OLG München, Beschluss vom 18.09.2008 - 33 Wx 100/08
Fundstelle
openJur 2012, 94990
  • Rkr:
Tenor

I. Die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 7. März 2008 wird teilweise aufgehoben.

II. Unter Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts Erlangen vom 17. Dezember 2007 wird die Vergütung des ehemaligen Betreuers für die Zeit vom 30. August 2007 bis zum 29. September 2007 auf 264 € festgesetzt.

III. Im Übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde des ehemaligen Betreuers gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 7. März 2008 dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe

I.

Für den Betroffenen hat das Amtsgericht am 29.11.2006 einen berufsmäßigen vorläufigen Betreuer und am 29.3. 2007 auf Dauer einen berufsmäßigen Betreuer bestellt. Am 31.1.2008 ist die Betreuung aufgehoben worden.

Mit Schreiben vom 3.12.2007 hat der Betreuer eine Pauschalvergütung für das im zweiten Betreuungshalbjahr liegende Betreuungsquartal vom 30.8.2007 bis zum 29.11.2007 in Höhe von 734,80 € beantragt, wobei er vorgetragen hat, der Betroffene sei seit dem 19.10.2007 mittellos. Er hat deshalb für die Zeit bis 19.10.2007 monatlich 6 Stunden und ab 20.10.2007 monatlich 5 Stunden bei einem Stundensatz von 44 € für die Betreuung des nicht in einem Heim lebenden Betroffenen angesetzt und die Festsetzung eines Betrags von 734,80 € (50/30 von 6 Stunden + 40/30 von 5 Stunden zu 44 € pro Stunde) gegen die Staatskasse beantragt.

Mit Beschluss vom 17.12.2007 hat das Amtsgericht eine Vergütung von 660 € gegen die Staatskasse festgesetzt und damit indirekt den weitergehenden Vergütungsantrag abgelehnt mit der Begründung, der Betroffene sei zwar teilweise im Abrechnungszeitraum vermögend gewesen, doch könnten gegen die Staatskasse die „Stundensätze“ (richtig: Stundenansätze) des § 5 Abs. 1 VBVG nicht festgesetzt werden. Deshalb hat das Amtsgericht für den gesamten Abrechnungszeitraum nur monatlich 5 Stunden berücksichtigt. Den Stundensatz von 44 € hat es nicht beanstandet.

Die dagegen gerichtete Erinnerung hat das Amtsgericht am 1.2.2008 zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde zugelassen.

Diese hat das Landgericht mit am 17.3.2008 durch Niederlegung zugestelltem Beschluss vom 7.3.2008 zurückgewiesen und die sofortige weitere Beschwerde zugelassen.

Am 9.4.2008 hat der ehemalige Betreuer gegen diesen Beschluss sofortige weitere Beschwerde eingelegt und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die sofortige weitere Beschwerde beantragt.

II.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt, da dem Beschwerdeführer Wiedereinsetzung zu gewähren ist (§ 22 Abs. 2 FGG). Er hat durch Vorlage von Flugdokumenten und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass er zum Zeitpunkt der Zustellung der Beschwerdeentscheidung im Auslandsurlaub war, aus dem er erst am 29.3.2008 aus Übersee zurückgeflogen ist. Zwar hätte er am Montag den 31.3.2008, dem letzten Tag der Frist, noch die Möglichkeit gehabt, das Rechtsmittel fristgerecht einzulegen. Dem Beschwerdeführer ist jedoch eine gewisse Überlegungsfrist und Gelegenheit zur Überprüfung der Beschwerdeentscheidung einzuräumen. Deshalb ist es nicht als schuldhaft anzusehen, dass er nicht am letzten Tag der Frist, dem ersten Werktag nach seiner Rückkehr aus dem Überseeurlaub, den Rechtspfleger zur Einlegung des Rechtsmittels aufgesucht hat. Damit wahrt seine am 9.4.2008 eingelegte sofortige weitere Beschwerde auch die zweiwöchige Frist des § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG.

