OLG Hamm, Urteil vom 07.08.2015 - 11 U 186/14
Fundstelle
openJur 2018, 6833
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 O 60/13
  • nachfolgend: Az. VI ZR 533/15
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 08.10.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn teilweise abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers gegen das vorgenannte Urteil wird zurückge-wiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteiles vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls vom 10.04.2011, bei dem der eine M fahrende Kläger auf der B... nördlich von A die auf einem Motorrad fahrende Beklagte zu 1) und einen vor dieser fahrenden PKW überholen wollte und dabei in das Bankett der Gegenfahrbahn geriet und zu Fall kam, nach einer Haftungsquote von 75 % auf Zahlung von materiellen Schäden und Schmerzensgeld in Anspruch und begehrt darüber hinaus die Feststellung, dass die Beklagten dem Kläger auch für zukünftigen immateriellen Schadensersatz und Verdienstausfallschaden nach einer Quote von 75 % einzustehen haben.

Am 10.04.2011 fuhr der Kläger, der selbständiger Arzt ist, auf seiner M auf der B... von A Richtung Y, wobei er dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Motorrad der Beklagten zu 1) folgte. Nach dem Passieren der Auffahrt W überholte die Beklagte zu 1) um ca. 14.10 Uhr unter Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn den schon über eine längere Strecke mit etwa 60 bis 70 km/h fahrenden PKW des späteren Zeugen C. Der Kläger wollte mit seiner M sowohl die Beklagte zu 1) als auch das Fahrzeug des Zeugen C überholen. Dabei ist u. a. streitig, welcher der beiden Motorradfahrer den Überholvorgang zuerst eingeleitet hatte und ob das Motorrad der Beklagten zu 1) und der PKW des Zeugen C beim Überholentschluss des Klägers noch hintereinander fuhren oder sich schon nebeneinander befunden haben. Jedenfalls befand sich das Motorrad der Beklagten zu 1) in der Gegenfahrbahn und der Kläger fuhr weiter außen auf der Gegenfahrbahn und geriet dort, ohne dass es zu einer Fahrzeugberührung gekommen war, in das Bankett. Dort verlor er die Kontrolle, schlingerte, und rutschte nach einem Sturz mit der M quer über die Fahrbahn und blieb rechts neben der Fahrbahn verletzt liegen.

In erster Instanz haben die Parteien im Wesentlichen darüber gestritten, ob nach dem Vorbringen des Klägers dieser mit einer Geschwindigkeit von 80 – 90 km/h die noch hinter dem PKW des Zeugen C fahrende Beklagte zu 1) fast schon überholt hatte, als diese plötzlich, ohne Schulterblick und ohne Blinksignal immer weiter nach links ausgeschert sei und den Kläger zu einem kontinuierlichen Ausweichen nach links in das Bankett gezwungen habe, ohne dass ihm ein sicheres Abbremsen möglich gewesen sei, wobei beide Motorräder nebeneinander fahrend zum PKW des Zeugen C aufgeschlossen hätten. Die Beklagten haben dagegen vorgetragen, die Beklagte zu 1) habe ordnungsgemäß den PKW des späteren Zeugen C überholt und sei kurz vor dem Einscheren nach rechts von dem Kläger in zweiter Reihe verkehrswidrig überholt worden, wobei dieser dem linken Fahrbahnrand zu nah gekommen sei, ohne dass die Fahrweise der Beklagten zu 1) ihn dazu veranlasst habe. Weiter haben die Parteien um das Ausmaß der unfallbedingten Verletzungen und um die Berechtigung der vom Kläger geltend gemachten Schadenspositionen gestritten.

