AG Geldern, Urteil vom 11.03.2015 - 4 C 608/13
Fundstelle
openJur 2018, 7407
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheits- leistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Umsatzsteuerbeträgen.

Die Klägerin und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin haben vor dem Landgericht Stuttgart drei Prozesse mit der Beklagten geführt (AZ.: 22 O 151/07, 22 O 461/11 und 22 O 462/11), in denen sie jedenfalls teilweise unterlegen sind.

In dem Verfahren 22 O 151/07 ging es um einen Deckungsprozess, der die Leistung aus einem Rechtsschutzversicherungsvertrag zum Gegenstand hatte, in den Verfahren 22 O 461/11 und 22 O 462/11 wandten sich die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter gegen Vollstreckungsmaßnahmen der Beklagten aus dem Deckungsprozess.

Infolgedessen ergingen insgesamt 3 Kostenfestsetzungsbeschlüsse zugunsten der Beklagten; aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.07.2011 ergab sich ein zu zahlender Umsatzsteuerbetrag von 608,19 € (Bl. 58 ff. GA), aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.08.2013 (AZ.: 22 O 461/11) ein zu zahlender Umsatzsteuerbetrag vom 390,06 € (Bl. 4 f. GA) und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.09.2013 (AZ.: 22 O 462/11) ein zu zahlender Umsatzsteuerbetrag von 385,23 € (Bl. 6 GA) (= Klageforderung i.H.v. 1.383,48 €).

Die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter haben die in den Kostenfestsetzungsbeschlüssen enthaltenen Umsatzsteuerbeträge unter Vorbehalt gezahlt, um eine Zwangsvollstreckung aus dem Titel zu vermeiden.

Die Klägerin meint jedoch, dass die Beklagte vorsteuerabzugsberechtigt sei, weswegen die Umsatzsteuer zu Unrecht festgesetzt und gezahlt worden sei.

Die Beklagte sei eine GmbH, deren Geschäftsgegenstand die Erbringung von Dienstleistungen sei, mit der Folge, dass eine Vorsteuerabzugsberechtigung bestehe.

In den späteren Prozessen sei es nicht um die Erbringung von Rechtsschutzleistungen aus dem Versicherungsvertrag gegangen, sondern um die Rechtmäßigkeit von der Beklagten durchgeführten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Die Beklagte sei demnach wirtschaftlich tätig geworden.

Der erste Prozess sei zwar ein Deckungsprozess gewesen, aber die Beklagte selbst sei kein Rechtsschutzversicherer, sondern gehöre lediglich zu einem Konzern, der Rechtsschutzversicherer ist (namentlich die ……………………………) ; die Beklagte selbst sei ein Dienstleister der Versicherung, der mit der Abwicklung von Schadensfällen befasst sei.

Die Beklagte habe wider besseren Wissens angegeben, dass ihr Umsatzsteuerbeträge zustehen. Der Klägerin stehe daher ein Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB zu.

Für den hiesigen Rechtsstreit hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin etwaige Erstattungsansprüche am 09.12.2013 sowie am 10.07.2014 an die Klägerin abgetreten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.383,48 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragt,

                            die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt zunächst die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts; sie meint, dass das Amtsgericht Stuttgart zuständig ist, weil dort die Beklagte ihren Sitz hat und dort auch der Erfüllungsort liege.

Darüber hinaus meint die Beklagte, dass die Klage unzulässig sei, weil die Kostenfestsetzungsbeschlüsse bereits rechtskräftig seien.

Im Übrigen sei in den Kostenfestsetzungsbeschlüssen die Umsatzsteuer zu Recht festgesetzt worden. Die Beklagte sei seit 2005 selbständiger Schadensregulierer für die …………………. (vormals …………………AG), mit der die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter einen Versicherungsvertrag geschlossen haben. Die …………………..sei Rechtsschutzversicherer. Bei einer sog. Deckungsklage des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer sei die Versicherung nicht vorsteuerabzugsberechtigt, und in den Prozessen sei es um Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gegangen. Gem. § 126 VVG bleibe stets die Versicherung Schuldner der Versicherungsleistung, auch wenn die Beklagte als Schadensregulierer eingesetzt werde und im Rechtsstreit als gesetzlicher Prozessstandschafter auftritt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Für den Rechtsstreit waren die Akten 22 O 151/07, 22 O 461/11 und 22 O 462/11 des Landgerichts Stuttgart, die Akten 7 U 15/08, 7 U 180/12 und 7 U 178/12 des Oberlandesgerichts Stuttgarts und die Akte IV ZR 188/08 des Bundesgerichtshofs beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Das Amtsgericht Geldern ist gem. §§ 32, 35 ZPO zuständig, da die Klägerin vorliegend schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk unerlaubten Handlung ergibt (vgl. Zöller-Vollkommer; ZPO, 30. Aufl. 2014, § 32 Rdnr. 19). Die Klägerin behauptet nämlich, dass in den Kostenfestsetzungsbeschlüssen infolge von wahrheitswidrigen Angaben der Beklagten zu Unrecht Umsatzsteuerbeträge festgesetzt worden seien, die sie zur Abwendung etwaiger Vollstreckungsmaßnahmen zunächst habe zahlen müssen.  Begehungsort ist als Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen worden ist, der Wohnort der Klägerin in …………., da sie von dort aus die streitgegenständlichen Zahlungen geleistet hat.

