BGH, Beschluss vom 09.05.2018 - XII ZB 47/17
Fundstelle
openJur 2018, 5934
  • Rkr:
Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 24. November 2016 aufgehoben.

Auf die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 9. Februar 2016 abgeändert. Das Standesamt I in Berlin wird angewiesen, den Antrag der weiteren Beteiligten zu 2 und 3 auf Bescheinigung der Wirksamkeit ihrer namensrechtlichen Erklärungen vom 11. September 2015 zurückzuweisen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die nicht miteinander verheirateten Eltern ihres im März 2013 in Australien geborenen Sohnes. Die Mutter (Beteiligte zu 2) war zum Zeitpunkt der Geburt deutsche Staatsangehörige. Im April 2013 erhielt sie unter Aufgabe der deutschen die australische Staatsangehörigkeit. Der Vater (Beteiligter zu 3) ist australischer Staatsangehöriger.

Der Sohn wurde in der australischen Geburtsurkunde mit dem Namen R. S. eingetragen, wobei S. ein frei gewählter (Phantasie-)Name ist, der keinen Bezug zu einem Namen der Eltern enthielt. Der Vater trägt seit einer 2016 erfolgten Namensänderung ebenfalls den Namen S.

Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern gaben am 11. September 2015 vor dem deutschen Honorargeneralkonsul in Melbourne (Australien) eine Erklärung ab, nach der für die Namenswahl für das Kind australisches Recht gelten und das Kind den Familiennamen S. führen solle.

Die Eltern haben bei dem Standesamt I in Berlin die Bescheinigung der Wirksamkeit der Namenserklärung beantragt. Das Standesamt hat die Frage wegen bestehender Zweifel dem Amtsgericht vorgelegt. Dieses hat das Standesamt zur Erteilung einer Wirksamkeitsbescheinigung angewiesen. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde des Standesamts zurückgewiesen. Dagegen richtet sich dessen zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Anweisung des Standesamts, den von den Eltern gestellten Antrag zurückzuweisen.

1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts richtet sich die Namensgebung für das betroffene Kind, das sowohl die australische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB nach deutschem Recht, weil sich im Hinblick auf das Personalstatut die deutsche Staatsangehörigkeit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB durchsetze. Die ausschließliche Anknüpfung an das deutsche Recht werde jedoch durch die Möglichkeiten der Rechtswahl in Art. 10 Abs. 2 und 3 EGBGB abgemildert. Die Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 3 EGBGB lägen hier vor.

Die Eltern könnten aufgrund ihres - nach der Geburt begründeten - gemeinsamen Sorgerechts das auf den Namen des Kindes anzuwendende Recht wählen. Der Name S. sei nach dem von den Eltern gewählten australischen Recht, das eine freie Wahl des Namens erlaube, zulässig. Der gewählte Name habe auch einen Bezug zu dem vom Vater des Kindes nach australischem Recht wirksam angenommenen Familiennamen. Aus der Schutzvorschrift des Art. 23 EGBGB, die auch die Namenserteilung erfasse, ließen sich aus Gründen des Kindeswohls keine Einwendungen herleiten.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB unterliegt der Name einer Person dem Recht des Staates, dem die Person angehört. Gemäß Art. 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EGBGB kann der Inhaber der Sorge gegenüber dem Standesamt - unter anderem - bestimmen, dass ein Kind den Familiennamen erhalten soll nach dem Recht eines Staates, dem ein Elternteil angehört, ungeachtet des Artikels 5 Abs. 1 EGBGB.