Das Landgericht hat den Kläger und die Beklagte zu 1) persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen C, dem Fahrer des überholten Fahrzeuges, und der Zeugen Z2 und Z1, die sich im Gegenverkehr der Unfallstelle näherten, sowie durch Einholung eines schriftlichen unfallanalytischen Sachverständigengutachtens. Anschließend hat das Landgericht der Klage unter Abweisung im Übrigen dem Grunde nach zu 50 % stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Feststellungsklage das notwendige Feststellungsinteresse aufweise. Dem Kläger stünde gegen die Beklagten dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 50 % der beim Unfallereignis entstandenen Schäden nach §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 VVG zu. Der Unfall habe sich bei dem Betrieb des Motorrads der Beklagten zu 1) ereignet, wofür nur das Fahren und nicht eine Berührung der Fahrzeuge notwendig gewesen sei. Das Motorrad der Beklagten zu 1) habe auch – was zur Schadensverursachung ausreichend sei – mittelbar einen Schaden verursacht, indem es den Kläger zu einem Ausweichmanöver veranlasst habe. Dabei sei es unbeachtlich, dass weder durch die Zeugenvernehmung noch durch das Sachverständigengutachten habe aufgeklärt werden können, welcher der behaupteten Unfallabläufe tatsächlich stattgefunden habe. Aus den beidseitigen Unfallschilderungen würde sich aber ergeben, dass der Kläger durch das Fahrzeug der Beklagten zu 1) zu einem Ausweichen veranlasst worden sei, entweder durch das Starten des Überholvorgangs durch die Beklagte zu 1) oder dadurch, dass sich der Kläger beim Überholen in zweiter Reihe hinsichtlich des vorhandenen Platzes auf der Gegenfahrbahn verschätzt habe, wobei es unbeachtlich sei, ob das Ausweichen überhaupt notwendig oder erforderlich gewesen sei. Das Fahrzeug der Beklagten zu 1) habe das Überholmanöver des Klägers auch insoweit beeinflusst. Bei der vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsbeiträge sei auf beiden Seiten nur die Betriebsgefahr des jeweiligen Motorrads zu berücksichtigen. Dass der Kläger bei unklarer Verkehrslage überholt habe, sei nicht nachgewiesen, weil nicht feststellbar sei, welcher Motorradfahrer seinen Überholvorgang zuerst eingeleitet habe. Auch der Beklagten zu 1) sei kein verkehrswidriges Verhalten anlässlich des Überholvorgangs vorzuwerfen, weil nicht festgestellt werden könne, ob sie bei einem Schulterblick habe erkennen können, dass ein Überholmanöver der M unmittelbar bevorstand oder bereits eingeleitet war. Der Kläger habe schlüssig dargelegt, erheblich verletzt worden zu sein und einen Verdienstausfallschaden sowie weitere materielle Schäden erlitten zu haben. Über die Schadenshöhe könne nur nach weiterer Beweisaufnahme entschieden werden.

Auf den Inhalt der tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Erwägungen im angefochtenen erstinstanzlichen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihren erstinstanzlichen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Allein der Umstand, dass das Motorrad der Beklagten zu 1) an der Unfallstelle anwesend gewesen sei, habe nicht zur Annahme einer Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG genügt. Es werde nach wie vor bestritten, dass der Kläger durch ein Fahrmanöver der Beklagten zu 1) zu einem Ausweichen veranlasst worden sei. Wegen des streitigen Ausweichmanövers unterscheide sich der vorliegende Rechtsstreit von dem in der Entscheidung des BGH, Urteil vom 21.09.2010, VI ZR 263/09, zugrunde liegenden Sachverhalt. Es könne der überholte PKW des Zeugen C ebenso den Unfall verursacht haben wie auch ein Fahrfehler des Klägers. Das Landgericht habe auch bei der nach § 17 Abs. 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsbeiträge die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Ein offenes Beweisergebnis habe allein zu Lasten des Klägers gewertet werden müssen. Der Kläger sei zudem nach dem Sachverständigengutachten bei dem Überholvorgang mit 108 – 127 km/h gefahren und habe die auf der Landstraße außerhalb geschlossener Ortschaft geltende Höchstgeschwindigkeit überschritten.

Die Beklagten beantragen,

 

unter Abänderung des Grund- und Teilurteils des Landgerichts Paderborn vom 08.10.2014, Az. 3 O 60/13, die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

 

1. die Berufung zurückzuweisen und

2. im Wege der Anschlussberufung unter Abänderung der vorgenannten Entscheidung festzustellen, dass die Klage dem Grunde nach insoweit gerechtfertigt ist, als dass die Beklagten als Gesamtschuldner dem Kläger für die aus dem Verkehrsunfall vom 10.04.2011 entstandenen Schäden zu 75 % haften.

Die Beklagten beantragen,

 

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger begehrt mit der Anschlussberufung eine Abänderung des Grund- und Teilurteils dahingehend, dass die Haftung der Beklagten dem Grunde nach mit einer Quote von 75 % ausgesprochen wird. Die Beklagte zu 1) sei aufgrund ihres eigenen Überholmanövers an seinem Ausweichen beteiligt gewesen. Sie habe zudem gegen ihre vor dem Überholen bestehende Rückschaupflicht verstoßen. Die Betriebsgefahr der M sei nur mit einer Haftungsquote von 25 % zu bewerten.

Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Paderborn, Az. 38 Js 839/11, lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung führt unter Abänderung des Grund- und Teilurteils insgesamt zur Abweisung der Klage. Die zulässige Anschlussberufung ist dagegen unbegründet.

