BGH, Urteil vom 27.02.2004 - 2 StR 146/03
Fundstelle
openJur 2012, 55908
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 10. Mai 2002 a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen verurteilt wird undb) aufgehoben, soweit die Einziehung -der im Eigentum der P. stehenden Eigentumswohnung mit der Anschrift: , und -des im Eigentum der P. stehenden Hausgrundstücks mit der Anschrift: , angeordnet worden ist. Insoweit entfällt die Einziehungsanordnung.

2.

Die weitergehende Revision des Angeklagten B. und die Revision des Angeklagten C. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.

3.

Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet. Es hat weiterhin aus dem Vermögen des Angeklagten B. 2.979.000 Euro für verfallen erklärt und drei in der Türkei gelegene Grundstücke, von denen zwei nicht im Eigentum des Angeklagten standen, eingezogen. Den Angeklagten C. hat es des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen für schuldig befunden und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Dagegen wenden sich die Revisionen der Angeklagten jeweils mit Verfahrensrügen und der Sachrüge.

I. Das Landgericht hat folgendes festgestellt:

Der Angeklagte B. , der bereits 1991 in der Türkei wegen "Gründung einer Organisation zur Herstellung von Rauschmitteln" zu einer Haftstrafe verurteilt worden war, hatte sich nach seiner Haftentlassung ab Ende 1993 mit seinem Bruder G. zusammengetan, um im großen Stil mit Heroin zu handeln. G. B. , der in Belgien wohnte, aber in den Niederlanden unter falschen Namen -im wesentlichen zur Tarnung -eine Möbelfirma und eine Autoreparaturwerkstatt betrieb, bestellte in der Türkei Heroin, sorgte für die Empfangnahme und den Absatz in den Niederlanden und veranlaßte Geldtransporte in die Türkei zur Bezahlung der Heroinbestellungen. Die Anlage der Gewinne aus den Drogengeschäften oblag dem Angeklagten N. B. . Er hatte insbesondere zum Zwecke der Geldwäsche verschiedene Firmen gegründet, so 1993 in der Türkei -zusammen mit seinem Vater -die Firma P. in Istanbul, die sich mit dem Handel von Billardartikeln, später vorwiegend mit Immobiliengeschäften beschäftigte und deren faktischer Geschäftsführer er war, ebenfalls 1993 in den Niederlanden die Firma Pr. in Rotterdam (die er später an seinen Bruder verkaufte), in Deutschland 1995 die Firma A. GmbH in Bonn, die im wesentlichen Geschäfte im Bauund Immobilienbereich tätigte, und schließlich 1997 in Rumänien/Bukarest die Handelsgesellschaft "I. ". Alle diese Unternehmen warfen keine oder nur unbedeutende Gewinne ab. Im wesentlichen aus Drogengeschäften flossen dem Angeklagten B. jedoch bereits 1995/1996 ca. 1,7 Mio. DM zu. Der Angeklagte erwarb mit diesen und weiteren Geldern unter anderem im Jahre 1996 mindestens 22 Grundstücke in der Türkei.

Gegenstand der Verurteilung sind acht Lieferungen von Heroin zwischen jeweils 80 bis 90 kg aus der Türkei an G. B. bzw. seine Organisation in der Zeit ab Sommer 1997 bis Mai 1998. Grundsätzlich waren die Lieferungen wie folgt organisiert: Als Mittler und Organisatoren auf der Lieferantenseite traten der in den Niederlanden lebende S. C. und dessen in der Türkei lebender Cousin A. C. auf. Bei A. C. wurde das Heroin durch den Angeklagten C. bestellt, der neben anderen Geldkurieren auch Gelder zur Bezahlung der Drogen aus den Niederlanden in die Türkei brachte. Den Transport des Heroins von der Türkei in die Niederlande führte die türkische Spedition T. durch. In den Niederlanden wurde es von G. B. bzw. seinen Helfern übernommen. Die Bezahlung der Heroinlieferungen erfolgte in der Regel in mehreren durch die Geldkuriere überbrachten Raten. Die Kuriere waren zuvor durch den Angeklagten C. angekündigt worden. Der Einkaufspreis für 1 kg Heroin betrug etwa 15.000 DM (einschließlich der Transportkosten), der geringste realisierbare Verkaufspreis 25.000 DM.

Im einzelnen:

Im August 1997 bestellte der Angeklagte C. 80 kg Heroin im Auftrag von G. B. und händigte A. C. in der Türkei für diese Lieferung zunächst 300.000 Niederländische Gulden und vor seinem Rückflug am 7. September 1997 weitere 200.000 Niederländische Gulden aus. Der Fahrer der Spedition erhielt nach Durchführung des Transports in den Niederlanden 100.000 Niederländische Gulden, die er dem Inhaber der Spedition aushändigte.

Die zweite Lieferung erfolgte im Oktober/November 1997. Für diese Lieferung -85 kg -wurden A. C. 140.000 Niederländische Gulden und etwa zwei Wochen nach Übergabe des Heroins weitere 285.000 Niederländische Gulden übergeben. Der Fahrer der Spedition erhielt nach der Übergabe des Rauschgifts 120.000 Niederländische Gulden, die er in der Türkei an den Inhaber der Spedition übergab.

