LG Duisburg, Anerkenntnisurteil vom 08.02.2007 - 7 S 83/04
Fundstelle
openJur 2018, 7601
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 16 C 128/02
Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Grundurteil des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 16. März 2004 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird - soweit nicht bereits rechtskräftig über sie entschieden wurde - abgewiesen.

Die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Rechtszugs tragen der Beklagte zu 10 %, die Klägerin zu 90 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin allein.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche wegen der Falschbetankung eines Mietfahrzeuges geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Urteils der Kammer vom 24.08.2004, GA 166 f. Bezug genommen.

Mit Urteil vom 18.10.2006 hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung der Kammer aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Kammer zurückverwiesen, weil der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt sei. So habe die Klägerin ein Übernahmeprotokoll zur Akte gereicht (GA 160), aus dem sich ergebe, dass die Haftungsbeschränkung für den Fall grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz ausgeschlossen sei. Da diese Übernahmebestätigung aber offensichtlich auf andere Geschäftsbedingungen Bezug nehme als die, die die Klägerin vorgelegt habe, sei nicht auszuschließen, dass die Kammer zu einer anderen Entscheidung kommen könne.

Der Beklagte hat vorgetragen, dass die Klägerin die unklare Verweisung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die dem Beklagten nicht bekannt gewesen seien, gegen sich gelten lassen müsse, weil diese Unklarheiten ihr als Verwenderin der AGB anzulasten seien.

Der Beklagte beantragt,

das Grundurteil des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 16.03.2004 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit nicht die Berufung des Beklagten rechtskräftig zurückgewiesen wurde.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass die Übernahmebestätigung zwar auf AGB Bezug nehme, die nicht Gegenstand der Vertragsverhandlungen gewesen seien. Allerdings gebe die entsprechende Bestimmung in dem Übergabeprotokoll ausdrücklich an, dass hier eine Abänderung der vereinbarten Haftungsbeschränkung gewollt sei, so dass auch durch den allein hinsichtlich der Bezifferung unklaren Verweis auf die dem hiesigen Vertrag gleichlautende Geschäftsbedingung eine Unklarheit für den Kunden nicht entstehe.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat - soweit über sie noch nicht rechtskräftig entschieden wurde - in der Sache Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Gründe des Urteils vom 24.08.2004 verwiesen. Danach ist davon auszugehen, dass in dem Vertrag eine Begrenzung der Haftung auf 650,- DM vereinbart wurde, ohne dass es darauf ankommt, ob der eingetretene Schaden auf grober Fahrlässigkeit beruht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin vorgelegten Übernahmebestätigung vom 31.10.2001. Soweit im Übergabeprotokoll vom 31.10.2001 eine Erweiterung der Haftung über den Mietvertrag hinaus vereinbart wird, ist diese Klausel als unklare Regelung unwirksam und damit unbeachtlich. Zudem stellt sich die Klausel auch als überraschende und damit unwirksame Regelung nach § 3 AGBG dar.

Die Klausel ist nach § 5 AGBG als unklare Regelung unbeachtlich, weil sie auf einen in "Paragraph VIII der Geschäftsbedingungen" vereinbarten Haftungsausschluss Bezug nimmt. Weder der vorgelegte Mietvertrag noch die dem Vertragsschluss unstreitig zugrundeliegenden AGB enthalten aber einen Paragraphen VIII, in dem die Haftungsreduzierung vereinbart wird, so dass für den Kunden unklar bleibt, auf welche Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sich das Protokoll in welchem Umfang beziehen soll. Unstreitig lagen die in Bezug genommenen AGB der Fa. T AG aber dem Beklagten bei Vertragsschluss nicht vor.