2. Das Rechtsmittel ist nach Auffassung des Senats auch teilweise begründet.

a) Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

Der Betroffene sei während des Abrechnungszeitraums mittellos geworden.

Nach Ansicht der Kammer könnten gegenüber der Staatskasse als Haftungsschuldner die Stundenansätze für bemittelte Betreute nach § 5 Abs. 1 VBVG nicht abgerechnet werden, auch wenn der Betroffene während des gesamten Abrechnungszeitraums oder in bestimmten Zeitabschnitten noch als bemittelt anzusehen sei.

Zwar habe das Landgericht München I mit Beschluss vom 3.3.2006 -13 T 911/06 anstelle einer einheitlichen Beurteilung der Mittellosigkeit für den gesamten Zeitraum eine Betrachtung nach Zeitabschnitten für maßgeblich gehalten. Der Eintritt der Mittellosigkeit vor Ablauf eines vollen Monats könne nicht anders beurteilt werden als der Umzug des Betreuten in ein Heim oder von dort aus in eine andere Wohnform. Allein aus dem gesetzgeberischen Ziel der Schonung der Staatsfinanzen könne nicht gefolgert werden, dass gegen die Staatskasse stets nur die niedrigeren Stundenansätze des § 5 Abs. 2 VBVG anzusetzen seien. Aufgrund seines eindeutigen Wortlauts sei Abs. 4 der Vorschrift insoweit auch nicht auslegungsfähig. Ein abweichendes Ergebnis widerspräche der Vergütungsgerechtigkeit, weil die Differenzierung nach den Mitteln des Betroffenen durch den mutmaßlich höheren Zeitaufwand bei Vorhandensein von Vermögen gerechtfertigt werde. Der für die Gerichte höhere Zeitaufwand bei gegebenenfalls abschnittsweiser Prüfung der Mittellosigkeit falle demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht.

Dieser Ansicht folge aber das Beschwerdegericht nicht.

Tatsächlich könne zwar der Wortlaut des § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG für die Auffassung sprechen, der Eintritt der Mittellosigkeit sei ein Umstand, der sich auf die Vergütung auswirke. Denn in § 5 Abs. 1 und Abs. 2 VBVG seien gerade unterschiedliche Stundenansätze festgelegt worden, je nachdem, ob der Betroffene mittellos ist oder nicht. Dies könne die Schlussfolgerung zulassen, dass für die Stundenansätze des § 5 VBVG die Mittellosigkeit nicht einheitlich zu beurteilen sei. Die Kammer halte aber abweichend vom LG München I den Wortlaut des § 5 Abs. 4 VBVG für auslegungsfähig. Das Kriterium der Mittellosigkeit sei bereits nicht ausdrücklich in § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG als vergütungsändernder Umstand genannt; auch in Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift sei nicht festgelegt, auf welchen Zeitpunkt diese Vorschrift für die Beurteilung der Mittellosigkeit abstelle.

Die Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrats (BT-Drucks. 15/2494 S. 34) enthalte ebenfalls keine eindeutige diesbezügliche Aussage. Dies sei aber ohnehin für die strittige Frage unergiebig, weil zu diesem Zeitpunkt unterschiedlich hohe Stundenansätze in Anknüpfung an die Frage der Mittellosigkeit des Betroffenen noch nicht vorgesehen gewesen seien.

Ebenso wenig lasse sich dem Bericht des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 15/4874 S. 31) eindeutig entnehmen, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Mittellosigkeit bei der Festsetzung der Stundenansätze abzustellen sei. Dort werde lediglich ausgeführt, dass § 5 Abs. 2 VBVG die Stundenansätze enthalte, die für den Fall der Mittellosigkeit des Betreuten für die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung anzusetzen seien. Diese seien im Vergleich zu den Ansätzen für bemittelte Betreute niedriger. Denn niedrigere Stundenansätze würden sich insbesondere mit dem in der Regel geringeren Aufwand für einen mittellosen Betreuten rechtfertigen lassen. Ähnlich wie bei den niedrigeren Gebührenansätzen für Rechtsanwälte im Rahmen der Prozesskostenhilfe sollte auch hier den berechtigten Interessen der Staatskasse bei der Gewährung von sozialen Leistungen Rechnung getragen werden.