1.               Der Senat konnte nach § 538 Abs. 2 S.1 Nr. 4 2. HS ZPO über die gesamte Klage entscheiden, wobei zweifelhaft ist, ob das Landgericht mit dem Grund- und Teilurteil vom 08.10.2014 auch über den Feststellungantrag entschieden hat. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung befasst sich vom Wortlaut her nur mit der Haftung dem Grunde nach, ohne einen Feststellungsausspruch zu beinhalten. Es ist dabei unzulässig, über einen Feststellungsantrag durch Grundurteil zu entscheiden, weil er sich seiner Natur nach nicht in Anspruchsgrund und –höhe aufteilen lässt (BGH, NJW 1991, 1896; NJW 2001, 155; NJW 2002, 302 [303]; NJW-RR 2014, 1118 Tz. 19). Entscheidet ein Gericht in einem Grundurteil nicht zugleich durch (Teil-)Endurteil über den Feststellungsantrag, handelt es sich insofern nicht um ein reines Grundurteil, sondern um ein Grund- und Teilurteil, welches bei drohenden Widersprüchen – die hier auf der Hand liegen – unzulässig ist (BGH, NJW 2001, 155 unter II 1 b). Der Senat kann das erstinstanzliche Grund- und Teilurteil auch nicht als Teilgrund und Teilendurteil auslegen, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen in den Entscheidungsgründen und dem Gesamtinhalt des Urteils anklingen (vgl. BGH, NJW 1991, 1896 unter Hinweis auf BGH, NJW 1953, 184; ferner OLG Hamm, Urteil vom 18.09.2012, Az. I-9 U 51/12 = BeckRS 2013, 00854). Auch wenn das Landgericht das Feststellungsinteresse geprüft hat, hat es unter Ziff. III. der Urteilsgründe den Anspruchsgrund hinsichtlich des Sach- und Personenschadens offengelassen, der aber Voraussetzung eines Feststellungsausspruchs ist. Daraus leiten sich Zweifel ab, ob das Landgericht über den Feststellungsantrag entscheiden wollte. Der Senat hat deswegen die Entscheidung über den in erster Instanz anhängig gewordenen Feststellungsantrag an sich gezogen (vgl. BGH NJW 1999, 1035, [1036]; OLG Hamm, Urteil vom 18.09.2012, Az. I-9 U 51/12 = BeckRS 2013, 00854) und sodann über die gesamte Klage entschieden.

2.               Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld aus § 7 Abs. 1 StVG bzw. § 7 Abs. 1 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, weil sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lässt, dass ein dem Kläger entstandener Sach- und Personenschaden dem Betrieb des Motorrads der Beklagten zu 1) zuzurechnen ist. Ein offenes Beweisergebnis geht hierbei als non liquet zu Lasten des Klägers.

Zwar hat sich das Motorrad der Beklagten zu 1) zweifelsfrei bei der Teilnahme im öffentlichen Straßenverkehr „in Betrieb“ befunden. Der Kläger hat aber nicht den Beweis geführt, dass ein Sach- und Personenschaden adäquat kausal „bei dem Betrieb“ des Motorrads der Beklagten zu 1) entstanden ist.

Das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ ist zwar wegen des Zwecks der Gefährdungshaftung grundsätzlich weit auszulegen und umfasst alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Ausreichend ist, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr verwirklicht hat und das Schadengeschehen durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt wurde (BGH, NJW 2012, 1951 Tz. 17; BGH, NJW 2013, 1679 Tz. 15 jeweils m.w.N). Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll; das heißt die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist (BGH, NJW 2012, 1951 Tz. 17; BGH, NJW 2013, 1679 Tz. 15 jeweils m.w.N.). Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (BGH, NJW 2015, 1681 Tz. 5 m.w.N.; BGH, NJW-RR 2008, 764 Tz. 9), wofür einerseits die bloße Anwesenheit an der Unfallstelle nicht ausreicht, andererseits aber eine Fahrzeugberührung nicht erforderlich ist, solange eine Fahrweise oder eine sonstige Verkehrsbeeinflussung in einem engen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang zu der Schadensentstehung beigetragen hat (BGH, Urteil vom 21.09.2010, Az. VI ZR 263/09 = NJW 2010, 3713 Tz. 5; BGH, Urteil vom 26.04.2005, Az. VI ZR 168/04 = BeckRS 2005 30355090, BGH, Urteil vom 29.06.1971, Az. VI ZR 271/69, Tz. 16 zitiert nach juris; siehe auch OLG Hamm, r + s 1989, 182, OLG Hamm, NZV 2001, 301; Geigel/Kaufmann, Haftpflichtprozess, 27. Auflage, 25. Kapitel Rn. 65). Dabei kann sogar eine objektiv nicht erforderliche Ausweich- oder Abwehrreaktion des verletzten Fahrzeugführers auf eine Fahrweise des in Anspruch genommenen Fahrzeugführers dem Betrieb des Fahrzeugs je nach Lage des Falls zugerechnet werden (BGH, NJW 2010, 3713 Tz. 6 m.w.N.; BGH, Urteil vom 21.09.2010, Az. VI ZR 265/09, Tz. 6, zitiert nach juris; BGH, NJW 2005, 2081; OLG Hamm, Urteil vom 03.11.2008, Az. 13 U 40/08 = BeckRS 2009, 87724).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die Betriebsgefahr des Motorrads der Beklagten zu 1) nicht dem Schadensereignis zugerechnet werden. Die Zurechnung scheitert zwar nicht schon daran, dass sich die beiden am Unfallort befindlichen Motorräder nicht berührt haben. Es lässt sich aber jedenfalls nicht feststellen, dass die Fahrweise der Beklagten zu 1) in einem engen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang auf die Schadensentstehung hingewirkt hat. Allein der Umstand, dass sich die Beklagte zu 1) wegen ihres eigenen Überholmanövers überhaupt auf der Gegenfahrbahn aufhielt, löste noch keine Reaktion des Klägers im Sinne der angeführten Rechtsprechung aus.