Eine hinreichende Klarstellung, die dazu führt, dass § 5 AGBG nicht anwendbar ist, ergibt sich auch nicht daraus, dass das Übergabeprotokoll in der Klausel auch sprachlich auf das Problem der Haftungserweiterung verweist und dem Umstand, dass die vertraglich vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Haftung und die Klausel in Paragraph VIII in Bezug genommenen Geschäftsbedingungen wortgleich sind. Der letztgenannte Umstand ist nämlich für den Kunden bei Unterzeichnung des Übergabeprotokolls gerade nicht ersichtlich, so dass für ihn bei Vertragsschluss nicht eindeutig nachvollziehbar ist, in welcher Weise Übergabeprotokoll und abgeänderte Klausel in ihrem Gesamtzusammenhang zu verstehen sind. Derartige Unklarheiten gehen aber grundsätzlich zu Lasten des Verwenders, der es durch eine entsprechende Ausgestaltung seiner Geschäftsbedingungen in der Hand hat, für eindeutige und damit wirksame Vereinbarungen zu sorgen.

Im Übrigen ist die Klausel im Übergabeprotokoll, durch die eine Haftungserweiterung ausgesprochen wird, auch nach § 3 AGBG als überraschende Klausel unwirksam.

Eine ungewöhnliche Klausel liegt nach § 3 AGBG vor, wenn sich die Klausel nicht mit dem Leitbild des Vertrages, dem Ablauf der Vertragsverhandlungen oder dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages in Einklang bringen lässt. Nicht erforderlich ist, dass die Klausel gegen die Vorschriften der §§ 9 f. AGBG verstößt (vgl. Palandt/Heinrichs 61. Auflage § 3 AGBG Rn. 2). Hinzukommen muss ein Überraschungsmoment, d.h. die Klausel muss dergestalt vom zu erwartenden Vertragsinhalt abweichen, dass der andere Teil nicht mit ihr zu rechnen braucht. Dabei kommt es insbesondere auch auf die Erkenntnismöglichkeiten der Partei an. Der Klausel muss ein "Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt" innewohnen (vgl. Palandt/Heinrichs § 305 c Rn.3 mit weiteren Nachweisen).

Danach ist vom Vorliegen einer überraschenden Klausel durch die Vereinbarung einer Haftungserweiterung in dem Übergabeprotokoll auszugehen. Die Übernahmeerklärung vom 31.10.2001 stellt sich ihrem Inhalt nach vorrangig als Abnahmebestätigung dar, durch die der Beklagte die Übernahme des Fahrzeuges und dessen Schadensfreiheit bestätigte. Dies ergibt sich bereits aus der Überschrift sowie den ersten Absätzen des Textes, in denen die ordnungsgemäße Übergabe bestätigt wird und die Möglichkeit besteht, in vorgefertigten Zeichnungen etwaige Schadenszonen einzuzeichnen.

Zwar ist in dem weiteren Text des Übernahmeprotokolls mittig die Erklärung zur Haftungserweiterung eingebracht. Die Klausel ist jedoch aufgrund des Zusammenhangs überraschend, weil zwar durch Fettdruck hervorgehoben wird, dass eine Änderung der Regelung zur Haftungsreduzierung vereinbart werden soll, diese dann aber inhaltlich nur in einem Nebensatz ohne besondere Hervorhebung aufgeführt wird. Die Klausel ist zudem an dieser Stelle als überraschend anzusehen, weil der Kunde im Hinblick auf Überschrift und Inhalt des oberen Abschnitts an dieser Stelle gerade nicht damit rechnet, dass grundsätzliche vertragliche Inhalte vereinbart werden sollen. Zudem wird durch die Klausel die im eigentlichen Mietvertrag enthaltene Haftungsregelung dem Inhalt nach aus Sicht des Kunden in ihr Gegenteil verkehrt, was für diesen ebenfalls überraschend ist.

In einem mit Übergabeprotokoll/Anlage zum Mietvertrag überschriebenen Dokument muss der Kunde aber nicht mit Regelungen rechnen, die den Inhalt des Mietvertrages wesentlich modifizieren (so auch Kammer, Urteil vom 11.06.2004,7 S 41/04, nicht veröffentlicht).

Danach ist aber von einer Wirksamkeit der Haftungsbegrenzung in dem Vertragsformular auszugehen, so dass die Klage, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie entschieden wurde, abzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.