Die vom Landgericht München I für richtig gehaltene Berechnungsweise führe zu erheblichem Abrechnungsaufwand für die festsetzenden Gerichte; hierdurch werde die Absicht des Gesetzgebers durchkreuzt, das Abrechnungssystem streitvermeidend zu vereinfachen und könne bereits deshalb nicht als dem Willen des Gesetzgebers entsprechend angesehen werden.

Eine Festsetzung nach § 5 Abs. 1 VBVG gegenüber der Staatskasse widerspreche auch der im Vergütungsrecht durchgängig vorhandenen Systematik, dass erhöhte Stundensätze für bemittelte Betreute nie gegenüber der Staatskasse abgerechnet werden könnten. So sehe z.B. § 3 Abs. 3 VBVG eine Erhöhung der Stundensätze wegen besonderer Schwierigkeiten der vormundschaftsgerichtlichen Geschäfte nur dann vor, wenn das Mündel nicht mittellos sei. Auch für den Verfahrenspfleger, der gemäß § 67a Abs. 5 FGG seine Vergütung stets aus der Staatskasse erhalte, sei eine Erhöhung der Stundensätze ausgeschlossen (§ 67a Abs. 2 Satz 2 FGG, der insofern nicht auf § 3 Abs. 3 VBVG verweise).

Zudem widerspreche eine andere Beurteilung nicht der Vergütungsgerechtigkeit. Der Differenzierung bei den Stundenansätzen liege nicht ein grundsätzlich höherer Zeitaufwand für bemittelte Betroffene zugrunde; die Erhöhung der Stundenansätze bei bemittelten Betroffenen sei vielmehr als politisches Zugeständnis im Gesetzgebungsverfahren gegenüber den Interessen der Berufsbetreuer zu verstehen. Das bloße Vorhandensein von Vermögen erfordere nicht stets einen höheren Zeitaufwand, wie auch die Regelung über die ehrenamtlichen Betreuern unter den Voraussetzungen des § 1836 Abs. 2 BGB zu bewilligende Vergütung zeige. Hierfür sei die Höhe des Vermögens nicht allein ausschlaggebend, sondern allenfalls ein Indiz für Umfang und Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte.

Das bloße Vorhandensein von Vermögen werde nicht mit der Begründung, dass es einen höheren Zeitaufwand erfordere, als vergütungserhöhend angesehen. So sei auch für die Frage, ob einem ehrenamtlichen Betreuer wegen des Umfangs oder der Schwierigkeit eine Vergütung gemäß § 1836 Abs. 2 BGB zu gewähren sei, die Höhe des Vermögens allein nicht ausschlaggebend. Auch nach der Rechtsprechung zur Bemessung der Vergütung der Berufsbetreuer für bemittelte Betreute nach der vor dem 1.7.2005 maßgebenden Rechtslage seien die Stundensätze nach § 1 BVormVG als wesentliche Orientierungshilfe angesehen worden, d.h. im Regelfall angemessen und nur dann zu überschreiten gewesen, wenn dies die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte gerechtfertigt habe. Die Höhe des Vermögens habe danach für sich genommen kein Kriterium für die Vergütungshöhe gebildet, sondern nur mittelbare Bedeutung insoweit gewinnen können, als sich hierdurch gegebenenfalls die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte erhöht habe, so der BGH im Beschluss vom 31.8.2000 - XII ZB 217/99.

Im Übrigen seien schwankende Vermögensverhältnisse des Betreuten im Abrechnungszeitraum bzw. bis zur Vergütungsfestsetzung nicht bei umfangreichem Vermögen zu erwarten, sondern gerade in den Fällen, in denen sich das Vermögen in geringem Umfang mal oberhalb oder unterhalb der Schonvermögensgrenzen befinde und Unterschiede im Zeitaufwand bei der Verwaltung dieses Vermögens dadurch schon nicht in relevantem Umfang gegeben sein könnten.

