OLG Jena, Beschluss vom 07.01.2013 - 1 WF 410/12
Fundstelle
openJur 2018, 9712
  • Rkr:

1. Der Titelschuldner kann die Beendigung der gesetzlichen Prozessstandschaft nur gemäß § 767 ZPO geltend machen.

2. Wird dem Sorgerechtsinhaber die elterliche Sorge entzogen, ist er auch für Unterhaltsrückstände nicht mehr aktivlegitimiert.

Tenor

1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Heilbad Heiligenstadt zurückverwiesen.

2. Eine Kostenentscheidung sowie die Festsetzung des Beschwerdewertes sind im Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe nicht veranlasst.

Gründe

I.

Der Antragsteller hat vor dem Amtsgericht beantragt, die von der Antragsgegnerin betriebene Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Heiligenstadt vom 01.07.2011, Az. 1 F 836/10, für unzulässig zu erklären und zugleich im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollstreckung aus dem Beschluss vom 01.07.2012 - Az. 1 F 826/10 einstweilen einzustellen.

Der Antragsteller ist durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Heilbad Heiligenstadt vom 01.07.2011 (Az. 1 F 836/10) verpflichtet, der Antragsgegnerin für die gemeinsame minderjährige Tochter S. S. ab Januar 2011 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts für die jeweilige Altersstufe des Kindes abzüglich der Hälfte des staatlichen Kindergeldes sowie einen Unterhaltsrückstand für die Zeit von September bis Dezember 2010 in Höhe von (4 x 92,- =) 368,- € zu zahlen.

Der Antragsteller hat um Verfahrenskostenhilfe für seine Rechtsverfolgung vor dem Amtsgericht ersucht.

Gemäß Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Heilbad Heiligenstadt vom 31.05.2012 (Az. 2 M 590/12) beansprucht die Antragsgegnerin:

2700,- €    Unterhaltsrückstand (12 x 225,- €)    für die Zeit von September 2010 bis August 2011225,- €    Unterhalt für April 2012 und225,- €    Unterhalt laufend monatlich ab Mai 2012.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 10.07.2012 dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe verweigert und zur Begründung ausgeführt, das Kind S.-S. habe seinerzeit bei der Antragsgegnerin und während der Kur der Mutter und auch vorher immer mal wieder beim Vater gelebt. In einem Sorgerechtsverfahren seien die Kindeseltern sich am 23.03.2012 einig gewesen, dass das Kind wieder bei der Mutter leben sollte (Az. 1 F 148/12). Erst im Verfahren zu dem Az. 1 F 321/12 seien am 10.05.2012 wesentliche Teile des Sorgerechts auf das Jugendamt übertragen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen (Bl. 47 - 50 d A).

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 20.07.2012, mit der er beantragt, ihm für die Rechtsverfolgung vor dem Amtsgericht Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

Er führt an, er stelle seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind S.-S. gemäß Beschluss des Amtsgerichts Heilbad Heiligenstadt vom 01.07.2011 nicht in Frage.

Auch die Höhe der Unterhaltsverpflichtung stehe nicht im Streit. Die Notwendigkeit der Vollstreckungsabwehrklage folge aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Vollstreckung geleistete Zahlungen nicht berücksichtige.

Die Antragsgegnerin habe im Rahmen der Zwangsvollstreckung vom 07.05.2012 einen Unterhaltsbetrag in Höhe von 3150,- € nebst Zinsen geltend gemacht. Nachdem der Antragsteller darauf hingewiesen habe, dass für den Zeitraum September bis Dezember 2010 lediglich 368,- € geschuldet würden, habe die Antragsgegnerin die Forderung in Höhe von 532,- € zurückgenommen. Nicht berücksichtigt worden sei aber, dass der Antragsteller seit November 2011 regelmäßig Unterhalt zahle.

Gezahlt habe der Antragsteller ausweislich der beiliegenden Forderungsaufstellung:

am 04.07.2011133,- €,am 04.08.2011133,- €,am 08.11.2011225,- €,am 20.03.2012467,- €,am 04.04.2012172,- €,am 03.05.2012133,- €,am 06.07., 03.08., 05.10., 03.11. und 03.12.2012    je 225,- €.

Das Amtsgericht der Beschwerde mit Beschluss vom 18.07.2012 nicht abgeholfen hat.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie führt an, unter Berücksichtigung der Rücknahme in Höhe von 532,- € für die Zeit von September bis Dezember 2010 stehe noch ein Rückstandsbetrag in Höhe von 368,- € offen.

Darüber hinaus werde laufender Unterhalt ab Mai 2012 geltend gemacht, wobei zum Zeitpunkt der Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eine Zahlung für Mai 2012 noch nicht erfolgt sei. Insofern habe die Betreuerin der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 22.06.2012 mitgeteilt, dass offensichtlich der Kindesvater Zahlungen an Frau S. N., die Schwester der Antragsgegnerin, seit Mai 2012 in Höhe von monatlich 133,- € ausgereicht habe.

Im Übrigen habe die Antragsgegnerin bis zur endgültigen Entscheidung im Verfahren die Ruhendstellung der eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahme gegenüber den Drittschuldnern erklärt.

Die bisher auf den Rückstand gepfändeten Beträge in Höhe von 428,05 € am 06.07.2012 und 428,05 € am 01.08.2012 seien an Frau S. N. weitergeleitet worden.

