LG Mönchengladbach, Urteil vom 25.03.2015 - 6 O 129/12
Fundstelle
openJur 2018, 7539
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ... EUR nebst Zinsen i. H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem ... zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen materiellen und gegenwärtig nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die infolge der im Monat Januar 2009 unterlassenen Aufklärung über die Notwendigkeit einer onkologischen Nachbehandlung bereits entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder auf sonstige Dritte übergegangen sind bzw. zukünftig übergehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens LG Mönchengladbach, 6 OH 4/11, tragen der Kläger zu 35 % und die Beklagte zu 65%. Die durch den Beitritt der Streithelferin (...) verursachten Kosten trägt die Beklagte zu 65 %; im Übrigen trägt die Streithelferin sie selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger verlangt materiellen und immateriellen Schadenersatz sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus einer behaupteten ärztlichen Fehlbehandlung.

Der am ... geborene Kläger befand sich in langjähriger Behandlung in der Gemeinschaftspraxis ..., deren Gesellschafterin die Beklagte ist. Die Beklagte war seit Jahren die Hausärztin des Klägers.

Am ... stellte sich der Kläger mit Schmerzen im linken Bein bei der Beklagten vor. Dabei ist streitig, ob sich der Kläger zuvor ohne Überweisung bei dem Orthopäden ... zur Abklärung der Beschwerden vorgestellt hatte (so die Beklagte) oder ob er von der Beklagten erst dorthin überwiesen wurde (so der Kläger).

Wegen Zunahme der Beschwerden in seiner Kniekehle wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte, die ihn zur Behandlung in die orthopädische Praxisklinik ... überwies. Am ... attestierte die Beklagte dem Kläger Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich ..., damit dieser einen Termin in der Praxisklinik...wahrnehmen konnte.

Im weiteren Verlauf wurde der Kläger in die ... eingeliefert. Dort wurde ein Neurinom (ein gutartiger Tumor) des Nervus tibialis im Bereich der linken Kniekehle diagnostiziert. Am... erfolgte die Resektion des Tumors in mikrochirurgischer Technik. Nach Abschluss der Behandlung fragte der zuständige Stationsarzt den Kläger, an welchen Arzt der noch zu verfassen Arztbericht geschickt werden solle, woraufhin der Kläger darum bat, den Arztbericht an die Beklagte als seine Hausärztin zu versenden.

Nachfolgend übersandte die... an die Beklagte einen Arzt- und Entlassungsbericht vom ... (GA Bl. 16 f.), der nachrichtlich auch an die orthopädische Praxisklinik ... sowie an das ... geschickt wurde. In diesem Bericht heißt es am Schluss:

"Empfehlung:

Ein Ergebnis der histologischen Untersuchung liegt leider noch nicht vor. Der Patient wird darüber gesondert informiert. Bei Auffälligkeiten im Bereich der OP-Wunde ist eine Wiedervorstellung des Patienten natürlich jederzeit bei uns möglich. Ansonsten bitten wir um Wiedervorstellung des Patienten zur postoperativen Verlaufskontrolle in ca. 6 Wochen in unserer NC-Ambulanz.

Wir danken Ihnen für die Überweisung des Patienten."

Sodann kontaktierte das... die Beklagte erneut mit Schreiben vom ... (GA Bl. 18), In diesem Schreiben, auf dem weitere Empfänger neben der Beklagten nicht angegeben waren, wurde auf Folgendes hingewiesen:

"Entgegen der vermuteten Diagnose eines Neurinoms stellt sich bei der Durchsicht der Präparate im Referenzzentrum ein maligner Nervenscheidentumor dar.

Wir bitten, den Patienten in einem Onkologischen Spezialzentrum (z.B. Universitätsklinik Düsseldorf) vorzustellen."

Eine Weiterleitung dieses Schreibens an den Kläger oder eine sonstige Information des Klägers durch die Beklagte erfolgte nicht.

Am ... stellte sich der Kläger erneut in der Praxis der Beklagten wegen einer Verletzung an der Hand vor. Hierbei kam das Gespräch auf die Frage der onkologischen Nachsorge des Nerventumors. Auf Veranlassung der Beklagten erfolgte sodann eine Weiterbehandlung und Diagnostik in der Universitätsklinik ...

In der Universitätsklinik ... wurde festgestellt, dass sich bei dem Kläger im Bereich der linken Kniekehle erneut ein Nervenscheidentumor gebildet hatte. Während stationärer Aufenthalte vom... bis ... und ... bis ... fanden zwei Operationen zur Behandlung von insgesamt drei rezidivverdächtigen Manifestationen in der linken Kniekehle statt.

Nachfolgend begab sich der Kläger in die Behandlung in der Universitätsklinik ... Dort wurde im Rahmen einer stationären Behandlung im Zeitraum vom ... bis zum ... eine Nachresektion des Tumors in der linken Kniekehle durchgeführt.

Im Zeitraum vom... bis ..., vom ... bis ...und vom ... bis zum ... war der Kläger arbeitsunfähig und bezog Krankengeld.

Der Kläger wirft der Beklagten eine unzureichende therapeutische Nachsorge vor.

