BGH, Urteil vom 19.12.2017 - XI ZR 217/16
Fundstelle
openJur 2018, 4878
  • Rkr:
Tenor

Die Revision der Kläger zu 3) bis 6) gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 18. April 2016 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 3) zu 5%, der Kläger zu 4) zu 93%, die Klägerin zu 5) zu 0,9% und der Kläger zu 6) zu 1,1%.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Kläger machen gegen die Hellenische Republik Zahlungsansprüche aus von dieser emittierten Staatsanleihen geltend, die im März 2012 eingezogen und durch neue Anleihen mit einem niedrigeren Nennwert ersetzt wurden.

Im Laufe des Jahres 2011 erwarben die Kläger in unterschiedlichem Umfang verschiedene ISIN-GR-Anleihen, die die Beklagte in den Jahren 1998 bis 2010 emittiert hatte. In den Anleihebedingungen, die keine Umschuldungsklauseln (sog. Collective Action Clauses) enthielten, war bestimmt, dass die Anleihen griechischem Recht unterfallen. Es handelte sich um dematerialisierte Wertpapiere, die als Wertrechte ausgegeben wurden und im Girosystem der griechischen Zentralbank registriert waren. Das Girosystem der griechischen Zentralbank basiert auf Konten im Namen der jeweiligen Systemteilnehmer (sog. "Träger"), die daran nur mit Zulassung durch die griechische Zentralbank teilnehmen können. Nach Art. 6 Abs. 4 des griechischen Gesetzes 2198/1994 in der durch das Gesetz 2469/1997 geänderten Fassung (nachfolgend: Gesetz 2198/1994 nF) erfolgt die Übertragung des Titels, die gemäß Art. 6 Abs. 2 auch an Dritte ("Investoren") zulässig ist, dann aber nur zwischen den Parteien wirkt und zu keinen Rechtsfolgen zu Gunsten oder zu Lasten des griechischen Staates oder der Bank von Griechenland führt, durch Gutschrift auf dem Konto des Berechtigten. Gemäß Art. 6 Abs. 5 des Gesetzes 2198/1994 nF werden die Konten der Träger im System der Zentralbank und die Konten der Investoren bei den Trägern geführt.

Die Kläger zu 3) und zu 4) erwarben die Anleihen über die Sparkasse O. , die Klägerin zu 5) über die Volksbank G. eG und der Kläger zu 6) über C. S.A., Zweigniederlassung Deutschland. Auf den den Klägern erteilten Abrechnungen zu den getätigten Anleihekäufen findet sich jeweils der Hinweis "Wertpapierrechnung Lagerland Griechenland" bzw. "Wertpapierrechnung Griechenland".

Im Zuge der Restrukturierung des griechischen Staatshaushaltes wurde durch das griechische Gesetz 4050/2012 vom 23. Februar 2012 geregelt, dass durch Mehrheitsentscheidung der Anleihegläubiger Anleihebedingungen geändert und ein Umtausch von Anleihen gegen neue Anleihen vorgesehen werden können und diese Entscheidung sodann durch Beschluss des Ministerrates der Beklagten für allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Nach Art. 1 Abs. 9 des Gesetzes 4050/2012 bewirkt zum einen der Ministerratsbeschluss, dass auch die überstimmte Minderheit der Anleihegläubiger an den Mehrheitsbeschluss gebunden ist und dieser Vorrang vor gegenteiligen Gesetzesbestimmungen, Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen hat. Zum anderen führt im Fall eines Austausches der betroffenen Titel die Einbuchung der neuen Titel im Girosystem zur Aufhebung aller Rechte und Verpflichtungen aus den alten Titeln. Gemäß Art. 1 Abs. 4 des Gesetzes 4050/2012 erfordert eine Änderung der betroffenen Anleihen, dass die Anleihegläubiger sich an der Abstimmung über die Änderung bzw. den Umtausch mit einem Quorum von mindestens 50% des ausstehenden Nennbetrages beteiligen und eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln des teilnehmenden Kapitals dem Änderungsvorschlag zustimmt.

