BGH, Beschluss vom 29.12.2016 - AnwZ (Brfg) 36/16
Fundstelle
openJur 2018, 1608
  • Rkr:
Tenor

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung gewährt.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 15. April 2016 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist seit Mai 2007 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit dem Kläger am 27. November 2015 zugestelltem Bescheid vom 25. November 2015 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die Klage gegen den Widerrufsbescheid hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Dem Kläger war gemäß § 112e Satz 2 BRAO, §§ 60, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags zu gewähren.

III.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Daran fehlt es.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff. und vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3 mwN).

a) Der Kläger hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 25. November 2015 in Vermögensverfall befunden. Er war zu diesem Zeitpunkt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 882b ZPO) eingetragen mit der Folge, dass der Eintritt des Vermögensverfalls vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, muss zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 14. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 22/14, juris Rn. 5 und vom 6. Februar 2014 - AnwZ (Brfg) 83/13, BRAK-Mitt. 2014, 164 Rn. 5; jeweils mwN).

b) Dies hat der Kläger nicht getan. Er hat nicht hinreichend dargelegt, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse - vom maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 25. November 2015 aus betrachtet - zumindest in absehbarer Zeit nachhaltig geordnet sein würden (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 5. November 2015 - AnwZ (Brfg) 28/15, juris Rn. 3 mwN).

aa) Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass von einem Vermögensverfall nicht mehr ausgegangen werden kann, wenn der Betreffende sich in Vergleichs- und Ratenzahlungsvereinbarungen mit seinen Gläubigern zur ratenweisen Tilgung seiner Verbindlichkeiten verpflichtet hat, diesen Ratenzahlungen nachkommt und während dessen keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet werden (Senat, Beschluss vom 7. Dezember 2004 - AnwZ (B) 40/04, AnwBl 2005, 363, 364 mwN). Zur Widerlegung einer - infolge eines Eintrags im Schuldnerverzeichnis bestehenden - Vermutung des Vermögensverfalls genügt es indes nicht, wenn der Rechtsanwalt Ratenzahlungsvereinbarungen pauschal behauptet. Er hat sie vielmehr umfassend und substantiiert unter Angabe von Einzelheiten und Vorlage entsprechender Unterlagen, insbesondere der Erklärungen der betroffenen Gläubiger, darzulegen. Dabei ist insbesondere auch das Datum einer Ratenzahlungsvereinbarung anzugeben, damit geprüft werden kann, ob die Vermutung des Vermögensverfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides widerlegt war.

bb) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers nicht. Soweit er noch vor der Zustellung der Widerrufsverfügung, also vor dem 27. November 2015, mit dem V. , dessen Forderung dem Eintrag im Schuldnerverzeichnis zugrunde lag, eine vorübergehende Ratenzahlungsvereinbarung getroffen haben will, ergibt sich dies aus seinem Vortrag nicht. Danach hat er dem V. mit Schreiben vom 10. November 2015 eine Ratenzahlung von monatlich 1.500 € angeboten. Das V. hat dieses Angebot nicht angenommen, sondern mit Schreiben vom 16. November 2015 mitgeteilt, es seien vom Kläger mindestens 2.500 € monatlich zu leisten. Soweit der Kläger vorbringt, er habe diesen "Vergleich" nach telefonischer Bestätigung "stillschweigend" angenommen, fehlen hierzu jegliche Angaben zu dem Datum, insbesondere des Telefonats mit dem V. , und zu dem Gesprächspartner dieses Telefonats sowie die Vorlage einer - zu erwartenden - zeitnah zu dem Telefonat gefertigten Aktennotiz des Klägers. Hierzu hätte indes bereits im erstinstanzlichen Verfahren dringende Veranlassung bestanden, nachdem der Anwaltsgerichtshof den Kläger mit Schreiben vom 2. Februar 2016 darauf hingewiesen hatte, dass die Behauptung von Tilgungsvereinbarungen mit Gläubigern zur Widerlegung einer bestehenden Vermutung des Vermögensverfalls durch die Vorlage geeigneter Unterlagen zu belegen sei, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die Widerrufsgründe nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vorlägen, der Zeitpunkt des Widerrufsbescheides sei und später eingetretene Änderungen im Verfahren der Anfechtungsklage gegen den Widerrufsbescheid nicht mehr zu berücksichtigen seien.

Mangels hinreichenden Vortrags des Klägers kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger mit dem V. bis zum 27. November 2015 eine Ratenzahlungszahlungsvereinbarung getroffen hat. Eine etwaige, vom Kläger behauptete Zahlung an das V. am 1. Dezember 2015 in Höhe von 2.500 € - ein entsprechender Kontoauszug war der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung nicht beigefügt - wäre ohne Bedeutung, da sie nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsverfügung erfolgt wäre.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Limperg Bünger Remmert Kau Merk Vorinstanz:

AGH Hamm, Entscheidung vom 15.04.2016 - 1 AGH 57/15 -