OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.12.2007 - 2 U 200/07
Fundstelle
openJur 2012, 29316
  • Rkr:

Der Vermieter ist grundsätzlich berechtigt, infolge der Unwirksamkeit einer Schönheitsreparaturklausel einen Zuschlag zur ortsüblichen Vergleichsmiete von dem Mieter zu verlangen.

Tenor

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 75%, die Klägerin 25% zu tragen.

Gründe

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstückes in der … straße .. in O1. Zwischen der Beklagten und einer Erbengemeinschaft Dr. A-Erben, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, wurde am 26.05.1987 ein Mietvertrag über im 3. Obergeschoss des vorbezeichneten Hauses gelegene Räume geschlossen. In § 7 Abs. 6 des Mietvertrages wurde geregelt, dass der Mieter auf seine Kosten die Schönheitsreparaturen in den Küchen und Bädern alle drei Jahre, in den übrigen Räume alle fünf Jahre fachmännisch durchführen zu lassen habe, erstmals bis zum Ende des zweiten Mietmonats.

Die in dem Mietvertrag ursprünglich vereinbarte Nettomiete von 370,-- DM wurde zum 01. August 1995 einverständlich auf 440,-- DM, die entspricht einem Betrag von 224,97 EUR erhöht.

Mit Mieterhöhungsbegehren vom 08. Januar 2007 hat die Klägerin die Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete ersucht. Dieses Mieterhöhungsverlangen bestand aus zwei selbständigen Elementen, zum einen bezog sich die Mieterhöhung auf die Kriterien des Mietspiegels der Stadt O1 am Main von 2006, zum anderen wurde in dem Schreiben auf die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wirksamkeit von Schönheitsreparaturklauseln verwiesen.

In Umsetzung dieser Rechtsprechung gehen beide Parteien davon aus, dass die vorerwähnte Klausel des Mietvertrages über die Schönheitsreparaturen unwirksam ist. Im Hinblick darauf forderte die Klägerin in ihrem Mieterhöhungsverlangen einen Zuschlag von 0,70 EUR pro Quadratmeter für die Durchführung von Schönheitsreparaturen unter Hinweis auf § 28 Abs. 4 Satz 1 der zweiten Berechnungsverordnung.

Nachdem die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 01.03.2007 einer Erhöhung der Nettomiete auf 228,23 EUR zugestimmt hat, aber einen Zuschlag für die Schönheitsreparaturen abgelehnt hat, hat die Klägerin mit ihrer Klage einen Zuschlag in Höhe von 40,04 EUR monatlich zur ortsüblichen Vergleichsmiete für Schönheitsreparaturen geltend gemacht.

Mit Urteil des Amtsgerichts Frankfurt vom 26.09.2007 hat das Amtsgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Erhöhung der Nettomiete für die von ihr angemietete Zweizimmerwohnung von 228,23 EUR auf 268,27 EUR ab dem 01.04.2007 zuzustimmen.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil und macht geltend, dass es der Klägerin als Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwehrt sei, sich auf die Unwirksamkeit der Klausel über die Schönheitsreparaturen zu berufen.

Sie selbst habe die Nachteile zu tragen, die durch die Unwirksamkeit der Klausel entstehen würden, da dies gerade dem Sanktionscharakter des § 9 AGBG und dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion entsprechen würde. Zudem könnten für die Mieterhöhung nicht die pauschalen Kostenansätze für Schönheitsreparaturen gemäß § 28 Abs. 2 der zweiten Berechnungsverordnung herangezogen werden, denn in diesem Fall würde die ortsübliche Vergleichsmiete zu einem Element der Kostenmiete und damit zu einem festen Pauschalbetrag führen, was aber unzulässig sei.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 28. November 2007 haben sich die Parteien in der Hauptsache verglichen und die Kostenentscheidung dem Gericht nach § 91 a ZPO überlassen.

Der Rechtsstreit ist im zweiten Rechtszug in der Hauptsache durch den zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich nunmehr erledigt. Die Parteien haben sich nur über den hauptsächlichen Verfahrensgegenstand verglichen, die Kostentragungspflicht dagegen mit der in Ziffer 3. des Vergleichs enthaltenen sogenannten „negativen Kostenregelung“ (vgl. hierzu Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 98, Rdnr. 3 m. w. N.) zulässigerweise der Entscheidung des Gerichtes unterstellt.

Nach der Regelung des § 91 a ZPO ist über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu befinden, wobei in erster Linie maßgeblich die nach dem bisherigen Sach- und Streitstand zu beurteilende Erfolgsaussicht von Angriffs- und Verteidigungsvorbringen ist, ohne die über den Vergleich streitig zu entscheiden gewesen wäre. Gleichzeitig sind aber in die Ermessensentscheidung nach § 91 a ZPO auch die allgemeinen Grundsätze des Kostenrechtes einzustellen und der Inhalt des Vergleiches, wobei der Umfang des gegenseitigen Nachgebens bei der Ausübung des gerichtlichen Ermessens mit zu berücksichtigen ist (Baumbach/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 98, Rdnr. 37).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze erscheint es billig und gerechtfertigt, der Beklagten 75% der Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen und der Klägerin 25%.

Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zu Recht dem Grunde nach das Mieterhöhungsbegehren der Klägerin für gerechtfertigt erklärt, da die Klägerin gemäß § 558 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Nettomiete um einen Zuschlag zur ortsüblichen Vergleichsmiete infolge der Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel hat.

Die Klägerin ist nämlich berechtigt, auf der Grundlage des Rücksichtnahmegebotes gemäß § 241 Abs. 2 BGB infolge der Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel in dem Mietvertrag einen Zuschlag zur ortsüblichen Vergleichsmiete von der Beklagten als Mieterin zu verlangen.

Dies erfolgt daraus, dass entgegen dem gesetzlichen Leitbild des § 535 BGB, nachdem der Vermieter dem Mieter die gemietete Wohnung in einem zum vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten hat, regelmäßig in Mietverträgen die an sich dem Vermieter obliegende Pflicht zur Durchführung der Schönheitsreparaturen auf die Mieter übertragen wurde. Durch diese Übertragung der Schönheitsreparaturenpflicht auf den Mieter hat sich aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Charakter der Erhaltungspflicht nicht geändert, vielmehr wurde auf den Mieter durch die entsprechende Klausel eine Haupflicht des Mietvertrages übertragen (BGH NJW 1977, 36). Durch die Übertragung dieser Hauptpflicht auf den Mieter, die auch in § 7 Abs. 6 des Mietvertrages zwischen den Parteien vorgenommen wurde, ist deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass der Umfang und die Durchführung der Schönheitsreparaturen bei der Kalkulation des Mietpreises als mieterhöhender Faktor nicht berücksichtigt wurde, da die Klägerin durch die entsprechende Klausel in dem Mietvertrag gerade insoweit von ihrer Erhaltungspflicht befreit wurde.

Diese Regelung in dem zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag entsprach der in O1 ständig geübten Vermietungspraxis, die die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen, die von Gesetzes wegen der Vermieterseite auferlegt ist, auf den Mieter abwälzte. Entsprechend dieser praktischen Übung enthält der Mietspiegel für die Stadt O1 für das Jahr 2006 im Gegensatz zu früheren Regelungen keine Aussage mehr darüber, ob ihm überwiegend solche Mietverträge zugrunde liegen, in denen die Pflicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter abgewälzt wird oder ob dies nicht der Fall ist. Nach der ständig geübten Vermietungspraxis und den Darlegungen der Parteien ist aber davon auszugehen, dass der zur Mieterhöhung herangezogene Mietspiegel nicht davon ausgeht, dass der Vermieter die Schönheitsreparaturen zu tragen hat, sondern vielmehr aufgrund vertraglicher Absprachen der Mieter (LG Frankfurt NZM 2003, 974).

Die ursprünglich zwischen den Parteien gewählte individuelle Vertragsgestaltung im Hinblick auf die Übernahme der Schönheitsreparaturen durch die Beklagte hatte deshalb erheblichen Einfluss auf die Festsetzung des Mietwertes für die Wohnung. Die Regelung der Schönheitsreparaturen in der individuellen Vertragsgestaltung ist ein Umstand, der erheblichen Einfluss auf den Mietwert einer Wohnung hat. Infolgedessen ist er auch für eine gerechte Bestimmung des Marktwertes wesentlich und daher, wie von dem Amtsgericht angenommen, bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete heranzuziehen (LG Hamburg NZM 2002, 945). Die Klägerin, die unter Bezugnahme auf den Mietspiegel, der keine Werte für die Schönheitsreparaturen enthält, die Zustimmung zu einer Mieterhöhung von der Beklagten begehrt hat, war deshalb berechtigt, zu den Werten des Mietspiegels einen Zuschlag für die Schönheitsreparaturen zu verlangen (OLG Koblenz, NJW 1985, 333; OLG Karlsruhe, NZM 2007, 481).

Diese Berechtigung der Klägerin, grundsätzlich einen Zuschlag zur ortsüblichen Vergleichsmiete von der Beklagten verlangen zu können, entfällt auch nicht dadurch, dass die ursprünglich in dem Mietvertrag vorgesehene Klausel über die Schönheitsreparaturen unwirksam ist. Soweit teilweise die Auffassung vertreten wird, ein Zuschlag zur Miete könne deshalb nicht verlangt werden, weil dies dem Strafcharakter des § 307 BGB zuwiderlaufen würde und zudem das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unwirksamer Klauseln unterlaufen würde, vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen.

