Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 22.04.2005 - 2 ME 141/05
Fundstelle
openJur 2012, 42834
  • Rkr:

1. Zur Bedeutung des strukturierten Auswahlgesprächs als leistungsbezogene Erkenntnisquelle bei der Besetzung eines (herausgehobenen) Richteramtes.

2. Zur Bedeutung langer Krankenfehlzeiten für die Auswahlentscheidung.

Gründe

Die Beschwerde, mit der sich die Antragstellerin gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 17. Januar 2005 wendet, in der es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, zu ihren Gunsten eine einstweilige Anordnung zur Sicherung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs auf Freihaltung der von dem Antragsgegner für den Beigeladenen vorgesehenen Stelle als Direktor des Arbeitsgerichts C. (Besoldungsgruppe R 2 mit Amtszulage) zu erlassen, bleibt erfolglos. Denn nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens ist es der Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren nicht gelungen, glaubhaft zu machen, die von dem Antragsgegner zu Gunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung sei fehlerhaft zustande gekommen, so dass ihr ein Anordnungsanspruch dahingehend zusteht, dass die für den Beigeladenen vorgesehene Direktorenstelle weiter freigehalten wird.

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 17. Januar 2005 muss erfolglos bleiben. Denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs zur Sicherung eines der Antragstellerin zustehenden Bewerbungsverfahrensanspruchs fehlt; auch im Beschwerdeverfahren ist es der Antragstellerin nicht gelungen, wie dies aber für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. den §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO erforderlich gewesen wäre, glaubhaft zu machen, dass bei der Besetzung der umstrittenen Direktorenstelle ein ihr etwa zustehender Anspruch auf verfahrens- und ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung verletzt wäre und daher sicherungsbedürftig ist.

31.1 Der Senat kann in diesem Verfahren offen lassen, ob bei der Besetzung von Richterstellen, wie das Verwaltungsgericht in Anlehnung an die Rechtsprechung des auch für das öffentliche Dienstrecht zuständigen 5. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 18.6.1993 - 5 M 1488/93 -, DVBl. 1993, 959f. u. Beschl. v. 23.8.1994 - 5 M 4246/94 -) unter Berufung auf die für Richterstellen generell bestehende Ausschreibungspflicht (s. § 1 a NdsRiG) meint, von dem Antragsgegner im Rahmen seiner Auswahlentscheidung der Leistungsgrundsatz (die sogenannte Bestenauslese) nach Art. 33 Abs. 2 GG ausnahmslos berücksichtigt werden muss und damit auch im Falle einer Versetzungsbewerberin wie der Antragstellerin im Verhältnis zu einem Beförderungsbewerber wie dem Beigeladenen uneingeschränkt zu beachten ist. Der Senat hat für Fälle, in denen Versetzungs- und Beförderungsbewerber um einen beamtenrechtlichen Dienstposten miteinander konkurrieren, entschieden, dass der Versetzungsbewerber in dem entsprechenden Konkurrentenstreitverfahren im Verhältnis zu dem Beförderungsbewerber nicht die fehlende Einhaltung des Leistungsgrundsatzes rügen kann (Beschl. v. 4.11.2004 - 2 ME 1243/04 -, NdsVBl. 2005, S. 73). Entsprechende Überlegungen könnten auch für die Besetzung von Richterstellen angezeigt sein. Denn allein die Tatsache, dass eine neu zu besetzende Richterstelle und damit auch ein herausgehobener richterlicher Dienstposten stets auszuschreiben ist, dürfte für sich genommen noch nichts darüber aussagen, dass eine solche Stelle, für die neben Beförderungs- auch Versetzungsbewerber konkurrieren, nur nach dem Leistungsgrundsatz besetzt werden darf und ein dem Dienstherrn zustehendes und unter Berücksichtigung personalwirtschaftlicher oder organisatorischer Aspekte pflichtgemäß auszuübendes Auswahlermessen ausscheidet. Diese Überlegungen bedürfen hier indes keiner weiteren Vertiefung, weil die umstrittene Auswahlentscheidung des Antragsgegners in dem zur Entscheidung anstehenden Konkurrentenstreit schon deshalb anhand des Leistungsgrundsatzes zu überprüfen ist, weil der Antragsgegner selbst seine Auswahlentscheidung nach diesen Maßstäben getroffen hat; in diesem Falle muss sich aber die gerichtliche Überprüfung auch an diesem Grundsatz ausrichten (OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 19.12.1996 - 10 B 13120/96 -, NVwZ-RR 1997, 369; OVG Schleswig, Beschl. v. 2.9.2002 - 3 M 36/02 -, NordÖR 2002, 82), selbst wenn die Entscheidung über die Besetzung einer (herausgehobenen) Richterstelle wie eine Beamtenstelle im Falle einer Versetzung (vgl. hierzu den Beschl. des Senats v. 4.11.2004, aaO) - grundsätzlich - nicht dem Leistungsgrundsatz unterliegen sollte.

