BGH, Beschluss vom 16.11.2016 - VII ZB 52/15
Fundstelle
openJur 2018, 1578
  • Rkr:
Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 2. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

Die Gläubigerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil des Landgerichts M. vom 13. November 2013 wegen einer Forderung in Höhe von ca. 2.000.000 €.

Der Schuldner war alleiniger Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der jetzt in Liquidation befindlichen Drittschuldnerin und ist ihr Liquidator. Am 17. September 1993 hatte der Schuldner mit der Drittschuldnerin einen Pensionsvertrag geschlossen, mit dem er gegenüber der Drittschuldnerin einen Anspruch auf Altersrente erwarb. Die Drittschuldnerin schloss daraufhin mehrere Lebensversicherungen zugunsten des Schuldners als versicherte Person als Rückdeckungsversicherungen ab. Dem Schuldner wurden jeweils erstrangige Pfandrechte eingeräumt. Nach Ablauf der Rückdeckungsversicherungen wurden die Versicherungssummen an die Drittschuldnerin ausgezahlt und auf ihr Konto Nr. ... bei der C. Bank eingezahlt. Das Konto ist an den Schuldner bzw. dessen Ehefrau verpfändet. Die Drittschuldnerin ist nur gemeinsam mit dem Schuldner und dessen Ehefrau verfügungsbefugt. Ab Oktober 2008 leistete die Drittschuldnerin an den Schuldner die vereinbarte Altersrente von 50 % des vor dem Ausscheiden zuletzt bezogenen monatlichen Gehalts, dies entspricht 8.300 € brutto. Die Gläubigerin erwirkte vor dem Landgericht M. am 24. September 2009 eine einstweilige Verfügung, mit der dem Schuldner untersagt wurde, die Beträge von der Drittschuldnerin einzuziehen.

Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - am 28. Juli 2014 einen Pfändungsbeschluss erlassen, mit dem Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin aus dem Pensionsvertrag vom 17. September 1993 samt Nachtragsvereinbarung vom 23. Juni 1998 und der damit in Zusammenhang stehenden Gesellschafterbeschlüsse vom 18. September 1993 und vom 14. Dezember 2006, gerichtet auf Auszahlung von Pensionsleistungen oder anderen Altersbezügen in Höhe von 8.300 € je Monat und/oder auf Auszahlung von Guthaben auf Konten der Drittschuldnerin, insbesondere bei der C. Bank, Filiale H., Konto Nr. ..., einschließlich der künftig fällig werdenden Beträge aus dem gleichen Rechtsgrund, gepfändet worden sind.

Hiergegen hat der Schuldner Erinnerung eingelegt und beantragt, den Pfändungsbeschluss dahin abzuändern, dass die Leistungen der Drittschuldnerin aus Pensionszusagen nur nach Maßgabe von § 851c ZPO i. V. mit der Tabelle zu § 850c Abs. 3 ZPO in der jeweils gültigen Fassung gepfändet werden könnten. Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat der Erinnerung des Schuldners abgeholfen und den Pfändungsbeschluss vom 28. Juli 2014 antragsgemäß abgeändert. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Beschwerdegericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Pfändungsbeschluss vom 28. Juli 2014 dahingehend abgeändert wird, dass Leistungen der Drittschuldnerin aus Pensionszusagen, insbesondere aus dem Pensionsvertrag vom 17. September 1993 samt Nachtragsvereinbarungen und damit in Zusammenhang stehenden Gesellschafterbeschlüssen, nur nach Maßgabe des § 850 Abs. 2 ZPO i. V. mit der Tabelle zu § 850c Abs. 3 ZPO in der jeweils gültigen Fassung gepfändet sind.

Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Gläubigerin.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Gläubigerin ist nicht begründet.

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Beschwerde sei zulässig. Insbesondere sei sie - ebenso wie zunächst die Erinnerung - wirksam eingelegt worden, da die Bevollmächtigung der Rechtsanwälte S. durch den Schuldner durch Vorlage der Vollmacht vom 19. Dezember 2014 in Kopie und die Bevollmächtigung der Rechtsanwälte G. durch Vorlage diverser Vollmachten nachgewiesen worden sei.

Die Bezüge des Schuldners aus dem Pensionsvertrag vom 17. September 1993 seien nur nach Maßgabe der Pfändungsfreigrenzen laut der Tabelle zu § 850c Abs. 3 ZPO pfändbar. Gepfändet seien vorliegend Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin aufgrund des Pensionsvertrags vom 17. September 1993 sowie diesbezüglicher Nachtragsvereinbarungen. Bei der gepfändeten Forderung handele es sich um Ruhegeld im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO. Schon das laufende Gehalt des GmbH-Geschäftsführers sei aus einem Dienstverhältnis gewährtes fortlaufendes Einkommen im Sinne dieser Vorschrift, da das Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehme und die wiederkehrend zahlbaren Vergütungen die Existenzgrundlage des Schuldners sichern sollten.