Eine dritte Lieferung über 90 kg erfolgte Anfang Dezember 1997. Ein Geldkurier, der 300.000 Niederländische Gulden zur Bezahlung übergeben sollte, wurde am Flughafen in Istanbul überfallen. Ein weiterer Kurier überbrachte A. C. am folgenden Tag 75.000 Niederländische Gulden. Dem Fahrer der Spedition wurden wiederum 100.000 Niederländische Gulden übergeben, die er in die Türkei brachte.

Für die vierte Lieferung im Januar 1998 wurden A. C. 298.000 Niederländische Gulden und S. C. durch den Angeklagten C. weitere 350.000 Niederländische Gulden oder Deutsche Mark übergeben. Im Anschluß daran besorgte dieser 85 kg Heroin, die auf dem üblichen Weg in die Niederlande gelangten und dort in zwei Wohnungen für den Heroinabnehmer H. C. deponiert wurden. Dort wurden sie am 28. Januar 1998 von der Polizei sichergestellt.

Im Februar 1998 wurde die fünfte Lieferung durch den Angeklagten C. bei A. C. telefonisch bestellt und zugleich ein Geldkurier mit 177.000 Niederländischen Gulden angekündigt. Am 28. Februar 1998 wurden 88 kg Heroin, die die Spedition aus der Türkei transportiert hatte, in den Niederlanden an Gehilfen des G. B. übergeben.

Im März 1998 übergab der Angeklagte C. im Auftrag des G. B. zum Ausgleich der aus den vorangegangenen Lieferungen entstandenen Zahlungsrückstände bei drei verschiedenen Gelegenheiten insgesamt 400.000 Niederländische Gulden, 300.000 Deutsche Mark und 200.000 Deutsche Mark oder Niederländische Gulden an A. C. in der Türkei. Bei einem dieser Treffen bestellte er die sechste Lieferung. Am 24. April 1998 wurden 90 kg, die wiederum von der Spedition T. in die Niederlande gebracht wurden, an S. C. in den Niederlanden übergeben. Da G. B. zwischenzeitlich in den Niederlanden unter verschärften Bedingungen inhaftiert war, übernahm der Angeklagte B. die Abwicklung des Geschäfts. Am 25. April 1998 wurden 315.000 Niederländische Gulden an S. C. , einen Mitarbeiter der Spedition T. , übergeben und von diesem in die Türkei weitergeleitet.

Die siebte Lieferung bestellte der Angeklagte C. im Auftrag des Angeklagten B. im April 1998. In der Folge wurden 81 kg Heroin in die Niederlande gebracht.

Für die achte Lieferung hatte ein Geldkurier Anfang Mai mindestens 31.000 Niederländische Gulden, die C. zuvor im Auftrag von dem Angeklagten B. telefonisch angekündigt hatte, an A. C. in der Türkei übergeben. A. C. , der daraufhin 83,4 kg Heroin besorgt hatte, wurde während des Transports des Heroins zur Spedition in der Türkei festgenommen. Das sichergestellte Heroin hatte einen Wirkstoffgehalt von 65 %, für das übrige gelieferte Heroin geht die Kammer von einem Wirkstoffgehalt von mindestens 50 % Heroinhydrochlorid aus.

Der Angeklagte B. war zwar in die Lieferungen 1 bis 5 nicht unmittelbar eingeschaltet, stand aber in ständigem Kontakt mit seinem Bruder, der ihn über den Lauf der Dinge informierte. Im zweiten Halbjahr 1997/Januar 1998 wurden auf seine Weisung von Strohmannkonten in der Türkei 642.000 US-Dollar, sowie nach einer Vielzahl von Umbuchungen weitere 114.800 US-Dollar und 148.031,50 US-Dollar auf ein Geschäftskonto seiner Firma I.

in Bukarest transferiert. Der Angeklagte wollte damit unter Inanspruchnahme steuerlicher Vergünstigungen ein Hotelprojekt verwirklichen.

Nach der Sicherstellung der vierten Lieferung in Wohnungen des H. C. setzte sich der Angeklagte B. , um die ihm und seinem Bruder zustehenden Forderungen aufgrund dieser Lieferung zu realisieren, intensiv für die Übertragung eines Grundstücks des H. C. als Bezahlung auf seine Firma P. in der Türkei ein. Nachdem sein Bruder G. B. während der Durchführung der sechsten Lieferung festgenommen worden war, wurde der Angeklagte B. in der Folge auch unmittelbar im Rauschgiftgeschäft tätig.

Der Angeklagte C. , der bei den aufgeführten Lieferungen (hinsichtlich der fünften Lieferung ist ihm eine Beteiligung nicht vorgeworfen worden) als Geldkurier und Besteller für den Angeklagten B. und dessen Bruder tätig war, hatte zuvor in den Jahren 1995/96 unabhängig davon drei weitere Taten begangen: Er vermittelte 1995 einem türkischen Heroinhändler einen Abnehmer und übergab in einem Fall einem Kurier des Abnehmers 5 kg und in einem anderen Fall 11,5 kg Heroin. Da der Abnehmer nur eine Anzahlung geleistet hatte und den restlichen Kaufpreis schuldig blieb, erhielt der Angeklagte die ihm zugesagte Provision von 2.000 DM pro Kilo nicht. Ende 1995/Anfang 1996 vermittelte er dem Heroinhändler einen weiteren Abnehmer. Zu konkreten Geschäften zwischen dem Händler und diesem Abnehmer kam es allerdings erst später ohne Einschaltung und Kenntnis des Angeklagten. Die Kammer ist für diese drei Lieferungen von einem Wirkstoffgehalt des gelieferten Heroins von mindestens 25 % Heroinhydrochlorid ausgegangen.

