BPatG, Beschluss vom 30.04.2003 - 20 W (pat) 63/02
Fundstelle
openJur 2011, 117354
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beschluss des Patentamts vom 26. Juli 2002 wird aufgehoben.

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Patentanspruch 2 wie Patentschrift, Beschreibung Spalten 1-4 mit Einschub nach Spalte 1, Zeile 19, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 1 Blatt Zeichnung wie Patentschrift.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I Das Streitpatent 38 44 425 ist am 30. Dezember 1988 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet worden. Die Unionspriorität der Anmeldung P 62-335047 in Japan vom 31. Dezember 1987 ist in Anspruch genommen.

Der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:

"Kombinationsgerät mit Faksimilegerät (10), einer Steuereinrichtung (2), einem Anrufbeantworter (3, 4, 5, 6, 7, 13, 14, 15), der eine gespeicherte Nachricht absenden kann und daraufhin in eine Aufnahmebetriebsart umschaltet, deren Beendigung der Steuereinrichtung mitgeteilt wird, einem Telefon (TEL) und einer Anrufschaltung (10), die ein Rufsignal an einer Fernsprechleitung (L1, L2) detektiert, wobei die Steuereinrichtung den Anrufbeantworter mit der Fernsprechleitung verbindet, wenn das Telefon nicht abgehoben ist, und den Anrufbeantworter von der Fernsprechleitung trennt, wenn das Telefon abgehoben wird, eine Beendigung des Betriebs des Anrufbeantworters feststellt und daraufhin das Faksimilegerät zur Abgabe eines Erkennungssignals aktiviert, auf das hin eine Faksimileübertragung eingeleitet wird, und während das Telefon abgehoben ist, den Empfang eines vorbestimmten Tones feststellt und daraufhin das Faksimilegerät aktiviert und das Telefon von der Fernsprechleitung trennt."

Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden. Er ist auf die Behauptung gestützt, das Streitpatent nehme die Priorität nicht wirksam in Anspruch, der Patentgegenstand sei nicht patentfähig. Zur Begründung wurde auf folgende Druckschriften verwiesen:

(1) JP 63-256047 A, veröffentlicht am 24. Oktober 1988,

(2) JP 63-164746 A, veröffentlicht am 8. Juli 1988,

(3) DE 37 21 047 A1, veröffentlicht am 7. Januar 1988, Zeitrang der in Anspruch genommenen Unionspriorität 25. Juni 1986,

(4) JP 63-256046, veröffentlicht am 24. Oktober 1988.

Die Patentinhaberin hielt den Einspruch für unzulässig und unbegründet.

Das Patentamt - Patentabteilung 31 - hat das Patent durch Beschluss vom 26. Juli 2002 widerrufen. Der Einspruch sei zulässig, und der Gegenstand des Patents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Das letzte kennzeichnende Merkmal, wonach die Steuereinrichtung "während das Telefon abgehoben ist, den Empfang eines vorbestimmten Tones feststellt und daraufhin das Faksimilegerät aktiviert und das Telefon von der Fernsprechleitung trennt", gehe zwar nicht über den Inhalt der beim Patentamt ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus, sei aber der Anmeldung in Japan, deren Priorität das Streitpatent in Anspruch nimmt, nicht als zu der dort offenbarten Erfindung gehörend entnehmbar. Dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 komme daher erst der Zeitrang des Anmeldetags des Streitpatents zu. Danach gehörten die im Einspruch genannten Entgegenhaltungen (1) und (2), die im Prioritätsintervall veröffentlicht sind, zum vorveröffentlichten Stand der Technik. Aus diesem Stand der Technik ergebe sich der Anspruchsgegenstand für den Fachmann in naheliegender Weise.

Im Beschwerdeverfahren erklärt die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 16. April 2003 die Teilung des Patents, reicht eine Übersetzung der japanischen Prioritätsanmeldung ins Englische ein und versieht das letzte Merkmal im Patentanspruch 1 mit einer Fußnote des Inhalts, dieses Merkmal gehe über den Inhalt der Prioritätsanmeldung hinaus, und aus ihm könnten keine Rechte hergeleitet werden.