Die Vorschrift des § 851c ZPO sei hingegen nicht anzuwenden. Der in § 851c ZPO geregelte Fall liege nicht vor. Insbesondere seien nicht die dem Schuldner verpfändeten Ansprüche aus den Rückdeckungslebensversicherungen gepfändet worden, die im Übrigen auch längst ausgezahlt worden seien.

2. Dies hält der rechtlichen Überprüfung stand.

a) Der Schuldner hat gegen den am 28. Juli 2014 erlassenen Pfändungsbeschluss wirksam Erinnerung eingelegt. Die Rechtsanwälte S. waren bevollmächtigt, im Namen des Schuldners Erinnerung gegen den Pfändungsbeschluss vom 28. Juli 2014 zu erheben. Bei der Vollmacht handelt es sich um eine Sachurteilsvoraussetzung, deren Vorliegen nach entsprechender Rüge (§ 88 ZPO) in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2002 - VII ZR 193/01, NJW 2002, 1957, 1958, juris Rn. 14). Die Gläubigerin hat die bereits im Beschwerdeverfahren erhobene Rüge, der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners sei nicht von diesem bevollmächtigt gewesen, auch im Rechtsbeschwerdeverfahren aufrechterhalten. Der Schuldner hat daraufhin die Bevollmächtigung der Rechtsanwälte S. durch Vorlage der Vollmacht im Original nachgewiesen.

b) Das Beschwerdegericht hat angenommen, Gegenstand der Pfändung der Gläubigerin seien nur Ansprüche aus dem zwischen dem Schuldner und der Drittschuldnerin geschlossenen Pensionsvertrag vom 17. September 1993 sowie den diesen betreffenden Nachtragsvereinbarungen und den damit im Zusammenhang stehenden Gesellschafterbeschlüssen und nicht die dem Schuldner verpfändeten Ansprüche aus den von der Drittschuldnerin zu seinen Gunsten geschlossenen Rückdeckungslebensversicherungen. Hiergegen erinnert die Rechtsbeschwerde nichts. Diese Erwägungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken.

c) Zutreffend geht das Beschwerdegericht weiter davon aus, dass die Ansprüche des Schuldners aus dem mit der Drittschuldnerin geschlossenen Pensionsvertrag vom 17. September 1993 und der diesen betreffenden Nachtragsvereinbarungen nach § 850 Abs. 2 ZPO als Arbeitseinkommen anzusehen und nur nach Maßgabe der Tabelle als Anlage zu § 850c Abs. 3 ZPO pfändbar sind.

aa) Gemäß § 850 Abs. 2 ZPO sind Arbeitseinkommen im Sinne dieser Vorschrift die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten, Arbeits- und Dienstlöhne, Ruhegelder und ähnliche nach dem einstweiligen oder dauernden Ausscheiden aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis gewährte fortlaufende Einkünfte, ferner Hinterbliebenenbezüge sowie sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen. Als Arbeitseinkommen gelten auch sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen. Vergütungen für Dienstleistungen werden dabei unabhängig davon erfasst, ob die Entgelte aufgrund eines freien oder abhängigen Dienstvertrags gewährt werden. Wesentlich ist vielmehr, dass es sich um wiederkehrend zahlbare Vergütungen für selbständige oder unselbständige Dienste handelt, die die Existenzgrundlage des Dienstpflichtigen bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2003 - IXa ZB 165/03, NJW-RR 2004, 644, juris Rn. 6; Urteil vom 24. November 1988 - IX ZR 210/87, NJW-RR 1989, 286, 287 f., juris Rn. 30; Urteil vom 5. Dezember 1985 - IX ZR 9/85, BGHZ 96, 324, 327, juris Rn. 13; Urteil vom 8. Dezember 1977 - II ZR 219/75, NJW 1978, 756, juris Rn. 71; BAG, NJW 1962, 1221 f., juris Rn. 17 ff.; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 850 Rn. 9; MünchKommZPO/Smid, 5. Aufl., § 850 Rn. 21; Musielak/Voit/Becker, ZPO, 13. Aufl., § 850 Rn. 4; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf/Lorenz, ZPO, 6. Aufl., § 850 Rn. 9). Zum Arbeitseinkommen gehören auch Ruhegelder, die nach Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis des Schuldners als fortlaufende Einkünfte vom Dienstherrn gezahlt werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1977 - II ZR 219/75, aaO; Zöller/Stöber, aaO; MünchKommZPO/Smid, aaO, § 850 Rn. 34; Musielak/Voit/Becker, aaO, § 850 Rn. 9; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850 Rn. 34; Lohkamp/Fiala, VersR 2006, 331, 335; Timm, ZIP 1981, 10, 11).