1.2 Die somit an der Bestenauslese auszurichtende Auswahlentscheidung des Antragsgegners - zu Gunsten des Beigeladenen - ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht ermessensfehlerhaft ergangen.

51.2.1 Auswahlentscheidungen unterliegen als Akt wertender Erkenntnis lediglich einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Die gerichtliche Nachprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder Richtlinien verstoßen hat (st. Rspr. des Nds. OVG, s. etwa die Beschl. v. 17.1.2002 - 2 MA 3800/01 -, v. 23.8.2002 - 5 ME 121/02 - und v. 5.6.2003 - 2 ME 123/03 -, NdsVBl. 2003, 238 = NordÖR 2003, 311(312f.)). Dem bei der Auswahlentscheidung zu beachtenden Grundsatz der Bestenauslese entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes der konkurrierenden Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Dies sind grundsätzlich die aktuellsten dienstlichen Beurteilungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.2.2003 - BVerwG 2 C 16.02 -, NVwZ 2003, 1397 = IÖD 2003, 170 = BayVBl. 2003, 693 u. Nds. OVG, Beschl. v. 13.4.2005 - 5 ME 29/05 -), denen im Regelfall eine besondere Bedeutung zukommt (Nds. OVG, Beschl. v. 13.4.2005 - 5 ME 29/05 -); denn sie beschreiben für die zu treffende Auswahlentscheidung zeitnah, ob der jeweilige Bewerber nach Leistung, Befähigung und Eignung für die zu besetzende Stelle in Betracht kommt. Ergibt der Vergleich der aktuellen Beurteilungen, dass die konkurrierenden Bewerber die gleiche Gesamtnote aufweisen und sind die Bewerber daher im Wesentlichen gleich beurteilt worden, so ist im Regelfall für die Auswahlentscheidung auf weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Bei diesen (leistungsbezogenen) Kriterien kann es sich etwa um ältere dienstliche Beurteilungen (Nds. OVG, Beschl. v. 5.6.2003, aaO., S. 313) oder um den Umstand handeln, dass einer der Bewerber im Vergleich zu den übrigen Bewerbern ein höherwertiges Statusamt bekleidet und eine höherwertige Funktion ausübt (Nds. OVG, Beschl. v. 18.6.1993, aaO, S. 960 u. Beschl. v. 22.7.1993 - 5 M 2913/93 -).

1.2.2 Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat die Antragstellerin eine Verletzung ihrer Rechte, die die von ihr erstrebte Freihaltung der Stelle einer Direktorin des Arbeitsgerichts C. gerechtfertigt hätte, nicht glaubhaft gemacht, wie dies das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss im Ergebnis zu Recht entschieden hat. Allerdings kann nicht ohne weiteres festgestellt werden, dass die Antragstellerin und der Beigeladene in ihren aktuellen Beurteilungen vom 15. April 2004 (Antragstellerin - Beurteilungszeitraum 27.10.2000 bis 26.3.2004) bzw. vom 9. Juli 2004 (Beigeladener - Beurteilungszeitraum 1.3.2001 bis 31.5.2004) im Wesentlichen gleich beurteilt worden sind.

7Das Verwaltungsgericht hat hierzu in dem angefochtenen Beschluss zunächst zu Recht ausgeführt, dass die beiden Beurteilungen jeweils ein Gesamturteil, das sich auf die Eignung für das ausgeübte Amt bezieht, und eine Eignungsprognose für das angestrebte, hier umstrittene Amt enthalten, dass insoweit eine beide Bewertungen umfassende Gesamtschau geboten ist (Nds. OVG, Beschl. v. 17.10.1997 - 5 M 4037/97 -, DRiZ 1998, 191(192)), dass auch unter Berücksichtigung der unterschiedlich gestuften Beurteilungssysteme in Niedersachsen (sechsstufiges System, s. die „Dienstvereinbarung über die dienstliche Beurteilung der Richterinnen und Richter der Gerichte für Arbeitssachen in Niedersachsen“ v. 2./20.7.2001) und Sachsen-Anhalt (siebenstufiges System, s. AV des Ministeriums der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt v. 13.10.1993, MBl.LSA 1993, 2411) die Leistungen der Antragstellerin im ausgeübten Amt mit „sehr gut geeignet“, die des Beigeladenen mit „gut geeignet“ und die Eignung für das angestrebte Amt bei beiden mit „sehr gut“ bewertet worden sind und dass schließlich die Antragstellerin als Direktorin eines großen Arbeitsgerichts derzeit in einem gegenüber dem Beigeladenen - dieser ist Direktor eines kleinen Arbeitsgerichts (Besoldungsgruppe R 1 mit Zulage) - höherwertigen Amt tätig ist. Würde man bei der gebotenen Gesamtschau (s. o.) lediglich die von der Antragstellerin und dem Beigeladenen bei der Beurteilung für das ausgeübte Amt und bei der Eignungsprognose erzielten Noten als solche vergleichen, würde sich bei der Eignungsprognose ein Gleichstand (Benotung jeweils „sehr gut geeignet“) und bei der Beurteilung der Leistungen im ausgeübten Amt für die Antragstellerin, deren Leistungen ungeachtet der noch zu erörternden Zweifel an der Aussagekraft der Beurteilung mit „sehr gut geeignet“ (und nicht nur mit „gut geeignet“ wie beim Beigeladenen) bewertet worden sind, ein Notenvorsprung ergeben. Hierbei würde aber nicht hinreichend beachtet, worauf das Verwaltungsgericht bereits in dem angefochtenen Beschluss hingewiesen hat, dass die der Antragstellerin und dem Beigeladenen erteilten Beurteilungen in ihren Bewertungen nur in begrenztem Umfang miteinander verglichen werden können; denn die Noten in Sachsen-Anhalt werden in einem siebenstufigen und in Niedersachsen nur in einem sechsstufigen System vergeben. Dies bedeutet, dass zu Gunsten der Antragstellerin allenfalls bei der Bewertung der Leistungen des ausgeübten Amtes ein gewisser Leistungsvorsprung angenommen werden könnte; denn die Antragstellerin hat auf diesem Beurteilungsfeld die zweitbeste Note („sehr gut geeignet“) in einem siebenstufigen Benotungssystem erzielt, der Beigeladene aber nur die drittbeste Note („gut geeignet“) in einem sechsstufigen System. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass für die gebotene Gesamtschau die Eignungsprognose für das angestrebte Amt nicht nur in den Blick zu nehmen ist, sondern ihr auch ein höheres Gewicht beigemessen werden kann, weil das zu besetzende Amt der Direktorin/des Direktors des größten niedersächsischen Arbeitsgerichts in besonderem Maße Führungsqualitäten erfordert. Bei der Eignungsprognose spricht vieles dafür, dass der Beigeladene und die Antragstellerin mit der Note „sehr gut geeignet“, der zweitbesten Note im jeweiligen Notensystem, in etwa gleich beurteilt worden sind.

8Dürften aber die Antragstellerin und der Beigeladene bei der hier besonders bedeutsamen Eignungsprognose die gleiche Notenstufe erreicht haben und könnte allenfalls bei der Bewertung der Leistungen im ausgeübten Amt für die Antragstellerin ein gewisser Leistungsvorsprung angenommen werden, so ergibt die Gesamtschau unter Berücksichtigung der nur begrenzten Vergleichbarkeit der in unterschiedlichen Bewertungssystemen erzielten Noten, dass nach den aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Konkurrenten weder zu Gunsten der Antragstellerin noch zu Gunsten des Beigeladenen ein die Auswahlentscheidung grundsätzlich determinierender Notenvorsprung festgestellt werden kann.

Es ist daher nicht zu beanstanden und kann daher insbesondere nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, wenn sich der Antragsgegner bei dieser Sachlage dazu entschlossen hat, im Rahmen des ihm bei der Gestaltung des Auswahlverfahrens zustehenden weiten Ermessensspielraumes (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.8.2003 - BVerwG 2 C 14.02 -, DVBl. 2004, 317 = IÖD 2004, 38 = ZBR 2004, 101) ein anlassbezogenes Fachgespräch mit den nach ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen in die engere Auswahl einbezogenen Bewerbern und damit auch mit dem Beigeladenen und der Antragstellerin zu führen, um mit Hilfe der bei diesem Fachgespräch gewonnenen zusätzlichen Erkenntnisse eine Auswahl zwischen den als nach Einschätzung des Antragsgegners im Hinblick auf Leistung und Eignung nahezu gleichauf liegenden Bewerbern (s. den Besetzungsbericht des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen v. 17.7.2004) treffen zu können. Denn auch bei einem strukturierten, nach festgelegten Kriterien bewerteten Auswahlgespräch handelt es sich um eine unmittelbar leistungsbezogene Erkenntnisquelle (ebenso Nds. OVG, Beschl. v. 6.4.2005 - 5 ME 56/05 -), die geeignet ist, eine sachgerechte, ermessensfehlerfrei zustande gekommene Entscheidung zwischen nach ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen im Wesentlichen gleich beurteilten Bewerbern zu treffen. Gerade bei der hier im Streit befindlichen Führungsposition konnte ein strukturiertes Auswahlgespräch, bei dem es um die Erörterung berufsbezogener Alltags- und Konfliktsituationen gehen sollte, wertvolle Hinweise u. a. auf die soziale Kompetenz und die Führungskompetenz des jeweiligen Bewerbers und damit auf seine Eignung für das Direktorenamt des größten niedersächsischen Arbeitsgerichts liefern.

Bietet damit das strukturierte Auswahlgespräch in hinreichendem Maße leistungsbezogene Erkenntnisquellen für die zu treffende Auswahlentscheidung, so kann es auch nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, dass der Antragsgegner seine Auswahlentscheidung nicht bereits anhand anderer leistungsbezogener Auswahlkriterien wie etwa der Tatsache getroffen hat, dass die Antragstellerin in einem anderen Bundesland bereits seit dem Jahre 1992 das Amt einer Direktorin eines in seiner Größe mit dem Arbeitsgericht C. nahezu vergleichbaren Arbeitsgerichts bekleidet. Dies gilt auch, soweit der Antragsgegner nicht auf die der Antragstellerin und dem Beigeladenen erteilten älteren dienstlichen Beurteilungen für seine Auswahlentscheidung zurückgegriffen hat. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass die Aussagekraft dieser Beurteilungen für das angestrebte herausgehobene Führungsamt sowohl beim Beigeladenen als auch bei der Antragstellerin, die überdies in der Vergangenheit (Beurteilung v. 13.11.1997) nur teilweise als Richterin dienstlich verwendet worden ist, nur gering ist. Zumindest konnte der Antragsgegner auch insoweit ermessensfehlerfrei den aus einem aktuellen Auswahlgespräch gewonnenen Erkenntnissen die größere Bedeutung gegenüber den in älteren dienstlichen Beurteilungen enthaltenen Aussagen beimessen.

1.2.3 Dem Verwaltungsgericht kann auch darin beigepflichtet werden, das der Antragsgegner nach dem Ergebnis des Auswahlgespräches zu Gunsten des Beigeladenen einen - geringen - Vorsprung von jeweils einem Punkt bei den Anforderungsmerkmalen „Motivation für das angestrebte Amt“ und „Veränderungskompetenz“ festgestellt hat. Soweit die Antragstellerin hierzu meint, ihre bisherige berufliche Biographie und insbesondere ihre Bereitschaft, in Sachsen-Anhalt Aufbauhilfe geleistet zu haben, weise sie als Persönlichkeit mit höherer Veränderungskompetenz aus, als sie der Beigeladene vorweisen könne, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass es in diesem Stadium des Auswahlverfahrens nicht mehr auf die früheren Leistungen, sondern für die Auswahlentscheidung maßgeblich darauf ankam, wie sich die Antragstellerin zu dem Anforderungsmerkmal „Veränderungskompetenz“ im Auswahlgespräch vom 5. August 2004 geäußert und welchen Eindruck sie insoweit bei den Mitgliedern der Interviewkommission hinterlassen hat.

12Allerdings erscheint es fraglich, ob der dargestellte geringe Vorsprung des Beigeladenen gegenüber der Antragstellerin im Auswahlgespräch es allein rechtfertigen würde, die Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen zu treffen, wie dies das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss angenommen hat. Der Antragsgegner hat seine - nunmehr zu Gunsten des Beigeladenen getroffene - Auswahlentscheidung aber nicht allein auf das Ergebnis des Auswahlgesprächs, sondern auch darauf gestützt, dass nunmehr Tatsachen in Gestalt von sehr lange andauernden, krankheitsbedingten Fehlzeiten der Antragstellerin vorliegen, die den Schluss auf eine nur eingeschränkte gesundheitliche Eignung für das angestrebte Amt zulassen. Würdigt man beide Erwägungen des Antragsgegners - (geringer) Vorsprung des Beigeladenen im Auswahlgespräch und Einschätzung einer nur eingeschränkten gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin -, so kann es nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, dass sich der Antragsgegner letztlich für den Beigeladenen entschieden hat. Auch nach Ansicht des Senats durfte und musste der Antragsgegner bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigen, dass die Antragstellerin nach den beigezogenen Krankenakten in dem von der Beurteilung vom 15. April 2004 erfassten Beurteilungszeitraum (27.10.2000 - 26.3.2004), insbesondere im Jahre 2003 an 209 Kalendertagen und im Jahre 2004 an 54 Kalendertagen (Erkrankungstage 2004 insgesamt 152 Kalendertage) erkrankt gewesen ist und damit an diesen Tagen (abzüglich der Wochenenden und der Feiertage) nicht ihre Funktionen als Direktorin eines Arbeitsgerichts und als Kammervorsitzende wahrnehmen konnte. Dies hat dazu geführt, dass die Antragstellerin - von einer vierwöchigen Unterbrechung im Juli/August 2003 (14.7. - 8.8.2003) und einer rd. 14tägigen Unterbrechung Anfang November 2003 (3. - 13.11.2003) abgesehen - vom 7. Mai 2003 bis 23. Februar 2004 aufgrund schwerer Erkrankungen, die Operationen und auch stationäre Heilbehandlungen erforderlich gemacht haben, ihren Dienst nicht versehen konnte und bei ihren Führungsaufgaben sowie bei ihren Aufgaben als Kammervorsitzende monatelang vertreten werden musste. Muss eine derart außergewöhnlich lange Krankheitszeit schon in der Kammer- und Dezernatsarbeit zu schwerwiegenden Problemen führen, so gilt dies in besonderem Maße für die Führung eines großen Arbeitsgerichtes. Zwar hat die Antragstellerin in diesem Zusammenhang behauptet, die Erledigung ihrer dienstlichen Aufgaben habe durch die durchgeführten Operationen nicht gelitten, auch sei ihr volle Belastbarkeit bescheinigt worden, schließlich seien die damaligen gesundheitlichen Probleme (nach den beiden Operationen) nunmehr völlig beseitigt; dieser Vortrag ist aber nach Ansicht des Senats nicht geeignet, den Hinweis des Antragsgegners auf bei der Antragstellerin bestehende