In der mündlichen Verhandlung beantragt die Patentinhaberin, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit Anspruch 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, und angepasster Beschreibung aufrechtzuerhalten.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Kombinationsgerät mit einem Faksimilegerät (10), einer Steuereinrichtung (2), einem Anrufbeantworter (3, 4, 5, 6, 7, 13, 14, 15), der eine gespeicherte Nachricht absenden kann und daraufhin in eine Aufnahmebetriebsart umschaltet, deren Beendigung der Steuereinrichtung mitgeteilt wird, einem Telefon (TEL) und einer Anrufschaltung (1), die ein Rufsignal an einer Fernsprechleitung (L1, L2) detektiert, wobei die Steuereinrichtung den Anrufbeantworter mit der Fernsprechleitung verbindet, wenn das Telefon nicht abgehoben ist, und den Anrufbeantworter von der Fernsprechleitung trennt, wenn das Telefon abgehoben wird, eine Beendigung des Betriebs des Anrufbeantworters feststellt und daraufhin das Faksimilegerät zur Abgabe eines Erkennungssignals aktiviert, auf das hin eine Faksimileübertragung eingeleitet wird, und während das Telefon abgehoben ist, den Empfang eines vorbestimmten Tones feststellt und daraufhin das Faksimilegerät aktiviert und das Telefon von der Fernsprechleitung trennt; das Merkmal "und während das Telefon abgehoben ist, den Empfang eines vorbestimmten Tones feststellt und daraufhin das Faksimilegerät aktiviert und das Telefon von der Fernsprechleitung trennt" geht über den Inhalt der Prioritätsanmeldung hinaus und kann die Patentfähigkeit bei Berücksichtigung des Zeitrangs der Prioritätsanmeldung nicht stützen."

Die Patentinhaberin führt zur Begründung im wesentlichen aus, ohne das kommentierte Anspruchsmerkmal komme dem Patentgegenstand der Zeitrang des Anmeldetags der Prioritätsanmeldung zu. Der danach noch in Betracht zu ziehende Stand der Technik stehe der Patentfähigkeit nicht entgegen.

Die Einsprechende hat sich zur Sache nicht geäußert und ist - wie schriftsätzlich angekündigt - zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Im Erteilungsverfahren sind für die Beurteilung der Patentfähigkeit noch folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:

(5) JP 62-281655 A

(6) JP 62-281657 A

(7) JP 61-103354 A.

Wegen des Wortlauts des geltenden Patentanspruchs 2 und weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II Die Teilung des Patents ist mit Schriftsatz vom 16. April 2003 wirksam erklärt worden. Die wirksame Teilung eines Patents setzt nicht voraus, dass durch die Teilungserklärung ein gegenständlich bestimmter Teil des Patents definiert wird, der von diesem abgetrennt wird (BGH Mitt. 2002, 526 = GRUR 2003, 47 - Sammelhefter).

Im Verfahren des Stammpatents kann sofort entschieden werden, denn es gibt keinen mit der Teilungserklärung abgetrennten Teil, der wieder in das Stammpatent zurückfallen könnte, wenn die Teilungserklärung nach § 39 Abs. 3 PatG als nicht abgegeben gilt oder vorzeitig zurückgenommen wird. Ein "Schwebezustand" besteht lediglich im Hinblick auf das Entstehen der Teilanmeldung (BPatG Mitt. 2003, 64 = GRUR 2003, 321 - Unterbrechungsbetrieb).

Der Einspruch ist zulässig, was auch die Patentinhaberin im Beschwerdeverfahren nicht mehr in Frage stellt. Zur Begründung macht sich der Senat die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss zu eigen.

III Die Beschwerde hat Erfolg. Die Fassung des geltenden Patentanspruchs 1, die gegenüber der erteilten Version mit einem erläuternden Hinweis zum letzten Merkmal versehen ist, ist zulässig. Der Anspruchsgegenstand ohne dieses Merkmal ist patentfähig.

