BGH, Urteil vom 24.07.2018 - XI ZR 305/16
Fundstelle
openJur 2018, 133
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision des Klägers und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Juni 2016 mit Ausnahme der Entscheidung über die Zahlung von vorgerichtlichen Anwaltskosten nebst Zinsen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger verlangt nach Widerruf seiner auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung Zahlung eines von der Beklagten als Vorfälligkeitsentgelt einbehaltenen Betrags.

Am 12. Juli 2007 schloss der Kläger mit der Beklagten zum Zwecke der Modernisierung der Burg F. und Ablösung anderer Darlehen einen durch eine Grundschuld besicherten Verbraucherdarlehensvertrag über 475.000 € mit einem bis zum 5. Juli 2017 festgeschriebenen Zinssatz von 5,55% p.a. (Endziffer der Vertragsnummer: -212). Der Vertrag wurde in Anwesenheit beider Parteien in der Filiale der Beklagten geschlossen.

Dabei belehrte die Beklagte den Kläger über sein Widerrufsrecht wie folgt:

Im Jahr 2011 musste der Kläger zur Ablösung anderer fälliger Darlehen Ackerland verkaufen, das der Beklagten auch für das Darlehen mit der Endziffer -212 als Sicherheit diente. In einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 11. Oktober 2011 hielt die Beklagte eine Vereinbarung fest, nach der die Darlehen - unter anderem das Darlehen mit der Endziffer -212 - aus dem der Beklagten zufließenden Verkaufserlös für das Ackerland vorzeitig abgelöst werden sollten. Das Schreiben enthielt folgenden Hinweis:

"Zu den abzulösenden Darlehen Nummer [...]212 sowie [...]216 errechnen sich derzeit Vorfälligkeitsentgelte von ca. EUR 110.000,00. Dieser Betrag ist nicht verbindlich und ändert sich entsprechend der Schwankungen am Geld- und Kapitalmarkt."

Der Kläger unterzeichnete diese Vereinbarung am 16. November 2011. Nachdem die Beklagte den Verkaufserlös erhalten hatte, stellte sie die Darlehen zum 12. April 2012 fällig und berechnete für die vorzeitige Ablösung des Darlehens mit der Endziffer -212 ein Vorfälligkeitsentgelt in Höhe von 66.943,87 €.

Mit Anwaltsschreiben vom 4. August 2014 widerrief der Kläger seine auf Abschluss des Darlehensvertrags mit der Endziffer -212 gerichtete Willenserklärung und forderte die Beklagte auf, ihm den als Vorfälligkeitsentgelt einbehaltenen Betrag bis zum 13. August 2014 zu zahlen.

Seine auf Zahlung von 66.943,87 € nebst Zinsen sowie auf Zahlung vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten nebst Zinsen gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht im Beschlusswege gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Gründe

Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Sie führt in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Im Übrigen ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.

I.

Das Berufungsgericht (OLG Köln, Beschluss vom 20. Juni 2016 - 13 U 97/15, juris) hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - wie folgt begründet:

