LG Bielefeld, Beschluss vom 15.03.2018 - 23 T 96/18
Fundstelle
openJur 2018, 7184
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. Rechtsbeschwerde
Tenor

Die Beschwerden des Betroffenen gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts M. vom 15.02.2018 werden zurückgewiesen.

Gründe

Der Betroffene leidet seit vielen Jahren unter einer schweren Alkoholkrankheit, die in den letzten Jahren immer wieder zu kurzen und längeren Aufenthalten in Kliniken geführt hat; so hat sich der Betroffene bei immer wieder auftretenden prolongierten Entzugskrampfanfällen teils so schwer verletzt, dass er operiert werden musste. So zeigte sich bei einem der letzten Unfälle dieser Art ein erhebliches neurologisches Defizit, ein Teil des Gehirns hatte sich aufgelöst.

Infolge einer Anregung der behandelnden Ärztin der Intensivstation vom 17.01.2017 wurde für den Betroffenen zunächst eine vorläufige umfassende Betreuung eingerichtet. Im Mai 2017 wurde schließlich der Beteiligte zu 2. zum neuen Betreuer des Betroffenen bestellt.

In den Jahren 2016 und 2017 befand sich der Betroffene jeweils ca. 20 bis 30 Mal in der Klinik, wobei im Jahre 2017 eine deutliche Zunahme der Aufenthalte festzustellen war.

Anfang Januar 2018 wurde der Betroffene mit einem Delir nach einem erneuten Krampfanfall mit schwerwiegenden Gedächtnisstörungen und Weglauf- und Verwahrlosungstendenzen in das Klinikum M. eingewiesen, eine Demenz bei langjähriger Alkoholabhängigkeit wurde festgestellt.

Unter dem 25.01.2018 erstattete der Facharzt Dr. K. auf Veranlassung des Amtsgerichts M. ein umfassendes nervenärztliches Gutachten zur Frage der langfristigen geschlossenen Unterbringung des Betroffenen, nachdem der Beteiligte zu 2. sowohl diese als auch die Einrichtung eines Einwilligungsvorbehalts für die Vermögenssorge beantragt hatte.

Ergänzend nahm der Sachverständige Dr. K. unter dem 07.02.2018 zum beantragten Einwilligungsvorbehalt Stellung.

Der Betroffene wurde am 15.02.2018 durch das Amtsgericht Lübbecke in Anwesenheit der Beteiligten zu 2. und 3., einer Stationsärztin sowie eines Mitarbeiters des Beteiligten zu 4. persönlich angehört.

Mit Beschlüssen vom 15.02.2018 hat das Amtsgericht Lübbecke zum einen die geschlossene Unterbringung des Betroffenen längstens bis zum 15.02.2019 genehmigt und zum anderen die bestehende Betreuung für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Regelung des Postverkehrs, Vermögensangelegenheiten sowie Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern um den Einwilligungsvorbehalt in Vermögensangelegenheiten erweitert.

Hiergegen richten sich die durch den Betroffenen persönlich eingereichten Beschwerden.

Das Beschwerdegericht hat den Betroffenen persönlich nach Übertragung auf die Einzelrichterin in Anwesenheit des Beteiligten zu 3. und der Stationsärztin N. am 12.03.2018 im Krankenhaus M. angehört. Am 13.03.2018 wurde der Betroffene in eine seiner Erkrankung entsprechende Wohneinrichtung in T. verlegt.

Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 15.02.2018, mit der die geschlossene Unterbringung des Betroffenen genehmigt wurde, ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig eingelegt worden.

Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet, weil die Voraussetzungen für eine Unterbringungsgenehmigung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfüllt sind.

Nach dieser Vorschrift ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit die Gefahr besteht, dass der Betroffene sich selbst tötet oder einen erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt und aufgrund seiner Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen kann.

Zwar sind Alkoholismus und sonstige Suchterkrankungen für sich gesehen keine psychische Krankheit bzw. geistige oder seelische Behinderung im Sinne der Norm, so dass allein hierauf die Genehmigung einer Unterbringung nicht gestützt werden kann. Ebenso wenig vermag die bloße Rückfallgefahr die Anordnung einer zivilrechtlichen Unterbringung zu rechtfertigen. Etwas anderes gilt aber, wenn die Sucht entweder im ursächlichen Zusammenhang mit einem geistigen Gebrechen steht, insbesondere einer psychischen Erkrankung, oder ein auf den Substanzmissbrauch zurückzuführender Zustand eingetreten ist, der das Ausmaß eines geistigen Gebrechens oder einer psychischen Erkrankung erreicht hat (BGH, NJW - RR 2015, 657).

Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. K. in Gesamtschau mit den Angaben der weiteren im Laufe des Verfahrens angehörten Psychiater bzw. auf dem Gebiet der Psychiatrie erfahrenen Ärzte liegt bei dem Betroffenen nicht nur eine langjährige und schwerste Alkoholabhängigkeit vor, vielmehr geht diese mit einem fortgeschrittenen Persönlichkeitsabbau einher, und es besteht der dringende Verdacht auf eine beginnende Alkoholdemenz in Form eines Korsakow-Syndroms. Hinzu kommt vor allem, dass der Betroffene in den letzten Jahren immer wieder prolongierte, epileptische Krampfanfälle im Zusammenhang mit Alkoholkonsum bzw. einer Entzugssymptomatik erlitten hat, die zu stundenlangen Bewusstlosigkeitszuständen und insbesondere auch zu schweren Stürzen geführt haben. So hatte sich das Gehirn bei einem Sturz so verschoben, dass eine Punktion erfolgen musste, und es zu einem teilweisen Abbau bzw. einer Auflösung von Gehirnmasse gekommen ist.

