Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 06.03.2007 - 10 WF 267/06
Fundstelle
openJur 2012, 5603
  • Rkr:
Tenor

Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.

Es werden monatliche Raten von 60 Euro festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Die Antragstellerin hat unter Berücksichtigung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht, wie vom Amtsgericht angenommen, monatliche Raten von 155 Euro zu zahlen. Vielmehr sind lediglich Monatsraten von 60 Euro festzusetzen.

1.

2Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die Kreditrate in Höhe von 100,10 Euro monatlich abzugsfähig. Verbindlichkeiten, die schon begründet wurden, bevor der Rechtsstreit absehbar war, sind grundsätzlich berücksichtigungsfähig. Verbindlichkeiten, die bereits in Kenntnis des bevorstehenden oder gar rechtshängigen Prozesses eingegangen sind, können abgesetzt werden, wenn sie unabwendbar notwendig waren (OLG Köln, MDR 1995, 314; OLG Koblenz, MDR 1992, 80; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 115, Rz. 37; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 27. Aufl., § 115, Rz. 14; Saenger/Rathmann/Pukall, ZPO-Handkommentar, § 115, Rz. 26; Johannsen/Henrich/Thalmann, Eherecht, 4. Aufl., § 115 ZPO, Rz. 48; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz. 237). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die von der Antragstellerin geleisteten Kreditraten von ihrem einzusetzenden Einkommen abzuziehen.

Die Antragstellerin hat entsprechend der gerichtlichen Auflage im Beschwerdeverfahren dargelegt und belegt, dass im November 2003, und damit noch vor der Trennung der Parteien, bei der B. Sparkasse ein Dispositionskredit in Höhe von 4.500 Euro offen war, der im April 2006 ausgeglichen worden ist. Im März 2006 ist die Antragstellerin, wie sie weiter belegt hat, mit Wirkung ab April 2006 eine Kreditverpflichtung bei der I. in Höhe von 5.000 Euro nebst Zinsen und Restschuldversicherung eingegangen und hat hiermit den Dispositionskredit, der aus der Zeit vor der Trennung der Parteien stammt, ausgeglichen. Hinsichtlich der überschießenden Kreditsumme von 500 Euro hat sie angegeben, dringend notwendige Renovierungsarbeiten in ihrer Wohnung durchgeführt zu haben. Vor diesem Hintergrund ist die Kreditrate von 100,10 Euro monatlich in vollem Umfang abzugsfähig.

2.

Berufsbedingte Aufwendungen sind in einer Höhe von 208 Euro vom Einkommen der Antragstellerin abzuziehen.

Obwohl die Antragstellerin in ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse monatliche Fahrtkosten von ca. 310 Euro angegeben hat, hat das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss nur sonstige Werbungskosten in einem Umfang von 5 % des Nettoeinkommens und damit in Höhe von 66,18 Euro angenommen. Ein solcher pauschaler Abzug von 5 %, wie er im Unterhaltsverfahren üblich ist (vgl. Nr. 10.2.1 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2005), findet, bezogen auf die Ermittlung des nach § 115 Abs. 1 ZPO einzusetzenden Einkommens im Gesetz keine Stütze (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rz. 258; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 115, Rz. 40; Schürmann, FuR 2006, 14, 15; a. A. OLG Bamberg, JurBüro 1988, 95, 96; JurBüro 1990, 1644, 1645; OLG Celle, JurBüro 2006, 262; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl., § 115, Rz. 6; Musielak/Fischer, ZPO, 5. Aufl., § 115, Rz. 15). Insoweit kommt nur eine Berücksichtigung der tatsächlichen mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben in Betracht, § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII. Diese betragen hier 208 Euro.

Soweit es Fahrtkosten betrifft, die hier von der Antragstellerin allein geltend gemacht werden, ist die Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII heranzuziehen (zur Frage der Bindung an diese Verordnung im Prozesskostenhilfeverfahren vgl. Stein/Jonas/Bork, a.a.O., § 115, Rz. 40; Schoreit/Dehn, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe, 8. Aufl., § 115 ZPO, Rz. 158 einerseits und Schürmann, FuR 2006, 14, 15; Künzl/Koller, Prozesskostenhilfe, 2. Aufl., Rz. 112 andererseits), sodass nach § 3 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 a dieser Verordnung 5,20 Euro für jeden vollen Kilometer, den die Wohnung von der Arbeitsstätte entfernt liegt, anzusetzen sind, jedoch für nicht mehr als 40 Kilometer (so auch OLG Zweibrücken, FamRZ 2006, 799; OLG Koblenz, FuR 2006, 323; Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 23.1.2004 - 2 Ta 6/04 -, veröffentlicht bei Juris; Saenger/Rathmann/Pukall, a.a.O., § 115, Rz. 15; siehe auch OLG Frankfurt, FamRZ 1990, 1011, wonach eine Erhöhung der damals geltenden Pauschale von 10 DM/Entfernungskilometer auf 14 DM/Entfernungskilometer angemessen sei). Ein Ansatz von 0,25 Euro je gefahrenen Kilometer, wie er im Unterhaltsrechtsstreit in Anlehnung an § 5 Abs. 2 JVEG beispielsweise nach Nr. 10.2.2 der genannten Unterhaltsleitlinien vorgesehen ist, scheidet aus (a. A. OLG Karlsruhe, FamRZ 2005, 465; OLG Koblenz, MDR 2002, 965). Angesichts der Bezugnahme in § 115 Abs. 1 ZPO auf das Sozialhilferecht und im Hinblick darauf, dass die genannte Verordnung durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) mit Wirkung zum 1.1.2005 reformiert worden ist, indem sie nun nicht mehr auf § 76 BSHG, sondern auf § 82 SGB XII Bezug nimmt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Fahrtkostenpauschale in der Verordnung als überholt anzusehen ist (a. A. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rz. 258; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl., Rz. 80; vgl. auch Zöller/Philippi, a.a.O., § 115, Rz. 25). Soweit der Senat in der Vergangenheit eine andere Auffassung vertreten hat, gibt er diese hiermit auf (anders auch noch FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 230).

Im Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin den einfachen Weg zur Arbeit unter Bezugnahme auf den Computerausdruck eines Routenplaners mit 59 km angegeben. Nach der genannten Verordnung höchstens berücksichtigungsfähig sind 40 km. Bei einer Kilometerpauschale von 5,20 Euro je Entfernungskilometer ergeben sich somit berücksichtigungsfähige Fahrtkosten von 208 Euro. Über die vom Amtsgericht berücksichtigten Werbungskosten von 66,18 Euro hinaus sind somit weitere berufsbedingte Aufwendungen von 141,82 Euro (= 208 Euro - 66,18 Euro) abzugsfähig.

3.

Nach dem angefochtenen Beschluss hat die Antragstellerin ein Einkommen von 420 Euro einzusetzen. Zieht man hiervon nun die Kreditrate mit 100,10 Euro und die zusätzlichen berufsbedingten Aufwendungen mit 141,82 Euro ab, ergibt sich ein einzusetzendes Einkommen von 178,08 Euro. Nach der Tabelle in § 115 Abs. 2 ZPO sind somit monatliche Raten von 60 Euro festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird im Hinblick auf die unterschiedlichen in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen zur Berücksichtigung der Fahrtkosten im Prozesskostenhilfeverfahren zugelassen, § 574 Abs. 1, 2 ZPO.

Die für den Antragsgegner bestimmte Ausfertigung dieses Beschlusses enthält die Ausführungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragstellerin mit Rücksicht auf § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht (vgl. Senat, JurBüro 2000, 366; FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 177).