II. Die Revision des Angeklagten B.

1. Verfahrensrügen Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.

a) Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 Buchst. d) MRK -Verstoß gegen das Fragerecht Der Angeklagte macht geltend, die Kammer habe unberücksichtigt gelassen, daß der türkische Zeuge A. C. bei seiner im Wege der Rechtshilfe erfolgten richterlichen Vernehmung in der Türkei nicht umfassend nach Folterungen bei seiner polizeilichen Vernehmung durch türkische Polizeibeamte befragt werden durfte.

Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde: Der Zeuge A. C. war am 6. Mai 1998 in der Türkei nach polizeilicher Observation mit 83,4 kg Heroin festgenommen worden. In seiner polizeilichen Vernehmung im Mai 1998 hat er umfangreiche Angaben zu den festgestellten Lieferungen, zu den Angeklagten und zu weiteren Tatbeteiligten gemacht, die in einem polizeilichen Protokoll vom 10. Mai 1998 niedergelegt sind. In späteren Vernehmungen hat er diese Angaben widerrufen. In der Hauptverhandlung stand er als Zeuge nicht zur Verfügung. Er wurde deshalb im Wege der Rechtshilfe durch einen türkischen Richter in Anwesenheit der berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer, des Staatsanwalts und von Verteidigern der Angeklagten im Juni 2000 kommissarisch vernommen. Laut Protokoll vom 7. Juni 2000 hat er bei dieser Vernehmung jegliche Verbindung zu den Brüdern B. oder auch nur deren Bekanntschaft verneint. Er erklärte u.a.: "Ich wurde in der Rauschgiftabteilung gefoltert. ... Vor dem 5. Schwurgericht in Istanbul ist -...-gegen die Polizisten mit der Begründung, daß sie mich gefoltert haben, Klage erhoben worden. In dieser Akte müßte sich unter anderem ein Bericht darüber befinden, daß die Polizisten mich gefoltert haben". Weiter heißt es in dem Protokoll: "Es wurde gefragt: In dem Bericht vom 13. Mai 1998 und der Nr. 237 steht, daß A. C. verletzt worden ist. Ich fordere auf, daß Symptome durch Fragen an ihn persönlich geklärt und ins Protokoll aufgenommen werden, bevor dieser Bericht verlesen wird". Nach den Symptomen gefragt sagte der Zeuge, bevor der Bericht verlesen wurde: "Ich kann mich nicht genau daran erinnern, ob es links oder rechts war, ich trug an den Armen Spuren aus den Schlägen. Ich hatte auch verkrustete Verletzungen. Außerdem gab es Spuren des Hängens. Es gab sie auf meinem Rücken, es gab sie auf meiner Brust."

Im folgenden heißt es sodann: "Es wurde beschlossen, die an den Zeugen gestellten Fragen, die die Art und Weise der Folter betreffen, zurückzuweisen, weil man der Ansicht ist, daß es nicht sachdienlich ist, diese Fragen ins Protokoll aufzunehmen, und weil die Fragen zu diesem Punkt auf das Urteil keinen Einfluß haben."

aa) Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rüge, weil das Protokoll über die Aussage des A. C. als Nebenkläger vor dem Strafgericht in Istanbul am 28. Februar 2000 in dem auf seine Anzeige zurückgehenden Verfahren gegen die Polizeibeamten F. und Ta. , die ihn nach seiner Festnahme vernommen hatten, nicht mitgeteilt wird. Das Protokoll über diese Vernehmung, in der der Zeuge ausführlich zu den Foltervorwürfen ausgesagt hatte, ist in der Hauptverhandlung aufgrund des Beschlusses der Kammer vom 17. April 2001 verlesen worden. Die Revision hat stattdessen ein Protokoll der staatsanwaltschaftlichen Beschuldigtenvernehmung des A. C. vom 13. Mai 1998 vorgetragen, das zur Frage etwaiger Folter nicht von Belang ist.

Die Zulässigkeit kann jedoch dahinstehen, weil die Rüge jedenfalls unbegründet ist.

bb) Das Recht des Angeklagten, Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen, ist durch Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe d) der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und den Grundsatz des fair trial garantiert. Art. 6 MRK, der als innerstaatliches Recht in der Bundesrepublik, insbesondere auch bei der Auslegung der §§ 240, 241 StPO zu beachten ist, gilt auch in der Türkei, die Vertragspartner der Konvention ist.

Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (Nachweise bei BGHSt 46, 93, 94, 95 f.) hat die Zeugenvernehmung nach Art. 6 Abs. 3 Buchstabe d) MRK grundsätzlich in öffentlicher Verhandlung mit dem Ziel einer kontradiktorischen Erörterung zu erfolgen. Dies schließt aber die Verwertung von Aussagen, die im Vorverfahren oder sonst außerhalb der Hauptverhandlung gemacht wurden, nicht aus, wenn dem Angeklagten -entweder zu dem Zeitpunkt, in dem der Zeuge seine Aussage macht, oder in einem späteren Verfahrensstadium -eine angemessene und geeignete Gelegenheit gegeben wird, den Zeugen selbst zu befragen oder befragen zu lassen. Kann der Angeklagte an der Zeugenvernehmung nicht teilnehmen, reicht es aus, daß wenigstens der Verteidiger bei der Zeugenvernehmung anwesend ist und den Zeugen befragen kann (EGMR, Fall Doorson ./. Niederlande Sammlung 1996 -II S. 470 Nr. 68, 73: anonymer Zeuge; vgl. auch Vogler, IntKommEMRK -Art. 6 Rdn. 552; siehe auch BVerfG NJW 1996, 3408).

Da sich das Fragerecht aus dem Grundsatz des fair trial ableitet, kommt es für die Prüfung seiner Verletzung auf die Gesamtheit des Verfahrens an (EGMR, Fälle Windisch StV 1991, 193, 194; Delta ÖJZ 1991, 425, 426; Vidal EuGRZ 1992, 440, 441; van Mechelen StV 1997, 617, 619; P.S. StV 2002, 289, 290; ebenso Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. Art. 6 MRK Rdn. 226). Ein Konventionsverstoß liegt dann nicht vor, wenn die Verteidigungsrechte, deren Verletzung geltend gemacht wird, insgesamt angemessen gewahrt wurden (EGMR, Fälle Windisch StV 1991, 193, 194; Kostovski MDR 1991, 406, 407; Delta ÖJZ 1991, 425, 426; Asch EuGRZ 1992, 474, 475).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann hier in der Nichtgewährung des Fragerechts für einzelne Fragen, die die Art und Weise der von dem Zeugen geschilderten Folter betrafen, kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 Buchstabe d) MRK gesehen werden:

Der Zeuge A. C. konnte grundsätzlich von der Verteidigung im Rahmen der kommissarischen Vernehmung am 7. Juni 2000 befragt werden. Er hat über Folter berichtet und auch einzelne Symptome angegeben. Von einer weiteren Befragung zu diesem Punkt waren daher wesentliche neue Erkenntnisse nicht mehr zu erwarten, solche werden auch von der Revision nicht vorgetragen.

Die Strafkammer hat in der Hauptverhandlung durch Beschluß vom 17. April 2001 die Verlesung des Hauptverhandlungsprotokolls vom 28. Februar 2000 des Verfahrens vor der 5. Kammer des Strafgerichts Istanbul angeordnet, in dem A. C. als Nebenkläger im Verfahren gegen die Polizeibeamten F. und Ta. ausführliche Angaben zu den von ihm angegebenen Folterungen gemacht hat. Das Landgericht hat außerdem das in dem -aufgrund einer Anzeige des Zeugen A. C. eingeleiteten -Verfahren gegen die Polizeibeamten F. , Ta. und Ca. wegen Mißhandlung einer Einzelperson ergangene freisprechende Urteil sowie die die gerichtsmedizinische Untersuchung des Zeugen betreffenden Anordnungen und Feststellungen in jenem Verfahren verlesen. Die Strafkammer hat sich ferner intensiv um die Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung bemüht. Eine Überstellung des zunächst inhaftierten Zeugen A. C. wurde von den türkischen Behörden abgelehnt. Auf eine Ladung hat sich der später auf freiem Fuß befindliche Zeuge gegenüber dem eingeschalteten Verbindungsbeamten hinhaltend geäußert und teilweise Hinderungsgründe vorgeschoben. Auch auf das Angebot einer Vernehmung unter Verwendung der Videotechnik hat er ablehnend reagiert.

Die Strafkammer hat schließlich ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten B. nicht nur auf die Aussage des A. C. , sondern auch auf eine Vielzahl weiterer Zeugen und anderer Beweismittel gestützt.

b) Rügen nach § 258 Abs. 2, 3 und § 244 Abs. 6 StPO Die Revision beanstandet weiter, daß dem Angeklagten B. zu einem von seinem Verteidiger unmittelbar vor der Urteilsverkündung gestellten Hilfsbeweisantrag nicht erneut das letzte Wort gewährt worden und der Antrag weder beraten noch beschieden worden sei.

Aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt sich dazu folgendes:

Nach Schluß der Beweisaufnahme wurde dem Angeklagten B. am 30. April 2002 das letzte Wort gewährt. Die Hauptverhandlung wurde fortgesetzt am 10. Mai 2002 11.00 Uhr. Für diesen Tag war die Verkündung des Urteils vorgesehen. Vor der beabsichtigten Urteilsverkündung bat der Verteidiger des Angeklagten B. um das Wort. Er verlas sodann einen "Hilfsbeweisantrag", der zum Protokoll genommen wurde. Erklärungen hierzu wurden von den weiteren Verfahrensbeteiligten nicht abgegeben. Das Urteil wurde um 11.40 Uhr verkündet. Im Protokoll ist insoweit ausdrücklich vermerkt, daß nicht wieder in die Beweisaufnahme eingetreten wurde.