Der Antragsteller behaupte, er habe mit der Antragsgegnerin eine Vereinbarung getroffen, dass lediglich ein Unterhaltsbetrag in Höhe von 133,- € monatlich geschuldet werde. Die Vereinbarung sei jedoch wegen Verstoßes gegen § 1614 BGB unwirksam. Die Antragsgegnerin stehe unter Betreuung, leide an einer psychischen Erkrankung und bestreite, am 20.03.2012 eine Unterschrift geleistet zu haben.

Es werde weiter bestritten, dass der Antragsteller am 20.03.2012 467,- € auf den Unterhaltsanspruch gezahlt habe.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers (§ 113 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 2, 3 ZPO) ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Mit der Begründung des Amtsgerichts lässt sich die Erfolgsaussicht des Hauptsacheantrages für die Rechtsverfolgung vor dem Amtsgericht nicht verneinen.

Die Zwangsvollstreckungsgegenklage ist zulässig (§§ 794 Abs. 1 Nr. 3, 795, 767 Abs. 1, 2 ZPO). Gegen die Zulässigkeit der gewählten Klageart bestehen keine Bedenken. Einwendungen des Schuldners (hier des Antragstellers) gegen festgestellte materielle Leistungsansprüche sind mit der sogenannten Vollstreckungsabwehr- (oder Vollstreckungsgegen-) klage des § 767 ZPO geltend zu machen, gleichgültig, ob diese Einwendungen rechtsvernichtend (wie die Erfüllung) oder nur rechtshemmend sind. Die Klage nach § 767 ZPO ist eine prozessuale Gestaltungsklage. Streitgegenstand ist allein die gänzliche oder teilweise endgültige Vernichtung der Vollstreckbarkeit. Der Klageantrag geht dahin, die Zwangsvollstreckung aus dem angegriffenen Titel für unzulässig zu erklären.

Zwischen den Beteiligten war ein Unterhaltsrechtsstreit geführt worden. Der Antragsteller ist durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Heilbad Heiligenstadt vom 01.07.2011 (Az. 1 F 836/10) verpflichtet, der Antragsgegnerin für die gemeinsame minderjährige Tochter S.-S. S. ab Januar 2011 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts für die jeweilige Altersstufe des Kindes abzüglich der Hälfte des staatlichen Kindergeldes zu zahlen sowie einen Unterhaltsrückstand für die Zeit von September bis Dezember 2010 in Höhe von (4 x 92,- =) 368,- € zu zahlen.

§ 767 ZPO ist gemäß § 120 Abs. 1 FamFG auf die Vollstreckung in Familienstreitsachen anwendbar (OLG Saarbrücken, MDR 2011, 168 - 169; Zöller/ Fes-korn, ZPO, 29. Auflage, § 95 FamFG, Rn. 1, 10).

Der Wegfall der Prozessstandschaft stellt eine Einwendung i. S. des § 767 Abs. 1 ZPO dar. Die Kindesmutter und Antragsgegnerin hat den der Vollstreckung zugrunde liegenden Titel in Prozesstandschaft gemäß § 1629 Abs. 3 BGB erwirkt. Die Prozessführungsbefugnis der Kindesmutter ist während der Zwangsvollstreckung erloschen, nachdem ihr das Sorgerecht entzogen wurde (Zöller/Herget, ZPO, 29. Auflage, § 767 ZPO, Rn. 12 "Prozessführungsbefugnis"; OLG Hamm, FamRZ 1997, 1493 - 1494).

Da die - inzwischen seit dem 16.10.2012 rechtskräftig -geschiedene Ehefrau Titelinhaberin ist, kann sie zwar aus diesem Titel weiterhin formell vollstrecken.

Die Antragsgegnerin kann nunmehr nach dem Entzug von wesentlichen Teilen des elterlichen Sorgerechts - wie das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt hat, - weder in gesetzlicher Prozessstandschaft noch in gesetzlicher Vertretungsmacht Unterhaltsansprüche des Kindes - auch für Rückstände aus der Vergangenheit - geltend machen kann. Sie ist nicht mehr legitimiert aus dem gerichtlichen Beschluss vom 01.07.2011 zu vollstrecken (OLG Nürnberg, NJW-RR 2002, 1158).

Der Titelschuldner kann die Beendigung der gesetzlichen Prozessstandschaft nur gemäß § 767 ZPO geltend machen kann, wenn die Zwangsvollstreckung betrieben wird, d.h. die Vollstreckungsgegenklage gegen den ursprünglichen Titelgläubiger (Prozessstandschafter) wird nicht als unzulässig angesehen, um den Titelschuldner nicht rechtlos zu stellen (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2000, 365; OLG Stuttgart, FamRZ 1997, 1493 für die Beendigung der Prozesstandschaft nach Obhutswechsel; OLG Brandenburg, FamRZ 1997, 509; Zöller/Herget, ZPO, a. a. O.).

Da das Amtsgericht bisher die Bedürftigkeit des Antragstellers nicht geprüft hat und der Erklärung des Antragstellers vom 26.08.2011 über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch keine Anlagen beilagen, sieht sich der Senat an einer abschließenden Entscheidung gehindert.

Das Familiengericht wird daher zu prüfen haben, ob und inwieweit der Antragsteller kostenarm ist (§ 115 ZPO), nachdem seine Rechtsverfolgung nicht von vorneherein ohne Aussicht auf Erfolg ist.

Die Rechtsbeschwerde wird mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zugelassen (§ 574 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO, FamGKG-KV 1912.