Deshalb komme eine Abrechnung der erhöhten Stundensätze des § 5 Abs. 1 VBVG gegenüber der Staatskasse nicht in Betracht. Das mit der Regelung des § 5 Abs. 2 VBVG verfolgte gesetzgeberische Ziel der Privilegierung der Staatskasse durch Schonung der Staatsfinanzen und die Systematik des Vergütungsrechts verlangten folgende Auslegung: Die höheren Stundenansätze des § 5 Abs. 1 VBVG seien nur dann anzusetzen, wenn sich der Anspruch gegen den Betreuten als Haftungsschuldner richte und die niedrigeren Stundenansätze des § 5 Abs. 2 VBVG, wenn die Staatskasse in Anspruch genommen werden müsse.

b) Diese Ausführungen halten nach Auffassung des Senats rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

aa) Ist der Betroffene mittellos, kann der Betreuer die Vergütung aus der Staatskasse verlangen (§ 1835 Abs. 4, § 1835 a Abs. 3 BGB, § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG). Für die Feststellung des Vergütungsschuldners ist bezüglich der Mittellosigkeit auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung abzustellen (BayObLG BtPrax 1996, 29; 1998, 79; FamRZ 2002, 1289). Dies gilt auch nach der Neuregelung der Betreuervergütung zum 1.7.2005.

Die Höhe der Vergütung des Betreuers ist in §§ 4 und 5 VBVG geregelt. § 4 VBVG befasst sich mit der Höhe des Stundensatzes, der hier nicht verfahrensgegenständlich ist. § 5 VBVG bestimmt durch Festlegung von monatlich pauschalen Stundenansätzen in Verbindung mit den Stundensätzen des § 4 VBVG die Höhe der Vergütung, die dem Betreuer für jeden Monat der Betreuung zusteht. Einzige Kriterien dafür sind die Fragen der Mittellosigkeit, des Heimaufenthalts und der (bisherigen) Dauer der Betreuung. Andere Gesichtspunkte, wie etwa Umfang und Schwierigkeit der Betreuung oder ähnliches haben keinen Einfluss auf die dem Betreuer im Monat zustehende Vergütung. Insbesondere ist die Höhe der Vergütung nicht davon abhängig gemacht, gegen wen die Vergütung festzusetzen ist.

Lediglich für die Frage des Vergütungsschuldners ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung abzustellen, für die Höhe der Vergütung kommt es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Betreuungszeit an (OLG Brandenburg FamRZ 2007, 2109; OLG Dresden BtPrax 2007, 256; OLG Hamburg FamRZ 2008, 91, OLG Frankfurt Rpfleger 2008, 419 = BtPrax 2008, 175).

bb) Dies verkennt die Beschwerdeentscheidung, die auch bezüglich der Vergütungshöhe hinsichtlich der Mittellosigkeit auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung über die Vergütungsfestsetzung abstellt.

(1) § 5 Abs. 1 und 2 VBVG regelt die Höhe der Vergütung für jeden einzelnen Betreuungsmonat. Der Bezug auf einzelne Betreuungsmonate ist sowohl in Absatz 1 als auch in Absatz 2 eindeutig gegeben. Dies folgt schon daraus, dass das Gesetz sich ausdrücklich mit dem monatlichen Vergütungsanspruch des Betreuers befasst und unterschiedlich hohe Stundenansätze für bestimmte mehrmonatige Abschnitte der Betreuung ansetzt und dabei jeweils differenziert, ob der Betroffene im Heim lebt und ob er mittellos ist.

