Bayerischer VGH, Beschluss vom 02.10.2008 - 9 CE 08.2116
Fundstelle
openJur 2012, 95850
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.

II. Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts eingelegt wurde (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den am 17. Juli 2008 zugestellten und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschluss endete am 31. Juli 2008 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Der Beschwerdeschriftsatz ging aber beim Verwaltungsgericht erst am 1. August 2008 und damit verspätet ein.

Dem Antrag der Antragsteller auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) konnte nicht stattgegeben werden, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 VwGO nicht erfüllt sind. Es wurden keine Tatsachen vorgetragen oder glaubhaft gemacht, die die Versäumung der Beschwerdefrist als unverschuldet erscheinen lassen. Die Bevollmächtigte der Antragsteller hat hierzu unter Vorlage eines Auszugs aus dem Fristenkalender der Kanzlei und der eidesstattlichen Versicherung einer dort beschäftigten Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten sinngemäß vorgetragen, die Beschwerdefrist sei ordnungsgemäß berechnet und in den Fristenkalender eingetragen worden. Sie habe den Beschwerdeschriftsatz am 29. August 2008 erstellt und der Kanzleiangestellten zur Ausfertigung und Versendung übergeben. Dabei sei nicht nur auf dem Schriftsatz vermerkt worden, dass die Beschwerdeschrift vorab per Fax zu versenden sei. Sie habe diese Anweisung zudem - nachdem sie den Schriftsatz unterzeichnet habe - mündlich gegenüber der Angestellten bekräftigt. Diese sei eine insbesondere hinsichtlich der Fristen- und Terminüberwachung sowie der Postausgangskontrolle erfahrene und äußerst zuverlässige Mitarbeiterin. Gleichwohl sei der Beschwerdeschriftsatz offensichtlich nur per Post versandt worden. Ein Auswahl- oder Organisationsverschulden bestehe nicht. Unter den Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten seien klare Aufgabenbereiche und Zuständigkeiten ausgewiesen. Täglich werde ein Einzelnachweis über die Sendevorgänge der einzelnen Faxgeräte erstellt und aufbewahrt. Übertragungsfehler würden vermerkt und kontrolliert, Fehlermeldungen und Faxsendebestätigungen in der Handakte abgelegt. Ihr selbst sei es nicht zumutbar, die tatsächliche Versendung eines jeden Schriftstücks einzeln zu kontrollieren. In regelmäßigen Abständen erfolge eine Kontrolle der ordnungsgemäßen Führung des Fristenkalenders, der Fristberechnung und der beschriebenen Anweisungen.

Das Vorbringen der Prozessbevollmächtigten belegt nicht, dass das Versäumen der Beschwerdefrist lediglich auf das Verschulden der Kanzleiangestellten zurückzuführen ist, für das die Antragsteller nicht einzustehen hätten. Ein Rechtsanwalt hat nicht nur dafür zu sorgen, dass fristgebundene Schriftsätze rechtzeitig erstellt werden, sondern auch dafür, dass diese innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingehen (BVerwG vom 21.2.2008 Az. 2 B 6/08 <juris>). Zu diesem Zweck muss er einerseits durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass ihm Akten rechtzeitig vorgelegt werden und andererseits eine wirksame Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristgebundene Schriftstücke auch tatsächlich rechtzeitig versandt werden. Da es sich bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Fax an das Gericht um eine einfache technische Verrichtung handelt, darf ein Rechtsanwalt diese Aufgabe einer hinreichend geschulten und überwachten Bürokraft überlassen. Die dafür zuständigen Mitarbeiter sind aber anzuweisen, die Vollständigkeit der Übermittlung auf Grundlage eines ausgedruckten Einzelnachweises zu überprüfen und die Notfrist erst nach der Kontrolle des Sendeberichts zu löschen. Hat ein Rechtsanwalt eine solche Weisung erteilt, darf er sich bei Angestellten, die sich über längere Zeit hinweg als zuverlässig erwiesen haben, darauf verlassen, dass seine allgemein erteilten Anweisungen im Einzelfall befolgt werden (BVerwG vom 28.4.2008 Az. 4 B 48/07 <juris> m.w.N.).

