KG, Urteil vom 09.01.2006 - 10 U 231/04
Fundstelle
openJur 2012, 4821
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. November 2004 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 104 O 66/03 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Gründe

I.

Nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die Darstellung des Tatbestandes in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die Klägerin meint, das Landgericht habe eine Haftung der Beklagten als Bürgin zu Unrecht verneint. Entgegen der Auffassung des Landgerichts könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte nur für eine Forderung aus dem Hauptvertrag und den schriftlichen Nachtragsvereinbarungen hafte. Aus dem Schreiben vom 19. Januar 2000 ergebe sich für die Bürgschaft 858/0031 nichts. Das darin enthaltene Sicherungsverlangen habe sich auf eine weitere Bürgschaft bezogen, die dann als Bürgschaft 858/0032 gestellt worden sei. Die Bürgschaft 858/0031 jedenfalls hafte für den einheitlichen Anspruch aus der Schlussrechnung, der im Rahmen einer Saldobildung ermittelt werde, wobei die verschiedenen Werklohnanteile und mögliche weitere anspruchserhöhende Bestandteile einerseits und berechtigte Abzüge andererseits berücksichtigt würden. Es könne nicht festgestellt werden, dass die hauptvertraglichen Leistungen und diejenigen aufgrund der Nachtragsvereinbarung bezahlt seien, andere Nachtragsleistungen hingegen nicht.

Die Klägerin beantragt nach Rücknahme der weitergehenden Berufung,

die Beklagte zu 2) unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 4. November 2004 - 104 O 66/03 – zu verurteilen, an sie 360.896,88 Euro nebst 5 % Zinsen über dem SRF-Zinssatz der EZB seit dem 17. Juli 2001 Zug um Zug gegen Reduzierung ihrer Verpflichtung aus der Bürgschaftsurkunde 858/0031 um 360.896,88 Euro zu zahlen.

Die Beklagte zu 2) beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die gemäß § 511 ZPO statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht im Sinne der §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden. In der Sache erweist sie sich als unbegründet.

Das Landgericht hat eine Haftung der Beklagten als Bürgin zu Recht verneint. Die Klägerin stützt den nach Rücknahme der weitergehenden Berufung noch geltend gemachten Zahlungsanspruch gegen die Beklagte auf die Bürgschaft Nr. 858/0031. Dass sich eine Haftung für die geltend gemachte Forderung nicht aus der inzwischen im Zuge eines Schlusszahlungsvergleichs mit dem Insolvenzverwalter der R. AG zurückgereichten Bürgschaft 858/32 ergab, hat die Klägerin in der Berufungsbegründungsschrift eingeräumt. Wie darin ausgeführt, beschränkte sich die Bürgschaft Nr. 858/0031 auf die Vergütungsanteile aus dem Hauptvertrag und aus den schriftlichen Nachtragsvereinbarungen. Aus der Bürgschaft 858/0031 ergibt sich indes keine weitergehende Haftung.

Zwar kann für die erforderliche Auslegung, welche Ansprüche mit der Bürgschaft Nr. 858/0031 gesichert werden sollten, nicht auf die Anforderung der Klägerin vom 19. Januar 2000 und die darin enthaltene Aufschlüsselung der Forderung zurückgegriffen werden. Denn bei der Bürgschaft 858/0031 handelt es sich um eine Austauschbürgschaft gegen Rückgabe der Bürgschaft der B. B. vom 20. April 1999. Diese ging nicht auf das Verlangen einer weiteren Bürgschaft vom 19. Januar 2000 zurück.

11Ebenso wie die Zahlungsbürgschaft der B. B. vom 20. April 1999 sichert die Bürgschaft 858/0031 aber nicht auch Nachträge. Sowohl die Bürgschaft der B. B. vom 20. April 1999 als auch die Bürgschaft 858/0031 verweisen hinsichtlich der verbürgten Forderung ausdrücklich nur auf die nach dem Generalunternehmervertrag vom 3./11. Dezember 1998 zu erbringenden Vorleistungen. Die Bürgschaftserklärung enthält keine Übernahme der Haftung für hinzutretende oder allgemein für künftige Forderungen. Eine Bürgschaftsübernahme liegt damit lediglich insoweit vor, als Vorleistungen bereits vereinbart waren. Dies ergibt sich auch aus der Höhe der Zahlungsbürgschaften. Denn diese sind entsprechend § 9 des Generalunternehmervertrages auf 15 % der darin vereinbarten Werklohnsumme beschränkt.