(2) Dem Argument der Kammer, § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG lasse keinen Zeitbezug für die Frage der Mittellosigkeit erkennen, weil dieses Kriterium dort nicht ausdrücklich genannt sei, kann der Senat nicht folgen. In § 5 Abs 4 Satz 2 VBVG ist auch keines der anderen Kriterien der Absätze 1 und 2 genannt. Wollte man der Argumentation der Beschwerdeentscheidung folgen, wäre die Vorschrift auch für die übrigen Kriterien nicht heranzuziehen und damit obsolet. Jedoch ist aus anderen Gründen § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG auf das Kriterium der Mittellosigkeit nicht anwendbar, wie unten ausgeführt wird. Aus der Unanwendbarkeit von Abs. 4 Satz 2 der Vorschrift kann aber nicht gefolgert werden, dass auch der Bezug der Absätze 1 und 2 auf Betreuungsmonate nicht zu beachten sei.

Die Vorschrift des § 5 Abs 4 Satz 2 VBVG ist nur für die Fälle von Bedeutung, bei denen ein Wechsel des Vermögensstatus von bemittelt zu unbemittelt während eines Abrechnungsmonats eintritt. Für ganze Monate ergibt sich der Zeitbezug für die Mittellosigkeit aus § 5 Abs. 1 und 2 VBVG.

(3) Dass der Gesetzgeber für die Betreuung Mittelloser geringere Stundenansätze festgesetzt hat und die Mittellosigkeit gleichzeitig Voraussetzung für die Festsetzung gegen die Staatskasse ist, zielt zwar darauf, den Fiskus nicht übermäßig zu belasten. Dies kann jedoch nicht rechtfertigen, Gesetzesvorschriften entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut „auszulegen“, nur um diesem Zweck auch in Grenzfällen uneingeschränkt zum Durchbruch zu verhelfen. Denn auch bei richtiger Anwendung des § 5 VBVG verbleibt es in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle bei dem gewünschten Entlastungseffekt für die Staatskasse.

(4) Die von der Kammer angeführte Systematik des Gesetzes, für die Betreuungen Minderbemittelter nie erhöhte Stundensätze gegen die Staatskasse anzusetzen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Umstand, dass nach § 3 Abs. 3 VBVG für die Vergütung von Vormündern keine wegen der Schwierigkeit erhöhten Stundensätze bewilligt werden können, wenn sich der Anspruch gegen die Staatskasse richtet, sowie die Vorschrift des § 67a Abs. 2 Satz 2 FGG, welche keine Ausnahme von den Stundensätzen für Verfahrenspfleger zulässt, zeigen keine irgendwie geartete Systematik auf.

Beide Vorschriften beziehen sich auf die Stundensätze (in Euro) und berücksichtigen die Art bzw. den Umfang der konkreten Tätigkeit, indem die tatsächlich vom Vormund oder Verfahrenspfleger aufgewandte Zeit vergütet wird. Die Vergütung von Betreuern nach §§ 4, 5 VBVG sieht ohnehin keine unterschiedlichen Stundensätze für Betreuer von bemittelten und mittellosen Betroffenen vor.

Außerdem regelt § 5 VBVG nicht allgemeine und wegen besonderer Umstände erhöhte Stundensätze, sondern hinsichtlich der dort genannten drei Kriterien jeweils zwei unterschiedliche Stundenansätze, also pauschalierten Zeitaufwand. Eine Begrenzung des Zeitaufwands bei Inanspruchnahme der Staatskasse findet sich weder in den Vergütungsvorschriften für Vormünder noch in denen für Verfahrenspfleger.

(5) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die geringeren Stundenansätze für die Betreuung Mittelloser keinesfalls, wie die Kammer meint, einzig damit zu begründen sind, die Staatskasse zu entlasten. So hat der Rechtsausschuss in seiner Beschlussempfehlung neben diesem fiskalischen Zweck auch ausgeführt: „Die niedrigeren Stundenansätze lassen sich insbesondere mit dem in der Regel geringeren Aufwand für einen mittellosen Betreuten rechtfertigen“ (BT-Drucksache 15/4874 S. 32 Spalte 1).

