LG Köln, Urteil vom 25.02.2015 - 28 O 454/14
Fundstelle
openJur 2018, 7254
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an der Geschäftsführung, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, in Bezug auf den Kläger zu behaupten/behaupten zu lassen und/oder verbreiten/verbreiten zu lassen:

a) "Fest steht aber, die wachen Phasen werden seit April immer länger."

b) "(...) R über die Augen mit seiner Frau kommuniziert und Stimmen hört (...)"

c) "Reagiert er nur auf äußere Einflüsse oder verarbeitet er auch Gefühle, indem er etwa auf seine Frau stärker reagiert? Ist er sich vielleicht sogar seiner Situation bewusst?"

d) "R muss mehrere Stunden täglich stimuliert werden. (...) Beispielsweise über Waschungen mit unterschiedlichen Temperaturen, Massagen, Ansprachen und Mobilisierung in eine senkrechte Position. Dafür sind Hilfspersonen erforderlich."

e) in Bezug auf den als Reharoboter bezeichneten Erigo-Stuhl zu mutmaßen:

"mit dem wohl auch R Muskeln und Kreislauf trainieren wird."

f) "Sicher ist nur, dass er alles neu erlernen muss. Schlucken, Laufen, Sprechen."

g) "Zudem wird R wohl psychologische Betreuung bekommen."

so wie dies in der T Nr. .../... vom 00.00.00 und dort unter der Überschrift "Y" auf Seite 20 bis 23 geschehen ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 749,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2014 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 916,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2014 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

6. Das Urteil ist hinsichtlich des Tenors zu 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,- EUR, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist ehemaliger Z- Weltmeister und bei einem Skiunfall am 00.00.00 verunglückt. Bei dem Skiunglück erlitt er schwere Kopfverletzungen, in Folge derer er im Koma lag. Bis zum 16.06.2014 wurde er im Krankenhaus H intensivmedizinisch versorgt und von dort am 16.06.2014 mit einem Krankentransport in das Universitätsklinikum M verlegt. Mittlerweile konnte der Kläger wieder in seine häusliche Umgebung zurückkehren.

Die Beklagte verlegt die Illustrierte "T". In der Ausgabe Nr. .../... vom 00.00.00 veröffentlichte die Beklagte den Artikel "Y". Dort äußerte sich die Beklagte zu dem Gesundheitszustand des Klägers und den therapeutischen Maßnahmen u.a. wie folgt:

"Fest steht aber, die wachen Phasen werden seit April immer länger."

"(...) R über die Augen mit seiner Frau kommuniziert und Stimmen hört (...)"

"Reagiert er nur auf äußere Einflüsse oder verarbeitet er auch Gefühle, indem er etwa auf seine Frau stärker reagiert? Ist er sich vielleicht sogar seiner Situation bewusst?"

"R muss mehrere Stunden täglich stimuliert werden. (...) Beispielsweise über Waschungen mit unterschiedlichen Temperaturen, Massagen, Ansprachen und Mobilisierung in eine senkrechte Position. Dafür sind Hilfspersonen erforderlich."

"(...) mit dem wohl auch R Muskeln und Kreislauf trainieren wird."

"Sicher ist nur, dass er alles neu erlernen muss. Schlucken, Laufen, Sprechen."

"Zudem wird R wohl psychologische Betreuung bekommen."

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K1 verwiesen (Bl. 2 ff. AH).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.07.2014 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben.