Mit Beschluss vom 24. Februar 2012 entschied der Ministerrat der Beklagten, das im Gesetz 4050/2012 vorgesehene Verfahren in Gang zu setzen. Den Anleihegläubigern wurde angeboten, die betroffenen Anleihen, darunter auch die streitgegenständlichen Anleihen, gegen andere Anleihen mit einem um 53,5% verringerten Nennwert und anderen Laufzeiten umzutauschen. Die Kläger, denen das Umtauschangebot über ihre jeweilige depotführende Bank bzw. Sparkasse zugeleitet wurde, stimmten nicht zu.

Die griechische Regierung teilte am 9. März 2012 mit, dass nach der durchgeführten Abstimmung der Anleihegläubiger die nach dem Gesetz 4050/2012 vorgesehenen Voraussetzungen für die Annahme des Änderungsvorschlags erfüllt seien. Mit ihrer Billigung durch Beschluss des Ministerrats der Beklagten vom gleichen Tag wurde diese Mehrheitsentscheidung gemäß den Bestimmungen des Gesetzes 4050/2012 allgemeinverbindlich. Aufgrund dessen wurden am 12. März 2012 die alten Anleihen aus dem bei der griechischen Zentralbank geführten System ausgebucht und gleichzeitig die neuen Anleihen eingebucht. Daraufhin wurden auch in den Depotbeständen der Kläger die alten Anleihen ausgebucht und gleichzeitig die neuen Anleihen mit geringerem Nennwert sowie anderer Stückelung und Laufzeit eingebucht.

Die Kläger zu 3) und zu 4) veräußerten die neuen Anleihen vollständig. Der Kläger zu 4) hat überdies, soweit seine ursprünglichen Anleihen bei Klageerhebung noch nicht vertragsgemäß fällig waren, in der Klageschrift die außerordentliche Kündigung dieser Anleihen mit der Begründung erklärt, die Beklagte habe sich durch den Zwangsumtausch grob vertragswidrig verhalten.

Mit ihrer Klage verlangen die Kläger im Wesentlichen Zahlung des Nennwerts ihrer ursprünglichen Anleihen zuzüglich Zinsen sowie abzüglich vereinnahmter Zahlungen und Veräußerungserlöse bzw. - soweit die im März 2012 eingebuchten Anleihen nicht veräußert wurden - Zug um Zug gegen Gestattung der Rückbuchung dieser Anleihen. Die Kläger stützen sich in erster Linie auf von ihnen behauptete vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen und hilfsweise auf Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung beziehungsweise wegen rechtswidriger Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriffs.

Das Landgericht, dessen Entscheidung in RIW 2016, 76 veröffentlicht ist, hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da der Klage der Grundsatz der Staatenimmunität entgegenstehe. Auf die Frage der internationalen Zuständigkeit komme es somit nicht mehr an. Die Berufung der Kläger hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Gründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in WM 2016, 1878 veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Das Landgericht habe die Klage im Ergebnis mit Recht als unzulässig abgewiesen. Soweit die Kläger hilfsweise deliktische Schadensersatzansprüche geltend machten, stehe der Klage der vorrangig und von Amts wegen zu berücksichtigende Grundsatz der Staatenimmunität entgegen.

Dies gelte jedoch nicht für die von den Klägern in erster Linie geltend gemachten vertraglichen Rückzahlungsansprüche aus den Staatsanleihen. Insoweit sei die Beklagte nicht in ihrem hoheitlichen Aufgabenbereich betroffen. Denn die Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen zähle zum Kreis nichthoheitlichen Handelns. Die Beklagte könne deshalb einer auf die Staatsanleihen gestützten Inanspruchnahme nicht den Einwand der Staatenimmunität entgegenhalten. Daran änderten die späteren, zum Zweck des Zwangsumtauschs der Anleihen durchgeführten Maßnahmen des griechischen Gesetzgebers und der griechischen Regierung nichts. Ein einmal als nichthoheitlich eingestuftes Rechtsverhältnis könne diesen Charakter grundsätzlich nicht durch spätere Maßnahmen verlieren, mögen diese auch hoheitlicher Natur sein.

