OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 10.07.2003 - 3 U 186/02
Fundstelle
openJur 2012, 24366
  • Rkr:
Tenor

[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.]

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, weil ein Rechtsmittel nicht eröffnet ist.

Die Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und firstgerecht eingelegt und begründet. Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Das Landgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat, was Leistungsfreiheit der Beklagten zur Folge hat ( § 61 VVG).

Grobe Fahrlässigkeit  liegt vor, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige nicht beachtet wird, was im konkreten Fall jedem Verkehrsteilnehmer hätte einleuchten müssen (OLG Braunschweig in Versicherungsrecht 1997, Seite 182 mit weiteren Nachweisen).

Sie setzt neben einem objektiv grob verkehrswidrigen Verhalten subjektiv ein erheblich gesteigertes Verschulden voraus. Für das Vorliegen des objektiven Tatbestandes können dabei die Regeln des Anscheinbeweises herangezogen werden, nicht aber für die subjektiven Voraussetzungen. Vom rein Tatsächlichen sind aber Erfahrungsschlüsse auf Tatsachen möglich, die den Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründen (Prölss/Martin, VVG 26. Auflage, Rdnr. 23 zu § 61).

Die grobe Fahrlässigkeit liegt hier bereits darin, dass der Kläger mit Sommerreifen in den Wintersport nach Arosa gefahren ist. Dass es in solchen Höhenlagen gerade im Winter häufig und kurzfristig zu extremen Änderungen der Witterungsverhältnisse kommt, die eine komplette Winterausrüstung des Fahrzeuges inklusive Schneeketten erfordern, ist allgemein bekannt und daher auch ohne weiteres vorhersehbar. Folglich ist in derart hochgelegenen Bergregionen Winterausrüstung und die Mitführung von Schneeketten nicht nur empfohlen, sondern vorgeschrieben. Wer ungeachtet dessen mit Sommerreifen fährt, handelt leichtfertig im Sinne grober Fahrlässigkeit.

Sommerreifen haben nämlich nach beiderseits unangegriffener Feststellung des Sachverständigen trotz Schneeketten auf der Hinterachse keine Seitenführungskräfte.

Das wirkt sich insbesondere – wie hier – bei Bergabfahrten aus.

Der Senat hat dabei davon auszugehen, dass der Kläger mit Sommerreifen gefahren ist. Dies war bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig. In der Verhandlung hat der Kläger erstmals behauptet, sein Fahrzeug sei mit Ganzjahresreifen ausgerüstet gewesen. Neuer Sachvertrag kann indessen nur zugelassen werden, wenn seine Nichtgeltendmachung im ersten Rechtszug nicht auf grober Nachlässigkeit beruht (§ 531 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO). Umstände die diese Annahme rechtfertigen würden hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht. Auch das Argument, er habe sich an die Anweisungen der Herstellerfirma gehalten und die Benutzung von Schneeketten sei nicht ausdrücklich untersagt, ist bei näherer Betrachtung nicht stichhaltig.

Ausweislich des Handbuchauszuges, den der Kläger vorgelegt hat (Blatt 157 d.A. dürfen Schneeketten nur bei Verwendung von Felgen mit Winterreifen der Größe 225/16 R16 oder 17- Zoll – Felgen mit Reifen der Größe 245/ 50 ZR17 montiert werden.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angeben, er habe 17- Zoll – Reifen der Größe 245/45 gefahren. Aus dem von ihm überreichten Gutachten des Sachverständigen ... von 27.01.2000 ergibt sich indessen, dass die Hinterreifen des Fahrzeuges solche der Größe 255/45 ZR 18, also 18 – Zoll – Reifen waren. Für diese Reifen sind nach dem Handbuch keine Schneeketten zugelassen, wenngleich sie nach Einschätzung des Sachverständigen W. montierbar sind.

Die grobe Fahrlässigkeit entfällt auch nicht deshalb, weil der Kläger - wie er angibt - bis zum Abreisetag problemlos fahren konnte. Dies ist möglicherweise auf günstige Witterungsverhältnisse zurückzuführen, auf die der Kläger indessen - siehe oben - nicht vertrauen durfte.

Vorliegend hat bereits Neuschneefall genügt, um die Seitenführungskräfte der Vorderräder außer Kraft zu setzten, wenn auch möglicherweise verbunden mit Glättebildung, zu der der Kläger aber keine konkreten Ausführungen macht.

In der Berufung trägt er diesbezüglich vor, er könne sich den Vorfall nur mit Glättebildung unterhalb der Schneeauflage am Abfahrtstag oder vorher erklären.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er indessen angegeben, am Abfahrtstag sei geräumt und gestreut gewesen und es habe Glatteisbildung gegeben, während es vorher nie glatt gewesen sei. Der Kläger führt dies zwar auf Temperaturveränderungen zurück; dass es aber einen Temperatursturz erheblichen Ausmaßes gegeben hätte, der dies bewirkt hätte, wird nicht behauptet.

Schon weil es hier an nachvollziehbaren Angaben fehlt, ist der Einwand des Klägers, der Vorfall hätte sich auch mit Winterreifen ereignet, nicht überprüfbar.

Insbesondere ist dies aber auch deshalb der Fall, weil nach Feststellung des Sachverständigen bei extremer Glättebildung auch mit Winterreifen keine ausreichende Seitenführung gewährleistet ist. Dass eine derart extreme Glättebildung vorgelegen hätte, lassen die Ausführungen des Klägers nicht erkennen.

Die Kosten der nach alledem erfolglosen Berufung trägt gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

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