BGH, Beschluss vom 07.02.2007 - X ARZ 423/06
Fundstelle
openJur 2011, 119258
  • Rkr:
Tenor

Als zuständiges Gericht wird das Landgericht München I bestimmt.

Gründe

A. Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus der Kapitalbeteiligung an zwei Medienfonds geltend. Sie trägt zur Begründung ihrer Klageforderung vor:

Sie habe im September 2003 eine Kommanditbeteiligung an der Film und Entertainment VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG (im Folgenden: VIP-Medienfonds 3) sowie im November 2004 eine Beteiligung an der Film und Entertainment VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG (im Folgenden: VIP-Medienfonds 4) gezeichnet. Der Beitritt sei auf Grund einer Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten zu 2 erfolgt. Die VIP-Medienfonds 3 und 4 hätten ihren Sitz in München. Unternehmensgegenstand seien die weltweite Entwicklung, Produktion, Koproduktion, Verwertung, Vermarktung und der Vertrieb von Kino-, Fernseh- und Musikproduktionen und Ähnlichem. Persönlich haftende Gesellschafterin und Geschäftsführerin beider Gesellschaften sei die F. GmbH, als deren Geschäftsführer der Beklag- te zu 1 im Handelsregister eingetragen sei. In den Prospekten sei als Fondsinitiatorin die V. V. GmbH bezeichnet, deren Ge- schäftsführer ebenfalls der Beklagte zu 1 sei.

Mit der zum Landgericht Wuppertal erhobenen Klage macht die Klägerin gegen die Beklagten zu 1, 3 und 4 Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung und unerlaubter Handlung und gegen die Beklagte zu 2, eine Bank, als Anlageberaterin und Vermittlerin der Kapitalanlagen Ansprüche wegen Verletzung von Informations- und Aufklärungspflichten geltend. Sie nimmt den Beklagten zu 1 als Initiator beider Fonds und Prospektverantwortlichen und die Beklagten zu 3 und 4 als nach ihrer Auffassung für die Verkaufsprospekte mitverantwortliche Banken in Anspruch; die Beklagte zu 4 hafte darüber hinaus wegen Überschreitung ihrer Kreditgeberrolle. Gegenüber der Beklagten zu 4, die einen Teil der Beteiligung an dem VIP-Medienfonds 4 finanziert hat, begehrt die Klägerin ferner die Feststellung, dass der Beklagten zu 4 aus der Finanzierung der Beteiligung an dem VIP-Medienfonds 4 keine Forderungen zustehen.

Der Beklagte zu 1 befindet sich in München in Untersuchungshaft. Die Beklagten zu 2 und 3 haben ihren Sitz in Frankfurt am Main, die Beklagte zu 4 in München. Nachdem die Beklagten die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts gerügt haben, hat die Klägerin beim Oberlandesgericht Düsseldorf die Bestimmung des zuständigen Gerichts beantragt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sich für (örtlich) unzuständig erklärt, da keiner der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand in seinem Bezirk habe, und das Verfahren an das Oberlandesgericht München verwiesen. Dieses hat die Sache gemäß § 36 Abs. 3 ZPO dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Das Oberlandesgericht München hält die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung für gegeben, sieht sich an einer entsprechenden Entscheidung aber gehindert durch abweichende Entscheidungen anderer O-berlandesgerichte.

B. Der Antrag führt zur Bestimmung des Landgerichts München I als zuständiges Gericht.

I. Der Bundesgerichtshof ist zur Entscheidung über den Gerichtsstandbestimmungsantrag berufen, da die Vorlage zulässig ist.

Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO hat ein Oberlandesgericht, das mit der Bestimmung des zuständigen Gerichts befasst ist, die Sache dem Bundesgerichtshof unter anderem dann vorzulegen, wenn es in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen will. Diese Voraussetzung ist hier gegeben.