(6) Auch Praktikabilitätsgesichtspunkte zwingen nicht zu einer Auslegung gegen den Wortlaut der Vorschrift. Die Vereinfachung der Betreuerabrechnung war ein wichtiges Ziel des VBVG. In den Fällen, in denen dem Gesetzgeber aber eine noch weitergehende Pauschalierung nicht sachgerecht erschien, hat er eine solche auch nicht vorgenommen, wie § 5 Abs. 4 Satz 2 mit seiner zeitanteiligen Berechnungsvorschrift zeigt. Bei den Fällen des schleichenden Vermögensverzehrs des Betroffenen ist die Feststellung des Zeitpunkts der Mittellosigkeit ohne unvertretbaren Aufwand möglich, da diese Frage nur für drei weitere Zeitpunkte, nämlich jeweils für das Ende eines jeden Abrechnungsmonats festzustellen ist. Auch ist es dem Betreuer nicht verwehrt, bereits selbst die Saldierung zum Monatsende, die er ja braucht, um den Wechsel im Vermögensstatus für seinen Vergütungsantrag festzustellen, auch dem Gericht gegenüber darzulegen und damit diesem die Arbeit zu erleichtern und die Behandlung seiner Vergütungsfestsetzung zu beschleunigen.

cc) Für die Frage der Mittellosigkeit ist auf ganze Betreuungsmonate abzustellen, wobei es darauf ankommt, ob der Betroffene mit Ablauf des Monats über Mittel verfügt, die es ihm (unter Berücksichtigung des Schonvermögens) erlauben, die volle Monatsvergütung für die Betreuung eines nicht mittellosen Betroffenen zu zahlen.

(1) Zwar ist einerseits die Höhe der Vergütung abhängig davon, ob der Betreute mittellos ist und hängt andererseits die Beurteilung der Mittellosigkeit davon ab, ob der Betroffene in der Lage ist, die Vergütung vollständig aus seinem Vermögen oder Einkommen zu zahlen (vgl. Knittel BtG § 5 VBVG Anm 27b unter Hinweis auf Fröschle Betreuungsrecht 2005 Rn 283). Die Frage der Mittellosigkeit lässt sich aber eindeutig beantworten, wenn sich die Höhe der dem Betreuer zustehenden Vergütung bestimmen lässt. Der Betroffene ist als nicht mittellos anzusehen, wenn er in der Lage ist, die Vergütung des Betreuers nach § 5 Abs. 1 VBVG vollständig zu zahlen (§ 1836d BGB). Dies lässt sich für abgelaufene Betreuungsmonate zum Monatsende eindeutig feststellen.

39(2) Nach § 5 VBVG kann der Betreuer für jeden Monat, in dem die Betreuung besteht, eine Vergütung verlangen, wobei nicht erforderlich ist, dass er auch in dem zu vergütenden Monat tatsächlich oder in dem vom Gesetz pauschalierend unterstellten Umfang tätig geworden ist. Damit gelangt der Vergütungsanspruch des Betreuers mit dem Ablauf des jeweiligen Betreuungsmonats und nicht bereits kalendertäglich zur Entstehung (vgl. BGH Beschluss vom 28.5.2008 – XII ZB 53/08 FamRZ 2008, 1611/1612). Daher ist für jeden ganzen Betreuungsmonat je nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Betroffenen entweder die pauschalierte Stundenanzahl des § 5 Abs. 1 oder die des Abs. 2 anzusetzen.

dd) Vor Ablauf des Betreuungsmonats ist der Vergütungsanspruch des Betreuers nicht entstanden. Daher lässt sich für Teile eines Monats auch die Mittellosigkeit des Betroffenen nicht feststellen.

(1) Einerseits hängt die Höhe der Vergütung bereits davon ab, ob der Betroffene als mittellos anzusehen ist und ob und in welchem Zeitraum er es auch künftig im Abrechnungsmonat sein wird. Außerdem ist grundsätzlich jederzeit ein Wechsel des Betroffenen in ein Heim oder aus einem Heim heraus möglich, so dass sich der Stundenansatz teilweise nach § 5 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 VBVG richten kann. Da während des Monats auch das Vermögen wiederholt nach oben und unten schwanken kann, lässt sich auch während des Monats nicht absehen, ob der Betroffene bei Entstehung des Anspruchs mit Ablauf des Betreuungsmonats für die Zahlung der Betreuervergütung (teilweise) als leistungsunfähig und damit als mittellos anzusehen ist.