Dem Kläger stehe infolge des Widerrufs kein Anspruch auf Rückzahlung der "Vorfälligkeitsentschädigung" nach § 346 Abs. 1, § 355 Abs. 1, § 357 Abs. 1 Satz 1, § 495 Abs. 1 BGB aF zu. Zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung habe ihm ein Widerrufsrecht nicht mehr zugestanden. In dem hier vorliegenden Fall habe die Beklagte den Kläger hinreichend deutlich belehrt. Dies sei nicht allein anhand des Wortlauts der Erklärung, sondern unter Berücksichtigung des Vertragsverhältnisses der Parteien insgesamt zu beurteilen. Nach diesem Maßstab sei der Kläger ordnungsgemäß über die Dauer der Widerrufsfrist belehrt worden. Die für sich genommen mehrdeutige Fußnote nach dem Klammerzusatz "einem Monat" habe in der vorliegenden Konstellation offenkundig keine Bedeutung. Bei einem Präsenzgeschäft - wie hier - habe einem durchschnittlichen, juristisch nicht vorgebildeten Verbraucher klar sein müssen, dass die Widerrufsbelehrung nicht erst nach Vertragsschluss mitgeteilt worden sei bzw. habe mitgeteilt werden können. Der Kläger sei auch zutreffend über den Beginn der Widerrufsfrist unterrichtet worden. Bei einem Präsenzgeschäft habe einem durchschnittlichen Verbraucher klar sein müssen, dass es für den Fristanlauf ausschließlich auf den 12. Juli 2007 als Ereignistag ankomme. Die "Zuvielbelehrung" zu einem finanzierten Geschäft sei in der vorliegenden Konstellation ebenfalls unschädlich. Für einen mit den Umständen vertrauten, rechtlich nicht vorgebildeten, verständigen und redlichen Durchschnittskunden sei ohne weiteres erkennbar, dass ein finanziertes Geschäft hier nicht vorliege und die Belehrung auf seinen Fall nicht zutreffe.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt richtig erkannt, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags mit der Endnummer -212 am 12. Juli 2007 gemäß § 495 Abs. 1 BGB das Recht zustand, seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung gemäß § 355 Abs. 1 und 2 BGB in der hier nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2, §§ 32, 38 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung zu widerrufen.

2. Unzutreffend ist dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Widerrufsfrist sei am 4. August 2014 bereits abgelaufen gewesen.

a) Allerdings ist das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte hinreichend deutlich über die Länge der Widerrufsfrist belehrt hat. Wie der Senat nach Erlass des Zurückweisungsbeschlusses entschieden hat, kann ein durch objektive Auslegung ermittelter Belehrungsfehler entgegen der Annahme des Berufungsgerichts zwar nicht anhand des nicht in der Widerrufsbelehrung selbst in Textform dokumentierten Verständnisses der Parteien nach Maßgabe der besonderen Umstände ihrer Erteilung präzisiert werden (Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 381/16, WM 2017, 806 Rn. 16 ff., vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 24, vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 25, vom 21. November 2017 - XI ZR 106/16, WM 2018, 51 Rn. 14 und vom 20. Februar 2018 - XI ZR 127/16, juris Rn. 14). Das Berufungsgericht ist aber dennoch zum zutreffenden Ergebnis gelangt, weil nach objektiver Auslegung ein Belehrungsfehler nicht vorliegt. Nach der ebenfalls erst nach Erlass der angegriffenen Entscheidung ergangenen Senatsrechtsprechung macht der Verwender einer Widerrufsbelehrung mittels der erkennbar an den Verbraucher gerichteten Fußnote: "Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB [aF] einen Monat, wenn die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss in Textform dem Kunden mitgeteilt wird bzw. werden kann" im Anschluss an die Angabe "zwei Wochen (einem Monat)" ausreichend klar, von welchen Voraussetzungen die Geltung einer der beiden im Text alternativ genannten Fristen abhängt (Senatsurteile vom 14. März 2017, aaO Rn. 23, vom 28. November 2017 - XI ZR 432/16, WM 2018, 50 Rn. 8 und vom 20. Februar 2018 - XI ZR 127/16, juris Rn. 14 und - XI ZR 551/16, juris Rn. 11).

b) Das Berufungsgericht hat weiter zu Recht angenommen, dass die Belehrung nicht deshalb fehlerhaft ist, weil sie unter der Überschrift "Finanzierte Geschäfte" eine für sich zutreffende Sammelbelehrung für verschiedene Arten finanzierter Geschäfte enthält, obwohl verbundene Verträge nicht vorlagen (Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 906 Rn. 49 ff. und vom 28. November 2017 - XI ZR 432/16, WM 2018, 50 Rn. 10; Senatsbeschluss vom 24. Januar 2017 - XI ZR 66/16, WM 2017, 370 Rn 9 ff.).

