VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.03.1995 - 3 S 3321/94
Fundstelle
openJur 2013, 9579
  • Rkr:

1. § 10 Abs 2 S 1 BauGB-MaßnahmenG (BauGBMaßnG) ist auch auf einen Befreiungsbescheid nach § 6 BaufreistVO (FreistV BW) anwendbar. Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen diesen Bescheid haben daher keine aufschiebende Wirkung.

2. Vordere (straßenseitige) Baugrenzen dienen regelmäßig nicht dem Schutz der Eigentümer seitlich angrenzender Grundstücke (Konkretisierung der bisherigen Rechtsprechung).

Gründe

Die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen sind zulässig und auch in der Sache erfolgreich. Der - vorrangige (§ 123 Abs. 5 VwGO) - Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO gegen die Befreiung wegen Überschreitung der vorderen Baugrenze (dazu 1.) ist ebensowenig begründet wie der Antrag, den Antragsgegner nach § 123 Abs. 1 VwGO zur einstweiligen Untersagung des Weiterbaus des Wohnhauses aus sonstigen Gründen zu verpflichten (dazu 2.).

1. Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand hält es der Senat nicht für gerechtfertigt, dem Widerspruch des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen wegen Überschreitung der vorderen Baugrenze erteilte Befreiung vom 17.06.1994 aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

1.1 Zwar ist mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, daß der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Befreiung nach §§ 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2, 80 Abs. 5 S. 1 und Abs. 2 Nr. 3 VwGO anzuordnen, statthaft und auch sonst zulässig ist. Denn bei der streitigen Befreiung handelt es sich wegen ihrer rechtlichen Auswirkungen auf die Baufreigabe (vgl. § 7 Abs. 3 BaufreistVO vom 26.4.1990, GBl. 1990, 144) um einen für den Bauherrn begünstigenden Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung für betroffene Nachbarn. Die Befreiung ist ferner nach § 10 Abs. 2 S. 1 BauGB-MaßnahmenG sofort vollziehbar. § 10 Abs. 2 S. 1 BauGB-MaßnahmenG erwähnt zwar ausdrücklich nur die "bauaufsichtliche Genehmigung", d.h. die umfassende Baugenehmigung nach § 59 Abs. 1 LBO. Nach ihrem Zweck (Fortfall der kraft Gesetzes aufschiebenden Wirkung von Nachbarrechtsmitteln gegen behördlich geprüfte und gestattete Wohnbauvorhaben) ist die Vorschrift aber auch in gleicher Weise auf Befreiungen nach § 6 BaufreistVO anzuwenden. Die Baufreistellungsverordnung dient, flankierend zum Regelungsbereich des BauGB-Maßnahmengesetzes, ihrerseits der Verfahrensbeschleunigung bei der Errichtung von Wohngebäuden. Aus diesem Grund sieht der Gesetzgeber von einer umfassenden Baugenehmigungspflicht ab und verlangt nur noch für Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen einen gesonderten Antrag und Bescheid (vgl. § 6 BaufreistVO). Mit den Bauarbeiten darf erst begonnen werden, wenn dieser Bescheid über eine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung nach § 6 BaufreistVO positiv vorliegt (vgl. § 7 Abs. 3 BaufreistVO) und auch vollzogen werden darf. Fehlt es daran, so ist der Bauherr kraft Gesetzes am Weiterbau der mit der Abweichung, Ausnahme oder Befreiung gestatteten Maßnahmen gehindert, was häufig einem vollständigen Baustopp gleichkommt. Würde es bei dieser, der gesetzlichen Regelung (vgl. § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO) entsprechenden Rechtsfolge bleiben, würden die Ziele der Baufreistellungsverordnung wie des BauGB-Maßnahmengesetzes nicht erreicht werden, sondern in ihr Gegenteil verkehrt. Ein Vorgehen nach den Vorschriften der Baufreistellungsverordnung würde dann nicht zu einer Verfahrensbeschleunigung, sondern zu einer Verzögerung beim Bau dringend benötigter Wohnungen führen. Der Beschleunigungszweck gebietet es daher, Bescheide nach § 6 BaufreistVO mit der (Voll)baugenehmigung hinsichtlich der gesetzlichen Vollziehbarkeit gleichzustellen. Diese Auslegung ist auch vom Wortlaut des § 10 Abs. 2 S. 1 BauGB-MaßnahmenG gedeckt. Denn ein Bescheid nach § 6 BaufreistVO stellt einen Restbestand der ansonsten nicht mehr erforderlichen Baugenehmigung nach § 59 Abs. 1 LBO für einen besonders wichtigen Kernbereich baurechtlicher Vorschriften dar. Er ist mithin als "bauaufsichtsrechtliche (Teil)genehmigung" i.S.d. § 10 Abs. 2 S. 1 BauGB-MaßnahmenG anzusehen.