Die Höhe des Vermögens bestimmt sich auch nach den Zu- und Abflüssen. Typischerweise werden einerseits monatlich einmalige Zahlungen zu den Miet- oder Heim- und Pflegekosten fällig und andererseits erfolgen ebenfalls monatlich einmalige Zahlungen an den Betroffenen aus Renten und Sozialleistungen. Der Vermögensstatus des Betroffenen lässt sich demnach nur für ganze Monate bestimmen, denn dieser kann nicht von dem Zufall abhängig sein, ob die monatlich einmaligen Zahlungen an den Betroffenen vor oder nach seinen Ausgaben erfolgen.

Deshalb ist es nicht möglich, gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG die höhere Vergütung des § 5 Abs. 1 VBVG für Teile eines Monats festzusetzen.

Gegen die Anwendung des § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG spricht auch, dass in der Begründung des Bundesratsentwurfs als Anwendungsfälle des § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG nur die Beendigung der Betreuung, der Wechsel in der Person des Betreuers bzw. die Fortführung einer berufsmäßigen Betreuung als ehrenamtliche sowie der Umzug des Betroffenen aus der Wohnung in ein Heim und umgekehrt genannt sind (BT-Drucks. 15/2494 S. 34). Die weitere Unterscheidung zwischen mittellosen und nicht mittellosen Betroffenen wurde erst durch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses in das Gesetz eingeführt (BT-Drucks. 15/4874 S. 19, Begründung S. 31). Dabei wurde aber die Problematik einer Anwendung des Abs. 4 der Vorschrift auch auf den Eintritt der Mittellosigkeit offensichtlich nicht erkannt (vgl. Knittel aaO). Dies zeigt sich auch daran, dass eine eigene Begründung des Rechtsausschusses zu Abs. 4 fehlt.

(2) Der Problematik, dass nicht tageweise festgestellt werden kann, wie hoch der Vergütungsanspruch des Betreuers für den jeweiligen Monat sein wird und ob der Betroffene die Vergütung aus seinem Einkommen oder Vermögen wird bestreiten können, kann man auch nicht dadurch entgehen, dass man dabei nicht auf die Vergütung für den ganzen Monat, sondern nur auf die bis dahin aufgelaufenen täglichen Vergütungsanteile abstellt und den Betroffenen beispielsweise mit Ablauf des zweiten Tags eines Betreuungsmonats dann für nicht mittellos hielte, wenn er an diesem Tag zur Zahlung der Vergütung für zwei Tage in der Lage wäre. Denn aus § 1836d Nr. 1, 2. Alt. BGB folgt, dass bei einer Leistungsfähigkeit für nur einen Teil der Vergütung der Betroffene als mittellos gilt.

(3) Gegen eine monatsweise Berücksichtigung der Mittellosigkeit bei der Festsetzung der Stundenansätze des § 5 VBVG spricht auch nicht § 9 VBVG, der dem Betreuer erst nach Ablauf von drei Monaten erlaubt, die Vergütung geltend zu machen. Diese Vorschrift dient der Vermeidung von erhöhtem Verwaltungsaufwand bei Gericht (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs des Bundestags zu § 1908o BGB BT-Drucksache 15/2494 S. 36 Spalte 2) und kann nicht dazu herangezogen werden, die in den konkreten Betreuungsmonaten bereits nach § 5 Abs. 1 VBVG verdiente Vergütung des Betreuers nachträglich zu kürzen.