Dies hat unter anderem auch zu massiven Denkstörungen und dem Verlust des Kurzzeitgedächtnisses geführt.

Selbst wenn der Betroffene sich zwischenzeitlich - nach fast dreimonatigem Aufenthalt im Krankenhaus - wieder - nach Angabe der Ärzte überraschend gut - regeneriert hat, wie dies auch seine persönliche Anhörung durch das Beschwerdegericht ergeben hat, durchaus kommunikations- und diskussionsfähig geworden ist, so kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bereits zu irreversiblen Schäden gekommen ist. Darüber hinaus - und dies ist das größte Problem - ist wie die Vergangenheit gezeigt hat zwingend mit Rückfällen und erneuten schwersten Verletzungen zu rechnen, sollte der Betroffene in seine häusliche Umgebung zurückentlassen werden. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass er mit dieser auf sich selbst gestellten Situation alleine nicht zurechtkommt. Selbst wenn er größtes Vertrauen in die Hilfestellung seiner Tochter hegt, kann diese Rückfälle nicht ansatzweise vermeiden oder gar verhindern.

Wie in vergleichbaren Fällen durchaus typisch, bagatellisiert der Betroffene, nachdem er sich im Klinikum M. recht gut erholt hat, seine bestehende Erkrankung. Er ist zwar bereit, sich einer ambulanten Therapie zu unterziehen, dies reicht angesichts der eben gemachten Ausführungen jedoch keinesfalls aus, um ihn vor Rückfällen bzw. einem gegebenenfalls tödlichen weiteren Sturz zu bewahren. Die fehlende Fähigkeit, seinen Substanzkonsum zu unterlassen oder ausreichend zu steuern, hat sich in der Vergangenheit gezeigt, wurde auch durch die Ärztin N. bestätigt - der Betroffene ist insoweit in Bezug auf seine Erkrankung nicht mehr zu einer freien Willensbildung in der Lage. Daher ist eine langfristige geschlossene Unterbringung erforderlich, um einer erheblichen Lebens- und Gesundheitsgefährdung vorzubeugen. Insbesondere wird der Betroffene nicht mit gänzlich anders gelagerten psychiatrischen Fällen in einem Krankenhaus "verwahrt", sondern befindet sich zwischenzeitlich in einer für alkoholkranke Menschen mit Zusatzerkrankungen geeigneten Wohneinrichtung, die ihm im Übrigen auch persönlich zusagt.

Mildere Maßnahmen als eine geschlossene Unterbringung kommen auf Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht in Betracht, da sich der Betroffene außerhalb der Unterbringung - wie oben ausgeführt, - in vielfältiger Weise gefährden würde.

Ob - wie in der Einrichtung möglich - gegebenenfalls innerhalb der nächsten Monate gewisse Lockerungen möglich sein werden, ist derzeit nicht abzuschätzen und führt nicht zu einer Verkürzung der Unterbringungsfrist. Die verfahrensrechtlichen Vorschriften wurden eingehalten, insbesondere wurde ein fachärztliches Gutachten eingeholt und der Betroffene persönlich durch Amts- und Landgericht angehört, - und dies in Anwesenheit des Verfahrenspflegers.

Die Dauer der Genehmigung überschreitet nicht den gesetzlich zulässigen Zeitraum gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Die Unterbringung ist nach den fachärztlichen Ausführungen für die Dauer von mindestens einem Jahr erforderlich, um den Betroffenen durch eine langfristige Abstinenz und eine ausreichende körperlich und medizinische Versorgung insoweit zu stabilisieren, dass er dann gegebenenfalls in einem betreuten Rahmen außerhalb einer geschlossenen Einrichtung leben und versorgt werden kann.

Soweit sich der Betroffene mit seiner zweiten Beschwerde gegen die Erweiterung der Betreuung um den Einwilligungsvorbehalt in Vermögensangelegenheiten wendet, ist auch diese Beschwerde statthaft und in zulässiger Weise eingelegt worden.

Allerdings hat auch diese Beschwerde in der Sache keinen Erfolg, weil das Amtsgericht zu Recht einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet hat. Gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet das Betreuungsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt), soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist.

Diese Voraussetzungen sind ausweislich des ergänzenden Gutachtens des Sachverständigen Dr. K. vom 07.02.2018 gegeben, aus nervenärztlicher Sicht ist der Einwilligungsvorbehalt in Vermögensangelegenheiten unbedingt erforderlich. So würde die Nichtanordnung des Einwilligungsvorbehalts das laufende Insolvenzverfahren des Betroffenen gefährden.

Wie sich auch gegenüber dem Beschwerdegericht bei der Anhörung gezeigt hat, ist der Betroffene krankheitsbedingt nicht in der Lage, seinen Willen hinsichtlich der notwendigen Kontrolle über die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel frei zu bestimmen. So hat er in der Anhörung zwar diverse Ausführungen zu seinen Mitteln sowie dazu gemacht, dass der Staat für ihn nicht noch weitere Mittel aufwenden sollte. Allerdings folgt aus den Ausführungen des Beteiligten zu 2. bzw. auch schon des zunächst bestellten Betreuers, dass der Betroffene krankheitsbedingt die Übersicht über seine Zahlungsverpflichtungen verloren hatte, so dass es zu einem Verbraucherinsolvenzverfahren kam. Die Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Betreuer gestaltete sich zudem schwierig, da sich der Betroffene krankheitsbedingt nicht an die mit ihm getroffenen Absprachen hielt und immer wieder zusätzliche Tätigkeiten des Beteiligten zu 2. erforderlich wurden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde statthaft. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von 1 Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichung einer mit einer Begründung versehenen und unterschriebenen Beschwerdeschrift beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe einzulegen. Die Einlegung hat durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu erfolgen.

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