1.2 Der Senat hält den Antrag jedoch nicht für begründet. Dem Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Befreiung (in Gestalt des Wegfalls der Bausperre nach § 7 Abs. 3 BaufreistVO) ist Vorrang vor dem gegenläufigen Interesse des Antragstellers einzuräumen. Denn die Befreiung, die den Beigeladenen gestattet, ihr Einfamilienhaus auf dem Grundstück Flst.-Nr. 8 unter Überschreitung der im Bebauungsplan vom 8.8.1978 festgesetzten vorderen straßenseitigen Baugrenze um ca. 2 m (Wohngebäude) bzw. 7 m (Carport) zu errichten, verletzt den Antragsteller voraussichtlich nicht in nachbarlichen Rechten.

Den Zweifeln des Verwaltungsgerichts daran, ob die auf § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB gestützte Befreiung - insbesondere im Hinblick auf die auch bei dieser Tatbestandsvariante zu fordernde bodenrechtliche Atypik (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschlüsse vom 20.11.1989, UPR 1990, 152 u.v. 8.5.1989, DÖV 1989, 861 sowie VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.10.1987 - 3 S 731/87 -, BRS 47 Nr. 146 u.v. 15.9.1988 - 5 S 1693/88 -) - rechtmäßig ist, braucht der Senat nicht nachzugehen. Denn auch im Falle ihrer Rechtswidrigkeit würde die Befreiung noch nicht unmittelbar Rechte des Antragstellers verletzen. Nachbarn haben einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie und ermessensfehlerfreie Befreiung von Festsetzungen eines Bebauungsplans nämlich nur dann, wenn diese Festsetzungen zu ihren Gunsten Nachbarschutz entfalten (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.12.1982, NJW 1983, 1574 u.v. 19.9.1986, BRS 46 Nr. 173). Davon kann bei der hier in Rede stehenden (nach dem Lageplan) südlichen Baugrenze auf dem Baugrundstück aber nicht ausgegangen werden, was zur Folge hat, daß die Antragsteller sich hinsichtlich der Überschreitung der Baugrenze nur auf das für sie niedrigere Schutzniveau des in § 31 Abs. 2 BauGB (Gebot der Würdigung nachbarlicher Belange) enthaltenen Rücksichtnahmegebots berufen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.1986, a.a.O.). Im einzelnen ist dazu folgendes auszuführen:

1.3 Ob die in einem Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen nachbarschützend sind, richtet sich nach dem mit der Festsetzung verfolgten Zweck. Der Zweck bauplanerischer Festsetzungen ist durch Auslegung des Bebauungsplans im Einzelfall zu ermitteln. Dabei lassen sich - bei aller Vorsicht - gewisse Gruppen von Festsetzungen bilden, die nach ihrer Rechtsnatur und ihrem objektiven Sinngehalt im Regelfall mit nachbarschützender Wirkung angereichert sind oder andererseits regelmäßig keinen Nachbarschutz entfalten (vgl. dazu etwa VGH Bad.-Württ., Beschluß vom 11.1.1995 - 3 S 3096/94 -: Regelungen zum Maß der baulichen Nutzung, Beschluß vom 22.2.1995 - 3 S 243/95 -: Beschränkungen der Wohnungszahl, Urteil vom 15.5.1991 - 3 S 250/91 -: Festsetzungen zur Gebäudehöhe). Bei Baugrenzen ist nach deren Lage und Anordnung zur Umgebung und zu den Nachbargrundstücken zu differenzieren. Während seitliche und hintere Baugrenzen nach Eigenart und Typik im Regelfall auch dem Schutz der ihnen jeweils gegenüberliegenden Wohngrundstücke dienen (Sicherung einer Ruhezone und Erholungszone, vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.2.1993 - 5 S 2313/92 - m.w.N.), haben vordere (straßenseitige) Baugrenzen im Regelfall nur einen öffentlich-städtebaulichen Gehalt (vornehmlich: Gestaltung des Ortsbildes und Straßenbildes, Gewährleistung einer bestimmten Anordnung der Baukörper, Sicherung von Vorgartenzonen, vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.11.1992 - 5 S 1475/92 - sowie Beschluß vom 20.11.1992 - 3 S 2503/92 -). Die auf der anderen Straßenseite gegenüberliegenden oder die - wie hier - seitlich angrenzenden Grundstücke sind typischerweise nicht in den Schutzbereich solcher Baugrenzen einbezogen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschluß vom 25.1.1991 - 3 S 2743/90 -), sondern werden von diesen regelmäßig nur als Reflex ihrer städtebaulichen Zielrichtung begünstigt. Von einer ausnahmsweise drittschützenden Wirkung zu Gunsten von Seitenanliegern ist nur dann auszugehen, wenn sich dafür klare und eindeutige Hinweise aus dem Bebauungsplan (insbesondere aus Textteil, Begründung oder sonstigen im Verfahren verlautbarten Absichtserklärungen) unter Berücksichtigung der konkreten Situation vor Ort ergeben (zu diesen Auslegungsgrundsätzen vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 11.1.1995, a.a.O. u.v. 15.10.1993 - 3 S 1704/93 -).