Der Kläger behauptet, er habe eines Nachts Mitte des Monats Oktober ... derart starke Schmerzen in seiner linken Kniekehle gehabt, dass er in der Nacht das ... in ... aufgesucht habe. Von dort aus sei die Einlieferung in das ... Klinikum in ...erfolgt. Nach Abschluss der dortigen Behandlung sei ihm nicht gesagt worden, dass eine histologische Untersuchung durchgeführt werde. Er sei auch nicht darauf hingewiesen worden, dass er sich nach ca. sechs Wochen nochmals zur ambulanten Behandlung in die... begeben solle. Der Arzt- und Entlassungsbericht vom ... sei ihm nicht in Kopie übergeben worden.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte hätte ihn über den im ...estgestellten Befund des bösartigen Nervenscheidentumors sowie über die Notwendigkeit einer Bestrahlungstherapie zur Vermeidung einer Neubildung von Tumoren aufklären müssen. Sie hätte für die Nachbehandlung in einem onkologischen Spezialzentrum sorgen müssen.

Ferner behauptet der Kläger, er habe aufgrund der Diagnose Nervenscheidentumors Todesängste durchlitten. Ihm sei im ... empfohlen worden, das linke Knie zu amputieren. Auch nach den Folgeoperationen sei ihm nach wie vor kein schnelles Laufen möglich. Die Nerven seien anlässlich der Operationen durchtrennt worden. In dem Bereich vom linken Knie bis zum Fuß herunter habe er kein Gefühl mehr. Dort seien die Nerven infolge der durchgeführten Operationen dauerhaft geschädigt. Er sei in seinem Beruf als Kraftfahrer beeinträchtigt, weil ihm das Bedienen der Fußpedale deutlich schwerer falle. Es handele sich hierbei um einen Dauerschaden. Die drei Revisionsoperationen im ... wären vermeidbar gewesen, wenn er sich sofort einer onkologischen Nachbehandlung unterzogen hätte; es hätte sich dann kein erneuter Nervenscheidentumor gebildet. Sämtliche Folgeschäden wären hierdurch vermieden worden. Der Kläger hält daher ein Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 50.000,00 EUR für angemessen und erforderlich.

Ferner behauptet der Kläger, ihm sei während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit von 22 Tagen ein Verdienstausfall i.H.v. insgesamt ...entstanden. Ab Januar 2010 habe er ein monatliches Gehalt von...EUR brutto bzw. ... EUR netto verdient.

Ferner fordert der Kläger den Ersatz für - unstreitige - Zuzahlungen für Krankenhausaufenthalte i.H.v. insgesamt ...EUR, Praxisgebühren i.H.v. ... EUR, Physiotherapiebehandlungen i.H.v. ... EUR sowie eigene Fahrtkosten und Fahrtkosten seiner Lebensgefährtin i.H.v. insgesamt ... EUR sowie schließlich eine Auslagenpauschale i.H.v. ... EUR.

Weiter ist der Kläger der Ansicht, er müsse sich keinen Abzug i.H.v. 10 % vom Nettoeinkommen für ersparte berufsbedingte Aufwendungen anrechnen lassen, weil er - unstreitig - ausschließlich seine Fahrtkosten i.H.v. ... EUR pro Tag erspart habe. Auch könne er die Erstattung von Praxisgebühren verlangen, weil in den streitigen Zeiträumen - unstreitig - keinerlei andere ärztliche Behandlungen stattgefunden hätten. Gleiches gelte auch für die entstandenen Kosten der Physiotherapie.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ... EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem ... zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch einen Betrag i.H.v. 50.000,00 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem ...;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die infolge der im Monat Januar 2009 unterlassenen Aufklärung über die Notwendigkeit einer onkologischen Nachbehandlung bereits entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder auf sonstige Dritte übergegangen sind bzw. zukünftig übergehen;

4. die Beklagte zu verurteilen, ihn von dessen vorprozessualen Rechtsanwaltskosten der RA. ..., i.H.v. ...EUR, freizustellen.

Die Streithelferin des Klägers ist der Ansicht, die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche bestünden (abgesehen von einem Teil der vom Kläger geltend gemachten Fahrtkosten) zum größten Teil.

Sie beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ... EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem ...zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die infolge der im Monat Januar 2009 unterlassenen Aufklärung über die Notwendigkeit einer onkologischen Nachbehandlung bereits entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder auf sonstige Dritte übergegangen sind bzw. zukünftig übergehen;

4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von dessen vorprozessualen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwaltskanzlei... i.H.v. ... EUR, freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte stellt Behandlungsversäumnisse in Abrede.

Sie behauptet, die Praxisklinik ... habe den Kläger in die ... überwiesen. Der Kläger habe es trotz eindeutiger Information durch die Behandler in der...unterlassen, sich über das Ergebnis der noch ausstehenden histologischen Untersuchung zu informieren. Es sei auch davon auszugehen, dass der Kläger seitens des Klinikums in ... bzw. durch die orthopädische Praxisklinik... über das Ergebnis der histologischen Untersuchung in Kenntnis gesetzt worden sei.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Praxisklinik ... habe die Verantwortung für die weitere Behandlung aufgrund der Überweisung des Klägers übernommen. Der Arztbrief vom ... sei ihr lediglich zur Kenntnis übermittelt worden. Für sie habe als Allgemeinmedizinerin keine Veranlassung bestanden, sich in das Krankheitsgeschehen bzw. die Folgebehandlung einzubinden.

Weiter behauptet die Beklagte, der gravierende Behandlungsverlauf sowie die aufgetretenen Rezidive sei nicht Folge von Behandlungsversäumnissen, sondern dem eigenen Krankheitsrisiko des Klägers zuzuschreiben.