Allerdings sei, soweit die Klage auf vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den Staatsanleihen gestützt werde, das angerufene Landgericht Osnabrück international und örtlich nicht zuständig. Zwar handele es sich insoweit um eine Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: EuGVVO aF). Jedoch seien weder die Voraussetzungen des Verbrauchergerichtsstands gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 EuGVVO aF gegeben noch liege der gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO aF maßgebliche Erfüllungsort im Bezirk des Landgerichts Osnabrück oder des Landgerichts Frankfurt am Main, so dass auch der in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellte Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht keinen Erfolg habe.

II.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die deutsche Gerichtsbarkeit eröffnet ist, soweit die Klage auf vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen gestützt ist. Der Grundsatz der Staatenimmunität steht der Klage insgesamt entgegen.

a) Die Frage, ob die deutsche Gerichtsbarkeit nach den Grundsätzen der Staatenimmunität eröffnet ist, ist von Amts wegen (BVerfGE 46, 342, 359; BGH, Urteile vom 9. Juli 2009 - III ZR 46/08, BGHZ 182, 10 Rn. 20 mwN, vom 8. März 2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rn. 11 und vom 24. März 2016 - VII ZR 150/15, BGHZ 209, 290 Rn. 16) und vor Ermittlung der internationalen Zuständigkeit (BGH, Urteil vom 8. März 2016, aaO, und Beschluss vom 26. November 2015 - III ZR 26/15, juris Rn. 3; Stürner, IPRax 2008, 197, 203 mwN; Wagner, RIW 2014, 260, 261) zu prüfen.

b) Soweit im Völkerrecht in einem allgemeinen Sinne von Staatenimmunität die Rede ist, bezieht sich diese auf den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz, dass ein Staat nicht fremdstaatlicher nationaler Gerichtsbarkeit unterworfen ist. Allerdings hat das Recht der allgemeinen Staatenimmunität, nicht zuletzt wegen des zunehmend kommerziellen grenzüberschreitenden Tätigwerdens staatlicher Stellen, einen Wandel von einem absoluten zu einem nur mehr relativen Recht durchlaufen. Es ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts mehr, dass ein Staat Immunität auch für nichthoheitliches Handeln ("acta iure gestionis") genießt (vgl. BVerfGE 16, 27, 33 ff.; 117, 141, 152 f.; BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 19; BGH, Urteil vom 8. März 2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rn. 12). Staatenimmunität besteht aber nach dem als Bundesrecht im Sinne von Art. 25 GG geltenden allgemeinen Völkergewohnheitsrecht auch heute noch weitgehend uneingeschränkt für solche Akte, die hoheitliches Handeln eines Staates darstellen ("acta iure imperii"), soweit der ausländische Staat auf sie nicht verzichtet. Andernfalls könnte die rechtliche Prüfung durch die Gerichte eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns erfordern, was mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus folgenden Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht vereinbar wäre (vgl. BVerfGE 117, 141, 152 f.; BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 19 f.; BGH, Urteile vom 26. September 1978 - VI ZR 267/76, WM 1979, 586 und vom 8. März 2016, aaO).

Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nichthoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nicht nach deren Motiv oder Zweck. Sie kann auch nicht danach vorgenommen werden, ob die Betätigung in erkennbarem Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben des Staates steht. Dies folgt daraus, dass die Tätigkeit eines Staates, wenn auch nicht insgesamt, aber doch zum weitaus größten Teil hoheitlichen Zwecken und Aufgaben dient und mit ihnen in einem erkennbaren Zusammenhang steht. Maßgebend für die Unterscheidung ist vielmehr die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt und damit öffentlichrechtlich oder wie eine Privatperson, also privatrechtlich, tätig geworden ist (BVerfGE 16, 27, 61 f.; BGH, Urteil vom 8. März 2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rn. 14 und Beschluss vom 30. Januar 2013 - III ZB 40/12, WM 2013, 1903 Rn. 11).

Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu beurteilen (BVerfGE 16, 27, 62; BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 21; BGH, Urteil vom 8. März 2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rn. 15), hier also nach deutschem Recht. Die Heranziehung nationaler Regelungen zur Unterscheidung hoheitlichen staatlichen Handelns von nichthoheitlichem staatlichem Handeln findet erst dort ihre Grenze, wo der unter den Staaten allgemein anerkannte Bereich hoheitlicher Tätigkeit berührt ist. Das betrifft etwa die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (vgl. BVerfGE 16, 27, 63; BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 21; BGH, Urteil vom 8. März 2016, aaO). Insoweit kann es ausnahmsweise geboten sein, eine nach nationalem Recht als privatrechtlich einzuordnende Tätigkeit eines ausländischen Staates gleichwohl als der Staatenimmunität unterfallenden Akt iure imperii zu qualifizieren, wenn dieser zum Kernbereich völkerrechtlich anerkannter Staatsgewalt zu rechnen ist (vgl. BVerfGE 16, 27, 63 f.; BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 21; BGH, Urteil vom 8. März 2016, aaO).

c) Nach diesen Grundsätzen steht - wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unangegriffen angenommen hat - der Klage der Grundsatz der Staatenimmunität entgegen, soweit sie (hilfsweise) auf Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung bzw. wegen rechtswidriger Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriffs gestützt ist. Insoweit besteht das maßgebliche, potentiell haftungsbegründende Verhalten der Beklagten im Erlass des Gesetzes 4050/2012 vom 23. Februar 2012 sowie dem Beschluss des Ministerrats vom 9. März 2012, aufgrund derer die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger über das Umtauschangebot allgemeinverbindlich wurde und bei denen es sich um hoheitliche Maßnahmen handelt, deren Rechtmäßigkeitskontrolle der Grundsatz der Staatenimmunität verhindern will (BGH, Urteil vom 8. März 2016 - VI ZR 516/14, BGH 209, 191 Rn. 19 ff.).

d) Allerdings ist die deutsche Gerichtsbarkeit - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat und entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nach den Grundsätzen der Staatenimmunität auch insoweit nicht eröffnet, als die Klage auf vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen gestützt ist (ebenso OLG Schleswig, WM 2017, 285, 289 ff.; OLG München, Urteil vom 8. Dezember 2016 - 14 U 4840/15, juris Rn. 145 ff.; OLG Oldenburg, Urteil vom 26. Mai 2017 - 6 U 1/17, n.v. Umdruck S. 11 ff.; OLG Dresden, Urteil vom 21. Juni 2017 - 5 U 1533/16, n.v. Umdruck S. 7; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Juli 2017 - 16 U 85/16, n.v. Umdruck S. 21 ff.; OLG Köln, Urteil vom 1. September 2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdruck S. 12 ff.; OLG Hamburg, Urteil vom 1. September 2017 - 1 U 145/16, n.v. Umdruck S. 8 ff.; KG, Urteil vom 11. September 2017 - 10 U 173/15, n.v. Umdruck S. 6 ff.; LG Konstanz, Urteil vom 19. November 2013 - 2 O 132/13, IPRspr. 2013 Nr. 172 S. 370, 372; LG Kempten, Urteil vom 16. November 2015 - 21 O 1342/14, BeckRS 2015, 116949 Rn. 16; LG Bonn, Urteile vom 19. Oktober 2016 - 1 O 216/14, juris Rn. 130 ff. und vom 14. Dezember 2016 - 1 O 317/13, juris Rn. 52 ff.; Freitag in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl., Rn. 6.657).

aa) Zwar stellt die Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen nach ganz überwiegender Ansicht ein nichthoheitliches Handeln dar (vgl. nur BVerfGE 117, 141, 153; BGH, Urteil vom 8. März 2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rn. 17; OLG Köln, WM 2016, 1590, 1594 mwN; OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253, 1255 und WM 2017, 285, 287; vgl. auch EuGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, Fahnenbrock u.a., ZIP 2015, 1250 Rn. 53).