1. Das Streitpatent nimmt für die Merkmalsgesamtheit des Patentanspruchs 1 der erteilten Fassung wie auch der insoweit gleichen geltenden Fassung die Priorität der japanischen Anmeldung vom 31. Dezember 1987 nicht wirksam in Anspruch. Das letzte Anspruchsmerkmal, wonach die Steuereinrichtung "während das Telefon abgehoben ist, den Empfang eines vorbestimmten Tones feststellt und daraufhin das Faksimilegerät aktiviert und das Telefon von der Fernsprechleitung trennt", ist dem Fachmann, einem Diplomingenieur oder Physiker der Fachrichtung elektrische Nachrichtentechnik mit speziellen Erfahrungen in der Entwicklung von Systemen mit Telefon, Anrufbeantworter und Faksimilegerät, in der Prioritätsanmeldung nicht als zur beanspruchten Erfindung gehörend offenbart. Dieses Merkmal an sich und in Verbindung mit den übrigen findet sich erst in der Anmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt. Dies ist im angefochtenen Beschluss überzeugend ausgeführt und wird von der Patentinhaberin nicht mehr bestritten. Auch die nunmehr vorliegende englische Übersetzung der Prioritätsanmeldung bringt keine neuen Gesichtspunkte.

Einzelmerkmale können nicht in ein und demselben Patentanspruch mit unterschiedlicher Priorität miteinander kombiniert werden, BGH Mitt. 2001, 550 = GRUR 2002, 146 - Luftverteiler. Der Gesamtheit der Merkmale des Patentanspruchs 1 kommt daher erst der Zeitrang des deutschen Anmeldetags zu, mit der Folge, dass der Stand der Technik nach den Druckschriften (1) und (2) zur Prüfung auf erfinderische Tätigkeit in Betracht zu ziehen ist. Aus diesem Stand der Technik ergibt sich die beanspruchte Erfindung für den Fachmann in naheliegender Weise. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Darlegungen im angefochtenen Beschluss des Patentamts verwiesen.

2. Die im Patentanspruch 1 enthaltene Unterkombination ohne das später offenbarte einschränkende Merkmal ist ersichtlich und unbestritten der Prioritätsanmeldung entnehmbar. Ihr kommt als Zeitrang der Anmeldetag der Prioritätsanmeldung zu. Für die Beurteilung der Patentfähigkeit dieser Unterkombination sind als Stand der Technik nach § 3 Abs.1 PatG die Druckschriften (5) bis (7) heranzuziehen, weiter nach § 3 Abs. 2 die ältere Anmeldung nach Druckschrift (3). Demgegenüber erweist sich die Merkmalsgesamtheit ohne das letzte Merkmal im Patentanspruch 1 als patentfähig.

a) Stand der Technik Die Druckschrift (7) beschreibt ein Kombinationsgerät, das aus einem Telefon TEL, einem Anrufbeantworter TAD, einer Steuereinrichtung 6, einer Anrufschaltung (ringing detector 1) zum Detektieren eines Rufsignals an einer Fernsprechleitung L1, L2 und weiteren Geräten A - F besteht, zu denen auch ein Faksimilegerät gehören kann. Der Anrufbeantworter kann eine gespeicherte Nachricht absenden und daraufhin in eine Aufnahmebetriebsart umschalten (Sp 1 Z 52 - 58 der zu (7) als Übersetzung herangezogenen US 4 788 714). Wenn die Anrufschaltung ein Rufsignal an der Fernsprechleitung L1, L2 feststellt, wird der Anrufbeantworter mit der Fernsprechleitung verbunden, der dann eine gespeicherte Nachricht sendet, in der der Anrufer darauf hingewiesen wird, dass er durch Drücken einer bestimmten Taste eine Verbindung zu einem anderen Gerät, beispielsweise zu einem Faksimilegerät, herstellen kann (Sp 1 Z 52 - 54; Sp 5 Z 14 - 20). Ein Tondecoder 4 stellt fest, ob der dieser Taste entsprechende Ton vom Anrufer gesendet wird, woraufhin dann die Steuereinrichtung (Mikroprozessor 6) die Verbindung zum Anrufbeantworter unterbricht und eine Verbindung zu dem anderen Gerät herstellt. Wenn der entsprechende Ton nicht festgestellt wird, wird der Anrufbeantworter nach einer bestimmten Zeit von der Telefonleitung getrennt und die Verbindung unterbrochen (Sp 6 Z 10 - 11).