Schließlich ist die Beklagte der Ansicht, der Kläger müsse sich auf den Verdienstausfallschaden im Rahmen des Vorteilsausgleichs einen Abzug von 10 % des Nettoeinkommens anrechnen lassen. Er könne auch keine Erstattung von Zuzahlungen für stationäre Behandlungen verlangen, weil er während dieser Zeiträume Fahrtkosten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte erspart habe und darüber hinaus täglich kostenlose Mahlzeiten in Anspruch habe nehmen können. Ein Ersatz von Praxisgebühren sei nicht geschuldet, weil es sich um Kosten der allgemeinen Daseinsvorsorge ohne konkreten Bezug zu einer Behandlung handle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.

Unter dem Aktenzeichen 6 OH ...haben die Parteien vor dem Landgericht Mönchengladbach ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt. Das Gericht hat die Akte des Beweisverfahrens beigezogen und weiter Beweis erhoben durch die Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten vom ... (GA Bl. 185 ff.), ... (GA Bl. 195 ff.), ... (GA Bl. 261 ff.), ... (GA Bl. 303 ff.) und ... (GA Bl. 387 ff.) Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 611, 280 Abs. 1 i. V. m. §§ 249, 253 Abs. 2 BGB wegen unzureichender Sicherungsaufklärung auf Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. ...EUR, auf Zahlung weiteren materiellen Schadenersatzes i.H.v... EUR sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden auf der streitgegenständlichen Behandlung.

1.

Der Beklagten fällt eine grobe Verletzung der ärztlichen Pflicht zur therapeutischen Aufklärung zur Last. Dies begründet eine von der Beklagten zu vertretene Verletzung der im Rahmen des Behandlungsvertrags geschuldeten ärztlichen Sorgfalt.

a)

Auch nach vollständiger Beendigung des Heileingriffs muss der Arzt den Patienten eindringlich auf die Notwendigkeit von Kontrolluntersuchungen hinweisen, ihn gegebenenfalls auch über erforderliche Nachbehandlungen beraten und die zukünftigen Verhaltensmaßregeln erläutern (vgl. BGH NJW 1989, 2318; OLG Köln, NJW-RR 2001, 92; OLG Stuttgart, VersR 1995, 1353; BeckOK/Spindler, BGB, Edition 23, § 823, Rn. 685 m.w.N). Nach Entlassung aus einer Klinik sind die dort behandelnden Ärzte verpflichtet, in einem Arztbrief die besonderen therapeutischen Anforderungen darzulegen, wenn eine besondere ärztliche Überwachung erforderlich ist. Der nachbehandelnde Arzt hat eigenverantwortlich Diagnose und Therapiewahl zu überprüfen und für die weitere Behandlung zu sorgen (vgl. BeckOK/Spindler, § 823, Rn. 730 f.). Hingegen obliegt es nicht dem Patienten, sich selbst bei der Klinik zu informieren.

b)

Den vorbezeichneten Anforderungen hat die Beklagte in grob fehlerhafter Weise nicht genügt.

aa)

Vorliegend wies das ... mit Schreiben vom 09.01.2009 an die Praxis der Beklagten darauf hin, dass bei der histologischen Untersuchung der Präparate ein maligner Nervenscheidentumor gefunden worden sei, und bat darum, den Kläger in einem onkologischen Spezialzentrum vorzustellen. Dieser Arztbrief hätte der Beklagten Veranlassung dazu geben müssen, sich umgehend mit dem Kläger in Verbindung zu setzen, um diesen über den Befund zu informieren und auf die Notwendigkeit einer onkologischen Nachbehandlung hinzuweisen. Anders als im Falle des Arztbriefs vom ... war aus dem Schreiben vom... für die Beklagte nicht zu entnehmen, dass die orthopädische Praxisklinik ... und/oder das ... ebenfalls über den Tumorbefund informiert worden wären, weil diese nicht als Empfänger angegeben waren. Die Beklagte durfte sich deshalb nicht darauf verlassen, dass von dort aus die erforderliche Therapieempfehlung erfolgen würde. Aus dem Schreiben vom ... war auch nicht zu entnehmen, dass der Kläger bereits durch das ...über den Befund und die gebotene Therapie informiert worden wäre. Zwar war in dem vorangegangenen Arztbrief vom ... darauf hingewiesen worden, dass der Kläger "gesondert informiert" werde. Selbst wenn man dies so versteht, dass es zu diesem Zeitpunkt Absicht der Klinik war, den Kläger nach Vorliegen des histologischen Ergebnisses über dieses zu informieren, so bedeutete dies noch nicht, dass zu dem (späteren) Zeitpunkt des Vorliegens des Ergebnisses tatsächlich eine solche Information erfolgen würde, zumal der Arztbrief vom ... eben nur an die Beklagte adressiert war.

Zudem enthielt das - allein an die Beklagte gerichtete - Schreiben vom ...die klare Bitte, den Kläger in einem onkologischen Spezialzentrum vorzustellen. Auch hieraus musste sich für die Beklagte im Umkehrschluss aufdrängen, dass der Kläger selbst nicht über die Notwendigkeit einer Tumorbehandlung informiert worden war. Die Beklagte hätte sich auch angesichts dessen nicht darauf verlassen dürfen, dass der Kläger durch die ...informiert worden war.

Ebenso hätte sich die Beklagte nicht darauf verlassen dürfen, dass der Kläger durch die Streithelferin über das histologische Ergebnis und die sich daraus ergebende Notwendigkeit einer Tumorbehandlung informiert werden würde. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger - wovon nach der Auswertung aller Behandlungsunterlagen durch den Sachverständigen auszugehen ist - durch die Beklagte an die Streitverkündete, und von dieser in die stationäre Behandlung überwiesen worden war. Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass die medizinische Verantwortlichkeit für die Weiterbehandlung damit grundsätzlich auf die Streitverkündete übergegangen war, so war dennoch aus dem Arztbrief vom... wie ausgeführt nicht ersichtlich, dass dieser außer an die Beklagte noch an weitere Empfänger gerichtet gewesen (und versandt worden) wäre. Angesichts dessen, dass im Falle des vorherigen Arztbriefs vom ... ausdrücklich weitere (nachrichtliche) Empfänger genannt worden war, gab es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durch die ...und/oder die Streithelferin informiert würde.