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung kommt es für die Frage der Immunität aber nicht auf die Rechtsnatur des Grundverhältnisses an, sondern auf die Natur der staatlichen Handlung, also die Rechtsnatur der Maßnahme, über deren Berechtigung die Parteien streiten (BGH, Urteil vom 8. März 2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rn. 17). Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht in einem Fall, dem eine Lohnzahlungsklage gegen den griechischen Staat zugrunde lag (vgl. BAGE 144, 244 Rn. 6), der den Nettolohn eines bei ihm in Deutschland beschäftigten Staatsbürgers wegen der Einführung einer Quellensteuer in Höhe von 5% des Bruttolohnes gekürzt hatte, die Immunität mit der Begründung bejaht, Gegenstand des Rechtsstreits sei die hoheitlich zu beurteilende Besteuerung mit der ausländischen Quellensteuer durch den beklagten Staat, nicht die unterbliebene vollständige Auszahlung eines im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis vom beklagten Staat als Arbeitgeber geschuldeten (Brutto-)Gehalts (BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 22). Damit hat das Bundesverfassungsgericht nicht auf die teilweise Nichtzahlung des Arbeitsentgelts abgestellt, sondern auf den Grund für diese Nichtzahlung, nämlich die Steuererhebung (OLG Schleswig, WM 2017, 285, 289).

bb) Nach diesen Maßgaben ist für die Beurteilung der Immunität im vorliegenden Fall unabhängig von der rechtlichen Einkleidung der geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht die Rechtsnatur der Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen, sondern die Rechtsnatur der hoheitlichen Maßnahmen der Beklagten, die letztlich zur Ausbuchung der Anleihen aus den Wertpapierdepots der Kläger führten, maßgeblich (OLG Schleswig, WM 2017, 285, 289 ff.; OLG München, Urteil vom 8. Dezember 2016 - 14 U 4840/15, juris Rn. 146 ff.; LG Konstanz, Urteil vom 19. November 2013 - 2 O 132/13, IPRspr. 2013 Nr. 172 S. 372; LG Bonn, Urteile vom 19. Oktober 2016 - 1 O 216/14, juris Rn. 131 und vom 14. Dezember 2016 - 1 O 317/13, juris Rn. 53).

(1) Auch wenn sich die Kläger darauf berufen, vertragliche Erfüllungsansprüche aus den ursprünglich von ihnen erworbenen Staatsanleihen geltend zu machen, ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Rechtsstreits nicht einfach die im Zeitpunkt der Fälligkeit verweigerte Erfüllung eines im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrages von der Beklagten als Vertragspartnerin geschuldeten Zahlungsanspruchs ist (ebenso OLG Schleswig, WM 2017, 285, 289; OLG München, Urteil vom 8. Dezember 2016 - 14 U 4840/15, juris Rn. 147; LG Bonn, Urteil vom 19. Oktober 2016 - 1 O 216/14, juris Rn. 132; KG, Urteil vom 11. September 2017 - 10 U 173/15, n.v. Umdruck S. 7). Denn bei den streitgegenständlichen Anleihen handelt es sich um (dematerialisierte) Wertpapiere, die griechischem Recht unterlagen, im System der griechischen Zentralbank geführt wurden und unstreitig vor Eintritt ihrer Fälligkeit auf der Grundlage des Gesetzes 4050/2012 und des Ministerratsbeschlusses vom 9. März 2012 zunächst aus diesem System und in der Folge auch aus den Wertpapierdepots der Kläger ausgebucht wurden. Ferner ist in Art. 1 Nr. 9 des Gesetzes 4050/2012 vorgesehen, dass die Einbuchung der neuen Anleihen im Girosystem zur Aufhebung aller Rechte und Verpflichtungen aus den alten Titeln führt.