Die Kammer erließ auf Antrag des Klägers am 4.8.2014 eine einstweilige Verfügung, Az. 28 O 309/14. Hinsichtlich des Inhalts wird auf die Anlage K3 verwiesen (Bl. 14 AH). Erfolglos forderte der Kläger die Beklagte in der Folge dazu auf, eine Abschlusserklärung abzugeben sowie die hierfür entstandenen Kosten zu zahlen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Berichterstattung der Beklagten einen rechtswidrigen Eingriff in den räumlichen und thematischen Schutzbereich seiner Privatsphäre darstelle. In diesen Schutzbereich fielen sein Gesundheitszustand, seine medizinischen Behandlungen und Therapien sowie insbesondere die Darstellung seiner krankheitsbedingten Gebrechlichkeit, Hilflosigkeit und die psychischen und physischen Einschränkungen infolge des schweren Unfalles. Zu seiner geschützten Privatsphäre gehörten zudem die Angaben zur Entwicklung der Genesung, der Entwicklung seiner Wachphasen, zu seinen eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten und zu den - vermeintlichen - Stimmen, die er - angeblich - höre. Die detaillierte Beschreibung seiner tatsächlichen und vermeintlichen Behandlungen und Therapien degradiere ihn zum Objekt der Berichterstattung. Ferner stellten die Mutmaßungen über angebliche Therapien im Krankenhaus und die hierbei verwendeten Gerätschaften einen rechtswidrigen Eingriff in den räumlichen Schutzbereich seiner Privatsphäre dar, da er im Krankenhaus die Erwartung habe, den Blicken der Öffentlichkeit entzogen zu sein. Insbesondere in einer derartigen Situation der Hilflosigkeit und der Kommunikation mit seinen Ärzten und Verwandten sei er besonders schutzbedürftig.

Er ist überdies der Ansicht, dass die Berichterstattung eine Verletzung seines Selbstbestimmungsrechts darstelle. Dieses verleihe dem Einzelnen das Recht, selbst darüber zu bestimmen, welche Lebensumstände der Öffentlichkeit preiszugeben seien. Die in der streitgegenständlichen Berichterstattung wiedergegebenen Umstände sollten jedoch nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Schließlich ist der Kläger der Meinung, dass seitens der Beklagten auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu ersetzen seien.

Der Kläger beantragt mit der am 9.12.2014 zugestellten Klage:

1. es der Beklagten bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,- € ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an der Geschäftsführung, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, in Bezug auf den Kläger zu behaupten/behaupten zu lassen und/oder verbreiten/verbreiten zu lassen:

a) "Fest steht aber, die wachen Phasen werden seit April immer länger."

b) "(...) R über die Augen mit seiner Frau kommuniziert und Stimmen hört (...)"

c) "Reagiert er nur auf äußere Einflüsse oder verarbeitet er auch Gefühle, indem er etwa auf seine Frau stärker reagiert? Ist er sich vielleicht sogar seiner Situation bewusst?"

d) "R muss mehrere Stunden täglich stimuliert werden. (...) Beispielsweise über Waschungen mit unterschiedlichen Temperaturen, Massagen, Ansprachen und Mobilisierung in eine senkrechte Position. Dafür sind Hilfspersonen erforderlich."

e) in Bezug auf den als Reharoboter bezeichneten Erigo-Stuhl zu mutmaßen:

"mit dem wohl auch R Muskeln und Kreislauf trainieren wird."

f) "Sicher ist nur, dass er alles neu erlernen muss. Schlucken, Laufen, Sprechen."

g) "Zudem wird R wohl psychologische Betreuung bekommen."

so wie dies in der T Nr. .../... vom 00.00.00 und dort unter der Überschrift "Y" auf Seite 20 bis 23 geschehen ist.

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 775,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 950,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass kein Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung bestehe. Die Aussage zu dem Reha-Fortschritt des Klägers sei aufgrund des überwiegenden öffentlichen Interesses sowie der Pressefreiheit gerechtfertigt. Der Unfall des Klägers stelle ein "Jahrhundertereignis" dar, an dem die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse habe und daher Privatheitserwartungen des Klägers zurückzustehen hätten. Dies belege der Umstand, dass auch das Ärzteteam des Klägers regelmäßig zu dem Rehabilitationsstand Stellung nehme. Hinsichtlich der veröffentlichten Ärztemitteilungen wird auf die Anlage B1 verwiesen (Bl. 24 ff. AH). Es würden auch keine medizinischen Intimitäten berichtet, sondern die übergeordnete Frage aufgeworfen, ob und zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen der Kläger wieder ein normales - unabhängiges - Leben führen könne, so dass die Geheimsphäre nicht betroffen sei. An dem Umstand, dass der Kläger aus dem Koma erwacht sei und in der Lage sei, mit seiner Umgebung zu kommunizieren sowie an der Frage, welche Fähigkeiten er mit Hilfe seines Betreuerteams wieder herzustellen habe, bestehe vor diesem Hintergrund ein das Allgemeine Persönlichkeitsrecht überwiegendes Berichterstattungsinteresse.