aa) Rüge des § 258 Abs. 2, 3 StPO Die Vorschriften über die Gewährung des letzten Wortes sind nicht verletzt. Die Verfahrensweise des Landgerichts ist unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur ist dem Angeklagten gemäß § 258 Abs. 2 StPO erneut das letzte Wort zu gewähren, wenn nach dem Schluß der Beweisaufnahme nochmals in die Verhandlung eingetreten worden ist. Wann von einem -u.U. konkludenten -Wiedereintritt auszugehen ist, ist nach der Rechtsprechung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Insbesondere liegt ein Wiedereintritt vor, wenn der Wille des Gerichts zum Ausdruck kommt, im Zusammenwirken mit den Prozeßbeteiligten in der Beweisaufnahme fortzufahren oder wenn Anträge mit den Verfahrensbeteiligten erörtert werden (BGH NJW 1987, 660 -Urt. vom 30. Oktober 1986 -4 StR 499/86; BGHR StPO § 258 Abs. 3 -Wiedereintritt 2; BGH, Urt. vom 25. Oktober 1966 1 StR 402/66). Deshalb ist die bloße Entgegennahme von Hilfsbeweisanträgen, bei denen der Antragsteller auf die Bescheidung vor der Urteilsverkündung verzichtet und zu denen andere Verfahrensbeteiligte keine Erklärungen abgegeben haben, auch nicht als Verfahrensvorgang angesehen worden, der die Pflicht zur erneuten Gewährung des letzten Wortes auslöst (BGHR § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 10 = NStZ-RR 1999, 14; BGH NJW 1987, 660). Das Vorgehen des Strafkammervorsitzenden entsprach dieser Rechtsprechung.

Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, es komme für die Frage der Neuerteilung des letzten Wortes nur auf den objektiven Charakter des Prozeßgeschehens und dessen potentielle Bedeutung für die Sachentscheidung des Gerichts an (Rübenstahl GA 2004, 33, 43), gibt diese Meinung dem Senat keinen Anlaß, seine Rechtsprechung zu ändern.

Soweit die Revision meint, die Senatsentscheidung vom 17. Januar 2003 -2 StR 443/02 (BGHSt 48, 181) habe bereits dargelegt, daß es für die Erforderlichkeit der Neuerteilung des letzten Wortes nicht auf einen Wiedereintritt in die Verhandlung ankomme, läßt sie außer Acht, daß jene Entscheidung eine anders gelagerte, gemäß § 258 Abs. 3 StPO zu beurteilende Verfahrenskonstellation vor der Urteilsberatung betraf, bei der sich die Frage eines Wiedereintritts nicht stellte.

bb) Rüge des § 244 Abs. 6 StPO -unterlassene Beratung und Bescheidung des Hilfsbeweisantrags Demgegenüber beanstandet die Revision dem Grunde nach zu Recht einen Verstoß gegen § 244 Abs. 6 StPO i.V.m. § 246 Abs. 1 StPO, weil das Landgericht den Hilfsbeweisantrag nicht verbeschieden hat.

Nach ständiger Rechtsprechung ist das Gericht verpflichtet, bis zum Beginn der Urteilsverkündung, auch nach abgeschlossener Beratung, Beweisanträge entgegenzunehmen und über sie prozessordnungsmäßig zu entscheiden (BGH NStZ 1992, 248 und 346). Unterläßt es das Gericht, über diesen Antrag zu entscheiden, so verstößt es gegen § 244 Abs. 6 StPO. Auf diesem Fehler beruht das Urteil hier jedoch nicht. Ein Beruhen des Urteils zum Schuldspruch und Strafausspruch sowie zu den Nebenentscheidungen zu der Einziehung und zum Verfall kann schon deshalb ausgeschlossen werden, weil der Hilfsbeweisantrag nur mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung in einem inneren Zusammenhang steht und nur für diese von Bedeutung war.

Aber auch insoweit ist das Übergehen des Hilfsbeweisantrags im Ergebnis unschädlich, weil das Landgericht die Beweisbehauptungen des Antrags für unerheblich halten durfte. Es hätte ihn deshalb nach § 244 Abs. 3 StPO ablehnen können, wie sich aus den Urteilsgründen ohne weiteres ergibt. Deshalb kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf dem Unterlassen der Entscheidung (und der Beratung) über den Hilfsbeweisantrag insgesamt ausschließen (BGHR StPO § 244 Abs. 6 Hilfsbeweisantrag 5, 9; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl. § 244 Rdn. 86).

Mit dem Hilfsbeweisantrag sollte durch Anhörung eines namentlich benannten ethnokulturellen Sachverständigen unter Beweis gestellt werden, daß das Verhalten des Angeklagten, der sich u.a. in der Hauptverhandlung von seinem Bruder und seinem Onkel, die ebenfalls in die ihm als Mittäter vorgeworfenen Rauschgiftgeschäfte verstrickt waren, distanziert hat, auf eine kritische selbständige Entwicklung des Angeklagten und eine damit verbundene Loslösung aus der kurdischen Familienstruktur schließen lasse. Seine nachdeliktische Persönlichkeit und Gefährlichkeitsprognose seien aufgrund dessen positiv zu beurteilen. Durch das Sachverständigengutachten sollten keine neuen Persönlichkeitsmerkmale des Angeklagten unter Beweis gestellt, sondern lediglich auf eine andere Bewertung der bereits bekannten Tatsachen, nämlich eine positive Sozialprognose und die mangelnde Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit hingewirkt werden.