Angesichts dieser Umstände würde die Zuerkennung eines vertraglichen Erfüllungsanspruchs denknotwendig voraussetzen, dass das angerufene Gericht die Rechtswidrigkeit und eine daraus ggf. resultierende Nichtigkeit oder Unbeachtlichkeit des Gesetzes 4050/2012 und des Ministerratsbeschlusses vom 9. März 2012 feststellt (vgl. OLG Schleswig, WM 2017, 285, 289; OLG München, Urteil vom 8. Dezember 2016 - 14 U 4840/15, juris Rn. 149; LG Wuppertal, Urteil vom 26. April 2016 - 5 O 218/14, n.v. Umdruck S. 20).

Damit ist aber gerade eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns der Beklagten erforderlich, die mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus folgenden Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht vereinbar wäre (vgl. Nodoushani, WuB 2016, 481, 485). Denn es geht - ebenso wie im Rahmen außervertraglicher Ansprüche - maßgeblich um die Frage, ob der griechische Gesetzgeber berechtigt war, mit Wirkung gegenüber ausländischen Gläubigern, die beim Erwerb der Anleihen in die Geltung seiner Zivilrechtsordnung eingewilligt hatten, gegen deren Willen neue Vorschriften in seine Rechtsordnung einzufügen, welche früher geltende Normen ersetzen oder ergänzen. Gerade dadurch ist aber der Grundsatz der Staatenimmunität unmittelbar berührt (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rn. 25; OLG Schleswig, WM 2017, 285, 290 f.; Paulus EWiR 2016, 577, 578).

(2) Die Beklagte kann - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (ebenso OLG Köln, WM 2016, 1590, 1594; Mankowski WuB 2017, 290, 293; M. J. Müller RIW 2016, 80, 81) - auch nicht mit einem sonstigen Schuldner einer privaten Forderung gleichgesetzt werden, der sich darauf beruft, seine Verbindlichkeit sei durch ein Gesetz oder eine andere hoheitliche Maßnahme erloschen, und dessen Einwendung nach dem anwendbaren materiellen Recht zu prüfen ist (OLG Köln, Urteil vom 1. September 2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdruck S. 14 f.). Denn die Beklagte hat hier die zum Erlöschen ihrer Verbindlichkeit führenden Maßnahmen selbst in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger durch Parlamentsgesetz und Ministerratsbeschluss erlassen, während einem privaten Schuldner ein gesetzlicher Eingriff in vertragliche Verpflichtungen unmöglich ist (OLG Köln, Urteil vom 1. September 2017, aaO; LG Bonn, Urteil vom 19. Oktober 2016 - 1 O 216/14, juris Rn. 132; Thole, WM 2012, 1793, 1794).

cc) Der Einordnung der hier für die Beurteilung der Immunität maßgeblichen Maßnahmen als hoheitlich steht das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (nachfolgend: EuGH) vom 11. Juni 2015 (C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, Fahnenbrock u.a., ZIP 2015, 1250) nicht entgegen. Dieses Urteil ist zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (EuZustVO, ABl. L 324, S. 79) ergangen und befasst sich nur mit der Zustellung von Klagen, also mit der Möglichkeit, einen Sachverhalt überhaupt zur gerichtlichen Überprüfung zu bringen und die Gelegenheit zur Klärung komplexer juristischer Fragen zu schaffen. Demgemäß hat der EuGH auf die Besonderheiten des unionsrechtlichen Zustellungsrechts abgestellt, insbesondere auf das mit der EuZustVO verfolgte Ziel der Schnelligkeit bei der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke und die damit verbundene Beschränkung auf eine erste Prüfung der vorliegenden Informationen (vgl. EuGH, aaO Rn. 46). Immunitätsfragen stellen sich auf dieser Stufe noch nicht, sondern erst auf der Stufe der Gerichtsbarkeit, die der Zustellung nachgelagert ist (BGH, Urteil vom 8. März 2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rn. 24; OLG Schleswig, WM 2017, 285, 288; Knöfel, RIW 2015, 503, 504; Mankowski, EWiR 2015, 495, 496).