bb) Nach diesen Maßgaben ist der Anspruch des Schuldners aus der im Rahmen des Anstellungsvertrags mit der Drittschuldnerin getroffenen Pensionsvereinbarung, aufgrund derer diesem ein Ruhegehalt in Abhängigkeit zu der zuletzt bezogenen Dienstvergütung in monatlichen Beträgen gezahlt werden sollte, als Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO anzusehen. Der Schuldner erhält aufgrund dieser Vereinbarung nach seinem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis von der Drittschuldnerin eine fortlaufende Zahlung, durch die seine Altersversorgung sichergestellt werden soll.

cc) Für die Einstufung solcher Ruhegeldzahlungen als Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO kommt es nicht darauf an, ob es sich bei dem Geschäftsführer um einen Mehrheitsgesellschafter handelt oder nicht (vgl. Timm, ZIP 1981, 10, 11; a.A. OLG Naumburg, VersR 2012, 1287, 1289, juris Rn. 50 ff.; noch offen gelassen in BGH, Urteil vom 8. Dezember 1977 - II ZR 219/75, NJW 1978, 756, juris Rn. 70).

§ 850 Abs. 2 ZPO differenziert seinem Wortlaut nach nicht danach, ob es sich um Vergütungen des Schuldners für eine Tätigkeit aus einem freien oder abhängigen Dienstvertrag handelt. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass der Schuldner die Vergütung als wiederkehrende Leistungen von dem Dienstherrn für seine Erwerbstätigkeit oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses für seine Altersversorgung erhält. Nach dem mit § 850 Abs. 2 ZPO vorausgesetzten wirtschaftlichen Schutzbedürfnis und dem mit der Vorschrift verfolgten Zweck, die Versorgung des dienstverpflichteten Schuldners sicherzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1977 - II ZR 219/75, aaO), ist eine vom Dienstherrn nach Eintritt in den Ruhestand bezogene Vergütung, die der Schuldner im Anschluss an die Erwerbstätigkeit als Altersversorgung erhält und die seine Existenzgrundlage sichert, dem Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen zu unterstellen. Dieser Schutzzweck greift sowohl für den weisungsabhängigen Fremdgeschäftsführer als auch für den geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafter ein, der seine Tätigkeit aufgrund der von ihm mehrheitlich mitbestimmten Beschlussfassung der Gesellschafter frei gestalten kann.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist der geschäftsführende Mehrheitsgesellschafter einer GmbH nicht einem freiberuflich Tätigen gleichzustellen. Anders als der Geschäftsführer einer GmbH, der aufgrund des mit der Gesellschaft geschlossenen Anstellungsvertrags dieser gegenüber Dienstleistungen gegen Vergütung erbringt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2010 - II ZR 70/09, NJW 2010, 2343 Rn. 8; Urteil vom 10. Januar 2000 - II ZR 251/98, NJW 2000, 1864, 1865, juris Rn. 5 f.; Kleindiek in Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., Anhang § 6 Rn. 3; MünchKommGmbHG/ Jaeger, 2. Aufl., § 35 Rn. 278 m.w.N.), steht der freiberuflich Tätige im Hinblick auf seine berufliche Tätigkeit in keinem Dienst- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Selbständige entsprechend ihrem rechtlichen Status weder bei einem Dienstherrn noch einem Arbeitgeber Rentenansprüche erwerben können und zu ihren Gunsten im Rahmen des § 850 Abs. 2 ZPO für einen Pfändungsschutz von Rentenansprüchen von vornherein kein Raum ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2007 - IX ZB 34/06, NJW-RR 2008, 496 Rn. 12 ff.), ist auf den zur Leistung von Diensten gegenüber der Gesellschaft verpflichteten Geschäftsführer einer GmbH nicht zu übertragen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick Kartzke Graßnack Sacher Borris Vorinstanzen:

AG Warendorf, Entscheidung vom 13.05.2015 - 3 M 1049/14 -

LG Münster, Entscheidung vom 02.10.2015 - 5 T 373/15 -