BGH, Beschluss vom 23.02.2017 - III ZR 390/16
Fundstelle
openJur 2018, 2026
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 14. Juli 2016 - 2 U 780/15 - wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Kläger verlangt von dem beklagten Telekommunikationsunternehmen, es zu unterlassen, in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingunen für Vertragsverhältnisse mit Verbrauchern über Telefon- und Internetdienstleistungen eine Klausel zu verwenden, die eine Gebühr von 6,95 € für Rücklastschriften vorsieht.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und den Streitwert auf 2.650 € festgesetzt, hiervon 2.500 € für die beanstandete Klausel und 145 € für zusätzlich geltend gemachte Abmahnkosten. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde. Mit der beabsichtigten Revision möchte sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Sie meint, ihre Beschwer betrage jedenfalls mehr als 20.000 €.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist unzulässig, weil der gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Mindestbetrag nicht erreicht ist. Die Beschwer der Beklagten beträgt lediglich 2.500 €.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs orientiert sich die Beschwer in Verfahren nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz) regelmäßig an dem Interesse der Allgemeinheit am Unterbleiben des Gebrauchs der strittigen Klauseln. Um die Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Gemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken zu schützen, hat die wirtschaftliche Bedeutung der Verbote, bestimmte Klauseln zu verwenden, bei der Bemessung der Beschwer hingegen keine ausschlaggebende Bedeutung (st. Rspr., z.B. Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2015 - III ZR 64/15, BeckRS 2015, 19182 Rn. 5 und III ZR 36/15, BeckRS 2015, 19181 Rn. 4; vom 8. September 2011 - III ZR 229/10, BeckRS 2011, 23098 Rn. 1; vom 28. September 2006 - III ZR 33/06, NJW-RR 2007, 497 Rn. 2; BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2015 - I ZR 106/14, BeckRS 2015, 06518 Rn. 5; vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 160/14, BeckRS 2014, 23598 Rn. 5; vom 6. März 2013 - IV ZR 211/11, BeckRS 2013, 05735 Rn. 3; vom 26. September 2012 - IV ZR 203/11, BeckRS 2012, 21855 Rn. 20 und IV ZR 208/11, NJW 2013, 875 Rn. 20). Dies gilt nicht nur für die Beschwer eines Verbraucherschutzverbandes, sondern auch für die Bemessung der Beschwer des im Unterlassungsprozess unterliegenden Verwenders (st. Rspr., z.B. Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2015 jew. aaO und mwN; vom 8. September 2011 aaO Rn. 2; BGH, Beschlüsse vom 9. Dezember 2014 aaO und vom 6. März 2013 aaO Rn. 4 jew. mwN).

An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der hiergegen von der Beschwerde vorgebrachten Argumente fest. Entgegen ihrer Auffassung steht diese Judikatur nicht in Widerspruch zu § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 4 UWG. Die hiernach mögliche Streitwertbegünstigung für eine Partei stellt keinen vergleichbaren Schutz vor unangemessenen Kostenrisiken dar, nachdem diese nur auf Antrag im Einzelfall und nur bei konkreter erheblicher Gefährdung der wirtschaftlichen Lage des Verbands zulässig ist. Auch eine unterschiedliche Bewertung von Beschwer und Gebührenstreitwert kommt - entgegen der Auffassung der Beschwerde - nicht in Betracht, da beide in der Rechtsmittelinstanz nach dem Interesse des unterlegenen Verwenders an der Weiterverwendung der entsprechenden Klausel zu bemessen sind und für eine Differenzierung deshalb keine sachliche Rechtfertigung besteht. Auch korrespondiert das Interesse des klagenden Verbandes an der allgemeinen Untersagung einer Klausel mit dem Interesse des beklagten Verwenders an deren allgemeinen Weiterverwendung.

Den Streitwert sowie die Beschwer setzt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung mit 2.500 € je angegriffener Teilklausel an (z.B. Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2015 - III ZR 64/15 aaO Rn. 6 und III ZR 36/15 aaO Rn. 5; vom 8. September 2011 aaO Rn. 1 und vom 28. September 2006 aaO Rn. 3; BGH, Beschlüsse vom 6. März 2013 aaO Rn. 3; vom 26. September 2012 - IV ZR 203/11 aaO Rn. 21 und IV ZR 208/11 aaO Rn. 21). Dies ist auch in dem vorliegenden Fall angemessen. Gründe dafür, den Wert der Beschwer ausnahmsweise über diesem Betrag anzusetzen, bestehen nicht. Zwar ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise durch die Bemessung mit einem höheren Wert Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist. Dies kommt etwa in Betracht, wenn es um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2015 jew. aaO; BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2015 aaO Rn. 6; vom 9. Dezember 2014 aaO Rn. 6 und vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, BeckRS 2013, 22513 Rn. 6). Umstände, die im Streitfall eine solche Abweichung rechtfertigen könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Soweit die Beklagte geltend macht, eine höhere Beschwer liege deshalb vor, weil nicht nur sie, sondern auch ihre Wettbewerber eine Klausel verwendeten, die eine pauschalierte Rücklastschriftgebühr enthalte, trifft dies nicht zu. Dies gilt schon deshalb, weil der Unterlassungsausspruch sich nur auf eine Klausel bezieht, die eine Rücklastschriftgebühr in Höhe von 6,95 € enthält, während von wesentlichen Wettbewerbern nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich Rücklastschriftgebühren von bis zu 5,00 € gefordert werden. Über die Wirksamkeit einer eine derartige Gebühr enthaltenden Klausel wird im vorliegenden Verfahren nicht entschieden, so dass das angegriffene Urteil für die Wettbewerber der Beklagten schon deshalb keine grundlegende Bedeutung hat.