Unter diesen Umständen hätte die Beklagte die dringende Verpflichtung gehabt, dem Kläger selbst zeitnah die notwendige therapeutische Aufklärung zukommen zu lassen. Die Beklagte hat dem Kläger allerdings erst im Mai ... die erforderliche Aufklärung zuteil werden lassen, was erheblich verspätet war.

Im Übrigen bestanden schon allein deshalb besondere nachvertragliche Verpflichtungen für die Beklagte, weil sie die langjährige Hausärztin des Klägers war. Insofern musste sie auch ohne Weiteres damit rechnen, dass der Kläger sie in der ... als nachbehandelnde Ärztin benennen würde, was zur Folge hatte, dass die Arztberichte an sie gerichtet würden.

Schließlich ergibt sich eine Verpflichtung der Beklagten, von dem Kläger Schäden durch eine entsprechende Sicherungsaufklärung abzuwenden, auch aus dem jedes ärztliche Handeln beherrschenden Grundsatz des "nihil nocere". Dieser führt dazu, dass ein Arzt die Augen vor einem gefährlichen Befund nicht verschließen darf, selbst wenn er vertraglich oder faktisch keine Behandlung eines Patienten übernommen hat (vgl. BGH NJW 1990, 772). Der Arztbrief vom ..., mit welchem seitens der ... die Diagnose eines malignen Tumors mitgeteilt wurde, hätte der Beklagten daher jedenfalls Anlass gegen müssen zu überprüfen, ob sich aus dem Brief entweder eine direkte Information des Klägers durch die ... oder zumindest die Information eines anderen Arztes (insbesondere der Praxisklinik ...) ergab. Da dies nicht der Fall war, durfte die Beklagte, unabhängig davon, durch wen vorliegend die Einweisung in die stationäre Behandlung erfolgt war, nicht darauf vertrauen, der Kläger werde von anderer Seite informiert werden. Sie wäre vielmehr verpflichtet gewesen, selbst eine entsprechende Information des Klägers sicherzustellen.

bb)

Eine Sicherungsaufklärung durch die Beklagte war auch nicht deswegen entbehrlich, bzw. ist nicht deswegen folgenlos geblieben, weil der Kläger tatsächlich bereits seitens des ...in ... bzw. durch die orthopädische Praxisklinik in... über das Ergebnis der histologischen Untersuchung und die notwendige Therapie in Kenntnis gesetzt worden wäre. Dies hat die Beklagte nicht nachgewiesen. Macht der Arzt geltend, eine an sich gebotene, unstreitig unterbliebene Sicherheitsaufklärung sei aus bestimmten Gründen nicht notwendig gewesen, beruft er sich auf einen Ausnahmetatbestand, für dessen Vorliegen er darlegungs- und beweisbelastet ist (vgl. OLG Köln, NJW-RR 2001, 92). Nach den Feststellungen des Sachverständigen... ist aus den Behandlungsunterlagen nicht ersichtlich, dass das ... den Kläger über den Befund eines malignen Nervenscheidentumors und die empfohlene Vorstellung in einem Spezialklinikums aufgeklärt hätte. Somit gelingt der Beklagte nicht der ihr obliegende Nachweis einer Voraufklärung des Klägers.

c)

Die unterlassene zeitnahe therapeutische Aufklärung durch die Beklagte stellt sich als grober Behandlungsfehler dar.

Grob fehlerhaft ist ein Organisations-, Diagnose- oder Behandlungsfehler, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. BGH NJW 1998, 814). So liegt ein schwerer ärztlicher Behandlungsfehler etwa dann vor, wenn der Patient über einen bedrohlichen Befund, der Anlass zu umgehenden und umfassenden ärztlichen Maßnahmen gibt, nicht informiert und ihm die erforderliche ärztliche Beratung versagt wird (vgl. BGH NJW 1989, 2318: Retikulumzellsarkom; OLG Köln, NJW-RR 2001, 92: Knoten in der Brust mit Wachstumstendenz).

Vorliegend handelte es sich bei dem Befund eines bösartigen Nervenscheidentumors ohne Zweifel um einen bedrohlichen Befund, der aufgrund der Rezidivgefahr eine umgehende onkologische Therapie erforderte. Entsprechend hat der Sachverständige ... ausgeführt, dass jeder in die Behandlung involvierte Arzt dem Patienten und dem Behandlungsteam relevante Befunde oder Therapieempfehlungen mitteilen müsse. Sofern ein relevanter Befund bzw. eine Therapieempfehlung nicht weitergeleitet würden, handele es sich um einen eindeutigen Verstoß gegen ärztliche Behandlungsregeln.

Die Feststellungen des Sachverständigen, denen sich die Kammer in freier Würdigung des Sach- und Streitstandes anschließt, lassen insofern (wie auch im Übrigen) keine logischen oder methodischen Fehler erkennen. Entgegen der Auffassung der Beklagten war es auch nicht erforderlich, ein Gutachten eines Allgemeinmediziners einzuholen. Denn es geht vorliegend nicht um Fragen, für deren Beantwortung medizinisches Fachwissen gerade einer bestimmten Fachrichtung erforderlich wäre. Die Verpflichtung, einen Befund wie den vorliegenden (jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen, dass nämlich andere Adressaten des Befundes nicht erkennbar sind) an einen Patienten weiterzuleiten bzw. den Patienten zu informieren, trifft jeden Arzt unabhängig von der praktizierten Fachrichtung.