c) Unzutreffend ist das Berufungsgericht aber davon ausgegangen, dass die Belehrung zum Fristbeginn den gesetzlichen Vorgaben entsprach. Mittels der Wendung "der schriftliche Vertragsantrag" brachte die Beklagte nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass Bedingung für das Anlaufen der Widerrufsfrist die Vertragserklärung des Klägers war (Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 381/16, WM 2017, 806 Rn. 13 ff. mwN, vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 24 und vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 21). Auf die Umstände der Erteilung der Belehrung kommt es, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, nicht an (Senatsurteil vom 21. Februar 2017, aaO Rn. 16 ff. und vom 21. November 2017 - XI ZR 106/16, WM 2018, 51 Rn. 14). Die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung kommt der Beklagten nicht zugute. Die Abweichungen der Belehrung gegenüber der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen, zwischen dem 8. Dezember 2004 und dem 31. März 2008 geltenden Fassung gingen über das Maß hinaus, das der Senat als für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädlich angesehen hat (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 20 ff.).

III.

Die angegriffene Entscheidung stellt sich nur insoweit aus anderen Gründen als richtig dar, als das Berufungsgericht die Berufung des Klägers hinsichtlich des Antrags auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen zurückgewiesen hat (§ 561 ZPO).

Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten zu. Aus Verzug kann der Kläger selbst dann Zahlung nicht verlangen, wenn sich der Darlehensvertrag aufgrund des Widerrufs in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt haben sollte. Da der zu diesem Zeitpunkt bereits mandatierte Rechtsanwalt namens und in Vollmacht des Klägers unter dem 4. August 2014 den Widerruf erklärt und der Beklagten bis zum 13. August 2014 Frist gesetzt hat, den als Vorfälligkeitsentgelt einbehaltenen Betrag zu zahlen, ist er, was aber Voraussetzung der Erstattungsfähigkeit wäre, nicht nach Eintritt des Schuldnerverzugs mandatiert worden (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 31). Der Kläger kann die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten auch nicht mit der Begründung verlangen, die Beklagte schulde ihm Schadensersatz, weil sie ihre Verpflichtung zur Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verletzt habe (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2017, aaO Rn. 34 f.) oder weil sie einen berechtigten Widerruf zurückgewiesen habe (vgl. Senatsurteil vom 19. September 2017 - XI ZR 523/15, juris Rn. 22). Der Zahlungsantrag zu den vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten ist daher, ohne dass es vorab eines Hinweises bedarf (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO), abweisungsreif.

IV.

Der Zurückweisungsbeschluss unterliegt insoweit der Aufhebung, als das Berufungsgericht die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts zum Vorfälligkeitsentgelt bestätigt hat (§ 562 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung hierzu (§ 563 Abs. 3 ZPO) ist dem Senat nicht möglich, so dass die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann einer tatrichterlichen Würdigung der für eine Subsumtion unter § 242 BGB maßgeblichen Umstände nicht vorgreifen (st. Rspr., vgl. zuletzt Senatsurteile vom 10. Oktober 2017

- XI ZR 393/16, WM 2017, 2247 Rn. 11 und vom 21. November 2017 - XI ZR 106/16, WM 2018, 51 Rn. 17). Das Berufungsgericht wird sich folglich mit dem Einwand der Beklagten zu befassen haben, der Ausübung des Widerrufsrechts des Klägers habe § 242 BGB entgegen gestanden (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 40 f. und - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 37, vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 Rn. 30 f. und vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 27 f.; Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17, WM 2018, 614 Rn. 10 ff.).

Ellenberger Maihold Matthias Derstadt Dauber Vorinstanzen:

LG Bonn, Entscheidung vom 27.05.2015 - 2 O 367/14 -

OLG Köln, Entscheidung vom 20.06.2016 - 13 U 97/15 -