Die Vollstreckungsklage gem. § 767 ZPO ist vorliegend auch nicht vorrangig, da die Zwangsvollstreckung bereits beendet ist. Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung ist die Leistungsklage die statthafte Klageart, die auf Erstattung des zu Unrecht Empfangenen bzw. auf Zahlung eines Schadensersatzes gerichtet ist (sog. verlängerte Vollstreckungsgegenklage; vgl. Zöller-Herget, ZPO, 30 Aufl. 2014, § 767 Rdnr. 8). Die Nichterhebung der Vollstreckungsklage schließt die Erhebung der verlängerten Vollstreckungsklage nicht aus.

Der Klage fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis wegen der Möglichkeit nach § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO sofortige Beschwerde gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse zu erheben. Denn im Rahmen der sofortigen Beschwerde werden keine materiellrechtlichen Einwände geprüft.

2. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der gezahlten Umsatzsteuerbeträge in Höhe von 1.383,48 € aus § 823 Abs. 1 BGB, da die Umsatzsteuerbeträge in den streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschlüssen zu Recht festgesetzt worden sind. Es fehlt mithin sowohl an einer Verletzungshandlung als auch an einem Schaden.

Die Beklagte ist nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Zwar kann ein Unternehmer gem. § 15 Abs. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, aber die Unternehmer-Eigenschaft allein genügt nicht, eine Vorsteuerabzugsberechtigung anzunehmen (vgl. auch Beschluss des OLG Stuttgart vom 21.01.1999, AZ.: 8 W 483/98). Denn der Unternehmer ist nur für bestimmte steuerpflichtige Leistungen vorsteuerabzugsberechtigt.

Vorliegend geht es um die Frage, ob die in den Rechnungen der Prozessanwälte für die Verfahren 22 O 151/07, 22 O 461/11 und 22 O 462/1 enthaltenden Umsatzsteuerbeträge die Beklagte zum Vorsteuerabzug berechtigen.

Dies ist aber gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1UStG i.V.m. § 4 Nr. 10 a) UStG nicht der Fall. Denn in den Prozessen, in denen die Prozessanwälte der Beklagten tätig geworden sind, ging es um Ansprüche aus einem Rechtsschutzversicherungsvertrag und damit um steuerfreie Leistungen gem. § 4 Nr. 10 a) UStG. Umsatzsteuerfreie Leistungen berechtigen aber gerade nicht zum Vorsteuerabzug, vgl. § 15 Abs.2 Nr. 1 UStG.

Es ist dabei unerheblich, dass Partei des Rechtsstreits dabei nicht der Rechtsschutzversicherer selbst, sondern die Beklagte als selbstständiger Schadensregulierer war. Denn, dass die Klägerin ihre Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gegen die Beklagte geltend machen musste, ist allein Ausfluss des § 126 Abs. 2 S. 1 VVG. § 126 Abs. 2 S. 1 VVG schreibt nämlich vor, dass, wenn ein selbstständiges Schadensabwicklungsunternehmen mit der Leistungsbearbeitung beauftragt ist, Ansprüche aus einem Vertrag über eine Rechtsschutzversicherung nur gegen dieses geltend gemacht werden können.

Das bedeutet indes nicht, dass es dann nicht mehr um Leistungen aus dem Versicherungsvertrag geht. Dies stellt § 126 Abs. 2 S. 2 VVG klar, in dem es heißt, dass der im Rechtsstreit erstrittene Titel sodann für und gegen den Versicherer wirkt. Denn Schuldner der Versicherungsleistung bleibt der Versicherer; es handelt sich lediglich um eine gesetzliche Prozessstandschaft (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 28. Aufl. 2010, § 126 Rdnr 6,7).

Auch ist unerheblich, dass es in den Verfahren 22 O 461/11 und 22 O 462/11 streng genommen nicht mehr um Leistungen aus dem Versicherungsverhältnis ging, sondern um die Frage der Rechtsmäßigkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Denn die Vollstreckungsmaßnahmen waren solche zur Vollstreckung des Kostenfestsetzungsbeschlusses aus dem Deckungsprozess. Und die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen stellt lediglich einen Annex zum Hauptsacheprozess dar, mit der Folge, dass sie steuerrechtlich wie der Hauptsacheprozess zu behandeln sind.

3. Mangels Erfolgs des Hauptanspruchs hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen als Nebenforderung.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.383,48 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Kleve, Schloßberg 1 (Schwanenburg), 47533 Kleve, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Kleve zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Kleve durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Gegen diesen Beschluss ist die sofortige Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Geldern, Nordwall 51, 47608 Geldern, oder dem Landgericht Kleve, Schloßberg 1 (Schwanenburg), 47533 Kleve, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts einzulegen.

Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.

Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Geldern oder dem Landgericht Kleve eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.