Der Kläger hat dabei gerade nicht den Beweis geführt, dass er nur deshalb auf der Gegenfahrbahn weiter zum Fahrbahnrand geraten ist, weil er dabei auf eine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung der Beklagten zu 1) reagiert und neben dem eigentlichen Überholmanöver noch eine zusätzliche Ausweich- oder Abwehrreaktion vorgenommen hatte. Dies kann der Senat nicht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der etwaigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, feststellen (vgl. BGH, NJW 1998, 2969 [2971]). Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Fahrlinie des Klägers allein auf seinem aktiven Entschluss beruhte, die bereits im Gegenverkehr befindliche Beklagte zu 1) in einem Bogen zu umfahren, womit das Motorrad der Beklagten zu 1) ebenso wie das überholte Fahrzeug des Zeugen C einfach nur auf der Straße gewesen wäre. Insofern haben die erstinstanzlich vernommenen Zeugen C, Z1 und Z2 weder die Darstellung des Klägers, dass er das Überholmanöver eingeleitet hatte und anschließend von der Beklagten zu 1) abgedrängt worden ist, noch diejenige der Beklagten bestätigt, wonach die Beklagte zu 1) ihr Überholmanöver beinahe schon beendet hatte, als der Kläger erst zum Überholen in zweiter Reihe angesetzt hatte. Sämtliche Zeugen haben nämlich die beiden Motorräder erst zur Kenntnis genommen, als sie bereits nebeneinander auf Höhe des Fahrzeugs des Zeugen C waren und haben daher nicht die Einleitung des jeweiligen Überholmanövers beschreiben können. Der vom Kläger behauptete Unfallhergang ist auch nicht durch das eingeholte schriftliche Sachverständigengutachtens des Dipl. Ing. K vom 25.06.2014 bewiesen. Die zeitliche Abfolge der Fahrmanöver ließ sich gerade mangels aussagekräftiger Unfallspuren nicht näher aufklären, so dass sich zwar der Unfall so dargestellt haben kann, wie vom Kläger geschildert, aber die ebenfalls mögliche Unfallvariante der Beklagten nicht ausgeschlossen ist. Da der Senat weder von der Richtigkeit der einen noch von der Richtigkeit der anderen Unfalldarstellung überzeugt ist, geht das offene Beweisergebnis zu Lasten des Klägers (non liquet).

Da die Beklagte zu 1) ihren Überholvorgang auch schon deutlich vor demjenigen des Klägers eingeleitet haben will, kommt es auf die vom Kläger in der Anschlussberufung angesprochene Frage, ob die Beklagte zu 1) den Kläger bei einem Schulterblick vor ihrem Überholvorgang habe sehen müssen, nicht an. Denn sie war nach ihrer nicht ausschließbaren Unfalldarstellung nicht verpflichtet, ihren Überholvorgang zugunsten eines zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkennbaren Überholvorgangs des Klägers zurückzustellen (vgl. Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Auflage 2014, § 17 StVG Rn. 35 m.w.N.) und es steht gerade keine Abwehrreaktion des Klägers auf ein Fahrmanöver der Beklagten zu 1) fest.

2.              Aus den gleichen Gründen bleibt der Feststellungsantrag ohne Erfolg.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht auf den Antrag des Klägers zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 542 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die vom Senat gewürdigten Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt und der Senat weicht von keiner gleichrangigen oder höherrangigen Entscheidung ab.

Die Sache wurde vom BGH (VI ZR 533/15) an das Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen.