BGH, Beschluss vom 12.05.2004 - XII ZB 226/03
Fundstelle
openJur 2012, 56201
  • Rkr:
Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in Brandenburg vom 2. Juli 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 1.374,22 €.

Gründe

I.

Die Parteien streiten darüber, ob die Kläger der Beklagten Kosten aus einem Verfahren vor dem Landgericht zu erstatten haben.

Das Landgericht hatte der Klage antragsgemäß stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage gegen die Beklagte als unzulässig mit der Begründung abgewiesen, daß eine juristische Person mit der Bezeichnung "S. GmbH" nicht existiere.

Das Landgericht hat die von den Klägern an die Beklagte zu erstattenden erstinstanzlichen Kosten auf 1.374,22 € festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger hat das Oberlandesgericht den Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts aufgehoben und den Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Sie ist zulässig, denn die an sich nicht existente Beklagte wird als existent behandelt, soweit sie im Rechtsbeschwerdeverfahren den zu ihren Gunsten ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluß verteidigt.

1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, die Kostenfestsetzung zugunsten einer nicht existenten Partei verbiete sich aus der Natur der Sache. Einer solchen Partei könnten keine notwendigen Kosten im Sinne von § 91 ZPO entstehen. Sie könne keinen Rechtsanwalt beauftragen. Dies sei nur dem hinter der "Partei" stehenden Dritten möglich. Eine Kostenfestsetzung laufe damit im Ergebnis auf eine Erstreckung der Kostengrundentscheidung zugunsten dieses Dritten hinaus. Ob dann etwas anderes gelte, wenn die Existenz oder Identität einer Partei im Rechtsstreit Gegenstand der Auseinandersetzung gewesen sei, könne dahinstehen. So liege der Fall nicht. Die Beklagte habe unstreitig nie existiert. In solchen Fällen könne dem hinter der Partei stehenden Dritten ein materiellrechtlicher Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Kosten zustehen. Dazu müsse aber der Klageweg beschritten werden.

Die Auffassung, die nicht existente Partei als fiktiven gebührenrechtlichen Auftraggeber anzusehen und die Frage der Notwendigkeit der ausgelösten Kosten am Dritten, der den Rechtsanwalt beauftrage, zu orientieren, sei mit Sinn und Zweck des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht vereinbar, das von umfangreichen materiellrechtlichen Prüfungen freigehalten werden solle.

Komme es bei der Frage der Notwendigkeit der Kosten auf die Person des Dritten an, dann müsse die Identität des Dritten ermittelt werden, weil nur so verläßlich die Notwendigkeit der Kosten geklärt werden könne (etwa die Reisekosten der Partei, die Bestellung eines Korrespondenzanwaltes oder der Anfall einer Gebühr gemäß § 20 BRAGO). Der Dritte könne auch nicht geltend machen, der Schutz seiner Vermögensinteressen habe die Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich gemacht. Werde aus einem Titel gegen die nicht existente Partei gegen ihn vollstreckt, so stehe ihm die Erinnerung nach § 766 ZPO offen.

2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

Zutreffend geht das Oberlandesgericht davon aus, daß die geltend gemachten Anwaltsgebühren erster Instanz keine notwendigen Kosten der Beklagten im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind und deshalb nicht im Verfahren gemäß § 104 ZPO festgesetzt werden können. Die Klage war von Anfang an gegen eine nicht existente Partei gerichtet. Diese konnte keine Prozeßhandlungen vornehmen, insbesondere keinen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragen. Anwaltskosten konnten ihr deshalb nicht entstehen. Das Prozeßgericht hätte die Klage kostenpflichtig als unzulässig abweisen müssen (allgemeine Meinung; BGHZ 24, 91).

Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß die nicht existente Partei in einem gegen sie angestrengten Prozeß insoweit als parteifähig zu behandeln ist, als sie ihre Nichtexistenz geltend macht (allgemeine Meinung; BGHZ aaO 94; BGH, Beschluß vom 13. Juli 1993 -III ZB 17/93 -NJW 1993, 2943, 2944). Durch diese Fiktion soll erreicht werden, daß die Partei die Frage ihrer Existenz selbst klären lassen kann.

Eine insoweit im Rechtsstreit als parteifähig erachtete Partei gilt auch im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren als parteifähig, ist mithin auch in diesem Verfahren als existent zu behandeln (OLGR Saarbrücken, 2002, 259, 260; MünchKomm/Belz ZPO 2. Aufl. § 103 Rdn. 25). Nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung ist die Existenz der Partei im Kostenfestsetzungsverfahren insoweit zu fingieren, als ein hinter diesem rechtlich nicht existenten Gebilde stehender Dritter berechtigt oder jedenfalls befugt ist, die Unzulässigkeit der Klage geltend zu machen. Zugunsten der nicht existenten Partei könne daher ein Kostenfestsetzungsbeschluß erlassen werden, in dem die Aufwendungen desjenigen zu berücksichtigen seien, der für die nicht existente Partei einen Rechtsanwalt beauftragt habe (KG AnwBl. BE 1995, 300; OLGR Saarbrücken, aaO 260; OLG Hamburg MDR 1976, 845 f.; a.A. OLG Koblenz NJW-RR 2001, 285, 286; Thomas/Putzo ZPO 25. Aufl. § 50 Rdn. 13). Einschränkend dazu wird die Auffassung vertreten, daß der Erstattungsanspruch zwar geltend gemacht werden könne, jedoch nicht der nicht existenten Partei, sondern derjenigen Person zustehe, die für sie aufgetreten sei (OLGR Bamberg 2001, 223; OLG München NJW-RR 1999, 1264 f.).

Allen Verfahren, in denen der nicht existenten Partei oder dem für sie handelnden Dritten ein Kostenerstattungsanspruch zuerkannt wurde, ist aber gemeinsam, daß die beklagte Partei im Rechtsstreit ihre mangelnde Existenz geltend gemacht und ihr dadurch Kosten entstanden sind. Lediglich insoweit wurde ihre Existenz fingiert. Lediglich insoweit kommt auch eine Kostenerstattung in Betracht. Demgegenüber weist das Beschwerdegericht zutreffend darauf hin, daß sich die Beklagte hier in erster Instanz -nur um die dort entstandenen Kosten geht es -gerade nicht auf ihre fehlende Existenz berufen, sondern mit Einwendungen in der Sache verteidigt hat. Damit bestand aber kein ausreichender Grund, ihre -tatsächlich nicht bestehende -Existenz zur Ermöglichung ihrer Verteidigung zu fingieren. Existierte die Beklagte nicht und wurde ihre Existenz auch nicht fingiert, dann konnte sie Prozeßhandlungen nicht wirksam vornehmen, insbesondere keinen Prozeßbevollmächtigten bestellen. Die Beauftragung eines Prozeßbevollmächtigten durch einen Dritten kann ihr nicht fiktiv zugerechnet werden. Es handelt sich deshalb bei den Gebühren des Rechtsanwalts nicht um eigene Kosten der nicht existenten Beklagten, sondern um solche des wahren Auftraggebers. Ob dieser die Kosten, die ihm durch die Beauftragung des Rechtsanwalts mit der Vertretung der nicht existenten Beklagten entstanden sind, von den Klägern ersetzt verlangen kann, ist eine Frage des materiellen Rechts, die im Kostenfestsetzungsverfahren mit den dort zur Verfügung stehenden Mitteln nicht geklärt werden kann. Insoweit muß der Dritte den Prozeßweg beschreiten.

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