ee) Es kann offen bleiben, ob im Einzelfall die Rechtsfrage anders zu beantworten wäre, wenn die Festsetzung gegen den Betroffenen scheitert, weil der Betreuer angesichts einer erkennbar bevorstehenden Mittellosigkeit es schuldhaft unterlassen hat, die Festsetzung gegen den Betroffenen zu beantragen. Denn im vorliegenden Falle war der Betreuer von Gesetzes wegen gehindert, vor Ablauf der Dreimonatsfrist des § 9 VBVG seine Vergütung abzurechnen. Ohne diese Einschränkung hätte möglicherweise für den ersten Monat des gegenständlichen Abrechnungsquartals die Vergütung noch gegen den Betroffenen festgesetzt werden können. Auch diese „Benachteiligung“ des Fiskus hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen.

ff) Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts, die auf den Angaben des ehemaligen Betreuers beruhen, ist der Betroffene während des Abrechnungszeitraums mittellos geworden. Der Betreuer hat vorgetragen, dass die Mittellosigkeit am 19.10.2007 eingetreten sei. Damit steht fest, dass der Betroffene zum Ende des ersten Abrechnungsmonats, also zum 29.9.2007 noch nicht mittellos war, während zum Ende des zweiten Abrechnungsmonats die Mittellosigkeit bereits eingetreten war.

Die Vergütung des Betreuers ist daher für den ersten Abrechnungsmonat auf 264 € (6 Stunden/Monat x 44 €/Stunde) festzusetzen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VBVG). Der nicht mittellose Betroffene lebte nicht in einem Heim und der Abrechnungsmonat lag im zweiten Halbjahr der Betreuung.

gg) Der Senat sieht sich jedoch an einer Entscheidung für den zweiten Monat des Abrechnungszeitraums vom 30.9,2007 bis 29.10.2007 durch die Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 30.7.2007 – 11 Wx 14/07 (BtPrax 2007, 267 [LS] = FamRZ 2007, 2109 [LS], Volltext bei juris) gehindert.

(1) Zwar stehen die Entscheidungen des OLG Dresden vom 19.2.2007 – 3 W 77/07 (BtPrax 2007, 256), des OLG Hamburg vom 15.8.2007 – 2 Wx 85/07 (OLGR Hamburg 2008, 201 = FamRZ 2008,91) und des OLG Frankfurt vom 15.4.2008 (aaO) der Rechtsaufassung des Senats nicht entgegen. Auch wenn die Oberlandesgerichte Frankfurt und Hamburg in den Gründen der Entscheidungen darlegen, dass gegebenenfalls die Frage der Mittellosigkeit in einzelnen Monaten auch zeitanteilig gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG zu bestimmen sei, war dies für deren Entscheidungen nicht tragend. Denn in allen drei Fällen betraf die Mittellosigkeit bzw. deren Fehlen entweder ganze Betreuungsmonate oder gar den gesamten Abrechnungszeitraum.

(2) Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Senats stellt das OLG Brandenburg jedoch zur Prüfung der Mittellosigkeit nicht auf ganze Betreuungsmonate ab, sondern bestimmt taggenau den Zeitpunkt, zu dem sich der Vermögensstatus des Betroffenen ändert, und setzt die Vergütungshöhe für den Monat, in dem der Wechsel eintritt, anteilig unter Anwendung der Regel des § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG fest.

(3) Die Frage, ob die Bestimmung der Mittellosigkeit taggenau oder für ganze Betreuungsmonate zu erfolgen hat, ist auch erheblich, da der Betreuer die Festsetzung der erhöhten Vergütung für die Betreuung eines nicht mittellosen Betroffenen auch für den Teil eines Monats begehrt. Folgte man der Rechtsauffassung des OLG Brandenburg, das auch die Stundenansätze für nicht mittellose Betroffene für Teile eines Monats unter Anwendung von § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG bewilligt hat, wäre der Beschwerde des ehemaligen Betreuers für den zweiten Abrechnungsmonat stattzugeben, während die Rechtsauffassung des Senats zur Zurückweisung der Beschwerde für diesen Monat führen würde.

54Die Sache ist daher insoweit dem Bundesgerichtshof gemäß § 28 FGG zur Entscheidung vorzulegen.

Der dritte Abrechnungsmonat ist nicht Gegenstand der weiteren Beschwerde, weil insoweit der Betreuer keine höhere als die festgesetzte Vergütung begehrt.