Im Übrigen handelt es sich bei der Frage, ob ein grober Behandlungsfehler vorliegt, letztlich um eine Rechtsfrage, zu deren Beantwortung sich das Gericht nur dann überhaupt sachverständiger Hilfe bedienen muss, wenn die Qualifikation eines ärztlichen Verhaltens als grob oder lediglich einfach fehlerhaft gerade medizinisches Fachwissen (gegebenenfalls einer bestimmten Fachrichtung) voraussetzt. Dies war hier nicht der Fall. Auch daher bedurfte es zur Beantwortung der Frage nach einem groben Behandlungsfehler nicht der Einholung eines weiteren Gutachtens.

Aufgrund der unterlassenen Sicherungsaufklärung über den Tumorbefund kehrt sich deshalb zu Lasten der Beklagten die Beweislast hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität um. Der Sachverständige ... hat hierzu in seinem im selbstständigen Beweisverfahren vorgelegten Gutachten festgestellt, dass die Neubildung des Nervenscheidentumors möglicherweise vermeidbar gewesen wäre, wenn sich der Kläger bereits Anfang des Jahres -...einer onkologischen Nachbehandlung unterzogen hätte. Aufgrund der Beweislastumkehr ist daher davon auszugehen, dass im Falle einer onkologischen Nachbehandlung kein neuer Nervenscheidentumor aufgetreten wäre. Es gilt zudem die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens, d. h. die Vermutung, dass sich der Kläger bei entsprechender Therapieempfehlung in onkologische Nachsorge begeben hätte (vgl. zu alldem Staudinger/Hager, BGB, Neubearbeitung 2009, § 823, Rn. 29 m.w.N.).

2.

Nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen... und des Sachverständigen ..., denen sich das Gericht in freier Würdigung des Sach- und Streitstands vollumfänglich anschließt, hat der Kläger infolge des Wiederauftretens des Nervenscheidentumors erhebliche Gesundheitsschäden erlitten. Jedenfalls sind der Eintritt der Gesundheitsschäden und die Kausalität überwiegend wahrscheinlich i.S.d. § 287 ZPO.

Folge der Neubildung des Nervenscheidentumors (und damit des behandlungsfehlerhaften Verhaltens der Beklagten) waren dabei zunächst die dadurch notwendig gewordenen Folgeoperationen. Soweit die Beklagte hiergegen einwendet, die Folgeoperationen seien lediglich der Grunderkrankung bzw. Tatsache geschuldet gewesen, dass bei der Erstoperation in der ...der Tumor nicht ausreichend weiträumig reseziert worden sei, so verkennt sie, dass zum Zeitpunkt der Erstoperation noch von der Diagnose eine Neurinoms, d. h. eines gutartigen Tumors, ausgegangen wurde, und daher eine weiträumigere Resektion als erfolgt nicht geboten war. Sie verkennt zudem, dass im Rahmen der Folgeoperationen nicht lediglich die weiträumigere Resektion nachgeholt, sondern zwischenzeitlich aufgetretene, nach der Erstoperation nicht vorliegende Tumorrezidive entfernt wurden.

Zu den weiteren eingetretenen Beeinträchtigungen des Klägers hat der Sachverständige ... festgestellt, dass der Kläger unter einer leichtgradigen Schädigung eines Beinnerven, namentlich der peronealen Anteile des N. ischiadicus leide. Zum Zeitpunkt der Vorstellung habe sich ein verplumptes Hüpfen auf dem linken Bein und ein ebenso verplumptes Aufsetzen des linken Fußes beim Gehen als Ausdruck verminderter Kraft beim Heben des linken Fußes gezeigt. Die Kniebeugung linksseitig habe ebenso Krafteinschränkungen gezeigt. An Ober- und Unterschenkel habe ein Muskelabbau stattgefunden. Der Achillessehnenreflex linksseitig sei abgeschwächt. An der Unterschenkelaußenseite und im Bereich des Knöchels links zeige sich eine Sensibilitätseinschränkung. Darauf, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen retrospektiv nicht geklärt werden kann, ob die Schädigung durch den Tumor selbst oder durch die Operationen und die daraus resultierende Narbenbildung entstanden sind, kommt es dabei für die Ansprüche des Klägers nicht an, da die festgestellten Beeinträchtigungen in jedem Fall erst infolge des Wiederauftretens des Tumors eingetreten sind. Der Einwand der Beklagten, infolge der weiteren Operationen eingetretene neurologische Beeinträchtigungen seien lediglich auf die operationsbedürftige Grunderkrankung zurückzuführen, geht dabei fehl, weil wie ausgeführt die Folgeoperationen nicht zur Entfernung des bereits ursprünglich vorliegenden Tumors, sondern zur Entfernung der infolge des behandlungsfehlerhaften Verhaltens der Beklagten aufgetretenen Tumorrezidive durchgeführt wurden.

Weiter hat der Sachverständige ... festgestellt, dass durch die eingeschränkte Fähigkeit, den linken Fuß beim Gehen adäquat anzuheben, das Gehen für den Kläger zwar noch gut möglich, jedoch mit einer erhöhten Konzentration verbunden sei, um nicht am Boden hängenzubleiben oder zu stürzen, weil mit dem linken Bein ein anderer Bewegungsablauf vollzogen werden müsse. Durch die eingeschränkte Fähigkeit, den Fuß mit voller Kraft anzuheben, sei die Bedienung eines Fußpedals erschwert. Es liege eine Beeinträchtigung, jedoch keine Unmöglichkeit der Berufsausübung vor.

