folge, dass der Prozess für den Kunden verloren gehe.

Die Klagepartei meint ferner, dass Wiederholungsgefahr besteht, da die strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben wurde.

Die Klagepartei beantragt daher;

1. Die Beklagte hat es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € (in Worten: Zweihundertfünfzigtausend Euro) ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an einem der Vorstandsmitglieder, gegenüber Verbrauchern bei Bankgeschäften zu unterlassen, im Kapitel "Kontokorrentkunden und andere Geschäfte" der allgemeinen Geschäftsbedingungen unter Nummer 11 "Aufrechnung und Verrechnung" zu (1) "Aufrechnung durch den Kunden": Der Kunde darf Forderungen gegen die Sparkasse nur insoweit aufrechnen, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind,

und/oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden und/oder Entgelt mit Bezug auf diese Klausel und/oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern zu verlangen.

2. Dem Kläger wird gestattet, die Urteilsformel mit der Bezeichnung der Beklagten auf deren Kosten im Bundesanzeiger, im Übrigen auf eigene Kosten bekannt zu machen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beklagtenpartei beantragt:

Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, dass die Klausel dem Wortlaut des § 309 Nr. 3 BGB entspricht und auch durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, wie von der Klagepartei bereits zitiert, entschieden sei, dass diese Klausel wirksam sei und keine Bedenken bestehen. Diese Klausel trage auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof einem berechtigten Interesse der Kreditinstitute dahingehend Rechnung, dass sie davor geschützt werden sollen, dass ein Zahlungsunfähiger oder Zahlungsunwilliger gegen Forderungen seiner Bank oder Sparkasse mit erdichteten oder sonstigen unbegründeten Gegenforderungen aufzurechnen und sich dadurch seiner Zahlungspflicht zu entziehen versucht.

Die Beklagte meint, dass zudem nach ständiger Rechtsprechung die Berufung auf ein vertragliches Aufrechnungsverbot im Prozess treuwidrig sei, wenn beide Forderungen entscheidungsreif seien. Aufgrund ständiger ober- und höchstrichterlicher Rechtsprechung sei also der Kunde, der Inhaber einer verjährten, aber nach § 215 BGB aufrechenbaren Gegenforderung sei, nicht gehindert, hiermit gegen eine Forderung der Bank aufzurechnen. Die Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit in Folge der streitgegenständlichen Klausel hindere den Kunden nicht an der Aufrechnung mit einer verjährten Forderung.

Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen. Die Kammer hat die Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Unterlassungsanspruch der Klagepartei ergibt sich aus § 1 UKlaG, §§ 305, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

1.

Nach Auffassung der Kammer verstößt die streitgegenständliche Klausel gegen das Transparenzgebot.

Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in den AGB möglichst klar, einfach und präzise darzustellen. Bei der Beurteilung, ob eine Regelung dem Transparenzgebot genügt, ist nicht auf den flüchtigen Betrachter, sondern auf den aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen (vgl. hierzu Grüneberg a. a. O. § 307 Rn. 20 ff.). Die Auslegung einer Klausel hat dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischem Sinn einheitlich so zu erfolgen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. Nach ständiger Rechtsprechung führt diese Auslegungsregel dazu, dass bei einer mehrdeutigen Klausel von den möglichen Auslegungen diejenige zugrunde zu legen ist, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt. Denn damit ist die scheinbar kundenfeindlichste Auslegung im Ergebnis regelmäßig die dem Kunden günstigste (vergleiche hierzu BGH 11. Zivilsenat, Urteil vom 21.04.2009, XI ZR 78/08).

Zumindest in kundenfeindlichster Auslegung ist für den durchschnittlichen Verbraucher nicht erkennbar, dass es im Hinblick auf das Aufrechnungsverbot insoweit eine Einschränkung gibt, die durch die höchst richterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seinen beiden Entscheidungen vom 18.06.2002, Az.: XI ZR 160/01 und I ZR 110/85 vom 26.02.1987 entwickelt wurde, dass es unter der Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben geboten sein kann, die Aufrechnungsbeschränkung dann unbeachtet zu lassen, wenn eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung in dem Sinne entscheidungsreif ist, dass sie sich als begründet erweist.

Die derzeitige Formulierung der Klausel lässt eine solche Einschränkung nicht zu. Für den nicht rechtskundigen Verbraucher folgt aus der Klausel, ihre Wirksamkeit unterstellt, dass mit seitens der Sparkasse bestrittenen Forderungen generell nicht aufgerechnet werden kann.

Ebenso nicht erkennbar ist für den nicht rechtskundigen Verbraucher, dass verjährte Forderungen, die nach § 215 BGB dann zur Aufrechnung gestellt werden können, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte, durch diese Klausel nicht ausgeschlossen sind.

Dies ist insbesondere im Hinblick auf § 500 Abs. 2 BGB ein durchaus in der Praxis denkbarer Fall, der einen Verbraucher davon abhalten kann, eine entsprechende Aufrechnungserklärung abzugeben.

Unter Berücksichtigung dieser Verständnismöglichkeiten ist die Klausel daher aber intransparent und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGS unwirksam.

2.

Nicht zu berücksichtigen war dabei im Verbandsverfahren das Argument der Beklagten, dass die Klausel im Einzelfall aber durch entsprechende richterliche Anwendung der höchst richterlichen Rechtsprechung wirksam ist und, dass die Sparkassen diese höchst richterliche Rechtsprechung von sich aus beachten und daher solche. Fälle nicht praxisrelevant würden.

Der Maßstab im Verbandsverfahren nach § 1 UKlaG ist ein anderer.

Im Vergleich zur konkreten Rechtmäßigkeitskontrolle zwischen Kunden und Verwender wird nach § 1 UKlaG tendenziell ein engerer Prüfungsmaßstab bestimmt. Aus § 305 c Abs. 2 BGB wurde der Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung von AGB im abstrakten Kontrollverfahren entwickelt Im Verbandsklageverfahren werden die Klauseln unabhängig vom Einzelfall anhand der §§ 305 ff. BGB auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft (siehe hierzu Micklitz, Münchner Kommentar, ZPO, § 1 UKlaG, 4. Auflage 2013, Randnr. 8 ff.).

Dabei ist die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen, also die für den Kunden ungünstigste objektive Auslegung und der so ermittelte Klauselinhalt erst dann nach §§ 307-309 BGB zu überprüfen. Damit kommt der Klausel die Bedeutung zu, die ihr unter Einhaltung des Wortsinns, ausgerichtet an der Vertragswirklichkeit unter Ausschluss fernliegender Überlegungen gegeben werden kann (Micklitz a. a. O. Rn. 17).

So liegt der Fall aber hier. Auch wenn berechtigte Interessen der Sparkasse an der Verwendung dieser Klausel auf der Hand liegen, ist doch eine Präzisierung des Wortlauts dahingehend erforderlich, dass die durch die richterliche Rechtsprechung gefundene Einschränkung des absoluten Aufrechnungsverbotes für den Verbraucher erkennbar Eingang findet.

Nach alledem war dem Klageantrag stattzugeben.

II.

Die Entscheidung über die Veröffentlichungsbefugnis beruht auf § 7 Satz 1 UKlaG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Ordnungsgeld- oder Ordnungshaftandrohung erfolgt aus § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage im § 709 ZPO.