Auch äußerst umstrittene Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite und mit Bedeutung für die gesamte Branche sind nicht zu klären. Die Grundsätze, nach denen über die Wirksamkeit von Klauseln über pauschalierten Schadensersatz zu entscheiden ist, sind in der Rechtsprechung geklärt. Dies gilt entgegen der Auffassung der Beschwerde auch für die Frage, ob der Klauselverwender die Beweislast dafür trägt, dass ein pauschalierter Schadensersatzanspruch im Sinne von § 309 Nr. 5 Buchst. a) BGB dem nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartenden Schaden entspricht. Dies hat der Bundesgerichtshof bejaht (BGH, Urteile vom 18. Februar 2015 - XII ZR 199/13, NJW-RR 2015, 690 Rn. 22; vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, BGHZ 194, 208 Rn. 65 und vom 10. November 1976 - VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312, 315 ff mit Ausführungen auch zur Neuregelung nach dem AGB-Gesetz). Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist diese Rechtsfrage nicht deshalb weiterhin klärungsbedürftig, weil in der Literatur vereinzelt Kritik an dieser Rechtsprechung geübt wird und an der schon vor den Entscheidungen vom 18. Februar 2015 (aaO) und vom 25. Juli 2012 (aaO) vertretenen Gegenauffassung festgehalten wird (so BeckOGK/Weiler, BGB § 309 Nr. 5 Rn. 135 ff Stand: 15.11.2016). Zwar kann sich auch nach Klärung einer Rechtsfrage durch den Bundesgerichtshof weiterer Klärungsbedarf ergeben, zum Beispiel wenn nicht nur einzelne Oberlandesgerichte oder Literaturstimmen der Auffassung mit beachtenswerten Argumenten widersprechen, mit denen sich der Bundesgerichtshof noch nicht ausreichend auseinandergesetzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2013 - VII ZR 371/12, NJW 2014, 456 Rn. 9; Ball in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 543 Rn. 5a; MüKoZPO/Krüger, 5. Aufl., § 543 Rn. 7; BeckOK ZPO/Kessal-Wulf, § 543 Rn. 21 Stand: 01.09.2016). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zum einen genügt die von der Beschwerde aufgeführte, lediglich vereinzelt geäußerte Kritik an der Rechtsprechung nicht, um Klärungsbedürftigkeit zu bejahen. Zum anderen sind die Gegenauffassung und die hierfür aufgeführten Argumente nicht neu und konnten bereits bei Erlass der Entscheidungen vom 18. Februar 2015 und 25. Juli 2012 (aaO) berücksichtigt werden. Darauf, dass der Bundesgerichtshof in diesen Entscheidungen auf die einzelnen Argumente der Gegenauffassung nicht ausdrücklich eingegangen ist, kommt es nicht an, zumal er in dem Urteil vom 18. Februar 2015 (aaO) durch Verweis auf die andere Ansicht zum Ausdruck gebracht hat, dass er diese kennt, ihr aber nicht folgen will. Allein aus der Aufrechterhaltung der Gegenauffassung ergibt sich deshalb kein erneuter Klärungsbedarf.

Soweit die Beklagte auf die Höhe der vereinnahmten Rücklastschriftgebühren und den entsprechenden Verlust bei Reduzierung der Schadenspauschale verweist, führt dies nach oben genannten Grundsätzen ebenfalls nicht zu einer höheren Beschwer. Hierbei handelt es sich allein um wirtschaftliche Belastungen der Beklagten, die aus den oben angestellten Erwägungen bei der Bemessung der Beschwer in Verfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz keine entscheidende Rolle spielen, zumal diese Belastungen aus der Unwirksamkeit einer Klausel entstehen, hinsichtlich derer die wesentlichen Fragen höchstrichterlich geklärt sind. Insoweit ist der Beklagten zudem entgegenzuhalten, dass sie dies nicht schon in den Vorinstanzen vorgetragen hat. Einem Beklagten, der die Streitwertfestsetzungen in den Vorinstanzen weder beanstandet noch sonst glaubhaft gemacht hat, dass bereits in der Vorinstanz vorgebrachte Umstände bei der Streitwertfestsetzung nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, ist es in aller Regel versagt, sich im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde noch auf einen höheren, die erforderliche Rechtsmittelbeschwer erstmals erreichenden Wert zu berufen (st. Rspr., z.B. Senatsbeschluss vom 14. Mai 2013 - III ZR 87/12, juris Rn. 2; BGH, Beschlüsse vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 160/14, BeckRS 2014, 23598 Rn. 7 und vom 29. Juli 2014 - II ZR 73/14, BeckRS 2014, 17006 Rn. 10 jew. mwN). Die Beklagte hat sich nicht gegen die Streitwertfestsetzungen in den Vorinstanzen gewandt und in der Beschwerde auch nicht glaubhaft gemacht, dass bereits dort vorgebrachte Umstände bei der Streitwertfestsetzung nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, so dass sie sich hierauf nicht erstmals zur Begründung einer höheren Beschwer berufen kann.

Es verbleibt somit bei dem Wert von 2.500 € für die angegriffene Klausel. Die Abmahnkosten bleiben als Nebenforderung bei der Bemessung der Beschwer nach § 4 ZPO unberücksichtigt.

Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für die Festsetzung des Streitwerts des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens.

Herrmann Seiters Reiter Liebert Arend Vorinstanzen:

LG Koblenz, Entscheidung vom 18.06.2015 - 10 O 183/14 -

OLG Koblenz, Entscheidung vom 14.07.2016 - 2 U 780/15 -