Tatsächlich hat das von einem psychiatrischen Gutachter sachverständig beratene Landgericht seinem Urteil dieselben Umstände zugrunde gelegt, die in die Kenntnis des neu benannten Sachverständigen gestellt worden waren, u.a. den Umstand, daß sich der Angeklagte von seiner Familie losgelöst hatte. Die Urteilsgründe belegen außerdem, daß sich das Landgericht und der von ihm hinzugezogene Sachverständige der Besonderheiten, die sich aus der Verwurzelung des Angeklagten in einem fremden Kulturkreis ergaben, bewußt waren. Die aus diesen Umständen abzuleitende Bewertung für die Gefährlichkeit des Angeklagten und seine Sozialprognose hat der Tatrichter im Rahmen der rechtlichen Prüfung der Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB und seiner Gesamtwürdigung von Täter und Tat vorzunehmen. Dies ist nicht Aufgabe des Sachverständigen. Dieser hat sich lediglich zum Zustand des Angeklagten und zu den Persönlichkeitsmerkmalen zu äußern, die für das Gericht zur Beurteilung des Hanges und der zu stellenden Gefährlichkeitsprognose bedeutsam sind (BGHR StPO § 339 Sachverständiger 1; BGH bei Holtz MDR 1990, 97). Daß der in dem Hilfsbeweisantrag benannte Sachverständige insoweit neue erhebliche Umstände hätte bekunden können, ist weder dem Antrag noch dem Revisionsvorbringen zu entnehmen.

Die Bewertung der erwiesenen Tatsachen und der Umstände für den Hang und die Gefährlichkeit des Angeklagten hat die Strafkammer im übrigen rechtsfehlerfrei vorgenommen. Maßgeblich hierfür sind nicht die kurdischen Maßstäbe, sondern die des mitteleuropäischen Kulturkreises und der deutschen Rechtsordnung.

c) Die Rüge des § 261 StPO ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2. Sachrüge Die Sachrüge hat demgegenüber teilweise Erfolg.

a) Die Überprüfung des Schuldspruchs auf die Sachrüge deckt, soweit das Landgericht von einer mittäterschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an den Rauschgiftgeschäften des G. B. ausgegangen ist, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Daß sich die Beteiligung des Angeklagten teilweise auf die Mitwirkung bei der Planung, den Aufbau der Organisation und die Anlage der Drogengelder beschränkte, steht -wie das Landgericht zu Recht angenommen hat -der Annahme einer mittäterschaftlichen Beteiligung nicht entgegen. Für eine Tatbeteiligung als Mittäter reicht ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag aus, der auch eine Vorbereitungsoder Unterstützungshandlung sein kann (vgl. BGHSt 40, 299, 301; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26 und Tatinteresse 2; BGH NStZ-RR 2000, 327, 328; 2001, 148; 2002, 74, 75).

Jedoch hat das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der dem Angeklagten zuzurechnenden Betäubungsmittelgeschäfte unzutreffend bewertet. Dabei kann dahinstehen, ob sich die acht Lieferungen für den in die unmittelbaren Tatausführungen eingebundenen G. B. als acht Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen darstellen oder auch insoweit Handlungseinheiten durch einheitliche Zahlungen für Rückstände aus mehreren Geschäften oder durch zeitgleiche Bestellungen (Lieferung sechs) gegeben sind. Denn nach ständiger Rechtsprechung und h. M. ist die Frage der Handlungseinheit oder -mehrheit nach dem individuellen Tatbeitrag jedes einzelnen Mittäters zu beurteilen (BGH StV 2002, 73; BGHR § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 7; zustimmend Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. vor § 52 Rdn. 7, 8; Roxin in LK 11. Aufl. § 27 Rdn. 54; Rissingvan Saan in LK 11. Aufl. § 52 Rdn. 16; krit. Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 52 Rdn. 21). Hier hat sich der Angeklagte an den eigentlichen Ausführungshandlungen des Betäubungsmittelhandels jedenfalls bei den Lieferungen 1 bis 3 und 5 nicht beteiligt. Seine Mitwirkung beschränkte sich bei diesen Lieferungen im Vorfeld auf die Beteiligung am Aufbau der Organisation, insbesondere auf die Bereitstellung von Firmen zur Verwaltung und Abschöpfung der Drogengelder und nach der Durchführung der Lieferungen in der Anlage der Erlöse. Sein mittäterschaftlicher Tatbeitrag ist deshalb insoweit -da eine Zuordnung zu einzelnen Lieferungen nicht möglich ist -zu seinen Gunsten nur als eine Handlung zu werten. Anders verhält es sich mit seiner Beteiligung an den Lieferungen 4, 6, 7 und 8. Bei der Lieferung 4, die in den Niederlanden sichergestellt wurde, bemühte er sich zur Eintreibung der gegen den Abnehmer bestehenden Forderung aus diesem Geschäft intensiv um die Übertragung eines in Izmir gelegenen Grundstücks des Abnehmers H. C. auf die Firma P. . Nachdem sein Bruder G. B. während der bereits angelaufenen sechsten Lieferung festgenommen worden war, ist der Angeklagte auch im Rahmen der unmittelbaren Ausführungshandlungen während der 6., 7. und 8. Lieferung tätig geworden. Diese Tatbeiträge haben neben den auch hier vorliegenden Handlungen im Vorfeld und bei der Anlage der Drogengelder ein solches Gewicht, daß insoweit -wie auch vom Landgericht angenommen -von rechtlich selbständigen Taten auszugehen ist.