aa) Aus dem Bezug der Rechtswahl auf den autonom auszulegenden Begriff des Familiennamens folgt, dass nur Rechtsordnungen gewählt werden können, die eine den familiären Bezug erkennbar machende Namenserteilung vorsehen. Kennt das gewählte Recht dagegen nur Eigennamen, so ist dieses von einer Rechtswahl ausgeschlossen (Staudinger/Hepting/Hausmann BGB [2013] Art. 10 EGBGB Rn. 389; NK-BGB/Mankowski Art. 10 EGBGB Rn. 158; Hepting StAZ 2001, 257, 259; Krömer StAZ 2006, 152, 153; aA NK-BGB/Mankowski Art. 10 EGBGB Rn. 140; offenbar auch Erman/Hohloch BGB 15. Aufl. Art. 10 EGBGB Rn. 32). Der mithin stets erforderliche familiäre Bezug des zu erteilenden Namens ist bei einem Zwischennamen, der eine Verbindung zum Namen eines Elternteils erkennen lässt, noch gewährleistet (vgl. Senatsbeschluss vom 26. April 2017 - XII ZB 177/16 - FamRZ 2017, 1179 Rn. 13 ff. zu Art. 48 EGBGB). Kann der Name des Kindes dagegen nach dem gewählten Recht frei bestimmt werden und ist dabei die Erteilung eines sogenannten Phantasienamens erlaubt, so handelt es sich folglich nicht mehr um einen Familiennamen im Sinne von Art. 10 Abs. 3 EGBGB. Die Wahl der betreffenden Rechtsordnung ist in solchen Fällen nicht eröffnet.

bb) Nach diesen Grundsätzen konnte aufgrund der vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen das australische Recht nicht als das auf den Familiennamen des Kindes anwendbare Recht gewählt werden. Da das australische Recht den dem Kind zu erteilenden Namen in die freie Wahl der Eltern stellt, handelt es sich nicht um eine bezogen auf den Familiennamen gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB wählbare Rechtsordnung. Dass die Namen von Kind und Vater nach der später von diesem vollzogenen Namensänderung übereinstimmen, ändert daran nichts. Denn abgesehen davon, dass die Namensänderung des Vaters erst nach Abgabe der Rechtswahlerklärung erfolgte, kommt es für die Zulässigkeit der Rechtswahl nur darauf an, ob die gewählte Rechtsordnung einen Familiennamen im Wortsinn vorschreibt, was hier nicht der Fall ist.

b) Dabei verkennt der Senat nicht, dass sich aufgrund der mangels Eröffnung einer Rechtswahl anwendbaren Regelanknüpfung in Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB eine hinkende Namensführung ergeben kann (vgl. für den europäischen Rechtsraum EuGH FamRZ 2008, 2089 Rn. 23 ff. "Grunkin-Paul"; StAZ 2004, 40 Rn. 34 ff. "Garcia Avello"; FamRZ 2016, 1239 Rn. 44 ff. "Bogendorff von Wolffersdorff" und FamRZ 2011, 1486 Rn. 55 ff. "Sayn-Wittgenstein").

Eine abweichende Namensführung in den beiden Staaten zwingt jedenfalls dann nicht zur Anerkennung der ausländischen Rechts- bzw. Namenslage, wenn die erstrebte Namensführung auch aufgrund des deutschen Rechts erreichbar ist. Diese Möglichkeit ist im vorliegenden Fall gegeben. Denn aufgrund der zwischenzeitlichen Änderung des väterlichen Nachnamens - auch wenn dieser kein Familienname nach deutschem Rechtsverständnis ist - können die Eltern diesen gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB, § 1617 b Abs. 1 BGB noch nachträglich zum Geburtsnamen des Kindes bestimmen und so eine nach deutschem und australischen Recht übereinstimmende Namensgebung erreichen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2015 - XII ZB 405/13 - FamRZ 2016, 449 Rn. 6 ff.). Die Möglichkeit der Änderung des zunächst kraft Gesetzes erworbenen Namens ist insbesondere dann eröffnet, wenn dem Kind der Name des bisher nicht sorgeberechtigten Elternteils erteilt werden soll und bezieht sich auf den von diesem zum Zeitpunkt der Namensbestimmung geführten Namen (vgl. Staudinger/Hilbig-Lugani BGB [2015] § 1617 b Rn. 13; MünchKommBGB/v. Sachsen Gessaphe 7. Aufl. § 1617 b Rn. 10).

3. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben. Da weitere tatrichterliche Feststellungen nicht erforderlich sind, kann der Senat nach § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG in der Sache abschließend entscheiden. Das Standesamt ist anzuweisen, den von den Eltern gestellten Antrag auf Erteilung einer Wirksamkeitsbescheinigung zurückzuweisen.

Dose Klinkhammer Günter Nedden-Boeger Guhling Vorinstanzen:

AG Schöneberg, Entscheidung vom 09.02.2016 - 71a III 576/15 -

Kammergericht Berlin, Entscheidung vom 24.11.2016 - 1 W 104/16 -