Die Berichterstattung der Beklagten gehe zudem inhaltlich nicht über Aussagen des Managements des Klägers hinaus, in denen - insofern unstreitig - verkündet worden war, dass der Kläger aus dem Koma aufgewacht sei und "Momente des Bewusstseins und Erwachens" zeige. Die Berichterstattung sei zudem positiv und stehe in einer Linie mit den von der Ehefrau des Klägers anlässlich des Großen Preises von Deutschland der Öffentlichkeit mitgeteilten Informationen. Hinsichtlich des Inhalts der Erklärung wird auf die Anlage B3 verwiesen (Bl. 32 AH). Da die Thematik von dem Umfeld des Klägers ständig am "Köcheln" gehalten werde, sei ein erhöhtes Maß an Diskretion durch die Medien nicht erforderlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist weit überwiegend begründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Äußerungen gemäß den §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.

Denn die Beklagte hat durch die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Passagen rechtswidrig das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt.

Bei der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich um einen sogenannten offenen Tatbestand, d. h. die Rechtswidrigkeit ist nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit positiv festzustellen (Sprau in: Palandt, Kommentar zum BGB, 74. Auflage 2015, 823 BGB, Rn. 95 m.w.N.). Die Rechtswidrigkeit eines Eingriffes in die Privatsphäre ist daher anhand der dem Eingriff zugrundeliegenden Umstände und der widerstreitenden Interessen des Betroffenen sowie des Berichtenden zu beurteilen.

Die Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen führt im konkreten Fall dazu, dass die streitgegenständliche Berichterstattung der Beklagten rechtswidrig ist, da das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers das Publikationsinteresse der Beklagten überwiegt.

Durch die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Passagen hat die Beklagte die Privatsphäre des Klägers rechtswidrig verletzt.

Der Schutz der Privatsphäre umfasst zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als peinlich empfunden wird oder als unschicklich gilt oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Krankheiten der Fall ist. Zum anderen erstreckt sich der Schutz auf einen räumlichen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann. Ein Schutzbedürfnis besteht dabei auch für Personen, die aufgrund ihres Rangs oder Ansehen, ihres Amtes oder Einflusses, ihrer Fähigkeiten oder Taten besondere öffentliche Beachtung finden. Wer, ob gewollt oder ungewollt, zur Person des öffentlichen Lebens geworden ist, verliert damit nicht sein Anrecht auf eine Privatsphäre, die den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleibt (vgl. BVerfG, NJW 2000, 1021, 1022).

Die detaillierte Berichterstattung über die - vermeintlich - begrenzten Kommunikationsmöglichkeiten des Klägers, die - vermeintlichen - Behandlungs- und Therapiemaßnahmen sowie den - vermeintlichen - Genesungs- und Heilungsverlauf des Klägers stellen einen rechtwidrigen Eingriff in die von dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasste Privatsphäre des Klägers dar. Denn die in Folge eines monatelangen Komas- vermeintlich - auftretenden Ausfallerscheinungen, die aufgrund seines Gesundheitszustandes - vermeintlich - begrenzte Kommunikationsfähigkeit des Klägers, die - vermeintlich - durchgeführten bzw. durchzuführenden Behandlungs- und Therapiemaßnahmen sowie der detaillierte Genesungs- und Heilungsverlauf sind als private und der Öffentlichkeit entzogene Lebensumstände einzustufen und - zumindest - der Privatsphäre des Klägers zuzuordnen.

Dieser Eingriff ist nach Abwägung der widerstreitenden Interessen auch rechtswidrig.