Solche klaren und eindeutigen Anhaltspunkte für eine unmittelbar dem Schutz des Grundstücks des Antragstellers (Aussichtsschutz, Wohnqualität) dienende Zielrichtung der vorderen Baugrenze auf dem Baugrundstück lassen sich vorliegend dem Bebauungsplan nicht entnehmen.

In seinem Gesamtkonzept der Baugrenzen nimmt der Bebauungsplan auf den Aussichtsschutz nach Westen wenig Rücksicht. Die Baufenster im Plangebiet nördlich der straße sind im oberen Teil nur in leichtem seitlichen Versatz zueinander angeordnet. Auf Höhe des Grundstücks Flst.-Nr. 8021 weitet sich die Baufläche sodann auf, um Platz für zwei Baugrundstücke zu schaffen. Vorkehrungen, daß die Gebäude in diesem Bereich "auf Lücke" gestellt werden müssen, fehlen. Der Bebauungsplan mutet den Oberliegern daher grundsätzlich zu, daß das Sichtfeld nach Westen von Nachbargebäuden verstellt wird. Er gewährleistet nicht den "Vorbeiblick", sondern allenfalls den "Überblick" über die Unterliegergebäude. Für den Bereich südlich der straße gilt nichts anderes. Dort sieht der Bebauungsplan überhaupt keine Staffelung der Baukörper vor, vielmehr können die Gebäude dort beliebig und damit auch sichtbehindernd positioniert werden.

Demnach deutet alles darauf hin, daß die Baugrenzen im Plangebiet rein städtebaulichen Zielen dienen. Die unterschiedliche Staffelung der Baufenster im Bereich nördlich der N-straße soll zum einen ein der Topographie (Hanggelände) angemessenes und an den örtlichen Verkehrsflächen (Straße, Wendehammer) orientiertes Ortsbild und Straßenbild gewährleisten. Zum andern wird die Lage der vorderen Baugrenzen maßgeblich von den jeweiligen hinteren Baugrenzen in dem Gebietsteil bestimmt. Bestreben des Bebauungsplans ist es, diese nördlichen Baugrenzen möglichst nahe an die im Norden der Grundstücke und des Plangebiets verlaufende Böschung und den dortigen Baumbestand heranzurücken und die Baufenster - unter Gewährleistung möglichst gleicher Bebauungstiefen je Grundstück - nach Norden zu verlegen.

Anhaltspunkte dafür, daß von diesen rein städtebaulich ausgerichteten Vorstellungen zu Gunsten des Grundstücks des Antragstellers einseitig abgewichen werden sollte, sind nicht ersichtlich. Die Tatsache, daß zwischen den vorderen Baugrenzen auf seinem Grundstück und auf dem Baugrundstück ein besonders großer Versatz nach Süden von ca. 10 m besteht, gibt dafür nichts her. Diese Tiefendifferenz beruht darauf, daß auch die jeweiligen nördlichen Baugrenzen und der für sie maßgebliche Böschungsfuß etwa 10 m versetzt sind. Dem Grundstück des Antragstellers mag daraus ein gewisser Lagevorteil erwachsen. Dieser ist jedoch - wie bei den übrigen Grundstücken - bloßer Reflex der topographisch-städtebaulichen Verhältnisse.

Auch sonstige Festsetzungen des Bebauungsplans lassen Schlüsse auf eine nachbarschützende Wirkung der streitigen Baugrenze nicht zu. Aus der "freien Wahl der Firstrichtung" läßt sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts insofern nichts herleiten. Zwar darf der Antragsteller den Hauptbaukörper und die Firstrichtung seines Gebäudes, anders als die Unterliegergrundstücke, nicht nur in Ost-West-Richtung, sondern auch in Nord-Süd-Richtung ausrichten. Maßgeblich für diese Privilegierung waren jedoch ersichtlich nur städtebauliche Gründe. Zum einen spielten gestalterische Gesichtspunkte (Randlage des Grundstücks), zum anderen aber auch Belange des Schallschutzes eine Rolle (besserer Lärmschutz von Wohnräumen gegen Verkehrsimmissionen aus Richtung Westen, vgl. Begr. des Bebauungsplans 1. Änderung, S. 6).