3. a)

Aufgrund der erlittenen Beeinträchtigungen hat der Kläger gemäß § 253 Abs. 2 BGB Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgelds in Höhe von...EUR.

Die Bemessung des Schmerzensgeldes erfolgt nach billigem Ermessen des Gerichts unter typisierender Einbeziehung vergleichbarer Fälle und unter Berücksichtigung der Genugtuungs- und der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes sowie der Art und Dauer der eingetretenen Folgen. Das Schmerzensgeld soll dem Geschädigten einen Ausgleich für die erlittenen Schmerzen und Leiden verschaffen und ihn in die Lage versetzen, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen, die die erlittenen Beeinträchtigungen jedenfalls teilweise ausgleichen.

Nach dieser Maßgabe trägt ein Schmerzensgeld in Höhe von ... EUR den Beeinträchtigungen des Klägers hinreichend Rechnung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gangbild des Klägers aufgrund der Schädigung der Beinnerven sichtbar beeinträchtigt, ihm andererseits aber das Gehen grundsätzlich noch gut möglich ist. Durch die beeinträchtigten Bewegungsabläufe besteht für den Kläger zudem eine erhöhte Verletzungsgefahr. Außerdem wird das Wohlbefinden des Klägers durch Sensibiltätseinschränkungen gestört. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Kläger sich drei Folgeoperationen zur Tumorresektion unterziehen musste und während dieser Zeit aufgrund des bösartigen Tumorbefundes zwangsläufig Angst um sein Leben haben musste. Dem (von der Beklagten bestrittenen) Umstand, dass dem Kläger zwischenzeitlich zu einer Amputation geraten worden sein soll, kommt dabei gegenüber der zwangsläufig mit einem bösartigen Tumorbefund verbundenen Existenzangst keine eigenständige, schmerzensgeldrelevante Bedeutung zu. Eine Beweisaufnahme zu dieser Frage war daher nicht geboten, zumal aufgrund des Behandlungsberichts der... vom ... (GA Bl. 135) jedenfalls davon auszugehen ist, dass mit dem Kläger über eine "radikale Vorgehensweise mit sicheren Defiziten postoperativ" gesprochen wurde.

Unter Berücksichtigung aller Umstände erscheint das zuerkannte Schmerzensgeld angemessen.

Die Schmerzensgeldbemessung steht im Einklang damit, dass in der Rechtsprechung in Fällen dauerhafter Gehbehinderungen und Nervenlähmungen bzw. Sensibilitätsstörungen in älteren Entscheidungen (aus den 1980er und 1990er-Jahren) vielfach Schmerzensgelder in einer Größenordnung zwischen 20.000,00 und 25.000,00 DM zugesprochen worden sind (vgl. OLG Köln, Urt. v. 11.11.1991, 27 W 36/91, VersR 1993, 53; OLG München, Urt. v. 04.06.1992, 1 U 6455/91, VersR 1992, 1266; LG München I, Urt. v. 26.04.1996, 10 O 25298/89, zit. in Beck’sche Schmerzensgeldtabelle, Nr. 2699). In weiteren Entscheidungen aus dem genannten Zeitraum wurde aufgrund dauerhafter Bewegungseinschränkungen an Knie und Fuß sowie entstellenden Narben, zwischenzeitlicher Amputationsgefahr und knapp zehnmonatiger stationärer Behandlung ein Schmerzensgeld von 30.000,00 EUR (OLG Hamm, Urt. v. 23.03.1998, 6 U 210/97, NJW-RR 1998, 1403) bzw. im Falle einer dauerhaften Gehbehinderung mit mehreren stationären Aufenthalten und berechtigter Amputationsangst ein Schmerzensgeld von 50.000,00 DM (vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 07.12.1987, 3 U 330/85, VersR 1989, 292, zugesprochen).

Unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Steigerung der Lebenshaltungskosten (und der daran anschließenden Tendenz in der Rechtsprechung zur Erhöhung der zugesprochenen Schmerzensgeldbeträge) sowie schmerzendgelderhöhend der zahlreichenden beim Kläger notwendigen Folgeoperationen, der mit dem Auftreten des Rezidivtumors notwendig verbundenen psychischen Belastungen sowie des groben Verschuldens der Beklagten erscheint das zugesprochene Schmerzensgeld von 30.000,00 EUR auch vor dem Hintergrund der genannten Vergleichsentscheidungen angemessen.

b)

Außerdem kann der Kläger gemäß § 249 BGB Ersatz für - unstreitige - Zuzahlungen für Krankenhausaufenthalte i.H.v. insgesamt 150,00 EUR, Praxisgebühren i.H.v. 30,00 EUR sowie Physiotherapiebehandlungen i.H.v. 49,20 EUR fordern. Der Sachverständige... hat hierzu festgestellt, dass die bezeichneten Kosten aufgrund der Neubildung des Nervenscheidentumors notwendig geworden seien.