Eignungszweifel in gesundheitlicher Hinsicht als ermessensfehlerhaft erscheinen zu lassen. Dass die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben durch die Antragstellerin bei einer krankheitsbedingten Abwesenheit von insgesamt rd. einem Dreivierteljahr nicht gelitten haben soll, erscheint dem Senat nicht plausibel und könnte allenfalls damit zu erklären sein, dass der auf die Antragstellerin entfallende Arbeitsanteil durch andere Richterinnen und Richter miterledigt worden ist; aber auch dies würde die Eignung der Antragstellerin angesichts der in der niedersächsischen Gerichtsbarkeit ohnehin bestehenden Personalengpässe nicht in einem günstigeren Licht erscheinen lassen. Auch wenn der Antragstellerin in ihrer dienstlichen Beurteilung vom 15. April 2004 zu dem Beurteilungsmerkmal „Belastbarkeit“ bescheinigt worden ist, sie sei „in der Lage, auch bei großer Belastung Leistungen zu erbringen, die in Qualität und Quantität anforderungsgerechten Leistungen nicht nur entsprechen, sondern sogar beachtlich darüber liegen“, ergibt sich hieraus nach Auffassung des Senats eine uneingeschränkte Belastbarkeit der Antragstellerin nicht. In der Beurteilung vom 15. April 2004 wird nämlich weder beim Beurteilungsmerkmal „Belastbarkeit“ noch beim „Gesamturteil“ auch nur andeutungsweise erwähnt, dass die Antragstellerin in dem rd. 3 ½ Jahre umfassenden Beurteilungszeitraum ungewöhnlich lang, und zwar an ca. 340 Kalendertagen erkrankt gewesen ist. Dieser für die Eignung einer Richterin wesentliche Umstand (vgl. OLG Naumburg (Dienstgerichtshof), Beschl. v. 26.11.1998 - DGH 1/98 -, NJW-RR 2000, 793(796)) hätte aber etwa für die Plausibilität der Aussage über die Belastbarkeit erwähnt werden müssen; denn von der der Antragstellerin in der Beurteilung bescheinigten - großen - Belastbarkeit hätte vor diesem Hintergrund nur dann gesprochen werden können, wenn in der Beurteilung dargelegt worden wäre, dass es der Antragstellerin trotz der ungewöhnlich langen Fehlzeiten gelungen ist, aufgelaufene Rückstände durch erhöhten Arbeitseinsatz wieder abzubauen; hierzu schweigt aber die Beurteilung, die nur allgemein von „großer Belastung“ spricht und auch im Gesamturteil diesen für die Plausibilität der Beurteilung wesentlichen Umstand - stattdessen wird auch die Organisation eines „Tages der offenen Tür“ angesprochen - nicht erwähnt. Schließlich kann es auch nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, dass der Antragsgegner aus den ungewöhnlichen langen, krankheitsbedingten Fehlzeiten für die Auswahlentscheidung für die Antragstellerin negative Schlüsse gezogen hat, mag die Gesundheit der Antragstellerin derzeit auch wieder hergestellt sein. Gerade weil es bei dem hier umstrittenen Amt um eine herausgehobene Richterstelle mit Führungsaufgaben geht, konnte und musste der Antragsgegner berücksichtigen, dass bei der Antragstellerin aufgrund der langen Fehlzeiten in der Vergangenheit das Risiko bestand, dass sie in Zukunft erneut auch für längere Zeit erkranken könnte und damit insbesondere für das ihr zu übertragene Direktorinnenamt tatsächlich nicht zur Verfügung stehen würde. Dieses Risiko musste der Antragsgegner bei einem Gericht von der Größe des Arbeitsgerichtes C. und angesichts der schwierigen Personalsituation in der niedersächsischen Gerichtsbarkeit nicht eingehen.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, wobei es der Billigkeit entspricht, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt und daher nicht am Kostenrisiko teilgenommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO), nicht für erstattungsfähig zu erklären. Die weitere Nebenentscheidung über den Streitwert beruht auf § 52 Abs. 2 GKG; denn für eine Anwendung des § 52 Abs. 5 GKG war hier kein Raum, weil die Antragstellerin bereits Inhaberin des von ihr in Niedersachsen angestrebten Statusamtes ist.

3. Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO nicht anfechtbar.