4Es kann offen bleiben, ob hier eine Weisung, die den beschriebenen Anforderungen genügt, allgemein oder jedenfalls im Einzelfall durch die mit der Bearbeitung des Rechtsstreits betraute Anwältin erteilt wurde. Denn der Umstand, dass es die Kanzleiangestellte trotz etwaiger ordnungsgemäßer Weisung unterlassen hat, die Beschwerdeschrift an das Verwaltungsgericht zu faxen, ist nicht allein für das Versäumen der Frist ursächlich. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehören neben den genannten Anforderungen auch organisatorische Maßnahmen, die eine Überprüfung der Erledigung fristgebundener Angelegenheiten etwa anhand eines Postausgangsbuches oder eines Vermerks im Terminkalender gewährleisten (BVerwG vom 28.5.2003 Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 251 m.w.N.). Dabei ist vor Anbringen des Ausgangsvermerks zu überprüfen, welche fristgebundenen Schriftsätze hergestellt, versandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Postausgangsbuch oder im Fristenkalender vermerkten Streitsachen übereinstimmen. Darüber hinaus ist der Versand des fristgebundenen Schriftsatzes nicht nur durch Streichung der eingetragenen Streitsache, sondern zusätzlich durch Eintrag des Datums der Versendung zu dokumentieren (BVerwG vom 14.9.1999 Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 230). Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (vgl. BGH vom 23.5.2006 NJW 2006, 2638 m.w.N.; BFH vom 10.12.1997 Az. X B 148/97 <juris>).

Dass eine Ausgangskontrolle in der beschriebenen Weise in der Kanzlei gewährleistet ist, lässt sich weder dem Vorbringen der Prozessbevollmächtigten noch der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleiangestellten entnehmen. Vielmehr zeigt der vorgelegte Auszug aus dem Fristenkalender, dass dort zwar der jeweilige Fristablauf notiert und die Erledigung wohl in der Regel in Form einer Streichung - allerdings ohne Angabe des Datums der Versendung – festgehalten wird. Der Fristablauf der vorliegenden Streitsache ist auch zutreffend unter dem 31. Juli 2008 im Kalender eingetragen worden. Diese Eintragung ist aber weder mit einem Erledigungsvermerk versehen, noch in sonstiger Weise gelöscht oder gestrichen worden. Bei einer ordnungsgemäßen Ausgangskontrolle hätte die Akte schon infolge des Fehlens eines entsprechenden Vermerks im Fristenkalender am Tag des Fristablaufs vor Büroschluss erneut überprüft werden müssen. Bei einer solchen Überprüfung wäre das Versehen der Kanzleiangestellten nicht unentdeckt geblieben, so dass die Beschwerde noch fristwahrend hätte erhoben werden können. Offensichtlich hat hier aber der fehlende Erledigungsvermerk im Fristenkalender weder am Tag des Fristablaufs noch in der Folgezeit zu weiteren Nachforschungen geführt. Auch der Wiedereinsetzungsantrag, mit dem die entsprechenden Auszüge aus dem Fristenkalender vorgelegt wurden und die eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten enthalten weder Ausführungen zur Frage einer täglichen abendlichen Überprüfung des Fristenkalenders noch zur ordnungsgemäßen Dokumentation von Erledigungsvermerken. Aus alldem ist zu schließen, dass in der Kanzlei entsprechende Weisungen entweder nicht existieren oder jedenfalls nicht ordnungsgemäß überwacht werden. Die Sorgfalt, die ein Prozessbevollmächtigter bei der Wahrung prozessualer Fristen zu beachten hat, ist damit nicht dargetan.

Der von der Antragstellerseite erbetene richterliche Hinweis für den Fall, dass das Gericht den Vortrag zum Vorliegen einer schuldlosen Fristversäumnis nicht als ausreichend erachtet, war nicht veranlasst. Abgesehen von bloßen Ergänzungen und Erläuterungen müssen sämtliche Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Fristversäumnis gekommen ist, grundsätzlich innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO) dargelegt werden (BVerwG vom 6.12.2000 Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 236). Nachdem das am letzten Tag der genannten Frist eingegangene Wiedereinsetzungsgesuch zu den hier maßgeblichen Fragen keine Ausführungen enthält, könnte ein entsprechendes Vorbringen nicht mehr als bloße Ergänzung oder Erläuterung angesehen werden und wäre daher verfristet. Im Übrigen sind die Umstände, die einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegenstehen, nicht unklar (vgl. BGH vom 13.6.2007 NJW 2007, 3212 zur Hinweispflicht des Gerichts, wenn es das Vorbringen in einem Wiedereinsetzungsgesuch als unklar ansieht), sondern vielmehr eindeutig den von der Antragstellerseite zur Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe vorgelegten Unterlagen zu entnehmen.

Das Organisationsverschulden ihrer Prozessbevollmächtigten müssen sich die Antragsteller gemäß § 173 VwGO i.V.m § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, §§ 159, 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.