Der Senat hat deshalb den Schuldspruch wie aus der Urteilsformel ersichtlich abgeändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der bestreitende Angeklagte insoweit nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der für die Fälle 1 bis 3 und 5 festgesetzten Einzelstrafen von jeweils 14 Jahren. Der Senat setzt für diese als eine Tat zu behandelnden Fälle unter Berücksichtigung der rechtsfehlerfreien Strafzumessungserwägungen der Kammer die allein in Betracht kommende Mindesteinzelstrafe mit 14 Jahren fest. Dadurch ist der Angeklagte in keinem Fall beschwert. Die Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren bleibt davon unberührt. Denn bei unverändertem Unrechtsund Schuldgehalt kann die unterschiedliche rechtliche Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses kein maßgebliches Kriterium für die Strafzumessung sein (BGHSt 41, 368, 373; BGH NStZ 1997, 233; BGH, Beschl. vom 18. Juni 2003 -1 StR 184/03), zumal hier der Zumessungsspielraum (14 Jahre und sechs Monate als Einsatzstrafe -höchstmögliche Gesamtfreiheitsstrafe 15 Jahre) denkbar gering ist.

Im übrigen weist das Urteil mit Ausnahme der noch zu erörternden Einziehungsanordnung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

b) Hingegen erweist sich die Einziehung der im Eigentum der Firma P. stehenden beiden Immobilien als rechtsfehlerhaft.

Zwar ist die Einziehung ausländischer Vermögenswerte grundsätzlich möglich, weil das Strafurteil nur innerstaatlich wirkt und daher nicht in die Souveränität des ausländischen Staates eingreift. Die Vollstreckung richtet sich nach internationalen Abkommen, hier dem VN-Suchtstoffübereinkommen vom 20. Dezember 1988 (BGBl. 1993 II 1136; 1996 II 1479), das gemäß Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 des Übereinkommens die Einziehung von Erträgen und Vermögenswerten aus Betäubungsmittelstraftaten zuläßt.

Allerdings fehlte es an einer gesetzlichen Grundlage für die Einziehung der nicht im Eigentum des Angeklagten stehenden Immobilien zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung.

Bei der Firma P. handelt es sich um eine GmbH nach türkischem Recht, deren Gesellschafter hier zwar der Angeklagte und sein Vater waren, die aber als juristische Person selbst Eigentum erwerben konnte. Die Einziehung der Grundstücke nach § 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB schied daher aus. Entgegen der Auffassung des Landgerichts konnte die Einziehung aber auch nicht auf § 75 Satz 1 Nr. 4 StGB gestützt werden.

Nach § 75 Satz 1 Nr. 4 StGB werden Handlungen eines Generalbevollmächtigten oder einer in leitender Stellung tätigen Person einer juristischen Person dieser zugerechnet mit der Folge, daß der juristischen Person zustehende Gegenstände eingezogen werden können. Eine solche Position hatte der Angeklagte B. nicht inne. Nach Auffassung des Landgerichts war aber der Angeklagte den in § 75 Satz 1 Nr. 4 StGB genannten Personen gleichzustellen, weil er als faktischer Geschäftsführer der GmbH gehandelt habe. Der Verweis des Landgerichts auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers, der etwa im Rahmen der Insolvenzdelikte wie ein vertretungsberechtigtes Organ behandelt werde, trägt diese Gleichstellung allerdings nicht. Denn es geht nicht um die Strafbarkeit des "Vertreters", sondern um einen Rückgriff auf die dahinter stehende juristische Person, die über eigene Rechte, z.B. auch über Eigentum verfügt. Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich vielmehr, daß der Gesetzgeber bei § 75 Satz 1 Nr. 4 StGB an formale Rechtspositionen anknüpfen wollte. Mit der Einfügung von § 75 Satz 1 Nr. 4 StGB durch das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität (2. UKG vom 27. Juni 1994, BGBl. I 1440) sollte die Zurechnung des Verhaltens von Personen, die die Geschicke von Personenvereinigungen verantwortlich bestimmen, zwar über den Kreis von organoder vertretungsberechtigten Gesellschaftern hinaus ausgedehnt werden (BT-Drucks. 12/192 S. 14). Die Umgehung der Vorschrift durch eine Übertragung der Leitung und eigentlichen Geschäftsführung auf bestimmte leitende Angestellte, die vom bisherigen Recht nicht erfaßt waren, sollte verhindert werden. Gleichzeitig wollte der Gesetzgeber aber keine Anknüpfung an das Verhalten jedweder natürlicher Person, die befugtermaßen für die juristische Person handelt. Der Vorschlag des Bundesrats, der die Einbeziehung auch "sonstiger Verantwortlicher" vorsah (BT-Drucks. 12/192 S. 37), wurde aus diesem Grund abgelehnt (BT-Drucks. 12/192 S. 43). Die Umschreibung des Personenkreises sollte abschließend sein (BT-Drucks. 12/192 S. 32; Schmidt in LK 11. Aufl. § 75 Rdn. 12). Erst durch das Ausführungsgesetz zum Zweiten Protokoll vom 19. Juni 1997 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, der Gemeinsamen Maßnahme betreffend die Bestechung im privaten Sektor vom 22. Dezember 1998 und des Rahmenbeschlusses vom 29. Mai 2000 über die Verstärkung des mit strafrechtlichen und anderen Sanktionen bewehrten Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro vom 22. August 2002 (BGBl. I 3387) wurde in § 75 Satz 1 StGB eine Nummer 5 eingefügt, die auch sonstige Personen, die für die Leitung des Betriebes oder Unternehmens verantwortlich handeln, einbezieht. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber alle Personen erfassen, die generell zum Kreis der Leitung zählen ohne Beschränkung auf die Innehabung einer formalen Rechtsposition (BT-Drucks. 14/8998 S. 8, 9, 11; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG 3. Aufl. § 30 Rdn. 18d), um eine Umgehung der Norm auch durch die Verlagerung der Verantwortung zu verhindern. Ob der faktische Geschäftführer unter die Regelung des § 75 Satz 1 Nr. 5 StGB fällt, braucht der Senat indes nicht zu entscheiden, weil eine rückwirkende Anwendung der Norm im Hinblick auf deren Strafcharakter nicht in Betracht kommt.