Zwar ist bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Kläger als ehemaligem Z- Weltmeister um eine Person mit besonderer gesellschaftlicher Bedeutung und einen der bekanntesten Deutschen der Gegenwart handelt. Demzufolge ist auch das öffentliche Interesse an dem allgemeinen Gesundheits- und Genesungszustand des Klägers aufgrund eines in der Öffentlichkeit geschehenen Skiunfalls als außerordentlich hoch anzusiedeln. Allein die öffentlichen - und damit allgemein bekannten - Genesungswünsche aus aller Welt belegen die immense Berühmtheit des Klägers, welche ein ebenso großes Interesse der Öffentlichkeit an dem weiteren Heilungs- und Genesungsverlauf begründet.

Dennoch überwiegt das aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgende Recht auf Privatheit in Momenten der Gebrechlichkeit das soeben beschriebene Interesse der Öffentlichkeit an der Verbreitung von Informationen zu den Details der - vermeintlich - begrenzten Kommunikationsmöglichkeiten des Klägers, der - vermeintlichen - Behandlungs- und Therapiemaßnahmen sowie des - vermeintlichen - Genesungs- und Heilungsverlauf des Klägers sowie Spekulationen hierüber. Denn gerade diese - vermeintlichen - Details des Heilungsverlaufs betreffen nicht den allgemeinen Gesundheitszustand und/oder den allgemeinen Heilungs- und Genesungsverlauf, an dem grundsätzlich ein öffentliches Informationsinteresse besteht, sondern private - wenn nicht gar intime - Momente des langsamen Fortgangs der Genesung, der allein dem privaten Umfeld des Klägers bekannt ist. Ein das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers überragendes Interesse der Öffentlichkeit auch über derartige - vermeintliche - Details der Genesung informiert zu werden, vermag die Kammer nicht zu erkennen.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich um Umstände handelt, die allein Personen aus seinem näheren Umfeld mit Zugang zu seinem Krankenzimmer bekannt sein dürften. Geschehnisse innerhalb dieses Raumes sind dem gesundheitlichen Bereich des Betroffenen und somit einem Bereich, der von Einblicken der Außenwelt grundsätzlich abzugrenzen ist, zuzuordnen. In einer derartigen Situation ist auch räumlich ein Zustand geschaffen worden, in dem der Betroffene davon ausgehen darf, dass die innerhalb dieses räumlichen Bereichs auftretenden gesundheitlichen Umstände oder Veränderungen keinem Dritten offenbart werden. Dies gilt insbesondere für die Details zu dem - vermeintlichen - Gesundheitszustand des Betroffenen.

Aus dem unstreitigen Umstand, dass das Umfeld des Klägers die Öffentlichkeit hinsichtlich des allgemeinen Heilungsverlaufes auf dem Laufenden hält, ergibt sich keine andere Beurteilung der streitgegenständlichen Berichterstattung.

Grundsätzlich soll jeder selbst entscheiden können, ob persönliche Lebenssachverhalte an die Öffentlichkeit gebracht werden oder nicht (BVerfG, NJW 1973 1126, 1127 f.; BGH, NJW 1981, 1366). Es muss dem Betroffenen vorbehalten bleiben, darüber zu entscheiden, welcher Öffentlichkeit er sich in welcher Weise darstellt. Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme entfällt nur dann, wenn sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden. Er kann sich dann nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandeten Privatsphärenschutz berufen.

Einerseits folgt aus dieser Dispositionsbefugnis ein starker Schutz der Privatsphäre für den Fall, dass der Betroffene sein Privatleben der Öffentlichkeit entziehen will. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gesteht insofern jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann (BGH, NJW 1996, 1128, 1129).

Andererseits aber ergibt sich aus demselben Grundsatz, demjenigen nämlich, dass jeder selbst über die Informationen aus seinem Privatleben verfügen können soll, auch, dass der Schutz vor Indiskretionen in dem Maße abnimmt, in dem der Betroffene selbst von sich aus an die Öffentlichkeit tritt und Details aus seiner Privatsphäre preisgibt.