Nach Beendigung des Betriebs des Anrufbeantworters ist die Herstellung einer Verbindung mit einem Faksimilegerät nicht mehr möglich. Im Unterschied zu dem Gegenstand der Unterkombination des Patentanspruches 1 wird daher das Faksimilegerät nach Beendigung des Betriebs des Anrufbeantworters nicht zur Abgabe eines Erkennungssignals aktiviert. Stattdessen muss eine Faksimileübertragung vom Anrufer während des Betriebs des Anrufbeantworters durch Drücken einer Taste entsprechend den durch die Sprachansage des Anrufbeantworters mitgeteilten Anweisungen hergestellt werden.

Die Druckschriften (5) und (6) sowie die ältere Anmeldung nach Druckschrift (3) haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt und bringen hinsichtlich der Beurteilung der Patentfähigkeit keine neuen Gesichtspunkte.

b) Neuheit Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Gegenstand der Unterkombination des Patentanspruches 1 ist neu, denn keine der Druckschriften zeigt alle seine Merkmale, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Stand der Technik ergibt.

c) Erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand der Unterkombination des Patentanspruches 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei dem Gerät nach der nächstkommenden Druckschrift (7) handelt es sich um eine Vorrichtung zur automatischen Beantwortung von Telefonanrufen. Derartige Vorrichtungen werden üblicherweise dann eingesetzt, wenn eine große Anzahl von Anrufen automatisiert bearbeitet werden soll. Der Anrufer wird sofort mit dem Anrufbeantworter verbunden, der ihm durch eine zuvor gespeicherte Sprachansage mitteilt, wie er eine Verbindung zu den einzelnen angeschlossenen Geräten herstellen kann. So wird er beispielsweise darauf hingewiesen, dass durch Drücken der Taste "0" eine Verbindung zu einem Faksimilegerät möglich ist (Sp 5 Z 13 - 18). Wählt der Anrufer kein Gerät durch Drücken einer entsprechenden Taste aus, wird die Verbindung unterbrochen.

Der Fachmann hat keine Veranlassung, von dieser Vorgehensweise abzugehen, denn sie bietet dem Anrufer den Vorteil, dass er sich frei zwischen den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten entscheiden kann. Er geht daher davon aus, dass dem Anrufer nur durch Sprachinformation, d.h. während des Betriebs des Anrufbeantworters, die freie Auswahl zwischen den verschiedenen Verbindungsmöglichkeiten angeboten werden kann. Die Möglichkeit, nach Beendigung des Betriebs des Anrufbeantworters durch das Faksimilegerät ein Erkennungssignal auszusenden, zieht er jedenfalls nicht weiter in Betracht, weil damit auch diejenigen Anrufer mit dem Faksimilegerät verbunden werden, die keine Faksimileübertragung durchführen wollen und dies vorher bereits durch Nichtdrücken der entsprechenden Taste mitgeteilt haben. Damit gelangt der Fachmann ausgehend von der Vorrichtung nach Druckschrift (7) auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens und Fachkönnens nur durch erfinderische Tätigkeit dazu, die Steuereinrichtung so auszugestalten, dass sie nach Feststellung der Beendigung des Betriebs des Anrufbeantworters das Faksimilegerät zur Abgabe eines Erkennungssignals aktiviert, auf das hin eine Faksimileübertragung eingeleitet wird.

Selbst wenn man unterstellt, dass der Begriff "Erkennungssignal" im Patentanspruch 1 nicht nur elektronische Signale, sondern auch Sprachnachrichten umfasst, was bedeuten würde, dass das Faksimilegerät zur Abgabe von gesprochenen Mitteilungen in der Lage sein müsste, führt das nicht zu einer anderen Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Zwar lässt sich möglicherweise bei der Vorrichtung nach (7) der von dem Anrufbeantworter abgegebene Hinweis auf das Drücken einer bestimmten Taste als Erkennungssignal ansehen. Dieses Erkennungssignal erfolgt aber in jedem Fall während des Betriebs des Anrufbeantworters, denn nach Beendigung des Betriebs des Anrufbeantworters ist die Abgabe einer Sprachnachricht durch den Anrufbeantworter nicht mehr möglich. Der Fachmann wird daher die Abgabe des Erkennungssignals nach Beendigung des Betriebs des Anrufbeantworters auch dann nicht erwägen, wenn er an die Möglichkeit eines gesprochenen Erkennungssignals denkt.

