OLG Köln, Urteil vom 19.09.1995 - 9 U 398/94
Fundstelle
openJur 2012, 74934
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Beklagten und gemäß seinem Teilanerkenntnis wird das am 07.11.1994 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 10 O 357/94 - teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:Der Beklagte wird unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an die Klägerin 3.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 05.01.1994 zu zahlen. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte 1/10 und die Klägerin 9/10. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte zu 12 % und die Klägerin zu 88 %. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat bis auf den

vom Berufungskläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat

anerkannten Betrag in Höhe von 3.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit

dem 05.01.1994 in der Sache Erfolg.

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten kein Anspruch über

den anerkannten Betrag hinaus zu.

Der Beklagte kann als Konkursverwalter über das Vermögen der

Firma A. A. und S. Konstruktion GmbH (im folgenden:

Gemeinschuldnerin) persönlich mit der vorliegenden Klage nur dann

in Anspruch genommen werden, wenn es sich bei der Forderung der

Klägerin um eine Masseschuld im Sinne von § 59 Abs. 1 KO handelt;

handelt es sich dagegen um eine einfache Konkursforderung, könnte

diese nur durch Anmeldung zur Konkurstabelle und gegebenenfalls

gerichtliche Feststellung gemäß §§ 138 ff. KO geltend gemacht

werden.

Der vom Landgericht zuerkannte Anspruch der Klägerin gemäß § 557

Abs. 1 Satz 1 BGB ist jedoch im vorliegenden Fall keine Masseschuld

im Sinne des § 59 Abs. 1 KO, sondern einfache Konkursforderung. Der

Anspruch wäre eine Masseschuld nur dann, wenn der Mietvertrag die

Konkurseröffnung überdauert hätte, da nur dann eine Vorenthaltung

der Mietsache im Sinne von § 557 BGB in der Person des

Konkursverwalters gegeben wäre und nicht nur in der Person der

Gemeinschuldnerin (vgl. BGH ZIP 1993, 1874 ff. =

Revisionsentscheidung zu OLG Hamm ZIP 1992, 1563 f.). So liegt der

Fall hier aber nicht. Die Klägerin hatte das Mietverhältnis

unstreitig bereits mit Schreiben vom 15.12.1993 vor Eröffnung des

Konkursverfahrens am 01.01.1994 fristlos gekündigt.

Soweit der Konkursverwalter auch nach der Kündigung die

Mieträume noch benutzt hat, könnten dadurch Masseschulden nur

insoweit entstanden sein, als entsprechende Ansprüche gegen den

Konkursverwalter aus rechtsgeschäftlichem oder sonstigem Handeln

oder aus ungerechtfertigter Bereicherung der Masse bestehen (§ 59

Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 KO).

Ein Anspruch aus einem "Geschäft" des Konkursverwalters im Sinne

von § 59 Abs. 1 Nr. 1, erste Alternative KO scheidet hier

ersichtlich aus; die Klägerin behauptet selbst nicht eine

rechtsgeschäftliche Vereinbarung über die Weiternutzung der Räume

durch den Konkursverwalter.

Es fehlt aber auch an den Voraussetzungen eines Anspruchs aus

einer "Handlung" des Konkursverwalters im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr.

1, zweite Alternative KO. Dazu gehören zwar auch unerlaubte

Handlungen, die im Zusammenhang mit der Konkursverwaltung begangen

werden und Schadensersatzansprüche nach § 823 BGB auslösen können

(vgl. Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Auflage 1994, Randnummer

2 d) und g) zu § 59); inwieweit aber in der Weiternutzung der Räume

durch den Konkursverwalter eine zum Schadensersatz verpflichtende

rechtswidrige und schuldhafte Handlung lag, ist von der Klägerin

ebensowenig dargetan wie ein Schaden durch entgangene

Mieteinnahmen.

In Betracht kommt vorliegend daher nur ein Bereicherungsanspruch

im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 4 KO.

Unstreitig hat der Beklagte als Konkursverwalter ohne

rechtlichen Grund die ehemals an die Gemeinschuldnerin vermieteten

Räume vom Zeitpunkt der Konkurseröffnung an bis etwa Mitte August

1994 insoweit genutzt, als er die in einem Kellerraum befindliche

Computeranlage der Gemeinschuldnerin weiterbetrieben hat und die im

Empfangsbereich im Erdgeschoß installierte Telefonanlage nicht

hatte abbauen lassen, um sich des betreffenden Telefonanschlusses

weiter bedienen zu können. Eine weitergehende "Nutzung" der Räume

hat auch die Klägerin nicht substantiiert behauptet, insbesondere

nicht eine Nutzung aller ehemals vermieteten Räumlichkeiten. Dabei

ist zu berücksichtigen, daß die "Vorenthaltung" der Räume im Sinne

von § 557 BGB, die keinen Besitz der Mietsache voraussetzt (vgl.

BGH NJW 1988, 2665, 2666 unter 2. a) aa)), nicht gleichzusetzen ist

mit der aktiven Nutzung der Räume und der Erlangung von

Gebrauchsvorteilen durch eine solche Nutzung, die allein als

geldwerte Bereicherung im Sinne der §§ 812, 818 BGB angesehen

werden kann. Insofern kommt ein Anspruch auf Zahlung in Höhe der

Gesamtmiete für alle ehemals vermieteten Räume, wie § 557 BGB ihn

gewährt, nicht in Betracht, so daß auch dahingestellt bleiben kann,

ob im vorliegenden Falle eine "Vorenthaltung" der Mietsache gegeben

war.

Eine ungerechtfertigte Bereicherung der Masse ist vorliegend nur

insoweit eingetreten, als der Beklagte als Konkursverwalter zwecks

Weiternutzung der Computer- und der Telefonanlage keinen besonderen

Raum hatte anmieten müssen. An Mietzins für einen solchen Raum wäre

aber nach Schätzung des Senats nicht mehr aufzuwenden gewesen, als

der vom Beklagten anerkannte Betrag von 3.000,00 DM ausmacht, wie

in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist. Diese Summe

entspricht bei einer Mietzeit von ca. 7 1/2 Monaten einer

Monatsmiete von 400,00 DM. Mehr kann die Klägerin daher vom

Beklagten nicht verlangen.

Soweit das Landgericht einen höheren Betrag zugesprochen hat,

war daher das Urteil auf die Berufung des Beklagten hin

abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO (da es sich

bei dem Teilanerkenntnis des Beklagten nicht um ein sofortiges

Anerkenntnis handelt, war von § 93 ZPO kein Gebrauch zu

machen).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus

§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 25.708,06 DM.

Wert der Beschwer für die Klägerin: 22.708,06 DM;

Wert der Beschwer für den Beklagten: 3.000,00 DM.