Hätte sich der Kläger folglich selbst detailliert zu seinem Gesundheitszustand gegenüber der Presse geäußert, könnte er sich nicht darauf berufen, dass die Presse hierrüber nicht berichten dürfe.

Eine solche Selbstöffnung des Klägers liegt jedoch nicht vor.

Die getätigten Aussagen hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Klägers erfolgten lediglich in einer allgemeinen Art und Weise und gehen nicht detailliert auf einzelne Krankheitsfolgen oder Verbesserungen des Gesundheitszustandes des Klägers ein. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt es auch einen für die Abwägung der widerstreitenden Interessen erheblichen Unterschied dar, ob seitens des Managements des Klägers abstrakt geschildert wird, dass der Kläger "Momente des Bewusstseins und Erwachens" zeigt oder ob detailliert über den Genesungs- und Heilungsverlauf und die hierfür erforderlichen Maßnahmen sowie Kommunikationsversuche etc. berichtet wird. Die mediale Darstellung von derartigen Umständen sowie die damit einhergehende mittelbare Suggestion einer Gebrechlichkeit und Hilflosigkeit gehen über die abstrakte Darstellung des Genesungsfortschritts deutlich hinaus. Würde man es zulassen, dass die abstrakte Äußerung, dass der Kläger "Momente des Bewusstseins und Erwachens" zeigt, weitergehende Spekulationen rechtfertigte, hätte dies zur Folge, dass der Kläger sich gegen derartige Spekulationen allein dadurch wehren könnte, dass er die Unwahrheit derselben bewiese und der Beklagten hierdurch weitere Details zu seinem Gesundheitszustand lieferte. Dies ist dem Kläger jedoch nicht zumutbar.

Ferner ist zu bedenken, dass es sich bei Krankheiten um einen äußerst sensiblen Bereich der Privatsphäre handelt, so dass bei der Frage danach, welche Berichterstattung von den freiwilligen Äußerungen der Betroffenen noch gedeckt ist, Zurückhaltung angebracht ist.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigenden Pressefreiheit. Denn die Veröffentlichung detaillierter Angaben zum - vermeintlichen - Heilungsverlauf etc. des Klägers beinhaltet - wie dargelegt - keinen erhöhten Informationswert für die Öffentlichkeit. Die Berichterstattung greift vielmehr die privaten Details der Genesung des Klägers auf und vermittelt auf diesem Wege dem Bericht Brisanz. Unter Berücksichtigung des geringen Informationsgehaltes und der in vielen Punkten allein erfolgten Spekulation ist der damit einhergehende massive Eingriff in die Privatsphäre des Klägers rechtswidrig.

Die für die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die vorausgegangene Rechtsverletzung indiziert. Die Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich nur durch Abgabe einer ausreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (vgl. BGH, NJW 1996, 723; BGH, NJW-RR 2002, 608 f.). Eine solche hat die Beklagte vorliegend nicht abgegeben.

2.

Der Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten ergibt sich aus § 823 Abs. 1 BGB, jedoch aus einem Streitwert von 35.000,- EUR, mithin in Höhe von 749,34 EUR (Unterlassung) und in Höhe von 916,78 EUR (Abschlussschreiben).

Sowohl die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung als auch die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung dienten der endgültigen Regelung der Sache und rechtfertigen die Ansetzung des Gegenstandswertes der Hauptsache. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war angesichts der mit der Berichterstattung einhergehenden Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers erforderlich und zweckmäßig. Zu den erstattungsfähigen Kosten im einstweiligen Verfügungsverfahren gehören dabei auch die Kosten für die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung (vgl. Grüneberg, a.a.O., § 249 BGB Rn. 57 m.w.N.).

3.

Der Anspruch auf Zinsen seit Rechtshängigkeit ergibt sich in der geltend gemachten Höhe aus den §§ 288, 291 BGB.

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

Streitwert: 35.000,- EUR

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.