Die Einziehungsanordnung hatte daher, soweit sie die Immobilien der Firma P. betrifft, zu entfallen.

III. Revision des Angeklagten C.

1. Die Verfahrensbeschwerden dringen nicht durch:

a) Die Rüge des § 338 Nr. 3 StPO ist offensichtlich unbegründet.

b) Auch die Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Antrags auf Videovernehmung von Zeugen (§§ 247 a Satz 1 2. Halbsatz, 244 Abs. 2 StPO) hat keinen Erfolg.

Mit einem -an einem der letzten Verhandlungstage gestellten -Antrag hatte der Angeklagte die Vernehmung von 26 Zeugen im Wege der Videokonferenz gefordert. Die Verteidigung sah darin insbesondere die Möglichkeit der unmittelbaren und uneingeschränkten Befragung der Zeugen durch die Angeklagten. Nach einem dem Antrag beigefügten, von der Revision jedoch nicht vorgelegten Schreiben der NCS GmbH sollte die Videokonferenz technisch möglich sein. Diesen -als Beweisanregung verstandenen -Antrag hatte die Kammer mit ausführlicher Begründung abgelehnt, weil sich diese Beweiserhebung nicht aufdrängte.

Die Rüge entspricht schon nicht den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Es werden weder das von der Revision erwähnte Schreiben der NCS GmbH vom 22. April 2002 noch der Beschluß der Kammer vom 17. April 2001, auf den in dem die Videovernehmung ablehnenden Beschluß vom 24. April 2002 Bezug genommen wird, vorgetragen. Nicht mitgeteilt werden ferner die aus den Akten ersichtlichen Bemühungen der Strafkammer um eine Videovernehmung türkischer Zeugen zu Beginn des Verfahrens, insbesondere die Stellungnahme des Auswärtigen Amts vom 27. Januar 2000.

Die Rüge wäre aber auch sowohl nach § 247 a Satz 1 StPO als auch nach § 244 Abs. 2 StPO unbegründet.

Voraussetzung für die im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters zu treffende Anordnung der Videovernehmung eines Zeugen ist nach § 247 a Satz 1 2. Halbsatz StPO, daß die Vernehmung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Daß die Aufklärungspflicht hier die audiovisuelle Vernehmung der Zeugen geboten hat, hat die Kammer rechtsfehlerfrei verneint. Sämtliche Zeugen, deren audiovisuelle Vernehmung beantragt worden war, waren bereits im Wege der Rechtshilfe kommissarisch vernommen worden. Dabei konnte in Abwägung zu dem erwarteten Aufklärungserfolg auch die weitere Verfahrensverzögerung berücksichtigt werden und daß der Zeuge A. C. eine Videovernehmung bereits einmal abgelehnt hatte. Zudem war nicht zu erwarten, daß die türkischen Behörden eine Videovernehmung, bei der die Verfahrensleitung dem deutschen Gericht oblegen und den Prozeßbeteiligten ein unmittelbares Fragerecht zugestanden hätte, zugestimmt hätten. Eine vertragliche Regelung über die in Form der Videokonferenz zu gewährende Rechtshilfe mit der Türkei besteht bisher nicht. Das RhÜbK-EU vom 29. Mai 2000 (ABl C 197 vom 12. Juli 2000), das in Art. 10 Abs. 5 ausdrücklich die Durchführung einer Videokonferenz nach dem Recht des ersuchenden Staates regelt, war zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung von der Bundesrepublik nicht ratifiziert worden.

2. Sachrüge Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Die Revision des Angeklagten C. war daher zu verwerfen. Damit ist auch der Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls gegenstandslos. Rissingvan Saan Detter Bode Otten Roggenbuck