Soweit vertreten wird, dass ungeachtet § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB, wonach die Verpflichtung des Bürgen durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt, nicht erweitert wird, Leistungsänderungen und -anordnungen bei VOB-Verträgen gemäß § 1 Nr. 3 und Nr. 4 Satz 1 VOB/B von einer Bürgschaft, die auf den Hauptvertrag Bezug nimmt, abgedeckt werden, weil der Auftraggeber lediglich ein Gestaltungsrecht ausübt (vgl. hierzu Ingenstau/Korbion, VOB, 15. Aufl., Rdnr. 99 zu § 17 Nr. 4 m. w. Nachw.), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn damit würde das Haftungsrisiko des Bürgen in für ihn unübersehbarer Weise erhöht. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei solchen Leistungsänderungen um Belastungen handelt, die für den Bürgen erkennbar im ursprünglichen Vertrag bereits angelegt sind und damit in der Regel als von der Bürgschaftserklärung erfasst angesehen werden können. Letztlich steht der Einbeziehung von Leistungserweiterungen nach § 1 Nr. 3 und Nr. 4 Satz 1 VOB/B auch das Bestimmtheitsgebot entgegen (vgl. OLG München BauR 2004, 1316).

Dafür, dass auch die Klägerin davon ausgegangen ist, dass die ursprüngliche Bürgschaft nicht auch die Nachträge sicheren würde, spricht im Übrigen auch das Verlangen der Stellung einer weiteren Bauhandwerkersicherheit nach § 648 a BGB vom 19. Januar 2000 gerade auch im Hinblick auf die schriftlich beauftragten Nachträge. Gemäß § 648 a BGB kann der Auftragnehmer für die von ihm zu erbringenden Vorleistungen Sicherheit bis zur Höhe des voraussichtlichen Vergütungsanspruchs verlangen, wie er sich aus dem Vertrag oder einem nachträglichen Zusatzauftrag ergibt. Die Einbeziehung eines nachträglichen Zusatzauftrages in die Bestimmung der Höhe des Sicherungsanspruchs gemäß Absatz 1 Satz 2 bringt zum Ausdruck, dass die Sicherheitsleistung durch entsprechendes Verlangen des Auftragnehmers später angepasst werden kann. Der Auftragnehmer kann also im Falle der Erhöhung des Vergütungsanspruchs vor allem bei zusätzlich beauftragten oder veränderten Leistungen eine Erhöhung der bisher verlangten und zur Verfügung gestellten Sicherheit beanspruchen (vgl. Ingenstau/Korbion a.a.O., Anh. 2, Rdnr. 152). Dass die Klägerin dies lediglich im Hinblick auf die schriftlichen Nachträge getan hat, geht zu ihren Lasten.

Mit der Aufnahme der Nachträge in die Bürgschaftsurkunde 858/0032 wurde schließlich zumindest mittelbar klargestellt, dass die Beklagte mit der Bürgschaft 858/0031 eine Leistungserweiterung nicht mit übernehmen wollte. So ist im Umkehrschluss davon auszugehen, dass weitere Nachträge nicht mit abgedeckt werden sollen, wenn in der Bürgschaft der Sicherungsgegenstand durch die Bezugnahme auf den Bauvertrag und einzelne konkret genannte Nachträge beschrieben wird (vgl. hierzu Ingestau/Korbion a.a.O., Rdnr. 29 zu § 17 Nr. 1 VOB/B unter Bezugnahme auf OLG Braunschweig BauR 1999, 72 und OLG Frankfurt IBR 2002, 478). Nichts anderes gilt nach Auffassung des Senats bei der hier erfolgten Ersetzung einer bereits vorliegenden, lediglich auf den Bauvertrag verweisenden Bürgschaft durch eine wortgleiche Bürgschaft und der gleichzeitigen Erteilung einer weiteren Bürgschaft unter Aufnahme bestimmter Nachträge. Darauf, ob die streitigen Nachtragsforderungen, wie die Klägerin behauptet, bereits vor Stellung der Bürgschaft am 2. Februar 2000 entstanden waren, kommt es deshalb nicht an.

15Liegt somit lediglich eine inhaltlich auf den Hauptauftrag und bestimmte Nachaufträge beschränkte Sicherheit vor, ist ein sich aus der Schlussrechnungsprüfung unter Einbeziehung sämtlicher Nachträge ergebender Saldo für die Haftung dieser Sicherheit nicht entscheidend, sondern allein die Tatsache, ob die geleisteten Zahlungen bzw. Verrechnungen ausreichen, die Hauptverbindlichkeit und die einbezogenen Nachtragsansprüche zu tilgen. Dies ist vorliegend der Fall. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, dass eine Haftung in der geltend gemachten Höhe deswegen zu bejahen ist, weil entsprechend § 366 Abs. 2 BGB mit der Schlusszahlung zunächst die Nachtragsforderungen als diejenigen Schulden, die ihr als Gläubigerin die geringere Sicherheit boten, getilgt wurden, verfängt dies nicht. Wie die Klägerin betont, handelt es sich bei der Schlusszahlung um eine Zahlung auf eine einheitliche Werklohnforderung. Auf diese ist § 366 Abs. 2 BGB nicht (entsprechend) anwendbar. Andernfalls würde eine Beschränkung der Bürgschaft auf die Hauptforderung leer laufen, weil diese dann immer bei nur teilweiser Zahlung wegen eines Restsaldos aus der gesicherten Forderung in Anspruch genommen werden könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfordert. Insbesondere liegt eine Abweichung von der Rechtsprechung eines obersten Gerichts oder eine sonstige Rechtsprechungsdivergenz nicht vor.