dd) Der Verneinung der deutschen Gerichtsbarkeit im vorliegenden Fall steht auch nicht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Juli 2016 (IV ZR 245/15, WM 2016, 1586) entgegen (ebenso OLG Köln, Urteil vom 1. September 2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdruck S. 16). In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Klage auf Rückzahlung griechischer Staatsanleihen, die von der Hellenischen Republik wegen des Zwangsumtausches der Anleihen aufgrund des Gesetzes 4050/2012 verweigert wird, vom Deckungsschutz in der Rechtschutzversicherung nicht durch eine Klausel ausgeschlossen ist, nach der Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Enteignungs-, Planfeststellungs-, Flurbereinigungs- sowie im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten besteht (BGH, aaO Rn. 20 ff.). Die Frage der - möglicherweise fehlenden - Erfolgsaussichten einer Klage gegen die Hellenische Republik ist offen gelassen worden, weil dieser Einwand nicht in der gebotenen Form und Frist erhoben worden war (BGH, aaO Rn. 32 ff.).

ee) Das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit ergibt sich auch nicht aus Art. 10 Abs. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom 2. Dezember 2004 (ILM 44 (2005), 801, 807), da dieses Übereinkommen bisher nicht in Kraft getreten und weder von Griechenland noch von Deutschland gezeichnet oder ratifiziert worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die in diesem Artikel enthaltene Regelung, die überdies die Feststellung einer internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetzt (vgl. YILC 1991 II (2) S. 34), die Immunität über die oben dargestellte Rechtsprechung hinaus einschränken würde und insoweit als Völkergewohnheitsrecht gälte (so zu der Regelung für Arbeitsverträge in Art. 11 des Übereinkommens EGMR, Urteile vom 23. März 2010 - 15869/02, Cudak/Litauen, Slg. 2010 - III, 153 Rn. 66 f. und vom 29. Juni 2011 - 34869/05, Sabeh El Leil/Frankreich, NJOZ 2012, 1333 Rn. 54; in Bezug auf Art. 10 offengelassen von BGH, Urteil vom 24. März 2016 - VII ZR 150/15, BGHZ 209, 290 Rn. 21 und 24), sind nicht ersichtlich (vgl. OLG Köln, Urteil vom 1. September 2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdruck S. 18).

ff) Schließlich steht der Verneinung der deutschen Gerichtsbarkeit im vorliegenden Fall auch nicht das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26. April 2017 (5 AZR 962/13, RIW 2017, 611 Rn. 15 ff.) entgegen. Die diesem Urteil zugrundeliegende Fallkonstellation ist nicht mit der hier in Rede stehenden vergleichbar, da die streitgegenständlichen Anleihen griechischem Recht unterlagen, im System der griechischen Zentralbank geführt wurden und aufgrund der streitgegenständlichen hoheitlichen Maßnahmen aus diesem System ausgebucht und durch neue Anleihen ersetzt wurden.

2. Da die Klage somit schon deshalb unzulässig ist, weil die deutsche Gerichtsbarkeit nicht eröffnet ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Auffassung des Berufungsgerichts, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich weder aus Art. 15 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 EuGVVO aF noch aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO aF, rechtlicher Überprüfung standhält.

Ellenberger Maihold Matthias Derstadt Dauber Vorinstanzen:

LG Osnabrück, Entscheidung vom 15.05.2015 - 7 O 2995/13 -

OLG Oldenburg, Entscheidung vom 18.04.2016 - 13 U 43/15 -