Schließlich könnte man auch noch das von dem Anrufer bei der Vorrichtung nach (7) durch Drücken einer bestimmten Taste erzeugte Signal als Erkennungssignal ansehen, auf das hin eine Faksimileübertragung eingeleitet wird. Dieses Signal wird vom Anrufer während des Betriebs des Anrufbeantworters abgegeben. Der Fachmann hat jedoch dann schon keine Veranlassung, von der Abgabe des Erkennungssignals durch das anrufende Gerät abzugehen und die Abgabe des Erkennungssignals durch das angerufene Gerät in Betracht zu ziehen, weil das dem Anrufer die komfortable Auswahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Geräten nehmen würde.

3. Bei dieser Sachlage, bei der die patentfähige Lehre der Unterkombination in der Prioritätsanmeldung offenbart und im Patentanspruch verblieben ist, ist es nicht gerechtfertigt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Auch das Interesse der Allgemeinheit erfordert in einem solchen Fall nicht den vollständigen Widerruf.

a) Eine Streichung des in Rede stehenden letzten Merkmals im Patentanspruch 1 scheidet allerdings aus; eine solche Änderung missachtete § 22 Abs. 2 2. Alternative, BGH Mitt. 2001, 25 = GRUR 2001, 140 - Zeittelegramm.

b) Würde andererseits das Patent ohne Änderung aufrechterhalten, könnte das den unrichtigen Eindruck erwecken, dass die Priorität für die volle Merkmalsgesamtheit wirksam in Anspruch genommen ist, oder dass diese Merkmalsgesamtheit auch unter Berücksichtigung des späteren Zeitrangs des deutschen Anmeldetags patentfähig ist. Um einer Irreführung in dieser Richtung zu begegnen, bedarf es einer entsprechenden beschränkenden Erklärung im Patent.

c) Die Patentinhaberin hat - dieser Forderung genügend - das in Rede stehende einschränkende Anspruchsmerkmal durch einen erläuternden Hinweis des Inhalts ergänzt, dass es über den Inhalt der Prioritätsanmeldung hinausgeht und die Patentfähigkeit bei Berücksichtigung des Zeitrangs der Prioritätsanmeldung nicht stützen kann. Mit dieser Erklärung wird zweierlei erreicht: Einerseits wird der geschützte Gegenstand wie in der erteilten Fassung durch das später offenbarte und in den Patentanspruch aufgenommene Merkmal mit bestimmt; die Patentinhaberin muß es insoweit gegen sich gelten lassen. Andererseits wird damit zum Ausdruck gebracht, dass dieses Merkmal für die Patentfähigkeit der im Patentanspruch 1 enthaltenen zeitrangfrüheren Unterkombination keine Bedeutung hat. Die Aufnahme der Erklärung im Patentanspruch 1 ist sachgerecht; sie bringt den Vorrang des Patentanspruchs gegenüber der Beschreibung zum Ausdruck, § 14, § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG.

Die gegenüber der erteilten Fassung sonst noch vorgenommenen Änderungen (Einfügung von "einem" vor "Faksimilegerät" am Beginn und Berichtigung des Bezugszeichens nach "Anrufschaltung") sind lediglich redaktioneller Natur.

d) Eine mit der vorliegenden Problemlösung vergleichbare Vorgehensweise wird von der Rechtsprechung bislang auf Fälle angewandt, bei denen im Patent eine über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehende bloße Einschränkung des Anmeldungsgegenstandes vorgenommen wurde und die beanspruchte Erfindung ohne diese Änderung patentfähig ist. Mit dieser sogenannten "Disclaimerlösung" kann im Wege der beschränkten Aufrechterhaltung bzw. teilweisen Nichtigerklärung des Patents der vollständige Widerruf bzw. die Nichtigerklärung in vollem Umfang wegen "unzulässiger Erweiterung", § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG , vermieden werden (zum Einspruchsverfahren: BPatG GRUR 1990, 114 - Flanschverbindung; zum Nichtigkeitsverfahren: BPatGE 42, 57 - Fernsehgerätebetriebsparameteranzeige; vergl. auch - allerdings die Notwendigkeit eines erläuternden Hinweises im Patent in Frage stellend - BGH GRUR 2001, 140 - Zeittelegramm).