Das vorlegende Oberlandesgericht will seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde legen, dass ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand für alle Beklagten nach § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht gegeben ist, da die Vorschrift weder auf Schadensersatzansprüche aufgrund von fehlerhaften öffentlichen Kapitalmarktinformationen bei Vermögensanlagen des ungeregelten ("grauen") Kapitalmarkts (s. auch OLG München, ZIP 2006, 1699) noch auf vertragliche Schadensersatzansprüche gegen Anlagevermittler - wie im Streitfall die Beklagte zu 2 - anwendbar sei. Damit würde es u.a. von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz (NJW 2006, 3723) abweichen, das beide Fragen anders beurteilt hat.

II. Der zulässige Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung ist begründet. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind erfüllt, da für die gegen die als Streitgenossen in Anspruch genommenen Beklagten geltend gemachten Ansprüche ein gemeinsamer Gerichtsstand nicht besteht.

Ein solcher gemeinsamer Gerichtsstand könnte sich nur aus § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergeben. Dies ist jedoch nicht der Fall, da dieser ausschließliche Gerichtsstand nicht für sämtliche Beklagten begründet ist.

Entgegen der Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts gilt dies allerdings nicht deshalb, weil § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf öffentliche Kapitalmarktinformationen, die Anlagen des "grauen" Kapitalmarkts betreffen, nicht anwendbar wäre. Die Vorschrift betrifft vielmehr, wie der Senat nach der Vorlageentscheidung des Oberlandesgerichts bereits entschieden hat (Beschl. v. 30.1.2007 - X ARZ 381/06, zur Veröffentlichung bestimmt), falsche, irreführende oder unterlassene Kapitalmarktinformationen aller Art und damit auch die öffentlich vertriebenen Prospekte der VIP-Medienfonds 3 und 4.

Der ausschließliche Gerichtsstand des § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO erfasst jedoch keine vertraglichen Schadensersatzansprüche gegenüber einer Bank oder einem anderen Vermittler, der den Anspruchsteller über Kapitelanlagen beraten und ihm die Anlage, über die öffentlich fehlerhaft informiert worden ist, empfohlen hat. Denn eine hierauf gestützte Klage ist nicht auf den Ersatz eines aufgrund fehlerhafter öffentlicher Kapitalmarktinformationen verursachten Schadens gerichtet, sondern auf den Ersatz eines Schadens aufgrund fehlerhafter Beratung, mag sich diese auch auf eine öffentliche Kapitalmarktinformation gestützt haben. Auch dies hat der Senat in dem vorgenannten Beschluss bereits entschieden.

III. Als zuständiges Gericht bestimmt der Senat das Landgericht München I.

Die Bestimmung hat nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Prozesswirtschaftlichkeit zu erfolgen, wobei die ausschließliche Zuständigkeit nach § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO für die gegenüber den Beklagten zu 1 und 3 sowie jedenfalls einen Teil der gegenüber der Beklagten zu 4 geltend gemachten Ansprüche die Bestimmung eines anderen Gerichts nicht grundsätzlich hindert (BGHZ 90, 155, 159 f.). Indessen hat die Beklagte zu 4 auch ihren allgemeinen Gerichtsstand in München und befindet sich der Beklagte zu 1 dort in Untersuchungshaft. Die Beklagte zu 2 hat ebenfalls die Bestimmung dieses Gerichts angeregt. Ein anderer örtlicher Schwerpunkt der Auseinandersetzung besteht nicht. Vielmehr ist das Landgericht München I nicht nur das nach § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuständige Ge- richt, sondern sind bei ihm auch bereits mehrere Parallelverfahren anhängig. Es ist demgemäß auch bereits in dem Verfahren X ARZ 381/06 vom Senat als zuständiges Gericht bestimmt worden.

Melullis Scharen Ambrosius Mühlens Meier-Beck Vorinstanz:

OLG München, Entscheidung vom 10.11.2006 - 31 AR 114/06 -