In Bezug auf die Zuzahlungen für die stationären Aufenthalte sind dabei ersparte Fahrtkosten für den Weg zur Arbeitsstätte nicht in Abzug zu bringen, da diese Aspekt bereits im Rahmen des Verdienstausfallschadens berücksichtig wird (s. u. e)). Bezüglich der Praxisgebühren ist der Einwand der Beklagten, es habe sich um Sowieso- Kosten gehandelt, unbegründet. Denn die Beklagte hat den weiteren Vortrag des Klägers, er sei im fraglichen Zeitraum nicht anderweitig ärztlich behandelt worden (vgl. Schriftsatz vom 25.07.2012, S. 12, GA Bl. 92) nicht bestritten. Auch den weiteren Vortrag des Klägers (vgl. a.a.O), er habe sich ansonsten nicht in physiotherapeutischer Behandlung befunden und diese sei ausschließlich durch die erfolgten weiteren Operationen erforderlich geworden, hat die Beklagte nicht bestritten.

c)

Der Kläger kann ferner Fahrkostenersatz in Höhe von insgesamt 350,00 EUR verlangen.

Dabei besteht ein Anspruch des Klägers allerdings nur, soweit es um die Fahrten zu Nachbehandlungsterminen geht, nicht jedoch, soweit Fahrten der Lebensgefährtin des Klägers zu Besuchszwecken betroffen sind.

Zwar können Fahrtkosten naher Angehöriger für Krankenhausbesuche ebenfalls zu den Heilungskosten gehören, die der Geschädigte ersetzt verlangen kann (vgl. BGH NJW 1985, 2757, 1989, 766). Hierzu zählen auch die Fahrtkosten der Lebensgefährtin (vgl. LG Münster, NJW 1998, 1801). Der BGH hat diese Rechtsprechung jedoch später ausdrücklich dahingehend eingeschränkt, dass Fahrtkosten naher Angehöriger nur dann den vom Schädiger zu ersetzenden Heilungskosten des Geschädigten zuzuordnen sind, wenn die Besuche medizinisch notwendig und die Aufwendungen unvermeidbar sind. Aufwendungen für Krankenbesuche aufgrund enger persönlicher Verbundenheit ohne diese herausgehobene medizinische Notwendigkeit sind ungeachtet ihrer Erwünschtheit auch für das psychische und physische Befinden des Patienten selbst bei nächsten Angehörigen nicht erstattungsfähig (BGH NJW 1991, 2341). Zu einer solchen medizinischen Notwendigkeit und einer Unvermeidbarkeit der Kosten hat der Kläger nichts vorgetragen. Eines gerichtlichen Hinweises bedurfte es insofern nicht, da lediglich ein gerichtfügiger Teil der Klageforderung betroffen ist (vgl. Zöller/Greger, § 139 Rn. 8).

Soweit es um die Fahrtkosten für Nachbehandlungstermine geht, hat der Klägerschlüssig dargelegt, dass im Zuge der Nachbehandlung am ... im ... eine Sprechstunde stattgefunden habe. Außerdem hätten sechs weitere Termine für Nachsorgeuntersuchungen und Besprechungen mit dem Chefarzt stattgefunden. Die Fahrdistanz habe ...km für Hin- und Rückfahrt betragen. Im Anschluss an die stationäre Behandlung im ...(im Zeitraum vom ... bis ...und vom -... bis ...) hätten acht Nachsorgebehandlungen stattgefunden. Die Distanz betrage ... km für Hin- und Rückfahrt. Diese Angaben hat die Beklagte nicht substanziiert bestritten. Dass die Nachbehandlungen stattgefunden haben, ist im Übrigen unstreitig.

Orientiert an § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG ist nach § 287 ZPO ein Kilometersatz von 0,25 EUR anzusetzen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Auflage, § 249, Rn. 9). Es ergibt sich demnach folgende Rechnung:

7 Tage x 40 km x 0,25 EUR = 70,00 EUR

8 Tage x 140 km x 0,25 EUR = 280,00 EUR.

Insgesamt ergeben sich in der Summe Fahrkosten in Höhe von 350,00 EUR.

d)

Außerdem kann der Kläger eine allgemeine Auslagenpauschale in Höhe von 25,00 EUR geltend machen.

e)

Darüber hinaus kann der Kläger gemäß §§ 249, 252 BGB zwar grundsätzlich Ersatz seines Verdienstausfalls für die Zeiträume der aufgrund des Tumorrezidivs notwendig gewordener Nachbehandlungen verlangen. Im Ergebnis besteht jedoch ein Verdienstausfallschaden aus den folgenden Gründen nicht.

Aus dem von dem Kläger überreichten Verdienstbescheinigungen (Bl. 38 und 97 ff. GA) ist ersichtlich, dass er ab dem Monat ... ein monatliches Festgehalt in Höhe von... EUR brutto bzw. ... EUR netto bezogen hat. Die Beklagte hat den Verdienstausfallschaden zwar zunächst bestritten (vgl. Klageerwiderung vom 11.06.2012, dort S. 8, GA Bl. 78); den weiteren vom Kläger vorgelegten Gehaltsnachweisen über den Zeitraum ... bis ... (vgl. GA Bl. 98 ff.) ist die Beklagte jedoch nicht mehr entgegengetreten. Der klägerische Vortrag ist daher als unstreitig zu werten, § 138 Abs. 3 ZPO, zumal die Beklagte ihr Bestreiten lediglich damit begründet hatte, dass der Kläger zunächst nur einen Gehaltsnachweis für einen einzigen Monat vorgelegt hatte.