Gründe, die eine Übertragung dieser in ständiger Rechtsprechung angewandten "Disclaimerlösung" auf eine Fallgestaltung der hier vorliegenden Art verbieten könnten, sind nicht ersichtlich. Der einzige Unterschied liegt darin, dass es vorliegend um die Vermeidung des Widerrufsgrundes der fehlenden Patentfähigkeit, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG, aufgrund einer Zeitrangverschiebung geht, während sonst der Widerrufsgrund Nr. 4 der "unzulässigen Erweiterung" im Vordergrund steht. Hinsichtlich der jeweiligen inhaltlichen Qualität des fraglichen Merkmals sind keine wesentliche Unterschiede vorhanden. Es handelt sich stets um eine unzulässige, weil später offenbarte Einschränkung, die über den Inhalt der maßgeblichen Anmeldung hinausgeht: hier der Prioritätsanmeldung, dort der Anmeldung des Patents. Der zur Feststellung der Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit anzuwendende Offenbarungsbegriff ist derselbe: Die beanspruchte Merkmalskombination ist nur dann zulässig, wenn sie sich dem Fachmann in der jeweiligen Anmeldung in ihrer Gesamtheit als zur beanspruchten Erfindung gehörend offenbart (BGH "Luftverteiler" a.a.O. mwN).

Ergänzend ist noch auf die BGH-Entscheidung "Aufhänger", GRUR 1979, 224, hinzuweisen, mit der nach Art der "Disclaimerlösung" ebenfalls ein Zeitrangproblem in einer sowohl dem Patentinhaber als auch der Allgemeinheit gerecht werdenden Weise gelöst wurde. Danach war ein Patent nicht in vollem Umfang für nichtig zu erklären, das einerseits ein Merkmal enthielt, das im Laufe des Erteilungsverfahrens vor dem 1. Oktober 1968 offenbart und in den Patentanspruch eingefügt worden war, nachdem dessen Gegenstand offenkundig benutzt worden war, aber andererseits eine patentfähige Unterkombination mit dem Zeitrang des Anmeldetages ohne das betreffende Merkmal enthielt. Es wurde entschieden, der Patentinhaber müsse das später in den Patentanspruch eingefügte Merkmal gegen sich gelten lassen, und das Patent sei dadurch teilweise für nichtig zu erklären, dass das eingefügte Merkmal im Patentanspruch als im Zusammenhang mit den übrigen Merkmalen und als für sich allein bekannt bezeichnet werde. Nach damals geltendem Recht war für den Gegenstand des Streitpatents als Zeitrang der nach dem Anmeldetag liegende Zeitpunkt der ersten vollständigen Offenbarung des Anspruchsgegenstands zu berücksichtigen.

Dass der BGH in seiner jüngsten einschlägigen Entscheidung "Luftverteiler", GRUR 2002, 146, die Möglichkeit einer "Disclaimerlösung" nicht erörtert hat, versteht der Senat nicht als Hinweis dahingehend, dass eine solche Lösung im vorliegenden Fall unzulässig sein könnte.

4. Mit dem Patentanspruch 1 hat auch der auf ihn rückbezogene Patentanspruch 2 Bestand. Die Beschreibung, in der Angaben zu den Druckschriften (1) und (2) ergänzt sind, genügt den an sie nach Änderung des erteilten Patents zu stellenden Anforderungen.

IV Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist durch die Rechtsfrage veranlasst, ob ein Patent nach Art einer "Disclaimerlösung" beschränkt aufrechterhalten werden kann, wenn eine in der Prioritätsanmeldung offenbarte Unterkombination des Patentanspruchs ohne ein erst am Anmeldetag des Patents hinzugefügtes einschränkendes Merkmal patentfähig ist (§ 100 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 1. Alternative PatG).

Dr. Anders Obermayer Martens Dr. Zehendner Pr