Eine nachbarschützende Schutzrichtung der Baugrenze drängt sich auch nicht nach den Höhenverhältnissen zwischen den Grundstücken des Antragstellers und der Beigeladenen auf. Wie die vorliegenden Fotos zeigen, ist der Antragsteller diesbezüglich gegenüber den übrigen Grundstücken im Plangebiet nicht benachteiligt. Sein Grundstück ist nach den konkreten Verhältnissen vor Ort auch keinem außergewöhnlich starken "Erdrückungspotential" durch ein talseitiges Gebäude ausgesetzt, dem durch die streitige Baugrenze abgeholfen werden müßte. In dem Bebauungsplan ist allgemein angelegt, daß Wohngebäude verhältnismäßig nahe, bis zur Grenze der §§ 6 und 7 LBO, aneinander heranrücken können. Aufgrund der Hanglage und der maßvollen Festsetzungen zur Gebäudehöhe ist gewährleistet, daß unangemessene optische Disparitäten zwischen den Nachbargebäuden auf den Grundstücken Flst.-Nrn. 8017 und 8018 gleichwohl nicht entstehen können.

Weitergehende Hinweise auf einen Nachbarschutz der vorderen Baugrenze sind schließlich auch den Akten zum Bebauungsplan in seiner ursprünglichen (Satzungsbeschluß vom 8.8.1978) und seiner geänderten Fassung (Satzungsbeschluß vom 5.5.1981) nicht zu entnehmen. Weder die Planbegründungen noch die sonstigen verlautbarten Absichtserklärungen des Plangebers (Verhandlungen des Gemeinderats, Stellungnahme zu Bedenken und Anregungen) geben zu erkennen, daß mit der Baugrenze andere als städtebauliche Ziele bezweckt sind. In der Begründung zum Bebauungsplan ist lediglich dargelegt, daß sich der östliche Teil des Plangebiets für Wohnbebauung besonders anbiete, daß mit der Stellung der baulichen Anlagen ein "aufgelockertes Ortsbild erreicht werden" solle und daß sich das Baugebiet insgesamt "sehr harmonisch in die Landschaft einglieder (e)". All dies deutet auf eine ausschließlich städtebaulich-gestalterische Zielrichtung der Festsetzungen hin. Auch dafür, daß das Grundstück des Antragstellers bezüglich der Baugrenzen günstiger gestellt werden sollte als die übrigen Grundstücke im Plangebiet, ist nichts ersichtlich. Ob der Planverfasser den Willen hatte, den Antragsteller insofern zu privilegieren, ist rechtlich unerheblich. Denn eine solche Absicht hätte jedenfalls in den für die Auslegung des Bebauungsplans maßgeblichen Unterlagen keinen Niederschlag gefunden. Aus dem gleichen Grund wären auch Meinungsäußerungen oder erhöhte Bewertungen des Grundstücks im Umlegungsverfahren ohne Belang.

1.4 Der Antragsteller ist gegenüber der Befreiung daher auf seine Abwehrrechte aus § 31 Abs. 2 BauGB beschränkt, die sich nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots richten (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.1986, BRS 46 Nr. 173). Um rücksichtslos zu sein, müßte das Wohnhaus (samt Carport) aufgrund seiner durch die Befreiung gestatteten Verschiebung nach Süden für den Antragsteller unzumutbare Beeinträchtigungen in städtebaulich erheblichen Belangen zur Folge haben.

Davon kann hier jedoch nicht die Rede sein. Durch die Überschreitung der Baugrenze um ca. 2 m werden sich die Belichtungsverhältnisse und Besonnungsverhältnisse für das Grundstück des Antragstellers nicht nennenswert verschlechtern. Auch die Aussichtslage nach Westen von einem später zu errichtenden Wohnhaus aus werden keinesfalls unzumutbar geschmälert. Die Südwand des genehmigten Wohnhauses bleibt hinter der südlichen Baugrenze auf dem Grundstück des Antragstellers immer noch um etwa 8 m zurück. Dieser Bereich von etwa 8 m steht für ein künftiges Gebäude auf dem Grundstück des Antragstellers als Sichtfeld zur Verfügung. Der genehmigte Carport beeinträchtigt dieses Sichtfeld nicht, da er oberirdisch kaum in Erscheinung tritt. Dem Antragsteller ist es auch weder unmöglich noch unzumutbar, das Baufenster nach Süden hin voll auszuschöpfen. Denn die Baugrenze ist dort selbst an der schmalsten Stelle noch etwa 13 m breit, nördlich davon erweitert sie sich bis auf etwa 20 m Breite. Der Antragsteller kann daher auf seinem Grundstück auch bei Einhaltung der Mindestabstandsfläche (2,50 m) ohne weiteres noch ein nach Süden ausgreifendes Wohnhaus unterbringen.