Die Berechnung des Klägers in der Klageschrift (vgl. GA Bl. 10) ist insofern zunächst im Ausgangspunkt zutreffend, soweit der Kläger seinen Netto-Arbeitslohn pro Tag berechnet, hiervon das im jeweiligen Zeitraum erhaltene Krankengeld abzieht und den errechneten, pro Tag entgangenen Lohn auf den jeweiligen Zeitraum hochrechnet. Die Berechnung ist allerdings insofern fehlerhaft, als der Kläger seinen Netto-Arbeitslohn pro Monat durch die Anzahl der Arbeitstage (22) teilt, hiervon aber das pro Kalendertag gezahlte Krankengeld in Abzug bringt. Zutreffend ist demgegenüber, das Netto-Einkommen durch die Anzahl der Kalendertage zu teilen und sodann von dem hierdurch berechneten Nettolohn pro Kalendertag das ebenfalls pro Kalendertag gezahlte Krankengeld in Abzug zu bringen. Bei einer durchschnittlichen Anzahl an Werktagen pro Monat von 30,5 ergibt sich ein Nettolohn von (... EUR : 30,5=)... EUR.

Demnach beziffert sich der Verdienstausfall zunächst wie folgt:

... bis ...:

...EUR pro Tag Arbeitslohn abzüglich ...EUR pro Tag Krankengeld =... EUR pro Tag Verdienstausfall x 5 Tage =...EUR

...bis ...:

-... EUR pro Tag Arbeitslohn abzüglich ... EUR pro Tag Krankengeld = ... EUR pro Tag Verdienstausfall x 39 Tage = ... EUR

... bis...:

... EUR pro Tag Arbeitslohn abzüglich ... EUR pro Tag Krankengeld = ... EUR pro Tag Verdienstausfall x 5 Tage = ... EUR.

Der entgangene Verdienst beträgt somit in der Summe ... EUR. Hiervon wären pro Tag ersparte Fahrtkosten in Höhe von ... EUR, d. h. bei 49 Tagen insgesamt ... EUR abzuziehen. Die ersparten berufsbedingten Aufwendungen können grundsätzlich gemäß § 287 ZPO pauschal auf 5% des monatlichen Nettoeinkommens (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 2011, 1152) geschätzt werden, was beim Kläger einem Betrag von etwa...EUR entspricht. Deshalb können die vom Kläger als täglich erspart angegebenen Fahrtkosten in Höhe von ... EUR als plausibel angenommen werden.

Damit verbleibt im Ergebnis kein Verdienstausfallschaden des Klägers.

f)

Somit summieren sich die bezifferten materiellen Schäden des Klägers wie folgt:

Zuzahlungen Krankenhaus .,...EUR

Praxisgebühren ... EUR

Physiotherapie ... EUR

Fahrtkosten ... EUR

Auslagenpauschale ..., EUR

Summe ... EUR

4.

Der Zinsanspruch folgt, soweit die Zahlungsansprüche des Klägers bestehen, aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich aufgrund des anwaltlichen Schreibens des Klägers vom 06.01.2012 (GA Bl. 50 ff.) spätestens seit dem 26.01.2012 in Verzug.

5.

Schließlich ist auch der Feststellungsantrag überwiegend zulässig und begründet. Wie der Sachverständige ... festgestellt hat, besteht zwar aktuell bei dem Kläger keine Krankheitsaktivität bezüglich des malignen Nervenscheidentumors. Allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass in Zukunft außer den bereits bestehenden Schäden weitere Schäden auftreten könnten.

Allerdings ist der Feststellungsantrag unbegründet, soweit er sich auf zukünftige, gegenwärtig bereits vorhersehbare immaterielle Schäden bezieht, da diese durch das zugesprochene Schmerzensgeld abgegolten sind.

6.

Die Ansprüche des Klägers sind schließlich auch nicht aufgrund eines Mitverschuldens zu kürzen (§ 254 BGB). Denn den Kläger traf keine Verpflichtung, von sich aus das Ergebnis der histologischen Untersuchung zu erfragen, zumal die Einlassung des Klägers, wonach er überhaupt kein Kenntnis von einer histologischen Untersuchung gehabt hat (vgl. Schriftsatz vom 25.07.2012, S. 5, GA Bl. 85), von der Beklagten nicht widerlegt werden konnte. Ebenso wenig hat... nicht darauf hingewiesen worden sei, dass er sich nach sechs Wochen erneut zur Nachbehandlung vorstellen solle. Der Kläger hat schließlich auch - entgegen dem Vortrag der Streitverkündeten zu 1. (...) im Schriftsatz vom ... - ausdrücklich bestritten, über den Inhalt des Arztbriefes vom 04.11.2008 informiert worden zu sein (vgl. Schriftsatz vom 29.07.2014, S. 3, GA Bl. 347). Soweit die Streithelferin hierzu behauptet (vgl. Schriftsatz vom ..., GA Bl. 350), der Arztbrief vom ... sei "entsprechend der ständigen Übung" mit dem Kläger besprochen worden, so ist der Vortrag zum einen unsubstantiiert, zum anderen fehlt es an einem Beweisangebot. Soweit die Streitverkündete zu 1. vorträgt, dem Kläger sei mitgeteilt worden, dass das Ergebnis der histologischen Untersuchung am Entlassungstag noch nicht vorgelegen habe (vgl. Schriftsatz vom 20.08.2015, GA Bl. 356), ist auch dies unsubtantiiert; der Vortrag erfolgt zudem erkennbar ins Blaue hinein. Schließlich fehlt es auch hier an einem tauglichen Beweisangebot, da die "..." als solche nicht zeugnisfähig ist. Im Übrigen ist der Vortrag der Streitverkündeten zu 1. bereits deswegen unbeachtlich ist, weil sie dem Rechtsstreit nicht beigetreten ist.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 79 ZPO.

Streitwert: ...EUR (Schmerzensgeld: ... EUR; weiterer materieller Schaden: ... EUR; Feststellung: ...EUR).

... ... ...