Es besteht nämlich, worauf das Amtsgericht zu Recht abgestellt hat, kein sachlicher Grund für eine Differenzierung dahingehend, ob die Mietvertragsparteien von vornherein von einer Übertragung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter Abstand genommen haben, oder ob sich nach Vertragsabschluss herausgestellt hat, dass wegen der Unwirksamkeit einer Klausel im Formularmietvertrag der Mieter keine Schönheitsreparaturen leisten muss. Es ist in beiden Fällen zu ermitteln, wie hoch die übliche Vergleichsmiete unter den konkreten vertraglichen Umständen ist. Bei dieser Ermittlung wird aber die Wertung des § 307 BGB nicht missachtet, da der Vermieter gerade nicht eine Mieterhöhung für einen früheren Zeitraum verlangen kann, sondern sich die Mieterhöhung nur auf die Zukunft ausrichtet. Es wird deshalb nachträglich nicht eine zusätzliche Belastung des Mieters begründet, vielmehr wird durch das Mieterhöhungsverlangen für die Zukunft eine dem entsprechendem Leistungsaustausch ausgerichtete marktorientierte Miete verlangt. Unter diesem Gesichtspunkt liegt auch kein Verstoß gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion vor, denn die Klausel über die Durchführung der Schönheitsreparaturen wird gerade bei der Entscheidung nicht aufrechterhalten, vielmehr wird die ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt und somit ein angemessener Ausgleich zwischen den Parteien hergestellt (OLG Karlsruhe, NZM 2007, a.a.O.).

Obwohl nach dem Vorgesagten grundsätzlich das Mieterhöhungsbegehren der Klägerin gerechtfertigt war, erscheint es im Rahmen der Kostenverteilung nach § 91 a ZPO doch angemessen, ihr einen Teil der Kosten des Rechtsstreites aufzuerlegen, weil die Mieterhöhung allein pauschal nach der Regelung des § 28 Abs. 4 Satz 2 der zweiten Berechnungsverordnung ermittelt wurde. Diese Ermittlung des Erhöhungsbetrages ist aber problematisch, weil für die Berechnung eines derartigen Zuschlags tatsächlich die Maßstäbe in dem konkreten Mietverhältnis der Parteien fehlen (Emmerich, Mietrecht, Handkommentar 9. Aufl., § 558, Rdnr. 10). Es ist hier insbesondere zu berücksichtigen, dass zwischen den Parteien ein sehr langfristiger Mietvertrag besteht und es bisher anscheinend noch nie Streitigkeiten über Art und Umfang der von der Beklagten zu tätigenden Schönheitsreparaturen gegeben hat. Wie die Beklagte eventuelle Schönheitsreparaturen durchgeführt hat, ist nicht ersichtlich und von der Klägerin nicht dargelegt. Angesichts dieser konkreten lang geübten Verhältnisse erscheint es dem Senat deshalb zweifelhaft, ob hier tatsächlich der in § 28 Abs. 4 Satz 2 der zweiten Berechnungsverordnung angesetzte Erhöhungssatz von 0,70 EUR herangezogen werden kann, oder ob nicht, wie dies teilweise in der Literatur vertreten wird, Abschläge vorzunehmen sind. So hat die Klägerin nicht dargelegt, wie die Beklagte bei einem entsprechenden Bedarf früher die Schönheitsreparaturen ausgeführt hat. Der Höhe des Anspruches wegen der Schönheitsreparaturen bemisst sich aber regelmäßig danach, was die Beklagte als Mieterin bei der Durchführung der erforderlichen Schönheitsreparaturen tatsächlich aufgewendet hat, bzw. hätte aufwenden müssen. Diese Kosten liegen aber erfahrungsgemäß regelmäßig unter den Kosten, die bei einer Renovierung durch einen Fachhandwerker anfallen würden. Der Berechnungsverordnung liegen aber ersichtlich gerade solche allgemein ermittelten Kosten zugrunde, so dass es für den Senat gerade hier im Hinblick auf das langjährige Mietverhältnis zweifelhaft erscheint, ob diese Kosten abstrakt berechnet werden können, zumal hier auch die Wertung des Sanktionscharakters des § 307 BGB Einfluss nehmen kann (Schmitt/Futterer/ Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 558 a, Rdnr. 53).

Nach alledem erscheint unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes und des Vergleichsergebnisses dem Senat die in dem Beschlusstenor festgesetzte Kostenquote angemessen und billig.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 41 Abs. 5 Satz 1, 47 Abs. 1 GKG auf 480,48 EUR festgesetzt.

Es kann dahinstehen, ob eine Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Oberlandesgerichts in einem Verfahren nach § 91 a ZPO überhaupt statthaft ist, da dieses Verfahren nicht der Klärung schwieriger Rechtsfragen grundsätzlicher Art dient. Jedenfalls ist hier eine Zulassung der Rechtsbeschwerde mangels des Vorliegens der Voraussetzungen des § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO nicht veranlasst.