2. Auch der Antrag, dem Beigeladenen aus sonstigen Gründen die weitere Bauausführung einstweilen zu untersagen (vgl. § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO), ist unbegründet. Ein dahingehender Anspruch auf baupolizeiliches Einschreiten nach § 7 Abs. 1 S. 2 BaufreistVO ist nicht glaubhaft gemacht (zu diesen Voraussetzungen vgl. i.e. VGH Bad.-Württ., Beschluß vom 26.10.1994 - 8 S 2763/94 -). Das Vorhaben verletzt nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch aus außerhalb der Befreiung liegenden Gründen keine dem Schutz des Antragstellers dienende Vorschriften.

Die bauordnungsrechtlich nachbarschützenden Bestimmungen (§ 6 Abs. 5 S. 4 LBO) sind offensichtlich nicht verletzt, denn das Wohnhaus hält den nachbarschützenden Mindestabstand von 2,50 m zur Grundstücksgrenze des Antragstellers ein. Ferner ist auch ein Verstoß gegen § 39 Abs. 7 LBO auszuschließen, da der Carport und der westlich davon liegende offene Stellplatz so angeordnet sind, daß ihre Nutzung durch Kraftfahrzeuge die Wohnruhe auf dem Grundstück des Antragstellers nicht stören kann (Absenkung ins Erdreich, Zufahrt von der dem Grundstück des Antragstellers abgewandten Westseite aus). Andere bauplanungsrechtliche Vorschriften werden ebenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verletzt. Das Vorhaben hält - mit Ausnahme der Baugrenze (dazu oben) - die Vorgaben des Bebauungsplans "Burgweg" ein. Insbesondere wird die für Wohngebäude zugelassene Höhe von 4,50 m ab der im Mittel gemessenen festgelegten Geländeoberfläche wohl nicht überschritten (vgl. Plan "Ermittlung Gebäudehöhe"). Das Vorhaben verstößt in seinen Ausmaßen auch nicht zu Lasten des Antragstellers gegen das in § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltene Gebot der Rücksichtnahme. Da die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen gewahrt sind, kann von einer unzumutbaren Verschattung des Grundstückes des Antragstellers nicht die Rede sein. Ebensowenig übt der Baukörper des Vorhabens auf das Grundstück des Antragstellers eine unzumutbare erdrückende Wirkung aus. Dies ergibt sich hinreichend aus den genehmigten Plänen und den vorgelegten Fotos. Danach ist der streitige Neubau in Winkelform geplant und auf der dem Grundstück des Antragstellers zugewandten Ostseite nur etwa 8 m breit. Auch in der Höhenentwicklung ist das Gebäude maßvoll angelegt. Die Rückwand des Wohnhauses ragt im First nur wenig mehr als 6 m über das vorhandene Hanggelände hinaus und das Untergeschoß ist vom Grundstück des Antragstellers aus überhaupt nicht sichtbar. Im Verhältnis zu den übrigen Wohnhäusern im umgebenden Plangebiet fällt das Gebäude nicht aus dem Rahmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Billigem Ermessen entsprach es nicht, dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im erstinstanzlichen Verfahren aufzuerlegen. Denn die Beigeladenen haben dort keinen eigenen Sachantrag gestellt und damit auch kein selbständiges Kostenrisiko auf sich genommen.

Die Streitwertfestsetzung und -änderung beruhen auf §§ 13 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 3, 25 Abs. 2 S. 3 GKG. Die Streitwerthöhe in Beschwerdeverfahren ist durch den Antrag des Antragstellers vor dem Verwaltungsgericht begrenzt (vgl. § 14 Abs. 2 S. 1 GKG analog). Das diesen Streitwert bestimmende Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Baustopp schätzt der Senat anders als das Verwaltungsgericht, auf 10.000,-- DM. Abstriche gegenüber dem Streitwert der Hauptsache sind nicht zu machen, da der Antragsteller sich ausschließlich gegen Beeinträchtigungen durch den Baukörper wendet (vgl. dazu etwa VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 5.12.1994 - 3 S 3155/94 - u.v. 21.6.1993 - 5 S 874/93 -).

Dieser Beschluß ist unanfechtbar.